Stadtwache

Sisa

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Vor Kurzem hab ich einen tollen Youtube-Kanal (Geschichtsfenster) entdeckt, der hauptsächlich Beiträge zum Mittelalter macht. Die Videos sind wie Vorträge oder Vorlesungen gehalten, geballte Information, völlig unaufgeregt.

In einem Video über Städte im Mittelalter (Leben in der Stadt Teil 1) wird etwas erwähnt, was ich nicht erwartet hätte. Es soll normalerweise keine Stadtwache gegeben haben (wenn ich richtig verstanden habe, bezieht er sich auf das HRR im Hochmittelalter und als Beispiel nennt er Frankfurt).
Es gibt zwar einen Stadthauptmann, der ist für die Organisation der Verteidigung zuständig, hat aber keine eigenen Leute.
Auf den Türmen gab es zwar Türmer, deren Aufgaben waren aber bei Weitem nicht nur militärischer Art. Einige Ratsbüttel gibt es evtl. auch, aber nur wenige (deren Aufgabe habe ich nicht verstanden, kann das jemand erklären?)
Kontrollen an den Toren werden nicht immer durchgeführt, und wenn, dann von Zunfthandwerkern, die ihrer Wehrpflicht nach gehen müssen.
Ist das korrekt so? Gibt es zu dieser Zeit tatsächlich so gut wie keine hauptamtlichen Bewaffneten zur Verteidigung einer Stadt (Soldaten, Wachen, Landsknechte oder wie auch immer)? Wurden Tore nicht durchgehend kontrolliert und wenn, dann von „Zivilisten“? Wer hat im Ernstfall die Stadt verteidigt?
Gilt das evtl. nur für Frankfurt oder kann man das für Städte im HRR allgemeiner so sagen?
 
Einige Ratsbüttel gibt es evtl. auch, aber nur wenige (deren Aufgabe habe ich nicht verstanden, kann das jemand erklären?)

Die werden Aufgaben wahrgenommen haben, die heute Polizei- & Justizbeamte erfüllen, bspw als Gerichtsdiener.

Zu den Torwachen ist zu sagen, dass die va dann wichtig sind, wenn es Abgaben, Zölle oä einzutreiben galt. Dann beantwortet sich auch die vermutlich wichtigste Frage in dem Zusammenhang von selbst: Wer bezahlt die? Das ist bei allem, was mit der (keine direkten Einnahmen versprechende) Sicherheit & Verteidiung zu tun hat, zu bedenken: Dafür Vollzeitkräfte abzustellen heißt, i-wer muss für deren Unterhalt aufkommen, und wer will schon Steuern zahlen? Da erschien es oft praktischer, die Betroffenen selbst tätig werden zu lassen, zB als...

Zunfthandwerkern, die ihrer Wehrpflicht nach gehen müssen.
 
zur Verteidigung der Stadt zog man die Zünfte und die Bewohner von umliegenden Landgemeinden die im Ernstfall den Schutz der Stadt in Anspruch nehmen dürften heran ,teilweise wie z.B. in Speyer. Worms und Mainz aber auch organisierte Gruppen die zwar nicht zur Stadtbevölkerung im engeren Sinne zählten in der Stadt aber eine dauerhafte Niederlassung betrieben oder ein eigenes Vierteldarf bewohnten wie Friesen ,Juden ,Ritterorden etc.
Dadurch hatte man eine zahlenmässig den meisten potentiellen Angreifern gegenüber überlegene bewaffnete Truppe
Grössere Städte hatten daneben eine gewisse Anzahl von städtischen Bediensteten und Stadtknechten , die in Friedenszeiten die Kontrollen an den Toren vornahmen bzw. die dort die entsprechenden Abgaben und Zölle eintrieben.
Hier sind an erster Stelle die Mautverweser und die ihnen unterstellten Mauter zu nennen die dem Stadtkämmerer rechenschaftspflichtig waren sowie der Stadtrichter für die niedere Gerichtsbarkeit (hier wurde u.a. ein
Stadtrichter Markward für die Jahre 1206, 1208, 1212 für Wien erwähnt) der ebenso wie der Magistrat von bewaffneten Ratsdienern unterstützt wurde. Da sich besonders die Zünfte des öfteren den Anordnungen des Rates widersetzten ging man dazu über diese in das städtische Sicherheitskonzept einzubinden. in dem man sie als zusätzliche Ordnungskräfte einsetzte.
 
Danke für die Antworten, sehr spannend!
Übrigens kann ich den genannten Kanal (Geschichtsfenster) auf Youtube wirklich sehr empfehlen! Abgesehen von ein paar Reaktionsvideos auf Dokumentationen von TerraX und ähnlichen. Die haben zwar nach meinem Geschmack guten Unterhaltungswert und man lernt auch was, aber er enerviert sich ziemlich.
Die längeren „Vorträge/Vorlesungen“ finde ich hingegen grandios! Er vertieft jeweils ein Thema und bringt viele original Bilder und Textquellen aus der Zeit. Aller in einem sehr sachlichen, ruhigen aber nicht belehrenden Ton.
 
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