Sollten Nazi-Verbrecher heute noch verurteilt werden??

Solche Verbrechen verjähren doch nicht, also selbst wenn der Mann 90 oder älter sein sollte, sollte er noch vor Gericht kommen und verurteilt werden.
Es ist sowieso ungerecht, dass er sein ganzes Leben in Freiheit genießen durfte, ein Leben das seine Opfer nicht mehr hatten.
Den größten Fehler den die Allierten damals gemacht haben, ist, nicht Nazis wirklich zu bestrafen, das was die "Entnazifizierung" nannten war ein Witz.
Der onkel meiner Mutter war in der SS, der wurde nur ein paar Wochen eingesperrt und bekam ein paar Filme über den Holocaust gezeigt, also Videos mit den KZ Leichen.
Dann taten die Täter so als seien sie reuig und wurden entlassen. Unfassbar.
Bei den Nürnberger Prozessen hätte man sich auch um die SS und andere Naziverbrecher und nicht nur um die Naziprominenz kümmern sollen, die hätten alle schon damals vor Gericht gehört.
Viele Naziverbrecher aus der Gestapo gingen dann in der DDR in die Stasi und viele Naziverbrecher aus der SS im Westen in die neugegründete CDU.
 
Wer 1945 20 Jahre alt war, wird, so er noch lebt, im nächsten Jahr 96 Jahre alt. Welche Täter gäbe es da, und welche Zeugen könnten aussagen?
Voel wichtiger wären Forschungen und Stellungnahmen zur Rolle von Tätern und der sie unterstützenden Nwtzwerke in der Nachkriegszeit, vor allem bei Juristen, Medizinern, Geisteswissenschaftlern.
 
Bei den Nürnberger Prozessen hätte man sich auch um die SS und andere Naziverbrecher und nicht nur um die Naziprominenz kümmern sollen, die hätten alle schon damals vor Gericht gehört.
Dazu muss man der Leute erstmal a) habhaft werden und ihnen b) die individuelle Schuld auch nachweisen. Es stand den Leuten ja nicht auf die Stirn geschrieben, dass sie an Kriegsverbrechen beteiligt waren.

Viele Naziverbrecher aus der Gestapo gingen dann in der DDR in die Stasi
Ich weiß, dass die Stasi Beteiligte am Massaker von Oradour wissentlich schützte. Aber ob es nahtlose Übergänge von der GeStaPo in das MfS gab, das weiß nicht. Jedenfalls war die GeStaPo als Apparat viel kleiner als der des MfS und bedurfte immer der operativen Unterstützung der regulären Polizeien.
Ich glaube allerdings, dass du dich hier mit der Organisation Gehlen vertust, dem Vorläufer des BND; Gehlen selbst war in der Wehrmachtsorganisation Fremde Heere Ost und er rekrutierte Leute aus dem SD etc.

und viele Naziverbrecher aus der SS im Westen in die neugegründete CDU.
Ob viele SSler in die neugegründeten Parteien gingen, weiß ich nicht. Ich weiß, dass mein Großonkel, der (wann eingetreten, weiß ich nicht) in der NSDAP war, nach dem Krieg zur CDU wechselte (laut Aussage, die meine Großtante mir gegenüber Ende der 1990er Jahre tätigte, war er 1945 Kommandant der Festung Babelsberg (genau, da, wo die UfA saß), keine Ahnung, ob das stimmt, einen hohen militärischen Rang hatte er meines Wissens nicht). Aber auch in SPD und FDP fanden sich ehem.(?) Nazis wieder. Die Frage ist halt, ob das (noch immer) Gesinnungsnazis waren.

Echte Gesinnungsnazis waren die Personen, die dem Naumann-Kreis angehörten, dessen Ziel es war, die FDP nationalsozialistisch zu unterwandern.

Gerade bei Beamten dient ein Parteibuch aber häufig auch einfach der Karriere und ist kein objekties Zeugnis einer politischen Gesinnung. (Zur Illustration: Ein Kommilitone erzählte mir vor 20 Jahren mal, dass sein Vater SPD-Mitglied sei. Der kam aus NRW, sein Vater war dort irgendwo Amtsleiter und das war auch seine Motivation gewesen, in die SPD einzutreten, da das nun mal bis in die 90er Jahre die maßgebliche Partei in NRW war, ob der Vater - den ich naturgemäß nie kennengelernt habe - je überzeugter Sozialdemokrat war, weiß ich nicht. Bei meinem Kommilitonen, der eher der CDU nahestand, hörte es sich nicht so an, dass sein Vater Gesinnungs-Genosse war.)

Das Problem bei der Denazification/Entnazifizierung war, dass ihr jeder unterworfen wurde, der ein Unternehmen leitete oder gründen wurde, und war es noch so klein, jeder, der Pensionsansprüche hatte, jeder, der für die Alliierten arbeitete. Ich habe vor Jahren in einem Archivpraktikum Entnazifizierungsakten bearbeitet und hatte da z.B. die Akte eines Mädchens vor mir, das 1945 mit 17 Jahren in den Dienst der Engländer eingetreten ist und für diese als Dolmetscherin gearbietet hat. 1947 wurde ihr plötzlich vorgeworfen, dass sie im BdM mehr als nur einfaches Mitglied gewesen sei. Einer Pubertierenden, die bis 1945 nichts anderes als den Nationalsozialismus kennengelernt hatte, wurde vorgeworfen, dass sie sich in einer Jugendorganisation ins Zeug gelegt hatte. Sie musste also durch's Entnazifizierungsverfahren, um ihren Lebensunterhalt weiter verdienen zu können.

In einer anderen Akte fand ich einen sogenannten Persilschein (weshalb ich mir diese Akte auch gemerkt habe, ich weiß nicht mehr, wie viele Entnazifizierungsakten ich damals verzeichnet habe, es waren mehrere hundert). Als Leumundszeuge trat hier ein evangelischer Priester auf, der dem Beschuldigten die notwendige weiße Weste bescheinigte, dass er weiter im städtischen Schlachthof arbeiten dürfe (da er von einer öffentlichen Behörde bezahlt wurde, musste er auch entsprechend als unbelastet oder maximal als Mitläufer eingestuft sein). Mir ist der Persilschein deshalb in Erinnerung geblieben, weil ich darüber herzlich lachen musste. Leider krieg ich's inhaltlich nicht mehr so hin: Der leumundgebende Priester jedenfalls schrieb gegen Ende des Leumundschreibens, dass der zu Entnazifizierende ein wichtiges Glied in der Gemeinschaft sei, eben weil man Fachleute für die Schweineschlachtung brauche.

Warum erzähle ich das? 1945 ff. war auch den Alliierten erstmal daran gelegen, das besiegte und besetzte Dtld. nicht im Chaos versinken zu lassen. Die Entnazifizierung stellte für viele Menschen eine Belastung dar, weil sie sich hinzog und solange verhinderte, dass die Leute Bezüge erhielten, Firmen leiten oder gründen konnten bzw. Anstellungen bei den Kommunen oder Alliierten erhalten konnten.

Moralisch gesehen mag es ärgerlich sein, dass damals mancher NS-Funktionär glimpflich davon gekommen ist. Jenseits der Moral - und auch das gehört zur Bewertung der Dinge dazu - bedurfte die Verwaltung aber auch Leuten, welche ihre jeweiligen Aufgaben zu erledigen wussten. Man bedurfte Unternehmern, die bestehende Betriebe führten und neue gründeten und so Leute in Lohn und Brot brachten.
Es war einfach unmöglich halb Dtld. einzusperren, unter der Prämisse, dass man es mit Nazis und Kriegsverbrechern zu tun habe, zumal in einem Rechtsstaat (und das waren die USA, GB und Frankreich) die Unschuldsvermutung gilt, d.h., jemand gilt solange als unschuldig, bis man ihm das Gegenteil nachgewiesen hat.

Im Nachkriegsdeutschland standen Moral und lebenswirkliche Notwendigkeiten einfach in einem schwer auflösbaren Widerspruch zueinander.
 
Aber ob es nahtlose Übergänge von der GeStaPo in das MfS gab, das weiß nicht.

Es ist zwar kein nahtloser Übergang, aber mit der Richtlinie Nr. 21 aus 1952 ordnete Mielke an, ehemalige Gestapo-Angehörige als "geeignete Personen zur geheimen Mitarbeit" anzuwerben. Dabei dürfte allerdings auch eine Rolle gespielt haben, dass die Gestapo-Angehörigkeit auch als Druckmittel bei der Anwerbung eingesetzt werden konnte.
 
Es ist zwar kein nahtloser Übergang, aber mit der Richtlinie Nr. 21 aus 1952 ordnete Mielke an, ehemalige Gestapo-Angehörige als "geeignete Personen zur geheimen Mitarbeit" anzuwerben. Dabei dürfte allerdings auch eine Rolle gespielt haben, dass die Gestapo-Angehörigkeit auch als Druckmittel bei der Anwerbung eingesetzt werden konnte.
Also eher als Inoffizieller denn als hauptamtlicher Mitarbeiter?
 
Solche Verbrechen verjähren doch nicht, also selbst wenn der Mann 90 oder älter sein sollte, sollte er noch vor Gericht kommen und verurteilt werden.
Es ist sowieso ungerecht, dass er sein ganzes Leben in Freiheit genießen durfte, ein Leben das seine Opfer nicht mehr hatten.
Den größten Fehler den die Allierten damals gemacht haben, ist, nicht Nazis wirklich zu bestrafen, das was die "Entnazifizierung" nannten war ein Witz.
Der onkel meiner Mutter war in der SS, der wurde nur ein paar Wochen eingesperrt und bekam ein paar Filme über den Holocaust gezeigt, also Videos mit den KZ Leichen.
Dann taten die Täter so als seien sie reuig und wurden entlassen. Unfassbar.
Bei den Nürnberger Prozessen hätte man sich auch um die SS und andere Naziverbrecher und nicht nur um die Naziprominenz kümmern sollen, die hätten alle schon damals vor Gericht gehört.
Viele Naziverbrecher aus der Gestapo gingen dann in der DDR in die Stasi und viele Naziverbrecher aus der SS im Westen in die neugegründete CDU.

Erst einmal muss ein Verbrechen nachgewiesen werden und eine persönliche Schuld festgestellt werden.
Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt kaum mehr möglich. Deshalb entschied man bei den noch stattfindenen Prozessen das schon die pure Anwesenheit ein Verbrechen an sich darstellt.
Als ca. 19 jähriger wurde er als Angehöriger der SS-Totenkopfdivision zum Wachdienst eingesetzt, Rang Sturmmann, der zweitniedrigste Rang (Gefreiter). Ob er bei seiner Freiwilligenberufung als vollendet 16 jähriger darüber Bescheid wußte, wage ich zu bezweifeln. Es gab Anträge auf Frontverwendung aus den KZ's aber meistens aus höheren Diensträngen.
Die Leute die damals mit 17 oder 18 als Schütze oder Sturmmann zum Vorgesetzten hingegangen sein sollten, mit der Massgabe ich möchte hier nicht mehr Wache schieben, die möchte ich heute mal sehen. Heute wären ja alle Helden gewesen, klar.
Übrigens, die Nürnberger Prozesse urteilten nicht nur die Hauptkriegsverbrecher ab, sondern auch viele andere 0b SS oder Wehrmacht, deshalb ist deine Aussage so nicht richtig.
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...Deshalb entschied man bei den noch stattfindenen Prozessen das schon die pure Anwesenheit ein Verbrechen an sich darstellt.....
Nicht deshalb. Und die bloße Anwesenheit führt auch zu keiner Mordanklage. Die juristische Kausalkette wurde in den Prozessen gegen die RAF entwickelt. Danach konnte man die Nazi-Mörder nicht mehr so einfach laufen lassen.

Übrigens, die Nürnberger Prozesse urteilten nicht nur die Hauptkriegsverbrecher ab, sondern auch viele andere 0b SS oder Wehrmacht, deshalb ist deine Aussage so nicht richtig.
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Es waren 185, die angeklagt wurden, von denen 35 freigesprochen wurden. Als viele würde ich das nicht bezeichnen.
 
Ursi hat schon vor ein paar Jahren eine überaus sehenswerte BBC- Doku zu Auschwitz eingestellt, die auf Shoah.com und Youtube noch vorhanden sein müsste. In der Folge "Verbrechen und Korruption" kam unter anderem ein SS- Mann zu Wort, der nicht zum eigentlichen Wachpersonal gehörte, dafür aber Devisen und geraubte Habseligkeiten katalogisieren musste und sich dabei schamlos bediente. Dieser übrigens durchaus nicht unsympathische Zeitgenosse wurde niemals zur Verantwortung gezogen, verbrachte als Kriegsgefangener in GB eine leichte Zeit und machte in der BRD Karriere, während etliche Opfer für Jahre traumatisiert waren. Es war gar nicht so ungewöhnlich, dass Holocaustüberlebende im Nachkriegsdeutschland in Entschädigungsfragen genau mit den gleichen Sachbearbeitern zu tun hatten, die ihnen alles abgenommen hatten. In den späten 80er Jahren sickerte durch, dass die Witwe Roland Freislers Beamtenpension bezog, denn der Ehemann, als Staatssekretär des Justizministeriums bei der Wannseekonferenz und Vorsitzender des Volksgerichtshofes hätte in der BRD ja vermutlich die Karriere fortgesetzt. All die Globkes und Filbingers wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Etliche Mediziner wie Mengeles Doktorvater Verschuer machten nach 1945 den selben Kram weiter. Der renommierte Jurist Fritz Bauer hatte starke Zweifel an der deutschen Justiz, weshalb er Informationen über den Verbleib Eichmanns an den Mossad weitergab, ohne deutsche Behörden einzuschalten.

Im Osten müssen Soldaten, Eisenbahner und Beamte so manches mitbekommen haben, aber es war ja nicht so, dass jeder kleine Mitläufer unter Generalverdacht gestellt oder kriminalisiert worden wäre. Die aber, die tatsächlich vor Gericht gestellt wurden, wollten keine Verantwortung übernehmen. Hätten sie nicht getan, was befohlen wurde, wären sie selber dran gewesen, behaupteten sie, und es gab manche in der BRD, die sagten, "mal müsse doch endlich Schluss sein".

Es handelte sich um Oskar Gröning, den "Buchhalter von Auschwitz", Gröning wurde schließlich vom Landgericht Lüneburg der Prozess gemacht. Er wurde der Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen angeklagt und schließlich zu vier Jahren Haft verurteilt. Gröning legte gegen das Urteil Revision ein, die verworfen wurde. Gröning wurde von Gutachtern für grundsätzlich haftfähig erklärt, im November 2017 entschied das OLG Celle, dass der damals 96 Jahre alte Gröning die Haft antreten müsse, ein Gnadengesuch wurde abgelehnt. Gröning stellte ein zweites Gnadengesuch an das niedersächsische Justizministerium. Bevor eine Entscheidung gefällt werden konnte, verstarb Oskar Gröning. Man hielt ihm zugute, dass er Reue gezeigt habe, alle gestellten Fragen beantwortet und sich zu seiner individuellen Schuld bekannt hatte. Gröning hatte in der genannten BBC-Doku über Auschwitz auf die Frage, ob er keine Skrupel, kein schlechtes Gewissen gehabt habe, dass er sich in Auschwitz ein schönes Leben gemacht habe, während es den Opfern immer schlechter ging, gesagt: "absolut nicht, jeder ist sich selbst der Nächste". Gröning sagte auch, dass er in Auschwitz Freundschaften geknüpft habe, die er nicht missen wolle".
Gröning sprach aber ansonsten ziemlich offen, und er vermied jegliche Entschuldigungsrhetorik nach dem Motto "von-nichts-gewusst, nur-Befehle-befolgt, wenn- ich-es nicht- gemacht- hätte, wäre ich selbst dran gewesen.
1991 sagte Gröning als Zeuge gegen einen SS-Mann aus. Damals galt er als unbelastet, und die Presse verlieh ihm den Beinamen "Der Buchhalter von Auschwitz".
Auch wenn Gröning in der BBC-Doku ziemlich offen von seinen Taten sprach und sagte, er habe keine Skrupel gehabt, Devisen in die eigene Tasche zu stecken, war eigentlich doch kaum zu übersehen, dass er Schuldgefühle hatte, dass es ihm irgendwie auch Erleichterung verschaffte, das mal rauszulassen. Am Ende sagte er, dass er geschichtsrevisionistischer Propaganda von der "Auschwitz-Lüge" entgegentreten und Zeugnis ablegen wolle.
 
Erst einmal muss ein Verbrechen nachgewiesen werden und eine persönliche Schuld festgestellt werden.

Und weil das immer noch gilt, ist das nicht richtig:
Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt kaum mehr möglich. Deshalb entschied man bei den noch stattfindenen Prozessen das schon die pure Anwesenheit ein Verbrechen an sich darstellt...
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Richtig ist (Zitat BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 49/16):
-"Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist -bei Erfolgsdelikten -grundsätzlich jede Handlung, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 8.März 2001 -4StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410 mwN). "
Hervorhebung von mir.
 
(Quelle : Prozess Demjanjuk, br.de aus 2011)

Na, super Quelle. Besser nicht konkret verlinken, wär ja keine Mühe, könnt ja sein, dass daraus gar nicht hervorgeht, was Du in #152 schreibst.
Sowas ist nicht angemessen und macht gewiss keinen guten Eindruck.

Folgen wir doch mal einer echten Quelle für die ich @Liborius danke.
Der BGH prüft das beanstandete Urteil und stellt fest, dass zurecht keine Verjährung festgestellt wurde, da der Ausschluss der Verjährung bei Mord auch dann gegeben ist, wenn Beihilfe zu diesem gegeben ist.
Es geht also nicht um "Naziverbrechen", sondern um Beihilfe zu Mord.

Und was die wahrlich blödsinnige Frage angeht:
Sollten Nazi-Verbrecher heute noch verurteilt werden??;

so darf man feststellen, dass es diesen juristischen Begriff nicht gibt.
Lediglich Mord, und Beihilfe dazu verjähren nicht. Und da ist es Wurst aus welchem Antrieb solcher begangen wurde.

Bemerkenswert bleibt, wie man mit einer perfiden Unterstellung, gekleidet in eine Frage, nahelegen kann, dass den Nazis ein besonderes Unrecht geschähe, da sie einer speziellen und nachteiligen Rechtsprechung ausgesetzt seien.
Und dann kommt auch noch einer daher, und erzählt, blos weil man zufällig anwesend gewesen sei, an einem Ort eines Verbrechens, würde man verurteilt werden.
(… Mei, wie unfair! Hat denn nicht auch der Eichmann keinen mit seinen eigenen Händen erwürgt?)

Übrigens was auch nie in die Jahre kommt, und in diesem Sinne nicht verjährt: Bosheit, Hinterlist und Dummheit.
 
Dieses juristische Neuland wurde das erste Mal im Demjanjuk Prozess angewandt. Sie gingen davon aus das ein Wachmann automatisch Mordhelfer war (Quelle : Prozess Demjanjuk, br.de aus 2011)
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John Demjanjuk: Ein historisches Urteil | BR.de

Da steht auf der einen Seite zwar:

Der Nachweis einer konkreten Tat Demjanjuks konnte nicht erbracht werden. Das Gericht verurteilte ihn dennoch - auch ein Novum in der deutschen Justizgeschichte. Es ging davon aus, dass ein Wächter im einem Lager wie Sobibor automatisch Mordhelfer war.

Auf der anderen Seite aber auch:

Weil sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung Revision einlegten, wurde das Urteil gegen Demjanjuk jedoch nicht rechtskräftig, Zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs darüber kam es bis zu Demjanjuks Tod nicht. Auch nachträglich erfolgte sie nicht, weil der Tod des Angeklagten im deutschen Strafrecht ein Verfahrenshindernis ist, wodurch nur noch die Einstellung des Verfahrens zulässig ist.
 
Irgendwie kann ich ja durchaus nachempfinden, wenn einige ein ungutes Gefühl dabei haben, 90jährige Greise auf der Anklagebank zu sehen. Als Gröning damals sich als Zeitzeuge bei der BBC-Auschwitz-Doku zur Verfügung stellte, war er noch äußerst vital. Und, wie gesagt, in der Art wie er sich gab, wie er ziemlich unverblümt über diesen Korruptionssumpf Auschwitz redete, wirkte Gröning sympathisch.

Da war endlich mal einer, der sich nicht auf Befehlsnotstand herausredete und von Ehre und Treue faselte. Trotzdem war manches was er sagte, schwer erträglich, vor allem, wenn man im Hinterkopf behält, was sich gleichzeitig an Gräueln in Auschwitz ereignete. Gröning sagte, Auschwitz sei wie eine Kleinstadt gewesen, da habe "Jubel, Trubel, Heiterkeit geherrscht." Ein Mörder, ein Sadist, jemand der Vergnügen daran fand, andere Menschen zu quälen, zu schlagen, zu töten, das war Oskar Gröning wohl nicht, aber, dass seine Kameraden und Freunde das täglich taten, dass um ihn Zehntausende erbärmlich behandelt, ausgebeutet und ausgeraubt und zuletzt umgebracht wurden, scheint ihn nicht so gestört zu haben, dass er versucht hat, sich versetzen zu lassen. Es gab ja durchaus bei Polizeieinheiten Fälle von Krankmeldungen, Versetzungsgesuche etc., etc. Ein Opportunist, ein Gauner, der in dieser Räuberhöhle Auschwitz schon ziemlich abgebrüht und zynisch den eigenen Vorteil wahrgenommen hat.

Als Gröning dann schließlich angeklagt wurde, schien er sehr gealtert und er wirkte bei weitem nicht mehr so vital wie noch einige Jahre früher bei Entstehung der Doku. Es hätte wohl vermutlich auch kein Strafverfahren mehr gegen Gröning gegeben, wäre Gröning nicht selbst an die Öffentlichkeit getreten. Gutachter haben Gröning prinzipiell für haftfähig gehalten. Er hat die Haft dann nicht mehr antreten müssen/können.

Selbst in dem Fall, dass Gröning eingefahren wäre, hätte man ihn nicht bei Wasser und Brot verschmachten lassen. Gröning wäre Erstverbüßer gewesen, der sich vorher und nachher nichts hat zuschulden kommen lassen. Nach § 57 StGB hätte Oskar Gröning mit großer Wahrscheinlichkeit Bewährung nach 2/3 bekommen, vielleicht sogar Halbstrafe. In keiner deutschen JVA hätte er in seinem Alter noch arbeiten müssen, erst recht nicht in einem Werkbetrieb. Während meiner Gefangenschaft habe ich einige kennengelernt, die die 70 schon überschritten hatten, und die wurden von allen Beamten, auch von den stursten und pingeligsten immer mit großer Höflichkeit und Rücksichtnahme behandelt, hatten Anspruch auf doppelte Freizeit und Freistunde. Die "Steinalten" wurden auch von den Alt-Knastologen sozusagen adoptiert. Eventuell wäre für Gröning von Anfang auch eine JVA wie das Kornhaus in Schwalmstadt für offenen Vollzug und Gefangene älter als 55 in Betracht gekommen. Nach 6 Monaten hätte Oskar Gröning in den offenen Vollzug verlegt werden können. Viel länger, als 2 Jahre hätte er wohl nicht absitzen müssen und auch die nicht auf der Teufelsinsel oder im New Gate Prison. Die geballte Ladung Stahl und Beton schlagen ist gewöhnungsbedürftig, aber sooo schlimm ist Knast nun auch wieder nicht. Ich habe mit zwei Gefährten gesessen, der eine war 72, der hat 3 1/2 Jahre bekommen weil er 3 kg Gras über die Grenze gebracht hat, ein anderer, auch über 70 saß wegen Fahren ohne Führerschein, die saßen zum ersten Mal, aber die werden Endstrafe machen müssen wie 70 % aller Verurteilten in der Bundesrepublik.
 
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