Sisebut und seine antijüdische Gesetzgebung

El Quijote

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In der Geschichtswissenschaft bzw. weniger in der Geschichtswissenschaft als viel mehr in der Publizistik, wird immer wieder, je nach Intention und geistigem Standpunkt des jeweiligen Autors, die westgotische antijüdische Gesetzgebung zitiert. Mal, um zu zeigen, dass die Westgoten Antisemiten waren, mal, um antisemitische Vorstellungen zu "beweisen", mal, um eine Kontinuität der Opferrolle der Juden zu propagieren, mal, um die Religion/die Christen/die Katholiken als schlecht darzustellen. Je nachdem, zu welcher Strömung der Autor eben gehört.

Eigentlich aber beginnt die antijüdische Gesetzgebung im Westgotenreich erst unter Sisebut, also im frühen 7. Jhdt. Vorher werden die Juden in den erhaltenen Texten lediglich als ein Teil der Bewohner des westgotischen Vielvölkerreiches erwähnt: "Ut omnis homo, tam ingenuus quam servus, Ghotus, Romanus, Sirus, Grecus vel ludeus, die dominico nullam operam faciant, nec boves iungantur, excepto si inmutandi necessitas incubuerit."
(Dass jeder Mensch, sowohl Freier, wie Sklave, Gote, Römer, Syrer, Grieche oder Jude am Sonntag (Tag des Herren) nicht arbeitet, die Ochsen nicht unter das Joch spannt :)grübel:) außer, wenn die unabänderlichen Notwendigkeiten dies erzwingen (incubare sehr frei übersetzt, in der Hoffnung, den Sinn so besser wiederzugeben).)

Wieso aber erlässt Sisebut plötzlich seine judenfeindlichen Gesetze? Was für Gründe hat er für die sich in den älteren Quellen nicht abzeichnende, also wohl plötzliche Intoleranz gegenüber den Juden?
 
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Wieso aber erlässt Sisebut plötzlich seine judenfeindlichen Gesetze? Was für Gründe hat er für die sich in den älteren Quellen nicht abzeichnende, also wohl plötzliche Intoleranz gegenüber den Juden?

Geht das nicht im Wesentlichen auf Isidors "De fide catholica contra Iudaeos" zurück?
 
Das kann eigentlich nicht sein. Zwar waren Isidor und Sisebut wohl befreundet, jedoch ist Isidors Schrift eine theologische. Isidor steht auf der Seite derer, die von der Blindheit der Synagoge sprechen und den Juden den Glauben abspricht, woraus ihre Blindheit resultiere, aber Isidor hält die Anwesenheit von Juden für die Wiederkunft Christi für notwendig. Er ist also kaum der theologische Urheber oder Apologet von/für Sisebuts Politik.
 
Wieso aber erlässt Sisebut plötzlich seine judenfeindlichen Gesetze? Was für Gründe hat er für die sich in den älteren Quellen nicht abzeichnende, also wohl plötzliche Intoleranz gegenüber den Juden?

Betrachtet man das nüchtern, kann es im wesentlichen nur ökonomische oder religiöse Gründe geben. Um das zu beurteilen, fehlen mir spezifische Kenntnisse. Denkbar ist, dass die Juden der katholischen Kirche schon damals als "Christusmörder" ein Dorn im Auge waren. Die Judenfeindlichkeit manifestierte sich auch in Deutschland bereits früh, wie die Pogrome im Rheinland in Verbindung mit den Kreuzzügen zeigen. Von 1090 datiert ein Schutzprivileg Kaiser Heinrichs IV. für die Juden von Speyer, das sie allerdings nicht vor Verfolgung und Tod schützte.

Zurück zu Sisebuts antijüdischer Gesetzgebung. Was schreibt hier die alte Tante Wiki?

Schon Rekkared I. (586–601) hatte im Einvernehmen mit den Konzilsvätern des 3. Konzils von Toledo (589) Bestimmungen gegen die Juden erlassen; er verbot ihnen, christliche Sklaven zu halten, untersagte ihnen auch christliche Ehefrauen und Konkubinen und ordnete an, dass Kinder aus solchen Verbindungen getauft werden mussten. Sisebut bestätigte diese Vorschriften[6] und ging noch weit darüber hinaus; er ordnete an, Juden zur Taufe zu zwingen. Dieses rigorose Vorgehen erregte das Missfallen der Bischöfe. Nach Sisebuts Tod verurteilte das 4. Konzil von Toledo (633) die Zwangstaufen, erklärte sie aber für kirchenrechtlich gültig; den auf Sisebuts Veranlassung zwangsweise getauften Juden wurde verboten, zu ihrem angestammten Glauben zurückzukehren.[7]

Es scheint also in der Tat so zu sein, dass die katholische westgotische Reichskirche Druck ausübte und die Gesetze gegen die Juden veranlasste, auch wenn sie allzu radikales Vorgehen missbilligte. Ökonomische Gesichtspunkte scheiden meines Erachtens aus oder bleiben ganz spekulativ.
 
Rekkared hat eigentlich nur die geltende römische Gesetzgebung bestätigt. Dazu muss man wissen, dass Rekkared ja der westgotische König ist, der den Arianismus aufgegeben hat und zum Katholizismus übergetreten ist.* In diesem Kontext wird die Bestätigung der römischen Gesetze sehen müssen.

Zur Judenfeindlichkeit im Rheinland: Ich würde sagen, die manifestiert sich erst in der Kreuzzugszeit. Dagegen nicht in dem Jahrtausend zuvor.



*Hierzu noch ein Detail: Rekkared war der jüngere Sohn Leovigilds. Sein älterer Bruder, Hermenegild, rebellierte gegen Leovigild, angeblich, weil er zum Katholizismus übertreten wollte, wohingegen Leovigild und Rekkared die katholische Rebellion des Hermenegild niederschlugen. Hermenegild gab schließlich auf und begab sich in Gefangenschaft, wo er offensichtlich ermordet wurde. Als dann der Vater starb und Rekkared König wurde, trat er kurz darauf zum Katholizismus über. Dies hat immer schon Erstaunen hervorgerufen und es gibt spanische Historiker, die der Auffassung sind, dass die Revellion des Hermenegild, bzw. die Niederschlagung dieser Rebellion, anders als von den zeitgenössischen Historiographen dargestellt, gar keine konfessionellen Ursachen hatte und schon Leovigild den allmählichen Übertritt zum Katholizismus vorbereitete, den schließlich Rekkared vollzog.
 
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Wieso aber erlässt Sisebut plötzlich seine judenfeindlichen Gesetze? Was für Gründe hat er für die sich in den älteren Quellen nicht abzeichnende, also wohl plötzliche Intoleranz gegenüber den Juden?
Kann es dafür denn nicht auch einfach ganz persönliche Gründe gegeben haben? Vielleicht hatte er einfach - aus welchen Gründen immer - ganz persönlich eine massive Abneigung gegenüber Juden. Er beschäftigte sich ja auch intensiv mit Religion und verfasste Heiligenviten, da könnte in ihm schon sein ganz persönlicher Antijudaismus gewachsen sein, da muss man auch nicht gleich die katholische Kirche dahinter vermuten.
Aber angesichts der unbefriedigenden Quellenlage werden wir es nie so genau wissen.
 
Kann es dafür denn nicht auch einfach ganz persönliche Gründe gegeben haben? Vielleicht hatte er einfach - aus welchen Gründen immer - ganz persönlich eine massive Abneigung gegenüber Juden.

Das mag sein, ist aber viel spekulativer als die Annahme, dass die katholische Kirche Druck machte.
 
Spekulativ ist jede Vermutung, die nicht quellenmäßig belegt ist.

Außerdem gab es die katholische Kirche auch in anderen europäischen Ländern, ohne dass dort überall vergleichbare Maßnahmen ergriffen wurden, sondern nur in Burgund.
 
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Aus den Schriften der Patristik und von den zeitgenössischen spanischen Theologen gibt es nichts, was darauf schließen lassen könnte, dass die sisebutinische Gesetzgebung auf Druck der Kirche zustande gekommen sein könnte. Mit Augustinus und Isidor galt, dass die Anwesenheit von Juden im göttlichen Heilsplan notwendig sei.
 
Aus den Schriften der Patristik und von den zeitgenössischen spanischen Theologen gibt es nichts, was darauf schließen lassen könnte, dass die sisebutinische Gesetzgebung auf Druck der Kirche zustande gekommen sein könnte. Mit Augustinus und Isidor galt, dass die Anwesenheit von Juden im göttlichen Heilsplan notwendig sei.

Drews' Text sieht auch eher politischen Druck auf die Kirche.
http://freepages.genealogy.rootsweb.ancestry.com/~genealogiadelamaza/PDF/Judios.pdf
 
Danke für den Text. Ein paar Zitate daraus:

"Under Sisebut, Judaism lost its status as a religio licita, but the Jews still retained their rank as Roman citizens. Legally they found themselves in a kind of grey area, somewhat unclear and undefined. [...] It is interesting to observe that even in the second half of the seventh century royal laws blamed catholic clergy for illegaly offering support to Jews. All this leads to the conclusion that - contrary to the official ideology - Jews were not regarded as outcasts; on the contrary, they could rely on the help of Christina neighbours, who seem to have sympathized with them."

Eine Stellungnahme der "Sevillian Fathers", die Drews zitiert, zitiert er in meinen Augen als Stellungnahme auf einen fait accompli. Drews selbst urteilt:
"The contradiction between royal policy and Christian tradition is only superficially covered up."


"It should be kept in mind that already in Isidore's treatise De finde catholica contra Iudeos, which would have been written around 614-615, possibly a short tima after Sisebuts's order, we can find no appreciation of forced baptism; on the contraty, Isidore joins the majority of patristic theologians in stating that the Jews are to be preserved until the end of the days. [...] It seems that this is yet another indication that the assambly was put under political pressure...."


 

Schön recherchiert! :winke:

Für mich ist es völlig klar, dass antijüdische Gesetzgebung im Mittelalter stets mit der katholischen Kirche verbandelt war. Aus Zeiten, über die wir wegen guter Quellenlage besser informiert sind, kennen wir diesen mehr oder weniger sichtbaren kirchlichen Druck genau.

Seit der Zerstörung des Tempels in Jerusalem datiert diese Judenfeindschaft, die auf den alleinigen Geltungsanspruch des Christentums zurückzuführen ist und sie markiert ein zentrales Merkmal der christlichen Theologie. Schon im Römischen Reich trafen das Judentum seit dem 4. Jh. regionale Verfolgung, Zwangstaufen und Ausgrenzung und wie im Mittelalter war die christliche Kirche der eigentliche Urheber. Die weltlichen Herrscher profitierten vom Judentum und dessen finanziellen Abgaben, die sie im Gegenzug für Schutzprivilegien entrichteten. Sie hatten also wenig Interesse an einer Bedrängung der Juden (vgl. Schutzprivileg Kaiser Heinrichs IV.), sodass die Kirche die weltliche Macht immer wieder zu radikaleren Schritten gegen die Juden ermahnen musste.

Und das wird bei Herrn Sisebut nicht viel anders gewesen sein, der König Rekkared folgte, der seine antijüdische Gesetzgebung in trautem Einvernehmen mit den Konzilsvätern des 3. Konzils von Toledo 589 erließ.
 
Schön recherchiert! :winke:

Für mich ist es völlig klar, dass antijüdische Gesetzgebung im Mittelalter stets mit der katholischen Kirche verbandelt war. Aus Zeiten, über die wir wegen guter Quellenlage besser informiert sind, kennen wir diesen mehr oder weniger sichtbaren kirchlichen Druck genau.

Eigentlich ist das ja nicht so, das sehen wir sowohl bei der Verfolgung des Sisebut, als auch in der Verfolgung des Hochmittelalters. Was die katholische Kirche keinesfalls vom Antijudaismus entlasten soll.
Aber es waren eben i.d.R. nicht die Theologen, welche die Judenverfolgung in Form von Gesetzgebung oder Pogromen auslösten - ausnahme die Spanische Inquisition seit 1479.
Die römische Inquisition hatte z.B. die Aufgabe die Juden vor Übergriffen zu schützen. Ein Problem teilte sie aber mit dem der hispanischen Theologen des Westgotenreiches: Dass der Renegation. Glaube ist eigentlich freiwillig, und daher kann aus theologischer Sicht niemand (zumindest kein Erwachsener) zur Taufe gezwungen werden. Gegen das Kirchenrecht verstieß aber der Austritt aus der Kirche, nachdem die Taufe einmal vollzogen war. Insofern - vor diesem Problem standen die Konzilsväter der hispanischen Konzile genauso wie die Beamten der römsichen Inquisition einige Jahrhunderte später - war ein Zwangsgetaufter als Christ zu behandeln, sein Austritt aus der Kirche nicht tolerabel.

Seit der Zerstörung des Tempels in Jerusalem datiert diese Judenfeindschaft, die auf den alleinigen Geltungsanspruch des Christentums zurückzuführen ist und sie markiert ein zentrales Merkmal der christlichen Theologie.

Was hat die Zerstörung des Tempels in Jerusalem mit der christlich-jüdischen Beziehungsgeschichte zu tun?

Die weltlichen Herrscher profitierten vom Judentum und dessen finanziellen Abgaben, die sie im Gegenzug für Schutzprivilegien entrichteten. Sie hatten also wenig Interesse an einer Bedrängung der Juden (vgl. Schutzprivileg Kaiser Heinrichs IV.), sodass die Kirche die weltliche Macht immer wieder zu radikaleren Schritten gegen die Juden ermahnen musste.

Quellenbelege?!

Und das wird bei Herrn Sisebut nicht viel anders gewesen sein, der König Rekkared folgte, der seine antijüdische Gesetzgebung in trautem Einvernehmen mit den Konzilsvätern des 3. Konzils von Toledo 589 erließ.

Wie Stilicho schon richtig festgestellt hat: Drews schreibt genau das Ggt.!
 

Dass die abendländischen Herrscher vielfach von der Kirche zu einem härteren Vorgehen gegenüber den Juden ermahnt werden mussten, ist eine durchaus bekannte Tatsache. Anders als du verfüge ich nicht über einen unerschöpflichen Brunnen an Originalquellen, sodass ich nur eine Sekundärquelle bieten kann. Aber wir sind ja schließlich nicht in einem Seminar:

Im Jahre 759 hatten die Franken unter König Pippin die Stadt Narbonne in Septimanien, die unter arabischer Besatzung stand, eingenommen. Den in der Stadt wohnenden Juden wurden alle ihnen bereits zustehenden Rechte und Freiheiten belassen. Auch unter Karl dem Großen änderte sich daran nichts, ungeachtet der im Frankenreich von den Kirchenkonzilien erlassenen erlassenen Kanons. Empört schrieb Papst Stephan III. dem Bischof Aribert von Narbonne:

"Von Kummer ergriffen und zu Tode geängstigt empfingen wir von dir Kunde, dass das Judenvolk, das stets aufsässig gegen Gott und unseren Bräuchen abhold war, auf christlichem Grund und Boden in voller Gleichberechtigung mit den Christen lehenszinsliche Erbgüter in Städten und Vorstädten sein eigen nennt, und zwar auf Grund der ihnen ehemals von den Frankenkönigen verliehenen Vorrechte. Christen bebauen jüdische Weinberge und Äcker, Christen und Christinnen wohnen unter einem Dach mit diesen Verrätern und besudeln Tag und Nacht ihre Seele durch Worte der Gotteslästerung ... Schon Gerechtigkeit verlangt, dass die diesen Verrätern gegebenen Versprechen als nichtig erklärt werden, damit der Tod des gekreuzigten Erlösers endlich gerächt werde."

(Werner Keller, Und wurden zerstreut unter alle Völker, München/Zürich 1966, S. 189)
 
Ein netter Beleg für kirchlichen Antijudaismus, aber keineswegs dafür, dass Juden vertrieben oder zwangschristianisiert werden sollten, sondern dafür, dass Christen Bedienstete von Juden waren, was dem Kirchenrecht widersprach und dass Juden dort Land besaßen, was Stephan III. wohl ebenfalls missfiel. Die septimanischen Juden nahmen also nicht den ihnen aus Stephans Sicht gesellschaftlich gebührenden Rang ein. Antijudaismus par excellance aber eben kein Beleg für die Forderung eines härteren Vorgehens sondern für die Einhaltung der kanonischen Gesetze.
 
Zumindest scheint es keine persönliche Angelegenheit Sisebuts gewesen zu sein, da auch das 4.Konzil von Toledo (633) unter der Leitung Isidors und König Sisenandos die Judengesetzgebeung problematisierte. Es kam nochmals zu Verschärfungen in der Form, dass Kinder jüdischer Eltern kein öffentliches Amt ausüben durften und Christen, welche Juden halfen, mit Exkommunikation bedroht wurde.

Diesmal war es aber eindeutig ein kirchliches Konzil, kein königlicher Erlass, der diese Gesetze beschloss. Und Isidor war eindeutig beteiligt.
 
Ein netter Beleg für kirchlichen Antijudaismus, aber keineswegs dafür, dass Juden vertrieben oder zwangschristianisiert werden sollten ...

Darum ging es hier auch nicht. Vielmehr erbatest du einen Nachweis dafür, dass die christlichen Herrscher von der Kirche öfters ermahnt werden mussten, striktere Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen. Das geht aus der zitierten Quelle eindeutig hervor. Im übrigen ist das eine überall bekannte Tatsache,
 
Was verstehst du denn unter strikteren Maßnahmen gegen die Juden?
Die übliche antijudaistische Gesetzgebung beschränkte sich darauf, den Kontakt von Juden und Christen zu unterbinden, vor allem dort, wo sich Freunschafts- und Familienbande aufbauten. Das Verbot untereinander zu heiraten oder gemeinsam zu speisen.
Sisebut bricht aber nun mit der Theologie der christlichen Kirche - vermutlich um wie vor ihm Rekkared auch ein Volk zum Katholizismus zu bekehren (klingt zunächst etwas paradox, ich weiß). Rekkared bekehrte die Westgoten zum Katholizismus, Sisebut würde die Juden zum Katholizismus bekehren. Der Bruch mit der Theologie der Katholischen Kirche ist der, dass die Juden zwar - nach Auffassung der antiken und mittelalterlichen katholischen Kirche - die Schrift (das AT) nicht verstehen, aber den Christen die Schrift zur Verfügung stellen. Als unfreiwillige Zeugen für die Wahrheit der christlichen Lehre müssen sie nach kirchlicher Auffassung, die Augustinus und nach ihm auch der mit Sisebut befreundete Isidor vertreten geschützt werden.
 
Möglicherweise war die antijüdische Gesetzgebung der Westgotenkönige eher politischer als religiöser Natur.
Wie der Aufstand des Paulus gegen Wamba zeigt, gab es im Nordosten des Westgotenreichs starke separatistische Bewegungen .Begonnen hat die Entwicklung aber bereits mit Rekkared ,gegen den es ebenfalls eine Rebellion in Septimanien gab.
Narbonne,Hauptstadt der für die Westgoten wichtigen Provinz von Septimanien war gleichzeitig wohl das jüdische Zentrum im präkarolingischen Frankreich mit einer der ältesten und einflußreichsten Gemeinden ,die auch die regionale Politik mitbestimmte und zusammen mit der romanisierten Bevölkerung der Narbonnensis in traditioneller Opposition zur westgotischen Herrschaft stand.
Sie waren damit ein nicht nur religiöser sondern auch relevanter politisch-militärischer Faktor, der sich der Kontrolle der Westgoten immer wieder entzog und den man über den Hebel der religiös-diskriminierenden Gesetzgebung auszuschalten versuchte.
 
Möglicherweise war die antijüdische Gesetzgebung der Westgotenkönige eher politischer als religiöser Natur.
Falls sich diese Frage trotz hierzu vermutlich zu geringer Quellenlage klären ließe, wäre das auf jeden Fall interessant. Ich tendiere dazu, eher politische als religiöse Motive anzunehmen (aber das kann auch ein Holzweg sein).

Eine andere Frage ist, ob diese westgotischen Gesetze den frühmittelalterlichen Zeitgenossen irgendwie als ungewöhnlich oder spektakulär oder gar als nicht ganz astrein aufgefallen waren. Gibt es in den frühmittelalterlichen Quellen irgendwo Kritik an solchen Gesetzen?

Wenn ich mich recht entsinne, fand man es im ostgotischen Italien aufsehenerregend, dass Theoderich den Besitz der jüdischen Gemeinden vor Übergriffen gesetzlich schützte (irgendwo - Ravenna? Neapel? - musste glaube ich eine zerstörte Synagoge wiederaufgebaut werden). Ich befürchte, dass in zeitgenössischer frühmittelalterlicher Sicht eher solche Maßnahmen wie die Theoderichs als ungewöhnlich wahrgenommen wurden, während gesetzliche Schikanen gegen Juden wohl eher auf Zustimmung stießen.
 
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