Sonderrolle Japans

KFdG schrieb:
Das dachte ich eigentlich auch, Japan musste seine Abschottung 1854 beenden, der Modernisierungsprozess wurde erst 1868 durch Kaiser Mutsuhito ( Meiji Zeit ) eingeleitet. :confused:

Ob sie die Abschottung beenden mussten, kann man schon so sehen. Perry hatte ein selbstbewusstes Auftreten und löste in den Regierungskreisen in Edo schon Entsetzen und Ratlosigkeit aus. Man muss aber auch die Hintergründe für dieses Entsetzten sehen und das ist in der Regierung Japans zu suchen. Der damalige Shogun Tokugawa Nariaki (1800 bis 1860) war persönlich schwach und nur noch eine Marionette in der Hand der Beamten. Die Leitung der Regierungsgeschäfte lag faktisch in den Händen des Staatsrats Abe Masahiro (1819 bis 1857). Der war davon überzeugt, dass man den Amerikaner Zugeständnisse machen musste. Er befragte alle Daimyos in dieser Angelegenheit und dies war für die japanische Innenpolitik sehr wichtig. Damit demonstrierte er die Schwäche des Shogunats und machte dies zum öffentlichen Thema. Das Shogunat war schon vor der Ankunft Perrys sehr schwach, eine Änderung in Japan hätte es so oder so gegeben, da kamen die Amerikaner gerade recht. Man kann sich jetzt auch Fragen, weshalb machten die Japaner dies ohne grossen widerstand? Dies hatte mit dem Schicksal Chinas zu tun. Japan bekam mit was in dieser Zeit in China geschah und wollte dies vermeiden.

Der Modernisierungsprozess hatte schon viel früher begonnen, es wurde auf jeden Fall der Grundstein dafür gelegt. Es gab bereits während der Tokugawa Zeit Manufakturen, Geld- und Warenwirtschaft bekam immer grössere Bedeutung. Mit der Zeit gab es Anfänge des Agrarkapitalismus. Dies immer noch vor der Ankunft Perrys.

Zur Industrialisierung Japans

In den Augen der Ausländer war Japan ein wirtschaftlich stark zurückgebliebenes feudales Land, dies war in den sechziger Jahren der Fall. Um die Meiji Wende war die starke und einflussreiche bürgerliche Kraft nicht bereit Geld in der Industrie anzulegen. Sie versprachen sich da eher ein Verlust als einen Gewinn, dies hatte wieder mit den ungleichen Verträgen zu tun und vor allem mit der Zollautonomie.

Aus diesem Grund übernahm der Staat schon während der Reform Zeit die Initiative für den Aufbau einer modernen Industrie. Im Mittelpunkt stand die Schwerindustrie, vor allem die Rüstungsindustrie. Es entstanden in Tokyo oder Osaka Artillerie Arsenalte und in Yokohama, Nagasaki und Hyogo wurden Schiffswerften gebaut. Die Schwerindustrie blieb bis zum ersten Weltkrieg dem Staat vorbehalten.

Es wurden zahlreiche Musterbetriebe aufgebaut, hier waren zuerst westliche Ingenieure tätig, die dann nach und nach durch Japaner ersetzt wurden. Vor allem in der Baumwoll- und Seidenindustrie gelang es den Japaner bald führend zu werden.

Ein paar Zahlen von Betriebsgründungen

1868 bis 1872 waren es 157

1873 bis 1877 deren 276

1878 bis 1882 " 344

1883 bis 1887 " 666

1888 bis 1892 " 977

1893 bis 1897 " 1849

1898 bis 1902 " 2117

1903 bis 1907 " 3823

(Das sind alles Betriebe die 10 und mehr Arbeitnehmer haben)

Eines der grössten Projekte war die Besiedlung, Erschliessung und Bewirtschaftung des bis zur Meiji Restauration vernachlässigten Neulands Hokkaido. Es wurden auf der Insel eine Landwirtschaft nach europäischen Methoden aufgebaut, es gab staatliche Betriebe, der Bau der Eisenbahn und Strassen wurde vorangetrieben. In den ersten 30 Jahren der meiji siedelten ca. eine halbe Million Japaner nach Hokkaido um, darunter viele ehemalige Samurais.

Dies alles wäre aber nicht möglich gewesen, wenn die Japaner nicht auf ein solides Grundwissen zurückgreifen konnten. Dies hatten sie zum Teil schon während der Abschliessung erarbeitet und nach der Öffnung durch die Reisen in den Westen und die Berater. Aber das habe ich ja schon geschrieben.
 
ursi schrieb:
Dies alles wäre aber nicht möglich gewesen, wenn die Japaner nicht auf ein solides Grundwissen zurückgreifen konnten. Dies hatten sie zum Teil schon während der Abschliessung erarbeitet und nach der Öffnung durch die Reisen in den Westen und die Berater. Aber das habe ich ja schon geschrieben.

Soweit ich das weiss, haben noch viele der heutigen Riesenkonzerne ihre Wurzeln im fruehen 19. oder gar im 18. Jahrhundert. Das ist es eben: Japan war zwar abgeschlossen, aber bei weitem nicht so rueckstaendig, es brauchte nur den Anlass, um all das brachliegende und auf die Insel beschraenkte Potential frei zu setzen...
 
Stimmt, ein gutes Beispiel ist die Firma Mitsui. Sie wurde bereits im 17 Jahrhundert gegründet, sie konzentrierte sich vor allem auf Reishandel und Münzwechsel. In der Meiji Zeit gründete die Firma die Mitsui Bank und betätigte sich auch im Schiffsbau und als Versicherungsagentur. Sie wurde immer Bedeutender und hatte Niedelassungrn in Europa und sogar in Südamerika.
Erst 1945 wurde sie von den USA aufgelöst, wurde wenig später jedoch neu Gegründet und besteht heute als lockerer Untehnemensverbund weiter.
Auch Mitsubishi wurde bereits in der Meiji Zeit gegründet.
 
manganite schrieb:
Soweit ich das weiss, haben noch viele der heutigen Riesenkonzerne ihre Wurzeln im fruehen 19. oder gar im 18. Jahrhundert. Das ist es eben: Japan war zwar abgeschlossen, aber bei weitem nicht so rueckstaendig, es brauchte nur den Anlass, um all das brachliegende und auf die Insel beschraenkte Potential frei zu setzen...

Und noch weiter zurück. Die Geschichte der Familie Mitusi reicht bis ins Mittelalter zurück. Sie waren im 17. Jahrhundert aktive Sakebrauer, Händler (besonders in der Textilbranche) und Geldverleiher. Ihre Brauereinen, Kleiderhandlungen und Wechselstuben standen in Edo, Kyoto und Osaka. Zur Meiji Restauration leisteten sie der Regierung Hilfe gegen gute Zinsen. Während der Restaurationszeit verstärkten sie ihre finanziellen Aktivitäten und gründeten 1876 die erste Privat Bank Japans (Mitsui Ginko). Ein Jahr später folgte die Handelsgesellschaft Mitsui Bussan, diese Handelsgesellschaft gibt es heute noch unter dem gleichen Namen (korrigiere mich manga wenn das nicht mehr stimmt). 1888 kauften sie die Kohlebergwerke von Miike und gründeten 1892 das Bergwerksunternehmen Mitsui Kozan.

Die Mitsubishi zaibatsu kann nicht auf eine so lange Tradition zurückblicken, sondern ist ein Kind der Meiji-Umwälzung. Gegründet wurde das Haus von Iwasaki Yataro einem niedrigen Samurai aus dem Tosa-Clan. Dieser unterstützte die Anti-Bakufu Bewegung der sechziger Jahre und wandte sich nach der Restauration dem Seetransport zu. Er kaufte günstige Schiffe und gründete 1873 die Handelsgesellschaft Mitsubishi Shokai und stellte sich in den Dienst der Regierung für Truppentransporte nach Taiwan. Für diese Dienste zeigte sich die Regierung grosszügig und es gelang ihm mit Hilfe der Regierung die andern Konkurrenten im Seetransport aus dem Feld zu schlagen und ein Monopol aufzubauen. Ab 1873 weitete die Familie, die sich jetzt offiziell Mitsubishi nannte, ihre Tätigkeit aus. Sie hatten dann Unternehmen im Berg-, und Schiffbau, hatten Banken und Versicherungen.
 
manganite schrieb:
Ich glaube, die Chinesen hatten viel schlechtere Chancen. Ein riesiges Land, viel zu unflexibel fuer schnelle drastische Reformen, eine erstarrte, ueberalterte Kultur.

Unflexibel, erstarrt, überaltert? Was soll das denn sein? Das sind doch - pardon! - überalterte Denkmuster aus den Mottenkisten von Hegel über Marx bis hin zu Spengler.

Die Qing-Regierung war gewiß nicht unflexibler als das Tokugawa-Regierung, im Gegenteil.

Sieh es doch mal andersherum: Das Tokugawa-Regime war schon so morsch, daß es keiner großen Anstrengung bedurfte, es zu stürzen. Damit war der Weg frei für umfassende Reformen auf allen Ebenen.

Das Qing-Regime war vital genug, sich noch lange Zeit gegen alle Aufstände zu behaupten. Die Folge: Kein Umsturz, keine Reformen, sondern jahrzehntelange Bürgerkriege. Die wiederum waren ein gefundenes Fressen für die europäischen Mächte, die dabei immer wieder kräftig mitmischten, vom Taiping-Aufstand bis zum Boxer-Aufstand. Als endlich das Regime zusammenbrach, brach dann auch das ganze Reich auseinander.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
und china war als opfer für die westmächte "interessanter" als japan?

ganz andere frage, was wollten die amerikaner eigentlich in japan? wieso kam vorher niemand auf die idee?
 
hyokkose schrieb:
Unflexibel, erstarrt, überaltert? Was soll das denn sein? Das sind doch - pardon! - überalterte Denkmuster aus den Mottenkisten von Hegel über Marx bis hin zu Spengler.

Die Qing-Regierung war gewiß nicht unflexibler als das Tokugawa-Regierung, im Gegenteil.

Sieh es doch mal andersherum: Das Tokugawa-Regime war schon so morsch, daß es keiner großen Anstrengung bedurfte, es zu stürzen. Damit war der Weg frei für umfassende Reformen auf allen Ebenen.

Das Qing-Regime war vital genug, sich noch lange Zeit gegen alle Aufstände zu behaupten. Die Folge: Kein Umsturz, keine Reformen, sondern jahrzehntelange Bürgerkriege. Die wiederum waren ein gefundenes Fressen für die europäischen Mächte, die dabei immer wieder kräftig mitmischten, vom Taiping-Aufstand bis zum Boxer-Aufstand. Als endlich das Regime zusammenbrach, brach dann auch das ganze Reich auseinander.

Ist das nicht eine Frage der Betrachtungsweise? Vital genug oder einfach nur so gross und veraestelt, dass es sich laenger an der Macht klammern konnte? Morsch oder einafhc nur so klein, dass Modernisierer schnell nach oben kommen konnten und ihre Ideen umsetzten konnten?
 
manganite schrieb:
Ist das nicht eine Frage der Betrachtungsweise? Vital genug oder einfach nur so gross und veraestelt, dass es sich laenger an der Macht klammern konnte? Morsch oder einafhc nur so klein, dass Modernisierer schnell nach oben kommen konnten und ihre Ideen umsetzten konnten?

Die Größe allein kann es nicht sein. Yuan-China war gleich groß, und doch kam das Ende des Regimes relativ schnell.

Korea war relativ klein, doch hier schafften die Modernisierer im 19. Jahrhundert den Durchbruch ebensowenig wie in China.
 
collo schrieb:
und china war als opfer für die westmächte "interessanter" als japan?

ganz andere frage, was wollten die amerikaner eigentlich in japan? wieso kam vorher niemand auf die idee?



Vor den Amerikaner haben es die Russen und die Briten versucht.

Ab 1800 zeigten die europäischen Mächte wieder verstärktes Interesse an Japan. Zuerst waren russische Händler die versuchten Handelsbeziehungen mit Japan einzugehen. Das Bakufu hatte die Bestimmungen seit ein paar Jahren grosszügiger ausgelegt und damit vermehrte sich die Einfuhr von ausländischen Produkten, dennoch weigerte sich das Bakufu den Russen Zugeständnisse zu machen. Das hatte zur Folge dass es ab 1810 zu mehreren Zwischenfällen zwischen bewaffneten russischen Handelsschiffen und dem japanischen Militär kam. Da der Zar seine ganzen Kräfte auf den Einfalls Napoleons in Russland setzten musste, waren die Handelsschiffe auf sich alleine gestellt.

Ab 1819 legten britische Walfänger in Satsuma und Uraga an um Vorräte zu ergänzen und ihre Schiffe zu reparieren. Auch sie wurden von den japanischen Behörden brüsk oder mit Gewalt zurückgewiesen. Dies waren aber alles Einzelaktionen von Händlern oder Abenteurern und nicht um eine Zielgerichtete politische Provokation die von London oder St. Petersburg ausging.

In Japan zeigte diese Vorfälle eine innere Folgewirkung, diese Bedrohung von Aussen wurde Gegenstand zur öffentlichen Diskussion und um besser vorbereitet zu sein wurde in Edo ein Übersetzungsbüro für Russisch und Englisch eingerichtet.

Mit dem Opiumkrieg veränderte sich nun auch die politische Lage in Ostasien und mit der Öffnung der chinesischen Häfen fuhren auch immer mehr europäische und amerikanische Schiffe an den Häfen Japans vorbei. Amerika war nach der Erwerbung von Oregon und Kalifornien (1846/47) zu einer pazifischen Macht geworden und für den amerikanischen Handel mit China und den Walfischfang war die transpazifische Route von eminenter Bedeutung. Die Neugegründete Pacific Mail Steamship Company plante eine regelmässige Verbindung von San Francisco nach Shanghai. Das amerikanische Interesse an Japan war demzufolge zunächst von praktischer Natur. Es ging um die Aufnahme von Schiffbrüchigen (was Japan bis dahin verweigerte) und die Versorgung von Schiffen mit Lebensmittel und Kohle.
 
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