Seit wann gibt es Rassenvorurteile?

Die Römer haben im 5. Jahrhundert massiven Hass gegen ihre "barbarischen" Nachbarn/Soldaten gezeigt, als während der Völkerwanderung germanische Stämme unter Bedingung des Militärdienstes in römische Ländereien aufgenommen wurden. Das ist ein kleiner Grund für den Zerfall des weströmischen Reichs.
 
Dieses Verhalten muss man aber wohl eher als Chauvinismus und nicht als Rassismus bezeichnen, da die Römer ja nicht biologisch argumentierten. Wer römisches Bürgerrecht hatte, war kein Barbar, egal woher er oder seine Vorfahren kamen.
 
Zosimos schreibt darüber:

"...ein Araber, ein Angehöriger eines ganz minderen Volkes." (Neue Geschichte, I.18)

Die Barbaren verwüsteten, "jedes Werk, das den Eindruck von Größe und Schönheit erwecken sollte." (I.33)

"...zwar einen gebürtigen Barbaren, im übrigen jedoch einen Griechen nicht nur nach Sitte, sondern auch in seiner Gesinnung und religiösen Einstellung."
(V. 20)

Ich würde danach sagen, Rassismus ja, aber die Möglichkeit dem zu entkommen.

Wenn ich die Erklärung von Chauvinismus in diesem Zusammenhang richtig verstanden habe, würde sich dies auf eine (Kultur-) Nation beziehen (z.B. Deutschenhass der Franzosen), sehe ich bei Z. nicht so, wenn die Übersetzung stimmt (wenn es an nur einem Wort , "minderen", hängt, ist´s kritisch).
 
Zu der Frage, ab wann Rassismus als anstößig betrachtet wurde kann ich folgendes Beitragen. In einem Büchlein aus dem Jahr 1798 ("Gothaischer Hofkalender") aus meiner kleinen Sammlung, befindet sich eine folge von Kupferstichen, quasi eine Art Comic, die die Geschichte eines Herrn Flaming erzählen der ein "Menschenrassen System" entwickelt und es schließlich verbrennt, nachdem er von einer Schwarzen vor dem Ertrinknen gerettet wurde, sich in sie verliebt und sich beide schließlich in trauter Häuslichkeit der Erziehung ihres gemeinsamen Sohnes widmen.

Mir scheint es also so, dass die Kritik am "wissenschaftlich begründeten" Rassismus also ungefähr mit seinem Aufkommen einsetzt.
 
Mir scheint es also so, dass die Kritik am "wissenschaftlich begründeten" Rassismus also ungefähr mit seinem Aufkommen einsetzt.

Das mag vielleicht sein, doch hatte das weder Folgen, noch fand es größere Verbreitung.

Das wird besonders in der Zeit des Imperialismus deutlich, wo es nicht nur um Rohstoffinteressen und überseeische Absatzmärkte ging. Imperialistische Herrschaft rechtfertigte sich auch mit der "Mission des weißen Mannes", die westliche Zivilisation in allen Teilen der Welt zu verbreiten. Das ging einher mit der festen Überzeugung einer Überlegenheit der "weißen Rasse".

In den Südstaaten der USA gab es noch bis in die 50er Jahre Rassentrennung und der oberste Gerichtshof der USA untersagte im Dezember 1956 die Rassendiskriminierung in den öffentlichen Verkehrsmitteln von Alabama. US-Präsident Dwight D. Eisenhower erließ am 9. September 1957 ein neues Gesetz über die Bürgerrechte der Farbigen, doch bis zum heutigen Tage gibt es in den USA und vielen anderen Staaten einen mehr oder weniger verdeckten Rassismus.
 
Mir scheint es also so, dass die Kritik am "wissenschaftlich begründeten" Rassismus also ungefähr mit seinem Aufkommen einsetzt.

zu wissenschaftlich begründet,

Poseidonios(bei Vitruv):

"ebenso werden die südlichen Völker wegen des leichten Klimas durch ihre von der Hitze scharfe Sinnesart beweglicher und schneller dazu bewogen, Pläne zu fassen... während die südlichen Völker einen scharfen Verstand und die Gabe zur Entschließung haben, versagen sie, wenn es auf Tapferkeit ankommt, weil die Tugenden des Mutes von der Sonne ausgesogen sind."

ob Zosimos diese Tradition übernommen hat, ist nicht klar, unwahrscheinlich ist es nicht, daß er wenig Tapferkeit als minderwertig betrachtete.

Was zuerst war, die Idee über die Ursache oder das Ergebnis (mindere Rasse oder Klima schafft unterschiedlich Rassefähigkeiten) steht auch dahin, auf alle Fälle gab es die Möglichkeit sich auf eine wissenschaftliche Vorstellung zu beziehen.
 
Wenn ich mich nicht irre, funktionierte Rassissmus bei den Römern ungefähr so:
Es gibt kalte Länder, heiße Länder und das Mittelmeergebiet mit seinem mittleren Klima.
Menschen aus kalten Gegenden (Germanen) sind zwar körperlich stark und gute Krieger, nur fehlt ihnen leider der Verstand.
Menschen aus heißen Ländern dagegen sind dem Denken zugeneigt, dafür fehlt ihnen die kriegerische Ader.
Einzig Leute aus Gebieten mit gemäßigtem Klima verfügen über Verstand und kriegerische Fähigkeiten gleichermaßen - daher sind eben die Römer die Herren der Welt (und nicht die Germanen).
Interessant hierbei ist, dass offenbar die Germanen als dümmer angesehen wurden als die Afrikaner - wobei ich mich frage was für die Römer ein Afrikaner war, denn bis nach Scharzafrika dürfen die Legionäre wohl kaum marschiert sein... :grübel:
[Edit] Ups, Rephaim hat so ziemlich dasselbe geschrieben.
 
Das soll keine These sein, sondern nur ein Gedanke: Ich kann mir vorstellen, dass dem Römer der Germane schon deshalb suspekt war, weil er im Wald hauste.
Tiere finden ihr Auskommen im Wald, weniger der Mensch, da fällt dann die Assoziation nicht schwer.
 
Das soll keine These sein, sondern nur ein Gedanke: Ich kann mir vorstellen, dass dem Römer der Germane schon deshalb suspekt war, weil er im Wald hauste.
Tiere finden ihr Auskommen im Wald, weniger der Mensch, da fällt dann die Assoziation nicht schwer.

"Der Germane" hauste im Wald? Gekleidet mit Bärenfell und Kuhhörnern?
 
"Der Germane" hauste im Wald? Gekleidet mit Bärenfell und Kuhhörnern?
Das war wohl die Vorstellung des durchschnittlichen Legionäirs von den Germanan, zu Mindest kann ich mir das gut vorstellen.
Und der Germane hauste eben deshalb im Wald weil er zwar stark war und wild, aber eben nicht klug genug große Städte zu bauen wie die Römer.
 
"Der Germane" hauste im Wald? Gekleidet mit Bärenfell und Kuhhörnern?

Wenn der Bär nicht stärker war ... Okay, auf dem linken Bein erwischt.
Aber inwieweit setzte sich der römische Legionär intellektuell mit der Lebensweise der Germanen auseinander?
Wenn mich nicht alles täuscht, war damals Mitteleuropa zumeist von Wald bedeckt. Auf große Flächen Kulturland stießen die Römer in Germanien sicher nicht.
 
Aber inwieweit setzte sich der römische Legionär intellektuell mit der Lebensweise der Germanen auseinander?
Gernicht - daher auch das Vorurteil.
Zumindest meine Meinung, aber ich habe wenig Ahnung von der Lebenswirklichkeit des durchschnittlichen römischen Legionärs, daher möge man mich berichtigen wenn ich falschliege. :)
 
Gernicht - daher auch das Vorurteil.
Zumindest meine Meinung, aber ich habe wenig Ahnung von der Lebenswirklichkeit des durchschnittlichen römischen Legionärs, daher möge man mich berichtigen wenn ich falschliege. :)

Kommt natürlich auf die Zeit an.
Seine Gegner dürfte der Legionär nach Jahrzehnten von Kämpfen ein wenig gekannt haben, um so mehr, wenn sein direkter Kamerad ein Germane war :).
Die römischen Autoren schrieben nicht für Legionäre, sondern für den höheren Stand. Der war dann eher weiter weg vom Geschehen, es sei denn, er diente als Offizier in der passenden Gegend.
 
Wenn der Bär nicht stärker war ... Okay, auf dem linken Bein erwischt.
Aber inwieweit setzte sich der römische Legionär intellektuell mit der Lebensweise der Germanen auseinander?
Wenn mich nicht alles täuscht, war damals Mitteleuropa zumeist von Wald bedeckt. Auf große Flächen Kulturland stießen die Römer in Germanien sicher nicht.

Das ist durchaus ein Irrtum. Die Römer begegneten in Germanien sehr wohl Formen der Landwirtschaft, vorwiegend allerdings der Viehhaltung (was nicht heißt, dass es nicht auch Ackerbau gegeben hätte). Mitteleuropa war kein Urwald sondern eine Kulturlandschaft.

Die Begegnung des römischen Militärs mit einheimischen Völkern beschränkte sich nicht darauf, die Leute zu erschlagen und ihnen ihr Flechtwerkhaus anzustecken, sondern bestand auch darin, Hilfstruppen zu rekrutieren, Leute anzusiedeln, mit ihnen Handel zu treiben etc. Wenn wir Tacitus' Germania lesen dann sollten wir das nicht in der Form tun, als hätten wir eine valide ethnographische Quelle.
 
Rassenvorurteile gibt es vermutlich seit es den Begriff der Rasse gibt. Denn wie die Sozialpsychologie gezeigt hat, bringt bereits der Umstand, dass wir für eine bestimmte Menge von Menschen einen speziellen Begriff haben (der die Menschen zu eben dieser Menge zusammenfasst), die Neigung zur Höherbewertung der Gruppe mit sich, der man gemäß diesem Begriff selbst angehört (und damit zwangsläufig eine Abwertung der anderen Gruppen).

Dieser Effekt trifft nicht nur auf den Rassenbegriff zu, sondern grundsätzlich auf jeden Sammelbegriff. Es ist auch gezeigt worden, dass der Abwertungseffekt sogar dann auftritt, wenn dem Begriff gar keine empirische Charakteristik entspricht, d.h. wenn die Klassifizierung nicht aufgrund bereits vorhandener typischer Merkmale erfolgt, sondern wenn eine Gruppe von Menschen nicht durch irgendeine objektive Gemeinsamkeit, sondern lediglich durch die willkürliche Zusammenfassung zu einer Gruppe gemacht worden ist.
 
Wie genannt, sind ja nicht einmal die Hautfarbe etc. unbedingt vor dem 18.Jh. für Rassismus/bzw. Abneigung aller Art gegenüber dem Fremden ausschlaggebend. Neben Frisuren konnten das auch Kleider (wie bei Germanen beim Besuch in Rom) sein, die für Argwohn sorgten. Eigentlich stellen diese Merkmale der Mode aber auch eher eine Abneigung gegen eine Kultur, als gegen eine künstlich deffinierte Rasse her.
Wäre auch meine Meinung.

Das Bervorzugen der eigenen Gruppe lässt sich in der Menschheitsgeschichte generell nicht abgrenzen, da es zum biologischen Programm gehört. Ich glaube kaum, dass es hierzu wissenschaftliche Untersuchungen gibt, aber vermutlich fällt die “Gruppe” mehr ins Gewicht, als körperliche Unterschiede. Hätte man also ein kleines Dorf, abgeschirmt zwischen den Bergen, die Bewohner aus einer Mischung von allerlei Rassen, gäbe es zwar ebenfalls Vorbehalte gegenüber Fremde, aber die Bewohner würden sich kaum, wahrscheinlich überhaupt nicht um Rassenunterschiede innerhalb des Dorfes kümmern, sodass paar Jahrhunderte später die Unterschiede bereits verschwommen wären.

Man sieht dieses Phänomen tatsächlich in Gruppen, die stark mit unterschiedlichen Rassen durchsetzt sind. In Brasilien z.B. ist der Rassismus nahezu kein Thema und ebensowenig in Berufsgruppen, wo die Menschen aus der ganzen Welt kommen (z.B. Theater, Showbiz). Trotzdem sieht man auch bei den Brasilianern einen ausgeprägten Nationalstolz, und auch manch Berufsgruppe im Theater versucht die andere auszugrenzen (sodass z.B. ‘Paarungsrituale’ wie Parties von Bühnentechnikern und Schauspielern getrennt stattfinden.)

Man kann also sicherlich behaupten, dass es unter den Menschen Ausgrenzungen gab, seit es Gruppen gibt. Dass diese auch anhand von Rassenunterschieden gemacht wurden, ist umso wahrscheinlicher, je länger eine Gruppe für sich war (sei es geographisch, beruflich, etc).
 
Es ist hier in der Diskussion schon öfter mal angeklungen, aber ich möchte gern nochmal betonen, dass Rassismus ein eigenständiges Terminologiesystem mit einer sehr spezifischen Geschichte ist. Das kann man nicht einfach so im Nachhhinein auf irgendwas Beliebiges drüberstülpen, wenn man nach Ursprüngen von Rassismus fragt. Die Spekulation, ob da jetzt irgendein frühgeschichtlicher Ägypter oder Römer oder Chinese oder whatever rassistisch gewesen ist, ist für mich ungefähr so sinnvoll wie der Versuch, antike japanische Liebeshaikus im Bezug auf den marxistischen Klassenkampf zu analysieren. Kann man machen, muss man aber nicht...... im Bezug auf die Genealogie des Rassismus hilft es jedenfalls echt nicht weiter. Ich würde dafür votieren, dass wir hier auf Wissenschaftsgeschichte einschwenken und uns darauf konzentrieren. Die Frage ist nämlich spannend.

Ania Loomba hat eine wirklich schöne Analyse gemacht, in der sie genau die Eingangsfrage nach den Rassismus für das 17. Jahrhundert stellt und sogar zu diesem verhältnismäßig späten Zeitpunkt feststellt, dass man noch nicht wirklich von Rassismus sprechen kann. Sehr wohl aber findet man zu dieser Zeit schon Strömungen, die sich später zum Rassismus formieren werden, zuvorderst die essenzialistische Differenzierung von Mann und Frau und dann eine essenzialistische Vorstellung von Religionszugehörigkeit, die auch hier und da schon damit verbunden ist, dass Hautfarbe symbolisch aufgeladen ist. Besonders beeindruckend finde ich in diesem Zusammenhang eine "Anekdote", die Loomba erzählt, in der ein englischer christlicher Ritter eine afrikanische nichtchristliche Königin heiratet, und das Kind dann schwarzweiß gefleckt ist.

Loomba weist auch bereits darauf hin, dass der Rassismus sich von einer Essenzialisierung von Kultur (und insbesondere Religion) dann später zu einer biologistischen Essenzialisierung gewechselt hat, die im 19. Jahrhundert hinzukommt und das, was wir heute Rassismus nennen, erst hervorbringt. Frühe Vertreter dieses biologistischen Rassismus sind beispielsweise die Phrenologen, die glaubten, dass sich über Schädelformen Charaktereigenschaften etc. herleiten ließen. Aber auch gesamtgesellschaftlich wurde die Idee von Rasse im 19. Jahrhundert konstitutiv, wenn etwa die Nationalstaatsidee von einer ethnischen Einheit des Volkes ausgehen musste, um sich über etwas anderes zu definieren als den Körper des adeligen Souveräns.
 
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