[*]die Geeignetheit des mit "Referenzrahmenanalyse" beschriebenen Ansatzes für historiografische Zwecke; siehe Lilis Zusammenfassung in
http://www.geschichtsforum.de/575774-post80.html,
Den halte ich als Nicht-Psychologe eben für problematisch, und zitiere:
1. "das
Kriegserleben des "namenlosen" Soldaten im 2. Weltkrieg auf einer breiteren Ebene nachvollziehbar"
-> setzt Erleben voraus, in Abgrenzung zu Fiktionen und Wahrnehmung.
2. "Deutungsrahmen den wir alle nutzen um
Vorfälle einzuordnen, Aussagen zu interpretieren".
-> Vorfälle lassen sich verifizieren, die Interpretation von Aussagen ist ein anderes Feld und kann auch auf konstruierten Vorfällen aufbauen. Welche Aussage wird also auf welcher Basis getroffen?
3. "Aussagen der Soldaten in den entsprechenden
Geschehenszusammmenhang eingeordnet"
-> das ist unmöglich, ohne Geschehen von Fiktion zu trennen. Die Einordnung in einen Geschehenszusammenhang setzt voraus, dass zunächst das Geschehen einwandfrei feststeht. Sofern bei Fiktionen die Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zu einem anderen Geschehenszusammenhang (als dem Soldaten widerfahren) festgestellt wird, wäre mE nachzuweisen, dass von diesem Zusammenhang überhaupt Kenntnis bestand. Das dürfte in dem Fallmaterial weitestgehend ausgeschlossen sein.
4. "Rekonstruktion der
Erlebens- und Wahrnehmens
wirklichkeit eines Soldaten im zweiten Weltkrieg"
... die auf Fiktion beruhen kann, Ausdruck von Gewaltphantasien bzw. Aussagen, die als "zweckdienlich" oder "erwartet" im Umfeld des soldatischen Lebens und in der soldatischen Lebensgemeinschaft bis hin zur Gefangenengemeinschaft angesehen wurden.
Der Referenzrahmen ist für mich - natürlich nur laienhaft betrachtet - wertlos, wenn die Wahrnehmungen nicht im oben beschriebenen Sinn sortiert werden.
Die Anmerkungen kann man an den beiden zitierten Fällen auch konkret abarbeiten. Sind die Geschehenszusammenhänge nicht gegeben, bleibt mE nur ein Schluss: die Aussagen weisen allgemein die Brutalisierung der Betroffenen durch die persönlichen Kriegserlebnisse nach. Die Aussage ist wertlos, weil sie selbstverständlich ist und auf die Mehrheit der Kriegsteilnehmer zutreffen würde. Die Alternative zur Brutalisierung wäre der Zusammenbruch der Persönlichkeit - diese Fälle werden aber nicht zitiert und waren vermutlich auch nicht Gegenstand von Abhörungen.
Ich lasse mich aber gern von einer anderen, insbesondere psychologischen Interpretation und Sichtweise überzeugen, die ich möglicherweise noch nicht verstanden habe. Die oben angesetzte Erklärung basiert jedenfalls nach meinem Eindruck auf der Unterscheidung von Fiktion und Wirklichkeit. In der zweiten Stufe - sollten Fiktionen Basis der analysierten Warhnehmungen sein - kann man Ausmaß, Gründe und Motive auf der persönlichen Ebene hinterfragen.
Sorry dafür, dass das möglicherweise sehr laienhaft ausgedrückt ist. Ich hoffe, mein Problem mit der Analyse ist dadurch etwas klarer geworden.:winke:
P.S.: eine banale Konsequenz: der Buchtitel ist irreführend. Sofern nämlich Aussagen auf Fiktionen beruhen, geht es nicht um
Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben, sondern um Protokolle der Verarbeitung der Perzeption des Krieges, des
persönlichen Ausscheidens aus dem Krieg (siehe das Pilotenbeispiel) und der Gefangenschaft. Der abweichend gewählte Titel suggeriert, es ginge (nur) um tatsächliche Geschehensabläufe.