Es ist hier in der Diskussion schon öfter mal angeklungen, aber ich möchte gern nochmal betonen, dass Rassismus ein eigenständiges Terminologiesystem mit einer sehr spezifischen Geschichte ist. Das kann man nicht einfach so im Nachhhinein auf irgendwas Beliebiges drüberstülpen, wenn man nach Ursprüngen von Rassismus fragt. Die Spekulation, ob da jetzt irgendein frühgeschichtlicher Ägypter oder Römer oder Chinese oder whatever
rassistisch gewesen ist, ist für mich ungefähr so sinnvoll wie der Versuch, antike japanische Liebeshaikus im Bezug auf den marxistischen Klassenkampf zu analysieren. Kann man machen, muss man aber nicht...... im Bezug auf die Genealogie des Rassismus hilft es jedenfalls echt nicht weiter. Ich würde dafür votieren, dass wir hier auf Wissenschaftsgeschichte einschwenken und uns darauf konzentrieren. Die Frage ist nämlich spannend.
Ania Loomba hat eine wirklich schöne
Analyse gemacht, in der sie genau die Eingangsfrage nach den Rassismus für das 17. Jahrhundert stellt und sogar zu diesem verhältnismäßig späten Zeitpunkt feststellt, dass man noch nicht wirklich von Rassismus sprechen kann. Sehr wohl aber findet man zu dieser Zeit schon Strömungen, die sich später zum Rassismus formieren werden, zuvorderst die essenzialistische Differenzierung von Mann und Frau und dann eine essenzialistische Vorstellung von Religionszugehörigkeit, die auch hier und da schon damit verbunden ist, dass Hautfarbe symbolisch aufgeladen ist. Besonders beeindruckend finde ich in diesem Zusammenhang eine "Anekdote", die Loomba erzählt, in der ein englischer christlicher Ritter eine afrikanische nichtchristliche Königin heiratet, und das Kind dann schwarzweiß gefleckt ist.
Loomba weist auch bereits darauf hin, dass der Rassismus sich von einer Essenzialisierung von Kultur (und insbesondere Religion) dann später zu einer
biologistischen Essenzialisierung gewechselt hat, die im 19. Jahrhundert hinzukommt und das, was wir heute Rassismus nennen, erst hervorbringt. Frühe Vertreter dieses biologistischen Rassismus sind beispielsweise die Phrenologen, die glaubten, dass sich über Schädelformen Charaktereigenschaften etc. herleiten ließen. Aber auch gesamtgesellschaftlich wurde die Idee von Rasse im 19. Jahrhundert konstitutiv, wenn etwa die Nationalstaatsidee von einer ethnischen Einheit des Volkes ausgehen musste, um sich über etwas anderes zu definieren als den Körper des adeligen Souveräns.