Siedelten die Helvetier in Hessen?

Haerangil

Aktives Mitglied
Hassia Celtica - Stämme in Hessen

Das war mir bisher völlig entgangen ,daß die Helvetier weit bis in die Wetterau siedelten...

,daß sogar die Glauberg Funde mit den Helvetiern in Verbindung gebracht werden. Ist denn eine so immense Bevölkerungsverschiebung in Hessen nach dem gallischen Krieg 50 v.Chr. nachweisbar?

Hätte evtl. jemand dahingehend gute Literaturtipps für mich?
 
Ich halte das eher für haltlose Behauptungen.
Gerade der Glauberg war ja nur in der frühkeltischen Zeit besiedelt, eine spätlaténezeitliche Besiedlung hat es nicht gegeben, keine Funde und Befunde.
Die Helvetier sind aber ein spätkeltischer Stamm.
Die Stammesbildung (Großstamm) beginnt ja eigentlich erst mit dem Ende der Mittellaténezeit.

Nix gegen die Leutz von Hassia Celtica, aber so manchmal sind die Behauptungen etwas merkwürdig um nicht zu sagen unglaubwürdig.

Hätte evtl. jemand dahingehend gute Literaturtipps für mich?

Schau doch mal auf die Projektseite über den Glauberg.
www.fuerstensitze.de :: Fürstensitz Glauberg

Ansonsten gibt es noch eine Arbeit von Seidel über die Spätlaténezeit und Römische Kaiserzeit in der Wetterau, Fundberichte in Hessen.
M. Seidel, Die jüngere Latènezeit und ältere Römische Kaiserzeit in der Wetterau. Fundber. Hessen 34/35,
 
Noch zuzufügen: der "Hercynische Wald" wird, auch wenn es Lokalisierungsschwierigkeiten gibt, meist mit dem Schwarzwald gleich gesetzt.
 
Danke Geist!

Der Hercynische Wald ist glaube ich bei den alten Autoren eher so ein Topos... möglicherweise gab es ein Gebiet das so genannt wurde aber die verschiedenen Quellen scheinen jeweils unterschiedliche Gegenden damit zu meinen von dem deutschen Mittelgebirge bis hin zum Böhmerwald hab´ich schon alles mögliche gehört...

Ich wüsste aber mal gerne etwas genaueres über die etymologie des Namens... Latein oder griechisch ist der nämlich nicht... evtl. keltisch?
 
Das ganze hat schon Hand und Fuß.
Laut Kapitel 28 der Germania des Tacitus siedelten die Helvetier einstmals weiter nördlich, daher nicht in der Schweiz.

Dass die Gallier einst überlegen waren, bezeugt ein Gewährsmann ersten Ranges, der göttliche Julius Cäsar. Man darf daher annehmen, dass auch Gallier nach Germanien hinübergezogen sind. Denn wie wenig hinderte der Strom, daß ein Stamm, der gerade erstarkt war, neue Wohnsitze einnahm, wenn sie noch allgemein zugänglich und nicht unter königliche Gewalthaber aufgeteilt waren! So hausten zwischen dem herkynischen Walde, dem Rhein und dem Main die Helvetier und weiter ostwärts die Bojer, beides gallische Stämme.

Zur Lokalisierung des Hercynischen Waldes durch Tacitus: (Ich unterstelle Tacitus einmal das mit hercynischem Wald das selbe meinte wie Tacitus.) Im Hercynische Walde siedelten nach Tacitus die Chatten. Ebenso versichert Tacitus die Chatte würden an der Eder siedeln.
Daraus folgt: Die Helvetier siedelten (laut Tacitus) vor ihrer Abwanderung in die Schweiz nördlich des Mains, quasi im Rhein-Main-Gebiet.

Die Namen der in Deutschland hausenden Stämme vor Caesar und Tacitus, kann nur gemutmaßt werden. Von den ersten schriftlichen Nachrichten über die Verhältnisse an Rhein und Main sind die früh-La-Téne-zeitlichen Funden am Glauberg mindestens 500 Jahre entfernt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Von den ersten schriftlichen Nachrichten über die Verhältnisse an Rhein und Main sind die früh-La-Téne-zeitlichen Funden am Glauberg mindestens 500 Jahre entfernt.
Du übersiehst dabei die Zeit der keltischen Wanderung, wie schon oben postuliert, ist die Großstammesbildung, also die Namen die Cäsar, Tacitus u.A. angeben, erst ab dem Ende der Mittellaténezeit anzusetzen.
Die frühkeltischen Kulturen sind deutlich verschieden zu den "Stammesverbänden" der Spätlaténezeit.
Ich führe nur mal ein paar Unterschiede an:
Befestigungswesen
Siedlungsstruktur
Bestattungssitten
Materielle Kultur (Schmuck, Waffen, ........)
Sozialstruktur
usw.

Nur weil es in den Schriftquellen behauptet wird, muss es nicht zwingend richtig sein.
 
@Maglor

Ich finde diese Angabe eher ungenau...

wenn ich mir Karten so anschaue könnte auch Süddetschland, evtl. die Gegend um Nürnberg gemeint sein...

Schreibt Tacitus nicht auch ,daß Boier und Tectosagen im Hercynischen Wald lebten? Da die Boier in Böhmen angesiedelt werden und die Helvetier laut Tacitus westlich von ihnen lebten spricht das in meinen Augen noch mehr für den süddeutschen Raum, westlich des Böhmer Waldes.

Bei Tacitus ist ja auch nicht klar welcher Zeithorizont ihm in etwa vorschwebt... es scheint grob irgendeine Zeit vor Cäsar zu sein... der Absatz mit den Königen könnte evtl. auf die Zeit anspielen in welcher die Gallier noch von Königen regiert wurden, was zur Zeit des gallischen Krieges in Vercingetorix Familie erst eine Generation her war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Entscheide ist die Frage, welches Gebit Ptolemäos mit "helvetischer Einöde" meinte. Dabei handelte es sich wohl um das frühere Siedlungsgebiet, der Helvetier, welches auch Tacitus beschreibt.

So ganz unklar und vage ist Tacitus nicht. Ernennt zumindest den Main als Grenze des ehemaligen Helvetier Landes. Dieser Fluß fließt durch Südhessen. Damit kann als sicher gelten, dass wenigstens Teile Südhessens zu diesem alten Helvetier-Land gehörten, unabhängig davon wie man den Hercynischen Wald nun definieren möchte.

Schreibt Tacitus nicht auch ,daß Boier und Tectosagen im Hercynischen Wald lebten? Da die Boier in Böhmen angesiedelt werden und ...
Wenn du die Tacitus-Stelle ordentlich gelesen hättest, würderst du bemerkt haben, dass da steht, die die Helvetier siedelten die Helvetier zwischen Rhein, Main und hercynischem Wald und die Boier östlich von ihnen.
Da steht nirgendwo, dass die Boier im herynischen Walde siedeln, noch steht da, dass sie in Böhmen siedeln. Durchaus naheliegend, dass wie bei den Helvetiern ein vor caesarisches Siedlngsgebiet weiter nördlich gemeint, daher ist genausowenig Böhmen wie die Schweiz gemeint.
 
Zuletzt bearbeitet:
So hausten zwischen dem herkynischen Walde, dem Rhein und dem Main die Helvetier und weiter ostwärts die Bojer, beides gallische Stämme.

Rhein und Main ist schon klar... aber halt der Ercynische Wald nicht:
http://images.zeno.org/Brockhaus-1911/I/big/bkklmi21.jpg

Weiter von diesen beginnt der Anfang der Heimat der Chatten ab dem Hercynischen Wald, nicht so weit ausgedehnt und auch sumpfig ist das Gelände wie das der übrigen Stämme, auf welche sich Germanien erstreckt, allerdings sind Berge vorhanden, sie werden allmählich seltener, und seine Chatten begleitet der Hercynische Wald solange bis er abnimmt.
selbst wenn ich den Main als Nordgrenze Helvetiens ansehe, was Tacitus möglicherweise meint scheint er merkwürdige Vorstellungen vom Terretorium der Chatten zu haben...

Die Ausdehnung des hercynischen Waldes , auf den wir oben hinwiesen, entspricht einem Fußmarsch von neun Tagen; anders kann sie nicht bestimmt werden da die Einheimischen kein Wegemaß kennen.Der Wald beginnt im Gebiet der Helvetier, Nemeter und Rauracer und erstreckt sich in gerader Richtung auf die Donau zu bis zum Gebiet der Dacer und Anartier
-Cäsar, de bello gallico, Buch 6

Auch Cäsar siedelt die Helvetier am hercynischen Wald an, nur reicht der bei ihm im Osten bis an die Theiß in Rumänien...

allein die genannten drei Stämme, Helvetier, Rauricer und Nemeter weisen auf ein enormes Ausmass des gemeinten Gebietes hin.

Entscheide ist die Frage, welches Gebit Ptolemäos mit "helvetischer Einöde" meinte.

Ich dachte dies sei das Dekumatsland?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das dachte ich auch, aber ist dir auch aufgefallen, dass das Dekumatenland und somit in der Helvetischen Einöde auch im heutigen Bundesland Hessen liegt.:pfeif:
Auch Cäsar siedelt die Helvetier am hercynischen Wald an, nur reicht der bei ihm im Osten bis an die Theiß in Rumänien...
Oder er hat merkwürdige Vorstellungen vom hercynische Wald gar der hercynische Wald ist eine merkwürdige Vorstellung.
 
Also gehen wir die Sache mal logisch an.:schlau:
Tacitus begrenzt das Helvetergebiet durch den Rhein im Westen und den Main wohl im Norden . Bleiben der Osten und der Süden als Standort des mysteriösen hercynischen Waldes.
Im Osten wären das Odenwald und Kraichgau,im Süden der Schwarzwald.
Die Erwähnung der Nemeter läßt mich dabei an erstere Alternative denken
Das würde auch mit den 9 Tagen Fußmarsch hinkommen.
 
Wenn man klären will ob die Helveter mal auf heute Hessischem Boden gesiedelt haben,stellt sich unweigerlich die Frage nach ihren materiellen Hinterlassenschaften.Da die Helveter Münzen emittierten ,also auch Quinare in der Spätlatene neben Goldmünzen prägten ,müsste sowas in größerer Stückzahl in ihren Siedlungen zufinden sein.Mir persönlich sind solche Münzen in größerer Konzentration aus dem südlichen Schwarzwald,dem Elsaß,den Vogesen bekannt .
Im hessischen Raum finden sich Quinare vom Typ Vogelmännchen der sog.Typ Bad Nauheim,Prägeort Heidetränk-Oppidum,sowie der Quinar vom Typ Tanzendes Männlein. Beide Oppida emittierten mit einem Streuradius von knappen 100km.
 
Eine sachliche Erläuterung von Andrixxx8888 über die Münzverbreitung, wir können m.E. daraus schließen das die Helvetier nicht in Hessen siedelten.
 
Wenn ihr was genaues wissen wollt zu den Helveterbewegungen aufgrund des Fundgutes, wendet euch an Harald Jandrasitz ,Uni Wien ,oder Prof Wendeling Uni Metz im numismatik-cafe.at Die kennen mit Sicherheit die Quinartypen der Helveter und wo man sie wann in welcher Konzentration fand und welchen Rückschluss man daraus bezüglich der Helvetischen Einöde des guten Tacitus ziehen darf.
 
Das dachte ich auch, aber ist dir auch aufgefallen, dass das Dekumatenland und somit in der Helvetischen Einöde auch im heutigen Bundesland Hessen liegt.

hmm... also ich hatte Tacitus so verstanden wie auch Wikipedia ihn anscheinend verstanden hat:

Ob auch die nördlich des Neckar gelegenen rechtsrheinischen Gebiete sowie die nördlich der Donau gelegenen Teile von Raetia zu den agri decumates zählten, ist unklar – Tacitus’ knappe Notiz scheint eher dagegen zu sprechen.
Aber ansonsten, danke an Andrix und Geist für den Tipp mit der Münzemmission... ich denke auch ,daß dies gegen eine Besiedlung oder sogar einen größeren Einfluß der Helvetier in Hessen spricht.

Jedenfalls denke ich ,daß man in die kurze und ungenaue Angabe bei Tacitus nicht zuviel hinein interpretieren sollte und sie allein keine ausreichende Quelle für solche Vermutungen darstellt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jedenfalls denke ich ,daß man in die kurze und ungenaue Angabe bei Tacitus nicht zuviel hinein interpretieren sollte und sie allein keine ausreichende Quelle für solche Vermutungen darstellt

Genau damit triffst du, meiner Meinung nach, den Nagel auf den Kopf.
Erst mit einer zusammenfassenden Betrachtung aller Evidenzien, aus archäologischer, althistorischer, archäobiologischer Sicht kann man weiter gehende Aussagen treffen.
Die reine Konzentration auf die doch sehr subjektiven Schriftquellen bringt uns in der Diskussion so nicht weiter.
Man sollte sich immer darauf besinnen, dass es sich bei den obigen Schriftquellen, nicht um Geschichtswerke heutiger Prägung handelt, sondern um Werke die in ihrem zeitlichen und kulturellem Kontext interpretiert werden müssen.
Gerade die geogr. Verortungen sind mit Sicherheit nicht einfach so 1 zu 1 zu übersetzen, sondern bedürfen einer äußerst breiten Quellenkritik.
 
Angesichts mehrerer gleichlautender Schriftquellen lässt sich immerhin vermuten dass die Helvetii in Südwestdeutschland saßen. So z.B. lt Lexikon der Antike Ptolemäus 2,11,6, Tac. Germ. 28,2 und Caesar Gall.

Welcher keltische Stamm in der Rhön bzw. in Hessen saß, ist nicht bekannt. Am häufigsten genannt werden die Völker, die später zwischen Rhone und Pyrenäen eine neue Heimat fanden. In ihrer Nachbarschaft dürften die Helvetier, Teurier, Teurisker, Turonen und Boier gesessen haben: "So hausten zwischen dem herkynischen Walde, dem Rhein und dem Main die Helvetier und weiter ostwärts die Bojer, beides gallische Stämme".

Ob Tacitus Germania 28 mit dem herkynischen Wald hier den Thüringer Wald, die Rhön oder die Schwäbische Alb meint, ist umstritten. Da zu Caesars Zeit im Gefolge der Helvetier bekanntlich die T(h)ulinger auftraten, dürften sie vorher Nachbarn gewesen sein.
 
Zurück
Oben