Sarmaten in Thüringen

Kochant

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An vielen Stellen im Internet und auch in der Literatur wird behauptet, Siedlungen der Sarmaten seien in Thüringen nachgewiesen. Aber wo ist der Beweis? Gibt es da einen archäologischen Nachweis?

Gruß
Kochant
 
Ich entdecke da z.B. Reinhard Schmoeckel, die Titel Unbekannte Väter Europas, und Thüringen war einmal ein Königreich, die auch im neurechten Antaios-Verlag verkauft werden. Schon im Intro grenzt er sich von der in Anführungszeichen gesetzten akademischen Geschichtsforschung ab. Das spricht nicht gerade für ihn. Schmoeckel behauptet, sarmatische Adelige hätten deutsche Stämme im Frühmittelalter angeführt, und alle Kaisergeschlechter hätten sarmatische Urahnen. Mir reicht das eigentlich schon, ums in den virtuellen Papierkorb zu werfen.

Warum möchtest du das diskutieren?
 
RI OPAC (opac.regesta-imperii.de), aber da scheint auch Schmoeckel die Quelle zu sein. Ich nehme an, den gleichen Eintrag bei Sarmaten auf Wikipedia.de 'verdanken' wir auch Schmoeckel, obwohl er bei den Quellen nicht genannt wird. Einige andere Sites, Deutsch und Englisch, keine wissenschaftlich, behaupten dasselbe.
Ich weiss, dass bei Schlotheim im Unstrut-Hainich-Kreis eine sarmatische Fibel gefunden wurde, aber daraus auf eine Siedlung zu schliessen, scheint mir sehr gewagt. Es mögen Sarmaten in Thüringen angesiedelt gewesen sein, vor oder nach der Niederlage der Hunnen, aber das ist nur Spekulation.

Deshalb die Frage nach Beweisen.
 
Außerdem Lindenbaum-Verlag (ebenfalls dem neurechten Spektrum zuzuordnen) und Books on Demand (für jemanden mit dem akademischen und politischen Hintergrund wie Schmoeckel ist das schon ein Offenbarungseid).
 
Das Buch liegt mir vor. Wenn ich darin etwas Substantielles gefunden hätte, hätte ich nicht gefragt. Das Kolloquium befasste sich mit dem 1.-4. Jhd. Über den Stamm der Thüringer gibt es aber erst Berichte ab dem 5. Jhd.
Bei Urs Müller steht auch nichts darüber.
Wo aber kommt die eingangs genannte Behauptung her?
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir fällt nur ein, dass die Jazygen mit Quaden und Markomannen verbündet waren. Wenn es mir besser ginge, würde ich schauen, ob sie vielleicht mit dem Sturz des Catvalda durch die Hermunduren zu tun hatten. Aber sarmatische Siedlungen in Thüringen würde das auch nicht begründen, selbst wenn es sich als zutreffend herausstellt.

Es wäre aber ein Hinweis auf möglichen kulturellen Austausch, der 'typische' Gegenstände des sarmatischen Bereichs in im heutigen Thüringen liegende Siedlungen hat gelangen lassen können.

(In diesem Sinne sind natürlich auch die Markomannenkriege zu berücksichtigen. Und Handel und Mode und ...)
 
Der kulturelle Austausch ist tatsächlich ein wichtiges Momentum bei der Betrachtung der Sarmaten in der Spätantike.
Danke für den Hinweis.
 
Das Buch liegt mir vor. Wenn ich darin etwas Substantielles gefunden hätte, hätte ich nicht gefragt. Das Kolloquium befasste sich mit dem 1.-4. Jhd. Über den Stamm der Thüringer gibt es aber erst Berichte ab dem 5. Jhd.
Bei Urs Müller steht auch nichts darüber.
Wo aber kommt die eingangs genannte Behauptung her?

Da hast du allerdings recht, falscher Zeitabschnitt. Ich habe folgende Texte von Jan Bemmann gefunden:
Mitteldeutschland im 5. Jahrhundert – Eine Zwischenstation auf dem Weg der Langobarden in den mittleren Donauraum?
Mitteldeutschland im 5. und 6. Jahrhundert. Was ist und ab wann gibt es archäologisch betrachtet typisch Thüringisches? Eine kritische Bestandsaufnahme

Er referiert fleißig alle archäologischen Funde, darunter eventuell die von dir als sarmatisch bezeichnete Fibel?
Meinst du die Adlerfibel aus einer byzanztinischen Werkstatt, die so habe ich es jetzt gelesen einer jungen ostgotischen Adeligen auf Reisen zugeordnet wird?
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Der Hinweis auf die Fibel stand lediglich im Text eines Ausstellungskatalogs, ohne Bild, nur mit der Ortsangabe "Schlotheim im Unstrut-Hainich-Kreis". Ob es die von dir abgebildete ist, weiß ich also nicht. Wahrscheinlich kann ich es bei Bemmann dann abklären. Die zwei Texte werde ich durchgehen, danke für die Links.
 
Der Hinweis auf die Fibel stand lediglich im Text eines Ausstellungskatalogs, ohne Bild, nur mit der Ortsangabe "Schlotheim im Unstrut-Hainich-Kreis". Ob es die von dir abgebildete ist, weiß ich also nicht. Wahrscheinlich kann ich es bei Bemmann dann abklären. Die zwei Texte werde ich durchgehen, danke für die Links.
Dann ist es nicht diese Fibel, da sie im Grab einer jungen Frau bei Oßmannstedt (Weimarer Land) 1965 gefunden wurde. Ich zitiere aus Bemmann:
"Neben der Schnalle lag, auf dem untersten Rückenwirbel, eine einzigartige, 6,3 cm lange goldene Adlerfibel mit flächiger Almandineinlage über gewaffelter vergoldeter Silberfolie; auf der Fibelrückseite wird das Gefieder des Raubvogels wiedergegeben. An der Längsseite des ungewöhnlich massiv wirkenden Nadelhalters sitzen drei Goldkügelchen und am Ende eine Öse. Den unteren Abschluss bildeten drei Ösen, von denen nur zwei erhalten sind und die zur Aufnahme von Pendilien dienten. Letztere kennzeichnen kostbare spätrömische Arbeiten: „Als wesentliches Kennzeichnen der Kaiserfibeln hat neben den großen edelsteinbesetzten Zier-feldern vor allem die Anbringung der Pendilien zu gelten“. Diese Fibel spiegelt das Bedürfnis der jungen Frau bzw. ihrer Familiengruppe wieder, sich in der Selbstdarstellung den höchsten Führungsschichten im Imperium anzugleichen...Versucht man anhand einer Überschneidung der Verbreitungskarten ein Fazit zu ziehen, liegt der Gedanke nahe, dass die junge Frau in den ostgotisch beherrschten römischen Provinzen des Karpatenbeckens in einer Familie aufgewachsen ist, die Zugang zu den Produkten aus den besten mediterranen Werkstätten hatte und sie prächtig ausgestattet nach Thüringen schicken konnte." (S.26-27 des Textes Mitteldeutschland im 5.Jahrhundert)
 
Nachtrag zu der Brosche:
Meine Quelle gibt kein Bild und ich habe auch noch kein Bild anderswo gefunden. Erwähnt wird es in: Mathias Seidel, Das Südharzvorland von der vorrömischen Eisenzeit bis zur Völkerwanderungszeit.
Link: https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00038547/41_Seidel_Südharzvorland.pdf
Dort auf S. 26
Hm, dann landest du jetzt doch in einem früheren Zeitraum, oder? Die "sarmatische" Fibel (bei Seidl in Anführungszeichen geschrieben), lag wahrscheinlich auf dem Gräberfeld von Schlotheim von 15.vChr - 250 n.Chr.: -aus dem RGA: Reallexikon der germanischen Altertumskunde
 
Das war der jüngste Hinweis, den ich bis jetzt fand, also suche ich weiter. Der geographische Raum stimmt schon, sollte also gerne späteren Datums sein. Es scheint aber ein schwieriges Unterfangen.
Wenn ich nicht fündig werde, gucke ich mal ob ich in den gallischen Raum sarmatischer Schmuck aus den Zeitraum finde.
 
Der Hinweis auf die Fibel stand lediglich im Text eines Ausstellungskatalogs, ohne Bild, nur mit der Ortsangabe "Schlotheim im Unstrut-Hainich-Kreis".

Dazu finde ich folgendes:
Im Arbeitsgebiet singulär ist ein melonenförmiger Spinnwirtel (Taf. 181.10), zu dem jedoch aus Grab 18/66 von Schlotheim, Unstrut-Hainich-Kreis (Dušek 2001, Taf. 10.20), eine Parallele vorliegt. Der Grabverband wird über eine „sarmatische“ Fibel nach C1 datiert (Schuster 2003, 440).
https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00038547/41_Seidel_Südharzvorland.pdf

Siehe hierzu Tafel 10 bei Dušek 2001:
https://www.db-thueringen.de/rsc/viewer/dbt_derivate_00027650/TLDA_WMUF_13027304X_36.pdf?page=138
 
Zuletzt bearbeitet:
Also wir haben jetzt eine (private) Antwort der "Historische Kommission für Thüringen e.V.", Uni Jena: Alles eine Erfindung von Schmoeckel.
Der Durchzug der Sarmaten hat wahrscheinlich zu einem mehr oder weniger starken kulturellen Austausch geführt, wie überall, wo sie waren, von Siedlungen gibt es aber keine Spur.

(Da es eine private E-Mail war, Formulierung von mir).

Immerhin habe ich jetzt ein Buch über das Gräberfeld von Schlotheim ;) Wer weiß, wozu es noch einmal gut ist.

Danke für Eure Mühe. Es ist leider mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass im Internet herumgeisternde "Wahrheiten" die Prüfung nicht bestehen :mad:

Gruß
Kochant
 
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