Sinn und Unsinn der Nation

Der tibetische Widerstand gipfelte in einem Volksaufstand am 10. März 1959 in Lhasa. Nach dem Beschuss des Norbulingka durch chinesische Truppen am 17. März 1959 floh der dort verweilende Dalai Lama nach Indien. Zwei Tage später brachen Kämpfe in der Stadt aus, der Volksaufstand wurde am 21. März brutal niedergeschlagen. Bei den Kämpfen starben laut exiltibetischer Angaben zehntausende Tibeter.
Seit dem traut sich wohl niemand mehr offen für die Unabhängigkeit einzutreten, was auch verständlich ist.
 
** Wer allerdings nicht zugeben will, dass eine übernationale Regentschaft bisher mehr blühende Landschaften als großflächig zerstampfte ergeben hat, der hat wahrlich nichts aus der Geschichte gelernt - oder er will es gar nicht wissen, was ich verstehen kann, will ja gerade die "-Romantik", also das "-Gefühl" bei unserem Thema sein Recht haben.
Wenn man sich die heutige EU mit all ihren Nationalismen ansieht, die einer wahrhaften Einigung im Weg sind, so muss man wohl sagen dass viele nichts aus der Geschichte gelernt haben.
 
Wenn man sich die heutige EU mit all ihren Nationalismen ansieht, die einer wahrhaften Einigung im Weg sind, so muss man wohl sagen dass viele nichts aus der Geschichte gelernt haben.
Das würde ich so nicht sagen. Immerhin will man hier keinen Krieg mehr gegeneinander führen. :D
Das sind einfach über Tausende von Jahren gewachsene Nationalgefühle, die da zum Vorschein kommen, daß man mehr auf sein eigenes Land schaut und die Interessen eines anderen Landes im Denken der Menschen kaum eine Rolle spielt. In Deutschland ist es sogar noch verrückter: Wenn es um den Länderfinanzausgleich geht, dann schaut jeder sogar vor allem auf sein eigenes Bundesland (sofern es ein reiches Land ist und etwas einzahlen muß) und würde am liebsten die Zahlungen für ein anderes Bundesland beschneiden. Und hier im Osten Deutschlands haben einige noch nicht einmal ihre "DDR-Identität" abgelegt und denken immer noch in den Grenzen von vor 1990. Aber das nur nebenbei, denn nun sind wir schon bei der Tagespolitik angekommen.
Aber wenn es um die EU geht, dann sollte sich niemand Hoffnungen machen, daß so bald etwas, wie eine europäische Identität entsteht. Das wird noch mindesten dieses ganze Jahrhundert dauern - wenn nicht noch länger.
 
Da verwechselst du Ethnizität mit Nationalität.
Also zumindest hier in Deutschland hängt beides sehr eng zusammen, aber darüber hatten wir schon eine sehr interessante Diskusionsrunde. Aber eigentlich bezog sich mein Beitrag tatsächlich auf Nationen und die daraus resultierenden Nationalgefühle im Sinne von Nationalstaaten.
 
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Also zumindest hier in Deutschland hängt beides sehr eng zusammen ...
Ja, durch das Staatsbürgerschaftsgesetz von 1870. Als fassbare Größe mit klaren Zugehörigkeitskriterien gibt es erst seitdem eine deutsche Nation.
Aber eigentlich bezog sich mein Beitrag tatsächlich auf Nationen und die daraus resultierenden Nationalgefühle im Sinne von Nationalstaaten.
Wie kommen dann gleich mehrere (also mindestens zwei) Jahrtausende zustande (vor allem wenn die Nationalgefühle erst aus dem Nationalstaat folgen sollen)? Nachweisbar scheint mir ein allgemein verbreitetes deutsches Nationalgefühl mit den Freikorps der Napoleonischen Kriege und den Burschenschaften- also vor Gründung Deutschlands, aber auch wesentlich jünger als 2000 Jahre.
http://de.wikipedia.org/wiki/Freikorps
http://de.wikipedia.org/wiki/Wartburgfest
 
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Wie kommen dann gleich mehrere (also mindestens zwei) Jahrtausende zustande (vor allem wenn die Nationalgefühle erst aus dem Nationalstaat folgen sollen)? Nachweisbar scheint mir ein allgemein verbreitetes deutsches Nationalgefühl mit den Freikorps der Napoleonischen Kriege und den Burschenschaften- also vor Gründung Deutschlands, aber auch wesentlich jünger als 2000 Jahre.
Tja, da hab ich einfach mal (keck, wie ich manchmal bin) die fränkische und die deutsche Nation in einen Topf geworfen und dann kommen so 1500 Jahre zusammen - wa?
 
Tja, da hab ich einfach mal (keck, wie ich manchmal bin) die fränkische und die deutsche Nation in einen Topf geworfen und dann kommen so 1500 Jahre zusammen - wa?
Genau das meinte ich. Franken konnten sich als Ethnie begreifen- d.h. in Unterscheidung zu Friesen oder Sachsen- aber nicht als Nation in der modernen Bedeutung des Wortes.
@Mercy: Das als HRRDN bezeichnete Gebilde (und selbst der "deutsche" Reichsteil) umfasste im 15. Jhd. immer noch beträchtliche Gebiete nichtdeutscher Sprache, woraus sich die Frage ergibt, ob zwischen den deutschsprachigen und nicht-deutschsprachigen Untertanen in ihrem Verhältnis zum Kaiser ein Unterschied gemacht wurde. Denn nur dann wäre von einer abgrenzbaren deutschen Nation zu sprechen.
Hinzu kommt die Frage, was wichtiger war: Herkunft nach Sprache und Gebiet oder Herkunft nach Stand- in einer Nation im heutigen Sinne wäre letzteres zweitrangig.
 
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Ja, Saint-Just, alle Territorien außerhalb des Deutschen Königreichs hatten auf dem Reichstag keine Reichsstandschaft, d.h. sie waren dort weder mit Virilstimmen noch mit Kuriatstimmen vertreten. Das gilt also für die Fürsten und Herren in Burgund und im Königreich Italien als den zwei großen Komplexen innerhalb des Heiligen Römischen Reichs. Nach dem Westfälischen Frieden und dem Ausscheiden der Niederlande und der Schweiz aus dem Reichsverband hatten weiterhin alle außerhalb der Reichsgrenzen gelegenen Territorien keine Vertretung im Reichstag. Das galt z.B. für das brandenburgische Hzm. Preußen oder das Kgr. Ungarn, nicht aber für das Kgr. Böhmen, das fast seit der Gründung des HRR Reichsstand und meist auch Kurfürstentum war. In Italien besaß lediglich das Hzm. Savoyen Reichsstandschaft, nicht aber andere Territorien wie z.B. Mailand, Parma, Mantua usw.

Das Reich war also ein föderales Gebilde und man könnte es vielleicht mit dem modernen Begriff "Konföderation" bezeichnen, obwohl auch das die Sache nicht ganz trifft.
 
Genau das meinte ich. Franken konnten sich als Ethnie begreifen- d.h. in Unterscheidung zu Friesen oder Sachsen- aber nicht als Nation in der modernen Bedeutung des Wortes...
Im modernen Sinne des Wortes nicht, da gebe ich dir recht. Aber ich denke, auch die Franken verstanden sich als Nation, aber im römischen und damit ursprünglicheren Sinne des Wortes.

Zur Erinnerung: Nation - [lateinisch natio, „Geschlecht", „Volk", „Stamm"]
Und da sind wir schon bei der wohl ältesten Definition dieses Begriffs. Die alten Römer bezeichneten einfach eine bestimmte Gemeinschaft als "natio", d. h. bei ihnen konnte das sowohl das gesammte Römische Reich, als auch ein einzelner germanischer Stamm sein.

Um 500 u. Z. gehörten außerdem nicht nur Franken zu ihrem Reich, sondern bereits fast ganz Gallien, so daß bei den Franken in dieser Zeit schon mehrere verschiedene, auch nichtgermanische Ethnien dazugehörten.
 
Um 500 u. Z. gehörten außerdem nicht nur Franken zu ihrem Reich, sondern bereits fast ganz Gallien, so daß bei den Franken in dieser Zeit schon mehrere verschiedene, auch nichtgermanische Ethnien dazugehörten.
Wurden diese aber als vollwertig neben den Franken stehend angesehen?
Dass die Nation nicht identisch mit der Fläche der Nation sein muss, könnte allerdings eine Problematik des Früher sein und an einem komplizierten Geflecht der von der angeführten Nation-Deffinition und dem zum Großteil heutigen Nationalbegriff.

Endgültige Weisheiten werden wir darüber kaum erlangen, nur höchstens aufzählen können, was man früher als Nation begriff und da ist es schon wieder so, dass diese Ansichten einfach mit "modernen" Deffinitionen nicht deckungsgleich gehen müssen. So denke ich durchaus, dass sich einige Untertanen des Kaisers im 18.Jh. als von der Nation her Deutsche begriffen, während andere sich als preußische Patrioten sahen. Dies hat, so paradox es klingt, nichts damit zu tun, dass man im Falle vom Heiligen Römischen Reich eben nicht von einer Nation sprechen kann. Die Ursache liegt darin, dass die Gründung eines Reichsstaates misslang (mehr dazu im Thread zu Karl VI.).:fs:
 
Von einer "fränkischen Nation" lässt sich um 500 n. Chr. keineswegs sprechen, da sie sich in erst in dieser Zeit herausbildete. Nachdem Südgallien in der Schlacht bei Vouillé den Westgoten entrissen wurde, kam es allmählich zu einem Zuisammenwachsen von germanischen Franken mit der unterworfenen romanisierten Bevölkerung. Besonders durch Chlodwigs Übertritt zum Christentum 498 n. Chr. war der Boden hierfür bereitet, und erst jetzt entstand durch einen langjährigen Verschmelzungsprozess die "Nation".
 
Um 500 u. Z. gehörten außerdem nicht nur Franken zu ihrem Reich, sondern bereits fast ganz Gallien, so daß bei den Franken in dieser Zeit schon mehrere verschiedene, auch nichtgermanische Ethnien dazugehörten.

Wurden diese aber als vollwertig neben den Franken stehend angesehen?
Dass die Nation nicht identisch mit der Fläche der Nation sein muss, könnte allerdings eine Problematik des Früher sein und an einem komplizierten Geflecht der von der angeführten Nation-Deffinition und dem zum Großteil heutigen Nationalbegriff.

Meines Wissens wird der Erfolg der Franken gegenüber den anderen staatenbildenden Germanenvölkern auf dem Boden des römischen Reiches damit erklärt, dass sie a) zum Katholizimus übertraten und b) sich frühzeitig mit der lokalen provinzrömischen Elite vermischten.
 
Wurden diese aber als vollwertig neben den Franken stehend angesehen?

@ El Quijote
Meines Wissens wird der Erfolg der Franken gegenüber den anderen staatenbildenden Germanenvölkern auf dem Boden des römischen Reiches damit erklärt, dass sie a) zum Katholizimus übertraten und b) sich frühzeitig mit der lokalen provinzrömischen Elite vermischten.
Ganz genau, vor allem das sollte Chlodwigs übertritt zum Katholizismus bewirken. Die Bevölkerung Galliens war katholisch und die katholische Kirche wurde nach der Taufe zur wichtigsten Stütze des Fränkischen Staates - ja, zu einem Machtinstrument, das der König damit übernahm. Die Religion vermittelte in dieser Zeit ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl als die Sprache. Das war das Ergebnis des Zusammenlebens in dem Vielvölkerstaat "Römisches Reich", für das fremde Volkszugehörigkeit nie ein Makel war, nicht einmal für die Übernahme der Kaiserwürde. Aus dem Grunde war das Reich der Franken auch wesentlich stabiler, als z. B. das Westgotenreich, bei dem es tatsächlich lange eine religiöse und ethnische Spaltung zwischen den Volksteilen gab, die auch Ungleichheiten schuf.
 
Zu meinem letzten in diesem Pfad geschriebenen Beitrag ist mir aber trotzdem noch etwas unklar:

Diese vorrangige Bedeutung der Religion hielt noch lange an - sicher bis ins 19. Jh. Im 19. Jh. entstand dann eine national-patriotische Bewegung, die im 20. Jh. zum Nationalismus-Faschismus mutierte. Und sie breitete sich in ganz Europa bis in die entlegensten Winkel aus, so scheint es mir. Die Frage, die sich mir nun stellt, ist:

Wie hat sich eine solche Bewegung ausgebreitet?
Denn auch z. B. die Bauern wurden davon ja nicht verschont und die haben sicher nicht die Schriften von irgendwelchen Philosophen usw. gelesen.

Oder war eine Abneigung gegen andere Ethnien unterschwellig doch schon vorher vorhanden und es brauchte nur jemand kommen, der den ersten Stein ins Rollen bringt?
:grübel:
Die Diskusion ist eröffnet.
 
Zu meinem letzten in diesem Pfad geschriebenen Beitrag ist mir aber trotzdem noch etwas unklar:

Diese vorrangige Bedeutung der Religion hielt noch lange an - sicher bis ins 19. Jh. Im 19. Jh. entstand dann eine national-patriotische Bewegung, die im 20. Jh. zum Nationalismus-Faschismus mutierte. Und sie breitete sich in ganz Europa bis in die entlegensten Winkel aus, so scheint es mir. Die Frage, die sich mir nun stellt, ist:

Wie hat sich eine solche Bewegung ausgebreitet?
Denn auch z. B. die Bauern wurden davon ja nicht verschont und die haben sicher nicht die Schriften von irgendwelchen Philosophen usw. gelesen.

Oder war eine Abneigung gegen andere Ethnien unterschwellig doch schon vorher vorhanden und es brauchte nur jemand kommen, der den ersten Stein ins Rollen bringt?
:grübel:
Die Diskusion ist eröffnet.



Habe persönlich ein bischen Muffen vor solchen sehr weitreichenden Fragen, bzw. Geschichtsinterpretationen. :grübel: aber ich riskiere mal was :p

Zu deiner als noch "vorangig bis ins 19. Jahrh. bedeutenden Religion " ist anzumerken, daß diese m.M nach in direktem Zusammenhang deiner fettgedruckten Fragen steht;
Je offenkundiger die Aufklärungsphilosophie und auch Aufklärungstheologie die zentralen Inhalte des identitätsstiftenden christl. Glaubens entwertete (welches keine Wertung darstellen soll ) ,desto wirksamer wurden Gegenkräfte , die letztlich auf politischer Ebene wirksam wurden;
Hinwendung in romantischem Geist zum christl. bestimmten Mittelalter, als "die Welt " noch in Ordnung war- abzulesen in Literatur, Kunst, Architektur etc..
(Die damit verknüpften Namen können ja später mal hier eine Rolle spielen, es würde jetzt in den Wald führen).
Die Aufklärung selbst ging in dt. Landen in Preußen, dem doch so bestimmenden Machtfaktor, auch hier voran, indem seit Fritz Zwo -überspitzt gesagt- der Staat die Religion ersetzte, besser gesagt ersetzten sollte.
Wissenschafts-und Fortschrittsglaube hatten- ähnlich wie heute die moralisch-soziale Kapitulation vor der "Globalisierung" - eine am Wirtschaftswachstum des Frühkapitalismus ausgerichtete "Ethik " gefördert ;
Die störenden Handelsbarrieren fielen, die Zollunion wurde der eigentliche polit. wirksame Motor der dt. Einigungskraft, keine noch so mißglückte Revolution.
Verständliches Ziel aller wirtschaftl. Erwartungen war (als deren Vorraussetzung )auch die polit. Einigung Deutschlands, die trafen sich mit mittelalterl.-deutschtümelnden Träumen der Spätromantiker und des restaurativen Biedermeiers der ganzen Vormärzzeit und deren polit. Repräsentanten.
Die Zusammensetzung der Frankfurter Paulskirche hat schon im Vorfeld erfolgreich die wirklichen Revoluzzer vor die Tür gekehrt, hatte man doch anno 1844 beim Weberaufstand gesehen, wie echte Proletarier ihren Wirtschaftsaufschwung gefährden könnten.
Für ein übergreifendes Gefühl einer dt. Nationalität wurde das Gefühl für Unterschiede zu anderen Nationen und Ethnien gebraucht.
Man betonte plötzlich die Unterschiede zu Nachbarn ,beschwor die germanischen Gemeinsamkeiten , die Geschichte ,vorallem in der Gefahr . Das haben die Franzosen anno 1870 unterschätzt !
Sie haben den Beitritt der dt. Südstaatler zum preuß. dominierten Norden im Angesicht der "welschen Gefahr "nicht auf dem Schirm gehabt.
Das man es bei all dem schönen Nationalgefühl zu - ismen hat kommen lassen ( Nationalismus, Chauvinismus, Sozialdarwinismus, Nationalsozialismus ) kann unterschiedlich gesehen werden, dafür ist nicht nur ein Faktor ersichtlich, nicht nur eine Philosophie.
Meinen etwas ausgewalzter Text :rotwerd: könnte vielleicht als Diskussionshintergrund für die angerissenen Fragen dienen ....:pfeif:
 
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