Stadttore und Landwehr im Spätmittelalter

D

Durst

Gast
So, freut mich, dass ihr rein schaut.
Ich lege einfach mal los:

Ich habe mich gefragt, wie es wohl früher an den Stadttoren so zu ging.
Wer durfte zum Beispiel wie und wann hinein? Im Speziellen:

War es nach Torschluss (die Tore waren doch Nachts üblicherweise geschlossen, nehme ich an?) überhaupt noch möglich, die Stadt zu betreten?
Wenn ja: Galt das für jeden?

Und überhaupt: Wer durfte eigentlich generell passieren?
Beispielsweise habe ich gelesen, dass nur ein Bürger der Stadt sich auf eine entsprechende "Nutzung" der Burgwälle in Kriegs-/Angriffszeiten berufen konnte.
Wie wurde das denn überprüft?

Was wurde überhaupt von den Passanten erwartet?
Dass sie "Rede und Antwort stehen", was sie innerhalb der Mauern vorhätten? Etwas Handel zu treiben o.Ä.?
Beschränkte sich die Durchgangskontrolle auf so etwas?
Oder gab es das gerade in friedlicheren Zeiten überhaupt nicht und die Leute sind gekommen und gegangen, wie sie lustig waren?

Musste darüber hinaus eine Passiergebühr bezahlt werden, ähnlich der bei Landwehren erhobenen Straßennutzungsgebühr?

Und zum Thema Landwehr allgemein: Bestand diese überhaupt nur aus Gestrüpp ("Gebück" und "Gedörn", oder?) und Erdwall oder war es durchaus auch mal üblich, richtige Befestigungen zu bauen?
Befand sich hinter der Landwehr typischerweise überhaupt jemand, der Ausschau gehalten hat oder war eher alle paar Tage mal mit einer Patrouille zu rechnen, die da entlang ritt?
Inwiefern wäre das dann noch eine sinnvolle Schutzfunktion?

Und noch was anderes: Mir kam der Begriff Schenkelmauer irgendwie unter, was ist damit gemeint?

Vielen Dank für jedwede Antwort und Korrektur (;
 
War es nach Torschluss (die Tore waren doch Nachts üblicherweise geschlossen, nehme ich an?) überhaupt noch möglich, die Stadt zu betreten?

Kennst du den Begriff Torschlusspanik? Der kommt genau daher.

Und überhaupt: Wer durfte eigentlich generell passieren?
Beispielsweise habe ich gelesen, dass nur ein Bürger der Stadt sich auf eine entsprechende "Nutzung" der Burgwälle in Kriegs-/Angriffszeiten berufen konnte.
Wie wurde das denn überprüft?

Ich kann den Bezug von deinem Beispiel zur Frage nicht ganz erkennen. Bürger hatten die Pflicht, z.B. nach Zünften/Straßenzügen organisiert im Verteidigungsfall die Mauer zu besetzen, da kannte man seine Pappenheimer, denn es waren Nachbarn und Zunftsgenossen.


Und zum Thema Landwehr allgemein: Bestand diese überhaupt nur aus Gestrüpp ("Gebück" und "Gedörn", oder?) und Erdwall oder war es durchaus auch mal üblich, richtige Befestigungen zu bauen?

Also i.d.R. wirst du keine Befestigungen außer Wall und Graben finden.

Befand sich hinter der Landwehr typischerweise überhaupt jemand, der Ausschau gehalten hat oder war eher alle paar Tage mal mit einer Patrouille zu rechnen, die da entlang ritt?
Inwiefern wäre das dann noch eine sinnvolle Schutzfunktion?

Entlang der Landwehren gab es Bauernhöfe, von deren Bewohnern die Landwehren kontrolliert wurden.
 
Und zum Thema Landwehr allgemein: Bestand diese überhaupt nur aus Gestrüpp ("Gebück" und "Gedörn", oder?) und Erdwall oder war es durchaus auch mal üblich, richtige Befestigungen zu bauen?
Befand sich hinter der Landwehr typischerweise überhaupt jemand, der Ausschau gehalten hat oder war eher alle paar Tage mal mit einer Patrouille zu rechnen, die da entlang ritt?
Inwiefern wäre das dann noch eine sinnvolle Schutzfunktion?
Das Siegerland war in der frühen Neuzeit in Gänze durch eine "Hecke" geschützt. Diese bestand jedoch hauptsächlich aus Hainbuchen. Auf der Homepage des Heimat- und Verschönerungsvereins Hohenhain e.V. ist folgendes zu lesen:


Die Landhecke bestand aus Wall, Graben und einer undurchdringlichen Hecke, dem sogenannten Gebück. Das Gebück wurde durch Anpflanzen von Bäumen (vorwiegend Hainbuchen) angelegt, deren Seitenzweige man nach unten bog („bückte“), miteinander verflocht, in die Erde eingrub und wieder neu ausschlagen ließ. Zusätzlich wurden Dornengewächse, z.B. Brombeersträucher, in die Zwischenräume gepflanzt
Neben diesem Annäherungshindernis aus Graben, Wall und Hecke gab es richtige Schanzen. Die Durchlässe durch die Landwehr wurden bewacht. Für Viehdiebe war solch eine Landwehr sicherlich ein Erschwernis. Ob sich solche Landwehren gegen feindliche Heere bewährt haben? Dazu ist mir nichts bekannt.

Heimat- und Verschönerungsverein Hohenhain e.V. Page 12.


Kölsches Heck ? Wikipedia
 
Wow, das mit er Hecke als Befestigung/Landesgrenze hab ich immer für pure Fantasy gehalten (Stichwort: Hoher Hag bei Tolkien); so kann man sich irren...
 
Also:
Ich müsste nochmal schauen, aber mir sind Gebühren an den Stadttoren durchaus bekannt.
Wie eng man das mit der Schließung der Tore ab dem Abend und auch zu anderen bestimmten Zeitpunkten wie z.B. während des Gottesdienstes sah, kann ich nicht genau sagen. Ich kenne da nur frühneuzeitliche Vorschriften. Die Auslegung oder Missachtung stand da sicher auf einem anderen Blatt.

Zu den Landwehren/Heeg:
Natürlich kann ich nicht für alle solche Einrichtungen sprechen. Im Fall von Schwäbisch Hall gab es ein Wall-Graben-System mit unterschiedlicher Tiefe, d.h. 1-3 Gräben hintereinander. Das war sicherlich für Viehdiebe beispielsweise nicht ohne weiteres zu überwachen. Andererseits befanden sich nicht an allen Straßen mit ihren Durchgängen Wachtürme. So gab es an der Haller Heeg nicht mal ein halbes Dutzend Landtürme, die auch nur mit einem Landtürmer besetzt waren.
Von diesen Türmen mit Toren abgesehen existierten noch in der Regel an unbedeutenderen Durchlässen Schlagbäume, wie man das heute noch auf alten Karten erkennen kann. Diese waren meines Wissens nicht dauerhaft mit Wächtern besetzt, was wohl auch einen zu großen finanziellen und logistischen Aufwand nach sich gezogen hätte. Allerdings konnten diese Durchlässe in Krisenzeiten von der Landmiliz besetzt und evtl. verteidigt werden.

Hier gibt es Bilder von Landtürmen:
Lichteler Landturm ? Wikipedia
Datei:Landturm bei Hoerlebach.jpg ? Wikipedia
Der Wikipediaartikel zum Thema Landwehr/-heg ist ja schon recht umfangreich. :)
 
Neben diesem Annäherungshindernis aus Graben, Wall und Hecke gab es richtige Schanzen. Die Durchlässe durch die Landwehr wurden bewacht. Für Viehdiebe war solch eine Landwehr sicherlich ein Erschwernis. Ob sich solche Landwehren gegen feindliche Heere bewährt haben? Dazu ist mir nichts bekannt.
Ist mir auch noch nicht untergekommen. Im Mittelalter waren die Heere ja noch klein. In der FNZ bedeutete das bestimmt ein wenig Aufwand für ein Heer, wenn durch die Landwehren Nadelöhre entstanden. Zu der Zeit marschierten ja dann die Truppen, sagen wir mal im 18.Jh., in mehreren Marschsäulen nebeneinander. An den Durchlässen durch die Wehren müsste es zu Stockungen gekommen sein, außer man zerstörte die Landwehr auf ausreichender Breite, damit man in breiterer Formation hindurch kam.
Leider habe ich dazu noch nichts gelesen.
Das einzige Mal, als mir die Heegen als Verteidigungsanlage vorkamen, war bei einem Aufruf aus dem 17.Jh., als Bürger von Schwäbisch Hall sich dafür ausgesprochen haben sollen, an die Heeg zu ziehen, um den Gegner dort zu erwarten. (Im Endeffekt wurde aber nichts draus, sondern man blieb neutral, zahlte statt zu kämpfen.)
 
Wirklich schöne Hinweise habt ihr da zusammengetragen. Als ich die Beiträge las,…. Sorry, ich konnte ich es mir jetzt nicht verkneifen auf Parallelen zum römischen Limes hinzuweisen:

Der Limes war ja nicht etwa ein starres System von „Feldbefestigungen“ gegen die Barbaren, sondern nicht zuletzt eine Kontrollzone und ein Annäherungshindernis. Im Gegensatz zu vielen mittelalterlich/frühneuzeitlichen Landwehren hatte der Limes allerdings einen Platz in der Verteidigungsstrategie eines Imperiums (und nicht nur einer Gemeinde…). Nicht etwa um sich hinter seinen Gräben und Wällen zu verschanzen, sondern als Melde- und Kommunikationszone zu den nahe am Limes in Kastellen stationierten Auxiliartruppen. Mit kleineren Herausforderungen konnten diese Hilfstruppen es ja durchaus auch alleine aufnehmen, während bei bedrohlichen militärischen Angriffen die weiter im Hinterland, und relativ konzentriert stationiert liegenden Legionen eingreifen konnten… In den Beiträgen über die Landwehren wird es plastischer, wie der Limes Überfälle und Beutemacher von jenseits der Grenzen behindert haben musste. Halt der „kleine Beitrag“ des Limes für die Sicherheit der Reichsbewohner, der vor dem Hintergrund von Kriegen zu leicht vergessen wird.
 
Es ist gelegentlich noch in unserer Zeit an den Namen der Straßen zu erkennen.
"Zum Hirtenhack"
"Hackstraße" etc.
 
Wow, das mit er Hecke als Befestigung/Landesgrenze hab ich immer für pure Fantasy gehalten (Stichwort: Hoher Hag bei Tolkien); so kann man sich irren...


Kann ich aus dem Bergischen Land auch bestätigen. Die Landwehren waren auch hier oft mit Dornenhecken bepflanzt. Wobei der Verlauf der Landwehr nicht immer mit der Grenze identisch war. Meistens verlief die die Landwehr nach hinten zurückgenommen in etwa (aber nicht immer genau) parallel zur Grenze, unter Ausnutzung von Geländevorteilen. Auch wurden Wasserläufe oft in die Landwehrgräben geleitet.
 
Und zum Thema Landwehr allgemein: Bestand diese überhaupt nur aus Gestrüpp ("Gebück" und "Gedörn", oder?) und Erdwall oder war es durchaus auch mal üblich, richtige Befestigungen zu bauen?
Befand sich hinter der Landwehr typischerweise überhaupt jemand, der Ausschau gehalten hat oder war eher alle paar Tage mal mit einer Patrouille zu rechnen, die da entlang ritt?
Inwiefern wäre das dann noch eine sinnvolle Schutzfunktion?

Nun ja der Rheingau gegenüber von Mainz war durch das Rheingauer Gebück auf dem Taunuskamm geschützt,das in Teilen heute noch zu sehen ist.
http://http://de.wikipedia.org/wiki/Rheingauer_Geb%C3%BCck
Da ganze war ca.40 km lang und bestand aus einem 60-100 Meter breiten Streifen von eichen,Buchen,Hainbuchen und Ebereschen. Die Bäume wurden in wechselnder Höhe über dem Boden abgeschlagen und die neu ausgeschlagenen Zweige kreuz und quer zur Erde umgebogen und untereinander verflochten. und dazwischen wuchsen Brombeeren,Schwarzdorn,Weissdorn und ähnliches dornige Viehzeug
An bestimmten Stellen gab es kontrollierte Durchlässe,die durch steinerne Wehrtürme und Schanzen gesichert waren
Das ganze war so wirkungsvoll,daß es den Rheingau über 500 Jahre lang vor fremden Heeren und Räuberbanden sicherte.Erst den Schweden im 30jährigen Krieg 1631 gelang es , unter Einsatz von Sprengpulver durch dieses Gebück einzudringen die östliche Bastion des Gebücks zu erobern und den Rheingau zu besetzen. Erst 1771 wurde das Gebück aufgegeben.

Eine weitere große Landwehr ,die auch auf historischen Karten zu sehen ist ,ist die Steiner Landwehr.
Sie verlief in der Zeit von 1550 bis 1650 zwischen der Bergstrasse bei Bensheim und der Burg Zullestein am Rhein (ungefähr beim heutigenn AKW Biblis) und sperrte das südhessische Ried und den Oberrheingraben gegen Norden hin ab und war schon "geschütztauglich" ausgebaut.f
.http://http://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Stein_%28Hessen%29

Landwehren waren also auch in der frühen Neuzeit noch populär.
 
den Rest einer Landwehr stellt auch der in Mainz-Kastell 1497 errichtete Wartturm der Erbenheimer Warte dar Rs handelt sich um einenen von ehemals vier Rundtürmen mit einem spitzem Steindach und Pechnasen, der zur ehemaligen Kasteler Landwehr gehörte, welche „Castel“ mit Gräben und ehemals vier Warttürmen umgab

Ein Pendant zum Rheingauer Gebück ist bei Board zu u sehen.Auf den Höhen oberhalb von Boppard zieht eine Landwehr in West-Ostrichtung etwa 400 lang nach Westen zum steil abfallenden Rand des Thomastales hin.Ursprünglich reichte die Landwehr etwa 1,2 km weit bis an das Alkener Bachtal und sperrte den Nord-Süd verlaufenden Höhenrücken an der Schmalstelle zwischen beiden Tälern ab. Sie bestand ,wie das Gebück, aus ineinander verpflochtenen Bäumen.

j
 
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