Runen - Bedeutung für die Germanen

Mysterium Runenschrift II

Welches Alphabet hat die Entwicklung der Runenschrift angeregt oder bestimmt? Die Frage wird diskutiert. Aus zeitlich-geographischen Überlegungen heraus werden vor allem 3 Alphabete diskutiert: a) Das lateinische, b) das Griechische c) „Nordetruskische“ Alphabete. Eigentlich eine überschaubare Anzahl, warum fällt es so schwer diese Frage zu beantworten?
Die Runenschrift weist gegenüber ihren mediterranen Vorbildern ganz gravierende Veränderungen in Form und Reihung der Zeichen auf, die weit über alles hinweggehen, was nötig gewesen wäre, um rein technisch eine Verschriftlichung für Germanen zu ermöglichen.
Archäologisch sind Funde von Runen sehr rar. Der älteste, gesicherte Fund ist der „Kamm von Vimose“ auf der Insel Fünen. Er wird datiert zwischen den Jahren 150-160 n.Chr.! Die Masse der frühen Inschriften stammt aus dem südskandinavischen Bereich – zeitlich wie geographisch fern von etruskischen oder griechischen Inspirationsquellen! Wahrscheinlich keine Runen sind auf der Fibel von Meldorf in Holstein zu finden: Eine einheimische Fertigung, wohl zwischen 50-100 n.Chr. entstanden. Die Inschrift wird als „IDIN“ gedeutet, meist aber eher als lateinische Schrift gedeutet! Das würde archäologisch bedeuten, dass zuerst lateinische Buchstaben, später erst Runen fassbar werden… Von 2 Funden her ist diese Ableitung problematisch! Im Falle der Fibel würde die Inschrift grob in den Zeitrahmen der römischen Expansion nach Germanien fallen. Damals wurden die Germanen massiv mit römischer Lebensart konfrontiert. Gerade im Heerwesen dürften einige Germanen mit der lateinischen Schrift in Kontakt gekommen sein und sie gelernt haben. (Man denke etwa an die in Britannien gefundenen, lateinischen Briefe einer Bataverkohorte). Das muss nichts mit der Entstehung der Runen zu tun haben, doch hat die Konfrontation die Entwicklung der Runen angestoßen? Die frühesten Funde von Runen, die aus dem südskandinavischen Bereich her stammen, liegen auffallend weit weg von Mittelmeer und ersten Kontakten mit Rom! Selbst während der römischen Eroberung war dieser Raum eher ein Randgebiet. Überraschend & zugleich typisch für die Runenproblematik ist dann die Feststellung, dass von ihren 24 Zeichen gerade einmal 4 Buchstaben stark mit dem römischen Alphabet übereinstimmen – und zudem stark verändert sind: Es handelt sich um die Buchstaben „F, R, B und M“. Wenn also die Fibel von Meldorf lateinische Zeichen zeigt, liegen zwischen Anregung und Umsetzung der Schrift so viele Unterschiede, dass mehr Fragen bleiben… Die theoretisch bestechende Annahme, dass die Runen um Christi Geburt im Kontakt mit Rom entstanden sind, kann also nicht zum Konsens führen. Zu dürftig sind Beweise- oder Hinweise...

Die frühesten Runeninschriften, die sicherlich nicht nachträglich in ein Objekt geritzt worden sind, finden sich in den Moorfunden von Thorsberg, Vimose oder Illerup, sämtlich an der „Ostküste Jütlands“. In Illerup fand man nach dem Vorbild römischer Fabrikmarken, in „offensichtlich in Serie hergestellten Lanzenblätter“, eingestempelte Runen! Wieder in Anlehnung an die Praxis des römischen Militärs Besitzvermerke in Ausrüstungsgegenstände einzuritzen? Eine sehr profane Praxis also…!?
„Dies ist wohl ein Hinweis darauf, dass der Gebrauch von Runen gleich zu Beginn seines öffentlichen Hervortretens schon in Teilen von dem abwich, was ursprünglich mit der Ausformung der Runen als eigenem Schriftsystem intendiert gewesen sein muss, denn für die Anbringung von Besitzvermerken und Herstellernachweisen hätte die Übernahme der lateinischen Schrift vollkommen ausgereicht.“
Was also war der Zweck der umfangreichen Umarbeitung des lateinischen Alphabets? Warum all diese Mühe? Düwel überlegte wie folgt: „…dass sie einem Bedürfnis entsprochen haben wird, liegt auf der Hand. Die Frage, worin dieses bestand, erlaubt viele Antworten. Zu kurz greift die Meinung, die älteste Funktion von Schrift sei: Man schrieb nur, was man nicht sagen konnte […]Eher trifft das Motiv zu, das gesprochene Wort in der Aufschrift auf einen Gegenstand zu bewahren […] oder eine wie auch immer geartete Mitteilung über Zeit und Raum hin an einen menschlichen, womöglich auch an einen göttlichen oder dämonischen Adressaten zu richten. Es bleibt unbekannt, wieweit das Faszinosum eine Rolle gespielt hat, dass man mit gut 20 Alphabetbuchstaben alle menschlichen Gedanken wiedergeben kann…“

Solche Auslegungen wird man im Detail niemals beweisen können, doch liegen sie als Erklärung für die Ausgestaltung des Runensystems recht nahe. Reichmann: „…doch treten Gedanken dieser Art gerade dann hervor, wenn die Schrift als etwas völlig Neuartiges empfunden wird. Dem käme die große Entfernung des Entstehungsgebietes von den Grenzen des römischen Reiches entgegen.“ In die gleiche Richtung weisen die Überlegungen, dass ein wirklicher Bedarf an profaner Schriftlichkeit im Inneren Germaniens bis in die Spätzeit hinein nicht sichtbar wird. Als schließlich der Gote Wulfila (t 383 n.Chr.!) die Bibel in das Gotische übersetzt übernimmt/modifiziert er eben nicht die existierenden Runen, sondern vollbringt erneut einen Schöpfungsakt, indem er erkennbar aus dem griechischen Alphabet ein vollkommen neues Schriftsystem erschafft: Eben die gotische Schrift! In ihr sind nur geringe Einflüsse von Runenzeichen zu erahnen…
Gestalt, Stilisierung und Verwendung der Runenzeichen führen Beck zu der Überlegung, dass sie nur für den Gebrauch eines eingeschränkten, nicht öffentlichen Personenkreises geschaffen wurden. „dem in der sozialen Hierarchie in besonderer Weise die Pflege des Wortes anvertraut war.“ Ein Vorläufer der Skaldik, „…eine Sprache für Eingeweihte“? In diesem Fall dürften die Runen wohl eher bereits deutlich vor ihrem ersten, archäologisch gesicherten Auftreten verwendet worden sein. Die Überlieferung hinge dann nicht einmal ausschließlich mit der angenommenen Verwendung der Runen auf vorwiegend vergänglichem Material zusammen, sondern vor allem mit ihrer Exklusivität! Dieser Punkt wurde noch gar nicht angesprochen: Es kann davon ausgegangen werden, dass die Masse der einst geschaffenen Runeninschriften längst vergangen sind, weil sie auf Holz („Ritze Runen rätliche Stäbe“ – Edda), Knochen (Weserknochen etc.) oder ähnlich vergängliche Materialien geschrieben worden sind. Dass dadurch tiefgreifende „literarische Werke“ der Germanen vergangen sind, ist kaum zu erwarten, wie aus dem Charakter der erhaltenen Runen zu erschließen ist, daher zurück zum bisherigen Gedankengang:
Bereits der mittelalterliche Autor Saxo Grammaticus berichtet in seiner Geschichte der Dänen, von Runenstäbchen, welch Gesandte an andere Fürstenhöfe mitgenommen hätten und nur vom Empfänger gelesen werden konnten. Woher Saxo sein Wissen hatte, ist unklar. Eine Verwendung als Geheimschrift würde einiges erklären, vor allem die starke Bearbeitung der einzelnen Buchstaben gegenüber den älteren Alphabeten [, aber leider nicht die Umstellung der Lautfolge (A,B,C…)]. . Besonders weil Geheimschriften niemals lange geheim bleiben, schon gar nicht über den langen Zeitraum der Runenverwendung hinweg, kann diese Überlegung auch nicht wirklich befriedigen! Der Versuch die besondere Reihenfolge der Zeichen des Futhark durch Merkgedichte zu erklären ist nicht sonderlich überzeugend, da Merkgedichte sich in der Regel an Gepflogenheiten orientieren und nicht umgekehrt. Dennoch enthält das diskutierte Merkgedicht Hinweise auf weitere Bedeutungen der Runen abgesehen vom Lautzeichen. Erst spät wurden die Runen für öffentliche Inschriften (Runensteine, nicht vor dem 4.Jht. in Skandinavien, erst viel später in anderen Teilen Europas!) genutzt. Ansonsten finden sich Runen auf Artefakten (besonders aus dem Umfeld des militärischen), und sonst insgesamt sehr spärlich.

Die Fragestellung unterstreicht, dass Runen wohl nur von einem sehr kleinen, exklusiven Personenkreis für eher nicht profane Zwecke verwendet worden sind. In der sehr spät entstandenen Edda finden sich Hinweise für die Verwendung der Runen bei eher „magisch-religiösen“ Handlungen, gar als Zauberzeichen. Diese Verwendung von Schriftzeichen ist gar nicht so außergewöhnlich, wie man am Beispiel römischer „Fluchtäfelchen“ sehen kann. Aber die Römer verwendeten die gleichen Schriftzeichen, wie für ihre profanen Anliegen! Die Namenssymbolik für jede einzelne Rune ist ein starker Hinweis für ihre Verwendung für „übernatürliche Zwecke“. Daraus leiten sich wohl die meisten weiter gehenden Überlegungen ab. Fragen, durch die jede Beschäftigung mit ihnen leicht in eine bestimmte Richtung abdriften kann, ohne Zielführend zu sein. Gleichzeitig eine gute Erklärung, warum Wulfila einen solchen „Bogen“ um die Runen für seine Bibelübersetzung gemacht hat?
Die aufgezeigte Exklusivität der Runenkunde auf einen kleinen Personenkreis erschwert das Rätsel um deren Herkunft und Verwendung entscheidend. Es erscheint zwingend, dass es sich bei dieser sehr begrenzten Personengruppe um eine herausgehobene Elite gehandelt haben muss. Bei der großen Unsicherheit und den schon allgemein extrem dürftigen Quellen zur germanischen Sozialstruktur, wird sich diese Elite wohl kaum jemals wirklich erfassen lassen… Hinzu kommt, dass sich kaum eine Runeninschrift leicht, oder auch nur wirklich eindeutig deuten lässt: Wie schrieb Dr. P. Piper in einem älteren GF-Beitrag: „[Klaus Düwel] ...hat zu Recht festgestellt, dass kaum eine Runeninschrift für uns eindeutig zu verstehen ist (3 Runologen = mindestens 6 unterschiedliche Deutungsansätze). Selbst wenn nur ein einziger [Personenname] auf einem Objekt ist, wissen wir nicht, ob es Träger/in, Schenker/in, Runenmeister/in usw. war.“
 
Interessantes Thema...

Ich füge hinzu:

Soweit mir bekannt waren die frühesten bekannten Runenfragmente teile kurzer Worte oder formeln...

d.h. man hatte es damals mit Namens- d.h. Eigentumsanbsprüchen und evtl. mit Segenssprüchen, Schutz und Wunschformeln zu tun (oder normalen kritzeleien oder "Graffitys") die eben mit Runen dargestellt wurden, d.h. am Anfang haben wir Wort bzw. Schriftmagie, wie sie fast alle Kulturen in irgendeiner Form kennen oder kannten zu tun.

In den Isländer Sagas finden wir das Ritzen von Runen in blut, also magische Vorstellungen von besonderen Worten oder Zauberformeln...

Bei Tacitus finden wir das Werfen von "Loshölzern", wohl keinen Runen, aber doch Hölzern aus deren mustern man verscuhte Bilder (oder doch schon Buchstaben und Worte?) zu erkennen und zu interpretieren...

erst später wurde die Rune, das heißt der Buchstabe selbst pars -pro toto- zumn Symbol für eine magische Formel oder Ausdrucksweise, quasi zunächst als Symbol oder Kurzform... dann erst sprach man der Rune selbst magische Bedeutung zu.

Was Runenmagie angeht... es ist wenig überliefert, aber ein paar wenige Bedeutungen und Fragmente gibt es, wozu es auch Literatur (teilweise schon hier genannt) gibt.

Die moderne oder esoterische "Runenkunde" ist fast außschließlich eine sehr neue und kreative Reinterpretation der alten runen die mit der historischen runenmagie nur sehr entfernt noch zu tun hat - jedenfalls chätze ich dasnach dem was ich bisher so darüber gelesen und gesehen habe so ein, ich befasse mich mit sowas selbst sonst eher nicht.
 
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