Situation des Bürgertums im 18. Jahrhundert

Bennyhsv

Neues Mitglied
Hey,
Wende mich mit Folgender Frage an euch. Und zwar wie war die Situation des Bürgertums im 18. Jahrdunderts in Deutschland. Google will mir nicht helfen! Google spuckt nicht wirkich viel aus. Was ich weiß das es dem Bürgertum schlecht ging aber wiesoo? Und das die in der Zeit ein erhöhtes politisches Interesse gezeigt haben, das sie ausserdem soo ein moralisches System hatten aber soo wie ich das eigentlich sehe ist das nicht wirklich deren Situation oder?
Danke schonmal für die Infos!
LG,
Benny

PS: schreib zum ersten mal auf nem Netbook komm mit der Tastatur noch nicht klar :)
 
Was ich weiß das es dem Bürgertum schlecht ging aber wiesoo?
Wieso sollte es dem Bürgertum schlecht gegangen sein? Erstmal kann man das nicht verallgemeinern. Materielle Armut wird wohl kaum gemeint sein. Im 18. Jahrhundert hatte nicht jeder Einwohner einer Stadt das Bürgerrecht. Bürger kann man im gewissen Sinne als gesellschaftliche Elite verstehen. Um Bürger zu werden musste man Besitz oder Vermögen nachweisen können.
Dein Threadtitel hört sich nach Schule an. Wahrscheinlich zielt dein Lehrer auf einen Vergleich zwischen Leistungen der Bürger für den Staat und ihren Rechten und Möglichkeiten im Staat ab. Für doch bitte mal genauer aus wie du auf diese Fragestellung kommst (aktuelles Thema im Unterricht?).

Das Bürgertum ist im 18. Jahrhundert quasi staatstragend. Stellt in Absolutistischen Staaten Beamte, hat die Möglichkeit in den Adelsstand erhoben zu werden und unter anderem in den Freien Reichsstädten des Heiligen Römischen Reiches, wie z.B. Hamburg, Lübeck und Dortmund, die Macht.
In Frankreich gibt es drei Stände. Adel, Klerus und den Dritten Stand. Im Dritten Stand ist der gesamte Rest der Gesellschaft zusammengefasst. Sei es nun ein reicher und mächtiger Bürger, Bauer oder Handwerker.
Viele Bürger eiferten dem Adel nach. Molière und Lully parodieren dies in der Balletkomödie "Der Bürger als Edelmann" von 1670. Es geht um den Bürger Monsieur Jourdain, der sich einen Fechtlehrer, einen Philosophen und einen Musiklehrer engagiert um sich auf den Aufstieg in den Adel durch Heirat seiner Tochter vorzubereiten. Mit der Zeit emanzipiert sich das Bürgertum mehr und mehr vom Adel und prägt seine eigenen Leitbilder. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts konkurriert das Vorbild des Adels mit bürgerlichen Idealen und Wertvorstellungen.
Daraus entspringen Ideen die für die Französische Revolution wichtig sind. Ein Beispiel dafür ist Abbé Sieyès 1789 mit seiner Schrift "Was ist der Dritte Stand":

„1. Was ist der Dritte Stand? – Alles. 2. Was ist er bisher in der politischen Ordnung gewesen? – Nichts. 3. Was fordert er? – Darin etwas zu werden.“

Er geht davon aus, dass Adel und Klerus im Vergleich zu ihren Leistungen zu viel Macht in Frankreich haben. Ihr Gesamtanteil an der Bevölkerung ist gering. Der Adel wird dafür besonders bevorzugt behandelt und hat Privilegien, wie hohe Militärränge.
In Schulen wird es oft so formuliert, dass das Bürgertum im 18. Jahrhundert im Gegensatz zu seiner hohen gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung zu wenig Macht im Staat hatte. Natürlich kann man das etwas differenzierter betrachten. Bürger hatten oft hohe Positionen im Staat inne. Die These ist außerdem nicht auf jedes Land übertragbar.

PS: Um den den Bürger als Edelmann etwas anschaulicher zu machen:
http://www.youtube.com/watch?v=o2B7sdnnQjY&feature=related
Jourdain will seine Tochter an den Sohn des Großtürken verheiraten um in den Adelsstand aufzusteigen. Dafür wird er in einer Zeremonie vom Mufti zum osmanischen Adligen erhoben. Tatsächlich wird er jedoch in seiner Eitelkeit getroffen, der Sohn des Großtürken ist ein verkleideter Bürgerlicher und die Zeremonie nur eine große Täuschung. Dementsprechend ist der Text der "Türken" nicht auf türkisch sondern auf Sabir.
 
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Dazu kann ich auch nur Bücher empfehlen bzw. Hinweise geben.

Wer war denn das Bürgertum?
Da ist schonmal die Spanne sehr groß. Sprechen wir von Bürgern in einer märkischen Ackerbürgerstadt, wo sie in Häusern lebten, welche Bauernhäusern kaum unähnlich waren? Sprechen wir von den Bürgern einer Residenzstadt, vor deren Augen sich das Hofleben zum Teil abspielte? Oder sprechen wir gar von den Bürgern einer Reichsstadt?
Schon allein an diesen Aspekten erkennt man vielleicht wie mannigfaltig wohl auch die sozialen Verhältnisse innerhalb des deutschen Bürgertums differierten.
Nehmen wir nun noch folgendes hinzu: welche Profession hatte der Bürger? War er: Ratsherr, Geistlicher, Wirt, Beamter, Kaufmann, Handwerker, Kleinhändler...?

Der politische Einfluss des Bürgers konnte von einem direkten Einfluss auf die Politik seines Staates, wie bspw. als Magistratsperson einer Reichsstadt, bis hin zu nahezu garkeinem Einfluss reichen.

Ganz abgesehen davon müsste man sich dem Thema zuwenden, wer denn Bürger sein durfte. Das orientierte sich oftmals an Geburt, Tradition und konfessioneller Zugehörigkeit.
Wie AnDro andeutete gab es neben den Bürgern einer Stadt noch viele, die kein Bürgerrecht besaßen. Am besten wir nehmen einmal eine Reichsstadt, nur als Beispiel. In der ehemaligen Straßburg existierte noch im 18.Jh. der Schwörtag, auch wenn damals schon die Stadt an Frankreich gekommen war. An diesem Tag versammelten sich die Bürger der Stadt vor dem Magistrat auf dem Platz vor dem Münster, um auf die Verfassung der Stadt zu schwören. (Das gab es auch andernorts.) Wen sah man an dem Tag dort? Alle männlichen Bürger der Stadt. Selbst bei einer so großen Stadt wie Straßburg war die Zahl überschaubar.
Ausländer und Dienstboten, v.a. letztere, welche der unterbürgerlichen Stadtbevölkerung angehörten, konnten einen großen Teil der Einwohnerschaft einer Stadt ausmachen. Allerdings variierte dieser Anteil erheblich (ich glaube mal was von um die 40 Prozent in einem Museum gelesen zu haben).
 
Danke erstmal für eure Antworten! Und jaa ist für die Schule. Epoche der Aufklärung ist das aktuelle Thema und da spielte soweit ich weiß das Bürgertum eine große Rolle.
Hab heute nochmal gefragt und es geht halt darum das ich darstellen soll wie es dem Bürgertum vor und nach der Veränderung geht und halt wie es dazu kam.
@AnDro War es nicht soo das es dem Bürgertum schlecht ging bedingt durch die allgemeine Lage? Hungersnot hatte ich glaub ich gelesen, kurz davor war ja auch der 30 Jährige Krieg glaub ich. Und ging es dem Bürgertum nicht immer schlecht bzw. größtenteils schlecht? Danke für den Link ist denk ich mal recht hilfreich!

@Brissotin Wie gesagt allgemein den Bürgern, aber ich denke das ein eingehen auf die einzelnen "Bürgertümer" nicht schaden kann.

Danke nochal für die Antworten, wusste nicht das das soo schwer wird...mir liegt eher die Zeit wo die Revolution in Russland los geht und die danach!

Lg,
Benny
 
Hab heute nochmal gefragt und es geht halt darum das ich darstellen soll wie es dem Bürgertum vor und nach der Veränderung geht und halt wie es dazu kam.
Veränderung durch den 30-jährigen Krieg oder durch die Aufklärung?
Der 30-jährige Krieg endete 1648. Das ist etwas mehr als ein halbes Jahrhundert Distanz zum 18. Jahrhundert. Das war etwas Zeit um sich von den Kriegsfolgen zu erholen. Natürlich hatte auch das späte 17. Jahrhundert noch einige Konflikte mit katastrophalen Folgen, wie z.B. den Pfälzer Erbfolgekrieg.
Und ging es dem Bürgertum nicht immer schlecht bzw. größtenteils schlecht?
Um es kurz zu machen: Nein. Das Bürgertum unterscheidet sich was das Vermögen angeht, wie Brissotin schon richtig ausgeführt hat, erheblich. Eine Hungersnot hatte auf unterbürgerliche Schichten stärkere Auswirkungen als auf etwas besser gestellte Bürger. Ich würde dir empfehlen das Bürgertum für deine Schularbeit in Unterschicht, Mittelschicht und Oberschicht zu unterteilen und dann einige Beispiele zu den entsprechenden Schichten aufzuführen. In etwa so:

Bürgertum


  • Bürgerliche Oberschicht (auch Patriziat genannt): Führende Funktionäre der Handwerksgilden und reiche Kaufleute, aus deren Reihen sich der Stadtrat zusammensetzte, Richter und andere Gelehrte, höhere Amtsträger, Akademiker, Meister der angeseheneren Handwerksberufe (Goldschmied, Uhrmacher, Perückenmacher, Seidenweber, Bader), wohlhabendere Kaufleute
  • Bürgerliche Mittelschicht: Meister der "normalen" Handwerke, Polizeidiener, Amtsknechte, gehobene Gastwirte, mittlere Verwaltungsbeamte, halbwegs wohlhabende Kaufleute
  • Bürgerliche Unterschicht: Handwerksgesellen, Kneipenwirte, Krämer, selbständige Bauern, städtische Bedienstete, ländliche Bedienstete, Tagelöhner
Außerdem kann man die Unterschiede der Bedeutung des Bürgertums in den Staaten Europas erwähnen. Freie Reichsstädte sind ein Paradebeispiel: Dort herrschen Bürger (bzw. Patrizier). Frankreich eignet sich als Gegenbeispiel, da der Adel gegenüber dem Rest der Bevölkerung privilegiert ist. Vergleichbar von der Stellung des Bürgertums in Sachen Macht mit den Freien Reichsstädten sind England und die Niederlande. In Richtung Frankreichs gehen Preußen und Österreich.
Allerdings gab es auch in Frankreich Bürger die enorme Macht hatten. Zum Beispiel John Law. Er war Generalkontrolleur der Finanzen und Direktor der Mississippi-Kompanie. Auf deutsch: er hatte die Finanzen Frankreichs und ca. 1/3 der französischen Kolonien in Nordamerika unter seiner Kontrolle.

Hier noch ein weiterführender Link aus dem die Beispiele für die Zusammensetzung des Bürgertums entnommen sind: Bürgertum im 18. Jahrhundert

Dazu kann ich auch nur Bücher empfehlen bzw. Hinweise geben.
Das kann sicher nicht Schaden. Macht sich immer gut als Argumentationsverstärker gegenüber Lehrern. ;)

Danke nochal für die Antworten, wusste nicht das das soo schwer wird...mir liegt eher die Zeit wo die Revolution in Russland los geht und die danach!
Jede Zeit hat ihre eigenen Reize. :winke:
 
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  • Bürgerliche Oberschicht (auch Patriziat genannt): Führende Funktionäre der Handwerksgilden und reiche Kaufleute, aus deren Reihen sich der Stadtrat zusammensetzte,
Kommt auf ganz stark auf die Stadt an. In Schwäbisch-Hall spielten die Handwerker etwa seit dem 17. Jh. keine Rolle mehr unter den Ratsherren. Die kamen vielleicht noch in den Magistrat, aber eigentlich eher in den Äußeren Rat (so eine Art Rat zweiter Reihe, der offenbar kaum Entscheidungen fällen durfte). Seit dem 17.Jh. kamen die Ratsherren aus Kaufmannsfamilien, welche dann aber zusehends ihr altes Gewerbe nur noch nebenher betrieben. Seither waren die Ratsherren und v.a. die Spitze des Rates fast oder später ganz ausschließlich mit Juristen besetzt. Es wurde zwar unterbunden, dass mehere Vertreter einer Familie zusammen im Magistrat saßen, dafür wurde es aber zur Regel, dass die Söhne auf die Väter folgten. Da die Posten im Magistrat immer arbeitsintensiver wurden, gab es eine Art Diäten, welche sozusagen den Ausfall der ursprünglichen Tätigkeit kompensieren sollten.
Die Entwicklung ganz grob war folgende in der Besetzung der wichtigsten Posten des Magistrats:
Adel (im Mittelalter bis ins 16.Jh.)
Handwerker und Kaufleute (16.-17.Jh.)
Juristen (18.Jh.)
Sicherlich ist diese Entwicklung aber auch spezifisch an die Rolle Schwäbisch-Halls als Reichsstadt gebunden, welche ein eigenes Territorium besaß und faktisch ständig juristisch die Rechte auf diesem Territorium gegenüber den benachbarten Reichsständen behaupten musste.

Wenn ich mich recht entsinne, habe ich aber eine ähnliche Entwicklung zumindest auch bei anderen Reichsstädten festgestellt.

Bei Landstädten (vielleicht sogar welche, die garkein Amtssitz waren) kenne ich mich nicht genügend aus.

Das sinnvollste wäre sicherlich für Dich Bennyhsv, wenn Du Dich mit dem Bürgertum in der Stadt beschäftigst wo Du wohnst oder zur Schule gehst. Da kommt man zumeist am besten an detailierte Informationen in Publikationen zur Regionalgeschichte. Die heißen dann zumeist so wie "Geschichte der Stadt ...". Im Stadt- oder Heimatmuseum kann man sicherlich auch Tipps geben, welche Bücher am ehesten etwas zum Thema hergeben.

Ganz allgemein zum Bürgertum in Dtl. zu suchen ist sozusagen eine Herkulesaufgabe, da es zu facettenreich ist.
Wie wir schon angedeutet haben: was auf Berlin z.B. zutrifft, kann für Bernau (bei Berlin) schon ganz anders ausschauen.
 
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