Beorna hat prinzipiell dass Nötige hierzu gesagt. Westeuropa bildete bis zum Eintreffen der Indoeuropäer einen eigenen Kulturkreis.
Das ist eine sehr starke Aussage, und wie du weißt, habe ich mit starken Aussagen bzgl. einer quellenmäßig so schlecht abgesicherten Epoche, wie der Ur- und Frühgeschichte, so meine Schwierigkeiten. Und so habe ich auch Schwierigkeiten damit von einem "einheitlichen Kulturkreis" in Westeuropa zu sprechen. Dieser müsste sich archäologisch definieren (dagegen ist nichts einzuwenden), aber tut er das auch? Wodurch?
Eine Einwanderung aus Nordafrika nach Abschmelzen der Gletscher und dem Ende der letzten Eiszeit ist überaus wahrscheinlich. Mit diesen Einwanderern gelangten verschiedene Sprachen nach Westeuropa und somit auch nach Britannien, das noch lange Zeit mit dem Festland verbunden war.
Von Wahrscheinlichkeiten habe ich nicht gesprochen. Es ist nur so, dass es keinerlei genetische (sprachlich, nicht biologisch) Verbindungen vom Hamitischen zum Iberischen oder Baskischen gibt und zwischen dem Iberischen und Baskischen eben auch nicht. Du hast vernünftigerweise in einem deiner vorherigen Beiträge noch Zweifel an Matasovićs Hypothese geäußert ("was natürlich eine Hypothese ist"), inzwischen hast du sie offenbar internalisiert.
Z.B. ist der syntaktische Beleg ziemlich dünn. So sieht er darin die VSO-Ordnung (also Verb-Subjekt-Objekt-Ordnung) des Satzes, die man sowohl im Berberischen wiederfinde (allerdings dort offenbar nicht durchgängig sondern nur in einzelnen Dialekten) und ebenso in den Inselkeltischen Sprachen. Diese Ordnung finden wir im Übrigen auch im Hebräischen und im Arabischen, wobei es dort auch noch auf weitere Dinge ankommt, nämlich ob ein Satz am Anfang eines Textes steht oder mittendrin - am Anfang kann VSO durch SVO ersetzt werden - oder ob Subjekt oder Objekt determiniert ist, dann kann u.U. aus VSO auch mal VOS werden.
Aber schauen wir uns mal nur Mutter Latein und ihre Töchter an:
Im Klassischen Lateinischen haben wir i.d.R. die Ordnung SOV, das Prädikat steht am Ende des Satzes. In den romanischen Sprachen rückt es nach vorne und steht plötzlich an zweiter Stelle, wie im Deutschen: SVO.
Was lernen wir daraus? Es gibt im Prinzip nur sehr wenige Möglichkeiten der Satzordnung, die aber können unter eng verwandten Sprachen differieren, manchmal sogar in einer Sprache differieren. Die Satzordnung ist daher, aufgrund der geringen Anzahl an Möglichkeiten auf der einen Seite, und dass diese intern auch noch vaiieren können, kein ernstzunehmender syntaktischer Beleg.
Dann schreibt Matasović aber auch dies:
The inter-dental fricative /þ/, which is very rare cross-linguistically, is found very frequently in languages of Western Europe (including Insular Celtic languages, but also English, Icelandic, and Castillan Spanish), but also in many varieties of Berber (e.g. in Kabyle) and in several Atlantic languages of the Niger-Congo family...
Für's Spanische kann ich nur so viel sagen: Das /þ/ ist eine Entwicklung die wir sicher auf das SpätMA datieren können, seine Existenz lässt sich auf kein Substrat zurückführen. Und, weil er auf das Englische und Isländische rekurriert: Das /þ/ war auch mal Bestandteil in allen germanischen Sprachen, nur ist es dort verloren gegangen, hat sich im Skandinavischen zum /t/ verhärtet, im Deutschen zum /d/ sonorisiert.
While the order demonstrative-noun (within the NP) is almost universal in the whole of Northern Eurasia, in Insular Celtic we find the reverse order, cf. OIr. in fer sin ‘that man’, Wy gwr hwnn ‘id.’. The same order is found in Basque (etxe hau ‘this house’) and in most languages of the Atlantic group of Niger Congo languages in NW Africa (e.g. Wolof, Balanta, Ndut, Kisi, Temne, and others).
Wir finden es aber auch im Lateinischen und Skandinavischen...
The vigesimal counting system is clearly much less common in Eurasia than the decimal system, which can be posited for PIE. The Insular Celtic languages clearly stand out among the Indo-European languages in having clear traces of the vigesimal counting system (cf. OIr. ceithre fichit ‘80’ = ‘four twenties’), although in the historical period this system is not preserved in a pure form. It may be significant that a considerable number of Atlantic languages in NW Africa also have the vigesimal counting system (e.g. Diola-Fogny, Gola, andFulbe, among others), and that it is also found in Basque.
Das Französische nicht zu vergessen.
While most languages of Central and Eastern Europe either lack demonstrative articles, or have suffixes expressing definiteness (as in most Balkan languages), preposed independent definite articles characterize most languages of Western Europe (including Ibero-Romance, French, English, but also all Insular Celtic languages). Interestingly, this type of definite article is also found in many Atlantic languages (Wolof, Balanta) and also some Mande languages of NW Africa (e.g. Bambara).
Gerade in den romanischen Sprachen kann man die Entwicklung des Artikels aus den lateinischen Demonstrativpronomina seit dem frühen Mittelalter sehr gut beobachten. Auch hier ist also kein altes Substrat zu finden.
Im Übrigen ist Matasovićs Methode als willkürlich zu kritisieren: Mal vergleicht er mit dem Baskischen, dann mit dem Berberischen, dann wiederum mit dem Altägyptischen und schließlich mit dem Wolof. Übereinstimmungen mit Phänomenen in den indoeuropäischen Sprachen übersieht er. Überzeugender wäre, wenn er nicht für jedes Phänomen welches er bespricht eine andere Vergleichssprache heranziehen müsste.
Vor den Kelten saßen andere Völker auf den britischen Inseln. Die älteste Schicht bildeten vorindoeuropäische Völker, jüngere Schichten umfassten vermutlich Bevölkerungen indoeuropäischer Herkunft, deren Ethnizität nicht mehr bestimmbar ist.
Wieso nimmst du eine präkeltisch-
indoeuropäische Bevölkerung an?
The source of these substratum words in Insular Celtic is completely mysterious. The natural place to look for them would be Afro-Asiatic and Basque, but it is quite certain that they were not borrowed from either of these languages.
Warum Afro-Asiatisch (alo Ägyptisch und Berber) und Baskisch die "natürlichen Orte" seien, wo man nach dem präkeltischen Substrat schauen solle, erschließt sich mir zwar nicht, aber in diesem Satz macht er eine wichtige Feststellung: Es ist ziemlich sicher, dass das lexikalische Substrat eben nichts mit dem Baskischen oder Hamitischen zu tun hat.
Damit bin ich dann wieder nicht einverstanden:
There is no reason to assume that there was less linguistic diversity in Bronze Age Britain and Ireland than therewas in Iron Age Italy.
Doch. Denn im Gegensatz zu Italien, welches im Zentrum der mittelmeerischen Welt liegt, liegt Irland in der Peripherie. Man vergleiche mal nur die Einwohnerzahlen heute: Irland (Insel, nicht Staat) hat 6,2 (
73 Einw./km²) Millionen Einwohner, Italien das Zehnfache: 59,9. (199 Einw./km², flächenmäßig also nicht ganz das Dreifache). Sicher, das sind Zahlen von heute, deren Verhältnis sich nicht so einfach auf die Bronzezeit in Irland und die Eisenzeit in Italien übertragen lassen. Dennoch zeigen sie eine klare Tendenz.
Tatyana Mikhailova, deren Artikel sich an den von Matasović anschließt, wirft ihm im Übrigen "linguistic naïvety" vor. Die Antwort darauf von Matasović werde ich mir ein anderes Mal zu Gemüte führen.