Schlageter

Wie ich gestern zufällig las, wurde hier mal einer gesperrt, natürlich zurecht!, der sich den Nick "Schlageter" ausgesucht hatte.

Ich ging mal in eine Schule, die in ihrer Geschichte auch mal den Namen: "Albert Leo Schlageter Oberschule" trug. Damals hatten die Schulen auch kein Geld, der Staat muss ja immer sparen;), waren die Stempel noch auf so mancher Landkarte und so manchem DIA.

Deshalb habe ich mich schon vor über 40 Jahren mit Schlageter befasst.
Nun kenne ich keineswegs den neuesten Forschungsstand zu ihm, er scheint mir aber der Prototyp des von den Nazis "Benutzten" zu sein.
Die die ungeheure Popularität nutzen, die der tote Schlageter in Deutschland hatte.
Die "Beweise" für NSDAP-Mitgliedschaft usw. sind doch meines Wissens alle gefälscht.
Die Aktivitäten im besetzten Ruhrgebiet wurden von Hitler ja auch abgelehnt.

Ist dies auch heute noch Stand der Forschung?


Erstaunlich finde ich auch, welch ein Mythos sich aus solchen Typen und "kameraden im geiste" konstruieren lässt. Ich denke dabei auch an Horst Wessel, dessen Ohrwurm sozusagen zur zweiten Nationalhymne avancierte. Der historische Horst Wessel war ein reichlich obskurer Typ, der so wurde vereinzelt kolportiert- wegen eines Streites um eine Prostituierte erschossen wurde.

Ähnlich wie Wessel wurde auch Herbert Norkus als "Blutzeuge der Bewegung" funktionalisiert und Jugendlichen als Vorbild vorgestellt. Norkus Schicksal wurde schon 1932 literarisch bearbeitet und diente als Vorlage für einen NS- Propagandafilm "Hitlerjunge Quex".
 
Ansichtssache, das kann auch ein national eingestellter Monarchist sein. Das ist etwas anderes, als ein Nationalsozialist. Genau das


Die "Regional-Geschichte" spielt auch eine Rolle.:fs:
Kein Mensch käme auf die Idee, die KPD/ML für Mao´s millionenfache Morde verantwortlich zu machen. Obwohl sie sogar den Namen führen.
Ist halt weit weg. Geht uns im Gegensatz wenig an.

Aber ist natürlich Tagespolitik. Will ich auch gar nicht hin.

Auf alle Fälle ist der reale Schlageter hinter dem Gespinst nur noch sehr schwer zu finden.
Wie immer in braunen Fällen. Kein Mensch wird jemals Adolfens Großpapa finden, niemals mehr wird man erfahren wieviele mit Röhm zusammen über den Jordan sind, wieviele so nebenbei auf "Befehl des Reichsführers SS" kurz erschossen wurden, schon 1938! und so weiter und so fort.
 
Kann ich nachvollziehen. Ohne mich jetzt speziell auf Schlageter zu beziehen, wäre ich auch vorsichtig alle Freikorpskämpfer, die von den Nazis zu "Helden der Bewegung" und Gallionsfiguren hochstilisiert wurden, generell zu verdammen.

Albert Schlageter gehört zu der großen Gruppe von Menschen, wie wir sie unmittelbar nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg vielfach finden. Sie vereinigen in sich durchaus unterschiedliche Charakterzüge, sind in wechselnder Ausprägung konservativ, monarchistisch, national bis nationalistisch, entwurzelt und ohne feste Zukunftsperspektive. Sie lassen sich daher nicht ohne weiteres in heute gängige Schemata einordnen, auch Schlageter nicht, obwohl er immerhin seit 1922 Mitglied der NSDAP war.

Bemerkenswert ist ohnehin, dass er nach seiner standrechtlichen Erschießung nicht nur von der rechten Propaganda, sondern auch von der KPD (!) zu einem deutschen Nationalhelden stilisiert wurde. Dass ihn später die NSDAP als "Märtyrer des Ruhrkampfs" herausstellte und ganz für sich zu vereinnahmen suchte, steht auf einem anderen Blatt.

Wa aus Schlageter ohne seinen frühen Tod geworden wäre, lässt sich nur mutmaßen. Ich vermute einmal, dass er - begabt mit einem aktiven Willen - in der NSDAP Karriere gemacht hätte, doch lässt sich das natürlich nicht mit Sicherheit sagen.
 
Schlageter nach 1945

Die Überbewertung vor 1945 bewirkte, daß Schlageter danach im öffentlichen Bewußtsein weitgehend in Vergessenheit geriet. Man sollte aber heute Schlageter nicht als Typ eines Landsknechts kennzeichnen, der nach 1914 Freude am ‚Kriegshandwerk’ fand, sondern in unserer Zeit, in der der Begriff ‚Widerstand’ aufgewertet ist, in ihm in Hinblick auf seinen Lebensausgang einen Widerstandskämpfer erkennen.

Diese Wertung findet sich in den Badischen Biographien (NF1, 1982), sein Autor: Albrecht Timm, der 1975 in der Zeitschrift „Junges Forum“ einen Beitrag über S. publizierte.

Schon bemerkenswert.
 
Was aus Schlageter ohne seinen frühen Tod geworden wäre, lässt sich nur mutmaßen. Ich vermute einmal, dass er - begabt mit einem aktiven Willen - in der NSDAP Karriere gemacht hätte, doch lässt sich das natürlich nicht mit Sicherheit sagen.

Vielleicht wäre er auch am 30. Juni 1934 erschossen worden, wenn ich mir soviel Spekulation erlauben darf.
 
Vielleicht wäre er auch am 30. Juni 1934 erschossen worden, wenn ich mir soviel Spekulation erlauben darf.

Durchaus möglich.
Ich würde ihn, nach seiner Rückkehr aus dem Baltikum, als politisch "Suchenden" einstufen, der wohl auch die Option "Hitler" sich ansah.
Aber ein "Nazi" war er wohl (noch?) nicht.

Die von Mercy genannte Einschätzung möchte ich etwas in Zweifel setzen.
Im Heft 1964/2 des IfZ findet sich dies:
,Deutschland hat den Friedensvertrag unterzeichnet!'
Einen Augenblick war alles still, so still, daß der Raum fast dröhnte, als Schlageter
aufstand. Er hielt die Klinke in der Hand und murmelte: ,Soso, Deutschland
hat also unterzeichnet . . . ' E r hielt inne, blickte starr geradeaus und sagte dann,
und hatte auf einmal einen bösen Ton in der Stimme: ,Ich meine, was geht denn
das schließlich uns an?' Und hieb die Tür ins Schloß, daß der ganze Raum bebte,
und war draußen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die von Mercy genannte Einschätzung möchte ich etwas in Zweifel setzen.
Im Heft 1962/2 des IfZ findet sich dies:

Hmm, warum widerspricht dieses Verhalten deiner Meinung nach der Einschätzung, die Mercy zitiert hat? Ich kann mir vorstellen, daß ähnliche Reaktionen zu dieser Zeit nicht selten waren. Wenn sich die Politik einem Diktat unterwerfen muß, aber ein Bürger sich diesem (notwendigen) Kniefall nicht beugen und weiterkämpfen will, ist es doch der klassische Fall eines Widerstandskämpfers. Als Vergleich fällt mir da das Vichy-Regime und die Resistance ein...
 
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Hmm, warum widerspricht dieses Verhalten deiner Meinung nach der Einschätzung, die Mercy zitiert hat? Ich kann mir vorstellen, daß ähnliche Reaktionen zu dieser Zeit nicht selten waren. Wenn sich die Politik einem Diktat unterwerfen muß, aber ein Bürger sich diesem (notwendigen) Kniefall nicht beugen und weiterkämpfen will, ist es doch der klassische Fall eines Widerstandskämpfers. Als Vergleich fällt mir da das Vichy-Regime und die Resistance ein...

Au, Moment, da habe ich zu wenig zum Kontext geschrieben.:red:

die Aussage wurde im Baltikum gemacht, wo Schlageter im Auftrag der Alliierten gegen die Rote Armee kämpfte.
Geködert durch das berühmt-berüchtigte Versprechen der lettischen Staatsbürgerschaft und des lettischen Bauernhofs.
Also Söldner.

Quelle:
1964 Heft 2,
sind nur ca. 20 Seiten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Erstaunlich finde ich auch, welch ein Mythos sich aus solchen Typen und "kameraden im geiste" konstruieren lässt. Ich denke dabei auch an Horst Wessel, dessen Ohrwurm sozusagen zur zweiten Nationalhymne avancierte. Der historische Horst Wessel war ein reichlich obskurer Typ, der so wurde vereinzelt kolportiert- wegen eines Streites um eine Prostituierte erschossen wurde.

Ähnlich wie Wessel wurde auch Herbert Norkus als "Blutzeuge der Bewegung" funktionalisiert und Jugendlichen als Vorbild vorgestellt. Norkus Schicksal wurde schon 1932 literarisch bearbeitet und diente als Vorlage für einen NS- Propagandafilm "Hitlerjunge Quex".


Diese beiden Fälle kann man durchaus als Grund anführen, dass Schlageter eben nicht in der Partei war.
Schwer vorstellbar, dass sich Goebbels den Schlageter entgehen hätte lassen.
Denn, als Aktenfrisur kein Problem mehr war, wird er zum "National-Heros" aufstilisiert.


OT: Das "Horst Wessel Lied" war defakto die 2. Nationalhymne
 
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Reichskanzler Wilhelm Kuno rief bei Rheinbesetzung 1923 zum passiven Widerstand auf (Generalstreiks im Ruhrgebiet).
Neben Ex-Freikorpsanhängern reagierten auch die Kommunisten zunehmend mit aktiven Widerstand im Ruhrgebiet (Sabotage, Anschläge).
Schlageter war bei Hinrichtung postwendend ein Märtyrer in der dt. Bevölkerung. Dazu brauchte man nicht die NS-Propaganda. Im Gegenteil, man stritt sich, unter wessen Fahne Schlageters Tod ideologisch (!) verwurstet werden könne. Letztendlich behielt der Nationalsozialismus die Oberhand, da dieser weitaus mehr ideologisches Kapital aus Schlageters Hinrichtung schlagen konnte (Widerstand gegen Besatzung, gegen Frankreich) als die Kommunisten. Grundsätzlich war Schlageter im Ruhrgebiet und darüber hinaus auch ohne Nationalsozialisten, Kommunisten und anderen politischen Gruppierungen ein Held/Märtyrer.
Seine Zugehörigkeit zur Organisation Heinz (Förderung durch Reichswehrministerium) zeigt aber letztendlich seine nationalsozialistische Gesinnung.
 
Neben Ex-Freikorpsanhängern reagierten auch die Kommunisten zunehmend mit aktiven Widerstand im Ruhrgebiet (Sabotage, Anschläge).


Glaub bloß die Schwachheit nicht, dass der Schlageter im nationalen Wahn nach Essen gefahren ist, "den Franzmann ärgern".
Irgend woher kam das Geld für seine "nationale Tat".
Woher? Weiß ich noch nicht.
Auch nicht, ob man an ihn herantrat, oder ob er seine Dienst anbot.
Aber daß.... bin ich mir sicher.
 


Interessanter Link. Danke.

Da siehst Du,
Ende Mai wurde Hauenstein wegen Waffen- und Sprengstoffbesitzes von der preußischen Polizei in Elberfeld verhaftet. Später behauptete Hauenstein, er sei durch seine Verhaftung an der Befreiung Schlageters aus französischer Haft gehindert worden. Ob tatsächlich eine Befreiung Schlageters geplant war, bleibt ungewiss, der Gefangene selbst soll einen Befreiungsversuch abgelehnt haben. Hauensteins Angaben führen später zu Vorwürfen gegen den preußischen Innenminister Carl Severing, für den Tod Schlageters mitverantwortlich zu sein.[16] Für die Verhaftung Schlageters machte Hauenstein Gerhard Roßbach verantwortlich, der die „Organisation Heinz“ auseinanderbringen wolle. Zwei Angehörige von Roßbachs Organisation, die Hauenstein namentlich beschuldigte, verklagten Hauenstein 1928 wegen Verleumdung. Dem Urteil zufolge gab es für Hauensteins Behauptungen keine Beweise, wenn auch bestimmte Verdachtsmomente.[17] Gleichzeitig sah es das Gericht als erwiesen an, dass Roßbachs Leute versucht hätten, Hauenstein zu verraten

was bei den Brüdern tatsächlich los war.
Mord, Totschlag und Verrat in alle Richtungen.

Bei dem genannten Prozess 1928 war es doch, glaube ich zumindest, dass es den Nazis eben nicht gelang, Beweise für Schlageters Parteimitgliedschaft vorzulegen.
 
Ich möchte gerne noch mal zum Ausgangspunkt (#1) zurückkommen, nämlich die "Benutzung" von Schlageter durch die NSDAP. Diese Nutzung nahm extreme Formen an, die hier auch zT schon angesprochen worden sind, bis hin zum Schlageter-Geschwader (Jagdgeschwader 26), Schlageter-Lied, Schlageter-RAD-Division, Schlageter-Schiffsnamen etc. In der Endphase 1945 lässt sich das Extreme dieser "Vereinnahmung" in der Stützung eines Durchhaltewillens für ein untergehendes Regime im völlig sinnlosen militärischen Widerstand bis 5nach12 beschreiben.

Es ging nun um die Frage, ob solch ein Name vor diesem Hintergrund unbelastet verwendet werden kann. Ich würde das verneinen, bereits unter dem Eindruck seiner exzessiven Nutzung durch das Regime. Die Frage, wie er sich verhalten hat bzw. was ihm selbst zuzurechnen ist, würde für mich nur relevant, wenn diese völlig und unzweifelhaft konträr zu diesem "Bild" stehen würde. Das scheint aber nicht der Fall zu sein.

Das soll aber keine Einrede dazu sein, über die Person Schlageter und die Hintergründe zu diskutieren, dazu sind hier schon interessante Hinweise gebracht worden.
 
Es ging nun um die Frage, ob solch ein Name vor diesem Hintergrund unbelastet verwendet werden kann. Ich würde das verneinen, bereits unter dem Eindruck seiner exzessiven Nutzung durch das Regime. Die Frage, wie er sich verhalten hat bzw. was ihm selbst zuzurechnen ist, würde für mich nur relevant, wenn diese völlig und unzweifelhaft konträr zu diesem "Bild" stehen würde. Das scheint aber nicht der Fall zu sein.

Das soll aber keine Einrede dazu sein, über die Person Schlageter und die Hintergründe zu diskutieren, dazu sind hier schon interessante Hinweise gebracht worden.


Natürlich ist der Name "belegt" und kann nicht mehr verwendet werden. Das hätte ich von vorne herein verneint.
Ist mir nicht aufgefallen, dass die Frage überhaupt gestellt wurde.

Auf alle Fälle ist zu verneinen, dass er ein Parteibuchnazi war. Man kann angesichts der Fakten durchaus nachvollziehen, dass die Nazis ihn posthum zum "Ehrennazi" ernannt haben, aber ihn in ihren "Gründungsmythos" einzubeziehen ist "verlogen". Ähnlich verlogen, wie sie die Autobahnen zu "Straßen des Führers" ernannt haben, und vieles mehr,


Etwas weiter ausgeholt:
Mir ist vor ca. 40 Jahren ein NS-Geschichtsbuch für Grundschulen untergekommen, begonnen hat das Machwerk mit Hitler, dem "Vollender deutscher Geschichte" aber schon Widukind hat ein "ahnen" dieses noch so fernen "Vollenders" verspürt.:rofl:
Seither, wenn ich Lust habe, schau ich mir "braunverquickte" Sachen näher an. Und, sehr oft, ist es wie bei Schlageter. Überzogen, verlogen, okkupiert.
 
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