Spielfilm gesucht, der das Leid der Deutschen im NS widerspiegelt, Fokus auf Bezug!

Der Nico

Neues Mitglied
Hallo!


Ich hoffe, dass es nicht allzu schlimm ist, dass ich mich hier, ohne Vorstellung, am Forenleben beteilige. Und dann gleich auch noch mit einer Frage.

Zunächst zu meiner Situation.
Ich möchte meine Seminararbeit, welche sich um Filme über den Nationalsozialismus dreht, als "50:50"-Seminararbeit abgeben.
Die eine Hälfte soll eine Textbasierte arbeit sein - der historische Hintergrund wird beleuchtet, Vorwissen vermittelt, welches man vor dem Film haben sollte, etc.
Die andere Hälfte plane ich als Film abzugeben - da ich freizeitlich und halb-beruflich die Videographie leidenschaftlich betreibe und eher ein audiovisueller Künstler als Autor bin, bot sich dies an. Die Interpretation, Analyse und der Wahrheitsbezug werden hier erläutert.
Bis hier hin kein Problem, meine Favoriten waren der Pianist, der Junge im gestreiften Pyjama o.ä., da ist ja die Auswahl recht groß.
Jedoch möchte ich auch Zeitzeugen mit in den Filmen bringen, sprich, alte Menschen, die den zweiten Weltkrieg / den Nationalsozialismus mitbekommen haben.
Nun stellen sich hier folgende Fragen:



1. Welches ist wohl das Ereignis, an das sich die Meisten Zeitzeugen erinnern können? Leben im Bunker? Bombennächte? Ist HJ nicht schon zu weit weg?

2. Korrelierend mit 1., welcher Film hat genanntes Ereignis im Fokus? Wo kann ich getrost einen Großteil meines Filmes den Zeitzeugen hinwenden?


Ich weiß, es ist ein mutiges Projekt. Vielleicht sogar etwas zu mutig für mich, das kann sein, jedoch bin ich zuversichtlich, dass ich eine angemessene Arbeit abliefern kann.

Über jede Hilfer und über jeden Tipp würde ich mich sehr freuen!

Mit freundlichen Grüßen,
Der Nico
 
Warum sollte die HJ "zu weit weg" sein? Es wird eh immer schwieriger werden an Menschen heranzukommen, welche die NS-Zeit als Erwachsene erlebt haben.
Ich hoffe, dass du dich schon mit der besonderen Zeitzeugenproblematik auseinandergesetzt hast, mit Verdrängung (gerade deshalb ist es sogar wahrscheinlich, dass die von vielen damals Jugendlichen als "schön" wahrgenommene HJ- oder BdM-Zeit besser erinnert wird, als anderes), mit beabsichtigt und unbeabsichtigt Unwahrem, also mit Erinnerungslücken und Harmonisierung von zusammenhangslosen Erinnerungsfetzen zu einem neuen Narrativ.

Was das praktische angeht, so empfehle ich dir für das Zeitzeugeninterview die Lektüre von Spurensucher. Ein Praxisbuch für die historische Projektarbeit, das im Kapitel über Zeitzeugenbefragung Probleme aufzeigt, Tipps gibt und überhaupt erklärt, wie man am besten an die Zeitzeugenbefragung herangeht.

Noch ein letztes zum Begriff Ereignis: Wenn ich dich richtig verstanden habe, siehst du den Nationalsozialismus oder den Zweiten Weltkrieg als Ereignis. Schreib das in der Hausarbeit besser nicht, weil Ereignisse eher einen punktuellen Charakter haben.
 
@Der Nico

Auf die Zeitzeugenproblematik hat mein Mitdiskutant schon hingewiesen.

Zu Deinen Fragen.

ad 1) Hj ist nicht zu weit weg, Jugenderinnerungen werden von Zeitzeugen häufig sehr gut erinnert - da gibt es i.d.R. auch meist nichts zu verdrängen, jedenfalls was historische Zeitzeugenschaft angeht ;)

ad 2) Hier ist mir nicht ganz klar, auf was für einen Film Du abstellst; einen zeitgenössischen Film, also einen Film aus der ns Zeit, oder einen Film über die ns Zeit? Das wären m.E. zwei vollkommen verschiedene Ansätze.

M.
 
Ein kompliziertes, komplexes Thema. Es ist angesiedelt im Bereich der Unterstützung, des passiven Mitläufertums und des selteneren aktiven Widerstands.

Ich kann Dir keine Filme anbieten, aber Informationen, auch Zeitzeugen, zu diesem Thema. Selber Zeitzeugen zu befragen sollte mittlerweile ein aufwendiges Unterfangen sein mit einem sehr ungewissen Ausgang hinsichtlich der Ergebnisse.

Backing Hitler:Consent and Coercion in Nazi Germany - Robert Gellately - Google Books

Social Outsiders in Nazi Germany - Robert Gellately, Nathan Stoltzfus - Google Books

Reuband wäre in Deutschland ein kompetenter Ansprechpartner für derartige Interviews. Sowohl inhaltlich wie auch methodisch. Deswegen auch der Hinweis auf sein Buch, in dem die Problematik teilweise reflektiert wird.
What We Knew: Terror, Mass Murder, And Everyday Life in Nazi Germany - Eric A. Johnson, Karl-Heinz Reuband - Google Books
 
Kann man denn Bombennächte mit "Leid der Deutschen im NS" titulieren ? Muss das nicht heißen "Leid der Deutschen im 2. Weltkrieg" ? Ich finde, für eine historische Analyse sollte man diese beiden Ereignisse Phänomene auseinanderhalten.
 
ad 2) Hier ist mir nicht ganz klar, auf was für einen Film Du abstellst; einen zeitgenössischen Film, also einen Film aus der ns Zeit, oder einen Film über die ns Zeit? Das wären m.E. zwei vollkommen verschiedene Ansätze.

Ich habe das so verstanden, dass aus Spielfilmen entnommene Szenen die Zeitzeugeninterviews und gegebenenfalls Verfasserkommentare von Niko illustrieren sollen. Quasi ohne Zeit und Budget eigene Szenen zu drehen, dürfte wohl eher nicht der Plan sein.
 
Ich habe das so verstanden, dass aus Spielfilmen entnommene Szenen die Zeitzeugeninterviews und gegebenenfalls Verfasserkommentare von Niko illustrieren sollen.
so kam das auch bei mir an - und ich befürchte, dass es ein sehr heikles . Unternehmen ist, reale Zeitzeugen zu fiktiven Darstellungen zu befragen. Einerseits verändert sich die Erinnerung (Zeitzeugenproblematik), andererseits sind Spielfilme perpektivische Fiktion, auch im Fall einer Literaturverfilmung.

Da wäre z.B. der nobelpreisgekrönte Roman Gruppenbild mit Dame von Heinrich Böll, wobei zum Autor zu sagen ist, dass er als Gymnasiast, kurz als Student und dann komplett von 1939-45 als Soldat die NS-Zeit und den Krieg miterlebt hat. In diesem Sinn ist der Deskription von nationalsozialistischer Unterdrückung in der Heimat und von der pyscholog. Wirkung von Bombenangriffen auf Zivilbauten, wie sie sich in seinem großen Roman finden, zumindest zuzugestehen, dass ihr Autor reale Erfahrungen damit hatte und diese literarisch auswertet - aber zugleich auch literarisch stilisiert.

Da wäre die Verfilmung, aus der man die entsprechenden Szenen auswählen könnte.

...nun können sich da aber Probleme ergeben, wenn sich Diskrepanzen zwischen Zeitzeugen und "Nobelpreisträger" zeigen sollten - wie soll man abwägen, ob man vorab darauf hinweist, was es mit Roman und Film auf sich hat?
 
In diesem Sinn ist der Deskription von nationalsozialistischer Unterdrückung in der Heimat

Genau an diesem Punkt wird die Problematik des Ansatzes deutlich. Es gab keine fremdbestimmte "nationalsozialistische Unterdrückung", da Deutschland nicht besetzt war. Sondern es wurden Deutsche von Deutschen im Rahmen des nationalsozialistischen Regimes stigmatisiert, verfolgt und getötet.

Die einen waren Täter, die anderen tolerierende Mitläufer bzw. wohlwollende Unterstützer und viele wurden zu Opfern dieser beiden NS-systemkonformen Gruppen von Deutschen.

Und genau diese Beziehung, die Täter und Opfer aus einer Familie kommen lassen konnte, sollte deutlich herauskommen, um das spezifische der damaligen Situation zu erfassen.

Lediglich das "Leid der Deutschen unter dem NS-Regime" darzustellen, geht schon fast in die Richtung einer Verklärung der damaligen Situation.

Was ich damit sagen möchte ist: Eine "falsche" Theorie über die Unterdrückungsmechanismen des NS-System führt zu einer unsinnigen Verbindung von Aussagen über das Regime im Rahmen einer Anbindung an Filmsequenzen.

Ein relevanter Film könnte "die Brücke" sein, da er die Bedeutung der Ideologie, der direkten Repressionsinstrumente und die Formen des Widerstands deutlich macht. Und zudem stark an die Kultur der HJ anknüpft.
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Br%C3%BCcke_%281959%29
 
Zuletzt bearbeitet:
Genau an diesem Punkt wird die Problematik des Ansatzes deutlich. Es gab keine fremdbestimmte "nationalsozialistische Unterdrückung", da Deutschland nicht besetzt war. Sondern es wurden Deutsche von Deutschen im Rahmen des nationalsozialistischen Regimes stigmatisiert, verfolgt und getötet.
[...]
Was ich damit sagen möchte ist: Eine "falsche" Theorie über die Unterdrückungsmechanismen des NS-System führt zu einer unsinnigen Verbindung von Aussagen über das Regime im Rahmen einer Anbindung an Filmsequenzen.
völlig richtig!!
das Thema sollte präzisiert werden und vom Beigeschmack des Verklärens befreit werden -- allerdings kann dann der Kontakt mit den Zeitzeugen schwierig werden.

Ein relevanter Film könnte "die Brücke" sein, da er die Bedeutung der Ideologie, der direkten Repressionsinstrumente und die Formen des Widerstands deutlich macht.
dieser beeindruckende Film wäre für die Endphase des Kriegs passend, könnte allerdings auch emotional zu aufwühlend auf die alten Leute wirken?

schwierig ist sicherlich, die Balance zu finden: es wäre nicht zielführend, die hochbetagten Zeitzeugen zu konfrontieren - da stellt sich die Frage, ob Kino überhaupt der richtige Ansatz ist bzw. die Auswahl des Filmmaterials ist heikel.
 
Zuletzt bearbeitet:
so ganz ist mir der Ansatz nicht klar.

ich vermute aber eher, er will die Zeitzeugenberichte durch Spielszenen erfahrbarer machen und plastischer.

z.b. ein Zeitzeuge berichtet von erzwungenen Schanzarbeiten -> bilder aus der wochenschau oder einem Film der Zivilisten beim Schanzen zeigt.

ist es so gemeint?
 
ich befürchte, dass es ein sehr heikles Unternehmen ist, reale Zeitzeugen zu fiktiven Darstellungen zu befragen.

Dass sehe ich wiederum als hyperkritisch an. Die Zeitzeugen würden ja sinnvollerweise nicht zu Spielfilmszenen befragt, sondern lediglich die Spielfilmszenen zur Illustration dessen, was die Zeitzeugen erzählen benutzt. Aber das kann nur Nico aufklären, wie er sich das gedacht hat.
 
Mensch, das sind ja viele Antworten! Liebsten Dank an euch alle.


Erstmal allgemein:
Ich habe mich wohl scheinbar etwas falsch ausgedrückt.
Die ganze Arbeit wird EINEN Film als Thema haben - keine Dokus, keine eigenproduzierte Drehbucharbeit.
Über die Zeitzeugenproblematik mit deren unwillkürliche Verdrängung weiß ich auch bescheid. Ich werde es "auf gut Glück" mit so vielen Rentnern probieren - bis ich ausreichend authentisches Material habe.

Klar, der Wahrheitsgehalt ist bei Erinnerungen, die 70 Jahre zurückliegen, durchaus in Frage zu Stellen, aus Gründen die oben bereits genannt wurden. Jedoch kann man das genauso über Filme sagen - sowohl die Aussagen der Filme, als auch die der Alten werden von mir kritisch betrachtet werden (müssen). Das ist klar!
Jedoch hat mir die Idee gefallen, eine weitere Stimme bzw. eine weitere Option in die Überprüfung, Kritik und Analyse zu integrieren.

An corto:
Umgekehrt! Der Film ist die Basis, die Zeitzeugen der Ausblick und das "Erfahrbarermachen" für den Zuschauer/Leser.

Zum Film:
Ich werde den Interviewpartnern selbstverständlich nicht den ganzen Film zeigen - Ausschnitte sollen genügen, bei manchen ein paar mehr, bei manchen kann auch nur einer reichen, ich werde das spontan adaptieren, um eine möglichst effiziente Analyse zu erreichen, ohne die Omas und Opas allzusehr aufzuwühlen oder emotional zu schädigen.


Nochmal danke für die tolle Hilfe! I really appreciate!

Der Nico
 
Ich habe den Titel glaube ich blöd gewählt. Das Problem ist bei mir, dass ich das Thema schlecht formulieren kann, da es mit im Prinzip nur darauf ankommt, dass der Film um den Nationalsozialismus geht und die Zeitzeugen Erfahrenes darüber erzählen können. Eine Geschichte über ein jüdisches Kind wäre daher ungeeignet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Just gestern habe ich etwas gesehen, was dir evtl ein wenig weiterhilft.

Wenn du in die google suche folgendes eingibst:

"Blut und Ehre - Jugend unter Hitler"

findest du 2 Dinge:

ein Fernsehspiel von anno dazumal (anfang 80er?)
und die Diskussionsrunde die auf die Ausstrahlung folgte.
(bisher 2 parts abrufbar, evtl folgen noch welche in den nächsten tagen)

In der Diskussionsrunde sitzen Schüler zusammen mit Zeitzeugen die damals in der HJ/BDM etc waren.

Alles etwas angestaubt, und vornweg: heftige Klamotten und Frisuren ^^ eighties halt.

gruß corto
 
1. Welches ist wohl das Ereignis, an das sich die Meisten Zeitzeugen erinnern können? Leben im Bunker? Bombennächte? Ist HJ nicht schon zu weit weg?
Der Nico
Also meine Mutter die damals als ca.13 Jährige in Graslitz, Sudentenland lebte, sagte mir sie habe mit ihrer Freundin hinter einem Holzzaun eine Massenerschießung durch die Deutschen, die schon in Tschechien einmarschiert waren, gesehen.

Das war ein einschneidendes Ereignis - aber es wußte ja kaum einer, selbst innerhalb der Stadt.
Neben den Bombennächten, werden es wohl diese vielen unzähligen privaten Ereignisse sein, an die sich Zeitzeugen erinnern - aber eher nicht erinnern wollen.
 
Also meine Mutter die damals als ca.13 Jährige in Graslitz, Sudentenland lebte, sagte mir sie habe mit ihrer Freundin hinter einem Holzzaun eine Massenerschießung durch die Deutschen, die schon in Tschechien einmarschiert waren, gesehen.

Was waren denn das für Erschießungen (Ort? Zeit? Opfer? Täter?)
 
Anonyma wäre vielleicht ein solches Beispiel. Es spielt zwar in der frühen Nachkriegszeit, behandelt aber die Vergewaltigung von deutschen Frauen, Omas und Kindern durch die russische Armee. Desweiteren wird gezeigt, daß sich die Sowjets auch bei ehemaligen weiblichen KZ Insassen nicht zurückgehalten haben, eine Barbarei, die Tito schließlich bei einem seiner Stalin Besuche in Moskau offen zur Sprache brachte.
 
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