SMS Dresden

Arne

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In der letzten Woche liefen zwei neue Dokumentationen zum Thema:
1) "Unter kaiserlicher Flage" (Teil 2) auf Arte TV
2) "Der Untergang der SMS Dresden", N-TV (Produktion National Geographic)
Die Geschichte wurde teils widersprüchlich dargestellt:
  • Im Gegensatz zu 1) wird in 2) gesagt, daß ein Funkspruch aus Deutschland zur Dresden die Briten auf die Spur brachte. In 1) war es ein Funkspruch der Dresden nach Deutschland.
  • In 2) wird gesagt, daß die Dresden sich noch gewehrt habe, als die Briten die Neutralität Chiles verletzten und das Schiff beschossen. Später hat die Besatzung der Dresden das angeschossene Schiff vor der Kaperung selbst versenkt. In 1) wird gesagt, daß die deutschen Geschütze (in Erwartung chilenischer Schiffe) zum Land gerichtet waren. Von einer Selbstversenkung war keine Rede.
Da bei der National Geographic-Expedition ein hochrangiger, deutscher Marineforscher anwesend war und sich ähnliche Angaben mehrfach im Internet finden, war wohl die ARTE-Doku in bezug zum 2.Punkt schlampig recherchiert. Enttäuschend bei einer brandneuen Sendung.
Zum ersten Punkt konnte ich nichts Eindeutiges finden.Hat da jemand genaue Infos?
Weiterführend: http://de.wikipedia.org/wiki/SMS_Dresden_(I)
 
Leider auch keine Klarheit zu den verräterischen Funksprüchen und zusätzlich eine neue Version der Entdeckung im Versteck: keine Indianer, sondern Franzosen, denen man nicht glaubte....
Da scheint doch einiges nicht 100%ig geklärt zu sein...
 
Leider auch keine Klarheit zu den verräterischen Funksprüchen und zusätzlich eine neue Version der Entdeckung im Versteck: keine Indianer, sondern Franzosen, denen man nicht glaubte....
Da scheint doch einiges nicht 100%ig geklärt zu sein...

Nun, ich beziehe mich auf folgende Sätze:

Dresden had only 80 tons of coal remaining in her bunkers and Luedecke sent out numerous pleas for coal to any collier that could hear it. Kent and Glasgow picked up one of these messages on March 13 and immediately made steam for Mas a Fuera.

Also, einer der Versuche des Kapitäns, Funkkontakt mit Kohldampfern aufzunehmen, wurde von den Briten aufgefangen.
Aber Kohle hätte wohl auch nicht viel genutzt. Da SMS Dresden Dampfturbinenantrieb hatte, der in der Kaiserlichen Marine zur Zeit der Indienststellung des Schiffs brandneu war, und das Schiff seit Kriegsbeginn mehr als 20000 sm ohne jede Werftwartung unter dem Kiel gehabt hatte, war ein Ende der einsamen Fahrt sowieso nahe, schon aus technischen Gründen.

Über eine Kontroverse hinsichtlich der Entdeckung des Schiffs in der Punta Dresden, wie sie heute heisst, am 26. Dezember 1914 weiß ich allerdings nichts.
 
Hallo Arne,

an dieser Stelle ziehe ich das "Marinearchiv" aus den 1920er Jahren zu Rate, das wie die vom "Reichsarchiv" herausgegebene Reihe "Schlachten des Weltkrieges" über die wichtigsten Schlachten und Gefechte des 1. WK berichtet.

In Band 2 ("Der Kreuzerkrieg") heißt es über die "Dresden", dass das Schiff unter Kohlemangel litt. Der Dampfer "Gotha", der sich von Montevideo aus in den Pazifik durchschlagen konnte, sollte sich bei der chilenischen Insel Mas a Fuera mit der "Dresden" treffen, um Kohlen zu übergeben. Diese per Funk getroffene Vereinbarung wurde von der britischen Marine aufgeschnappt, woraufhin britische Kriegsschiffe auf den Weg nach Mas a Fuera geschickt wurden.

Da Chile neutral war, durften Kriegsschiffe der Kriegsparteien nur 24 Stunden in den Häfen verweilen. Dieses Recht wurde vom chilenischen Hafenkommandanten auch der "Dresden" zugestanden.
Der Kapitän der "Dresden" erfuhr bei dieser Gelegenheit vom Nahen der britischen Kriegsschiffe. Zugleich erhielt er von Deutschland ein Telegramm, wonach er die Erlaubnis des Kaisers hatte, das Schiff selbst zu versenken, wenn die Lage aussichtslos war. Er sah diesen Moment nun für gekommen.

Der britische Panzerkreuzer "Kent" näherte sich und hatte bereits chilenisches Hoheitsgebiet erreicht. Als der chilenische Hafenkommandeur gerade auf dem Weg zur "Kent" war, um die Einhaltung der Waffenruhe in seinen Gewässern zu erbitten und auf der "Dresden" die Mannschaft gerade zum Aussteigen angetreten war, eröffnete die "Kent" unter Missachtung der chilenischen Neutralität das Feuer. Die "Dresden", die bereits einen Teil der Geschütze unbrauchbar gemacht hatte, erwiderte mit wenigen Salven das Feuer. Nach einigen schweren Treffern befahl der Kapitän die Einstellung der Kämpfe und öffnete die Ventile. Er verließ als Letzter die untergehende "Dresden".

Einem Teil der Besatzung gelang es übrigens, sich auf abenteureliche Weise bis nach Deutschland durchzuschlagen.

Gruß

Jacobum
 
Der Dampfer "Gotha", der sich von Montevideo aus in den Pazifik durchschlagen konnte, sollte sich bei der chilenischen Insel Mas a Fuera mit der "Dresden" treffen, um Kohlen zu übergeben. Diese per Funk getroffene Vereinbarung wurde von der britischen Marine aufgeschnappt, woraufhin britische Kriegsschiffe auf den Weg nach Mas a Fuera geschickt wurden.
Danke Jacobum. Und schon wieder etwas anders formuliert, als in den anderen Darstellungen...Vielleicht ist entweder nicht ganz klar, welchen einzelnen Funkspruch die Briten abgehört haben oder sie haben einfach nicht nur einen Spruch, sondern Funkverkehr abgehört - das könnte die Antwort sein.
PS: Der "Teil der Besatzung", der sich durchschlug, wurde in den Dokus nur in der Person Canaris` erwähnt.
 
Das "Marinearchiv" nennt leider keine Namen der Männer, die sich durchgeschlagen haben. Es heißt nur "mehrere".

Hervorgehoben wird die abenteuerliche Reise einer Gruppe, angeführt von 4 Offizieren, auf einem beschlagnahmten (!) chilenischen Kutter namens "Tinto", der immerhin schon fast 70 Jahre auf dem Buckel hatte...
Sie kamen bis Trondheim im neutralen Norwegen, von wo aus sie sicher Kiel erreichten.

Gruß

Jacobum

P.S.: Hier noch ein Link zum Thema "Dresden":

http://www.europractica-dresden.de/kreuzer.html
 
Was in diesem Zusammenhang immer wieder nicht vollständig dargestellt wird, ist die völkerrechtliche Seite.
Die Dresden lief Mas a Fuera am 9.3.1915 an und der Kapitän beantragte eine Aufenthaltsdauer von 8 Tagen zur Reparatur der Maschinenanlage. Dies wurde von Chile abgelehnt und die Internierung des Schiffes angekündigt für den Fall, dass das Schiff den Hafen nicht nach 24 Stunden verlassen würde. Nach Verstreichen der Frist erklärte Chile Schiff und Besatzung für interniert.
Am 14.3.1915, also 4 Tage nach der formellen Internierung, erschienen die britischen Kreuzer und eröffneten das Feuer.
Chile protestierte sowohl bei der britischen als auch bei der deutschen Regierung wegen der Verletzung seiner Neutralität. In London protestierte Chile wegen des Angriffs auf das internierte Schiff in neutralen Gewässern. Die britische Regierung erklärte die Handlungsweise ihrer Streitkräfte für berechtigt, weil der deutsche Kreuzer - unter Missachtung der chilenischen Internierungserklärung - sowohl die Kriegsflagge geführt, als auch die Geschütze gefechtsklar gehabt habe. Das zeige, dass Chile die Internierung nicht habe durchsetzen können. Die britischen Schiffe hätten also eingreifen müssen, um die Dresden am Auslaufen zu hindern. Die chilenische Regierung antwortete darauf, diese Argumente könnten die britische Neutralitätsverletzung nicht rechtfertigen. Dem kann man ja wohl nur zustimmen.
In Berlin protestierte Chile gegen das Verbleiben der Dresden in chilenischen Gewässern über die Frist von 24 Stunden hinaus, ohne gegenüber den Behörden einen Nachweis darüber zu führen dass das Schiff nicht fahrfähig sei. Die deutsche Regierung antwortete, dass die Aufenthaltsbeschränkung auf 24 Stunden und die nachfolgende Internierung durch Chile völkerrechtlich unzulässig gewesen seien und berief sich dabei auf Art. 14 des XIII. Haager Übereinkommens.
Diese Darstellung fand ich in Strupp/Schlochauer Handbuch des Völkerrechts Bd.1, S. 401 Berlin 1960.
Dies ist die einzige mir bekannte Darstellung eines völkerrechtlich problematischen Verhaltens der Dresden.
Art. 14 des XIII Haager Übereinkommens sagt, dass "Kriegsschiffe von Kriegführenden ihren Aufenthalt in einem neutralen Hafen über die gesetzliche
Dauer hinaus nur aus Anlaß von Beschädigungen oder wegen des Zustandes der See verlängern (dürfen). Sie
müssen auslaufen, sobald die Ursache der Verzögerung fortgefallen ist."
Dass mit "Beschädigungen" in diesem Zusammenhang nicht Kohlenmangel (80 to dürften bei Volllast für etwa 10 Std. ausgereicht haben) oder eine marode Turbinenanlage gemeint sind, dürfte offensichtlich sein. Andernfalls könnten kriegführende Kriegsschiffe jederzeit in neutralen Häfen Reparaturen in beliebiger Länge ausführen oder ausführen lassen.
Auch das Verhalten der deutschen Seite war also völkerrechtlich nicht astrein. Der Kapitän der Dresden war ja offensichtlich tatsächlich nicht bereit gewesen, die chilenische Internierungserklärung zu akzeptieren und sich entsprechend zu verhalten, sondern wartete auf auf eine Rückversicherung aus Deutschland für sein weiteres Vorgehen.
 
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