Starb der Homo erectus aus, weil er zu faul war?

El Quijote

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SPON titelt heute:

Homo erectus starb aus, weil er zu faul war


Er gilt als erster Frühmensch, der Feuer benutzte, wie moderne Menschen laufen konnte und jagen ging. Trotzdem ist der Homo erectus ausgestorben - offenbar, weil er immer den Weg des geringsten Widerstands wählte.

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Ich halte die Erklärung für wesentlich zu kurz gegriffen, denn - dabei halte ich mich an die Zahlen aus dem Artikel - der HE lebte von ca. vor 2 Millionen bis vor 50.000 Jahren. Das ist eine nach menschlichem Ermessen ziemlich unübersichtliche Zeitspanne, mit elichen Generationen. Sie waren also über einen langen Zeitraum recht erfolgreich und zudem die erste Menschenart, die weit über den afrikanischen Kontinent hinaus ausstrahlte. Akzeptabler erscheint mir die Erklärung, dass sie nicht in der Lage waren, sich verändernden Umweltbedingungen anzupassen:

Spiegel schrieb:
Die Archäologen fanden außerdem heraus, dass Homo erectus kaum in der Lage war, sich an sich verändernde Umweltbedingungen anzupassen. "Sie waren nicht nur faul, sondern auch konservativ", sagt Shipton. Sedimentproben hätten gezeigt, dass die Frühmenschen an ihren Werkzeugen und alten Rastplätzen festhielten, obwohl sich ihre Umwelt dramatisch änderte. "Es gab überhaupt keinen Fortschritt", sagt Shipton.

 
...erinnert bissel an die Dekadenztheorie bzgl des Untergangs des römischen Reichs... ;) wobei Faulheit quasi die frühgeschichtliche urmenschliche Vorform der Dekadenz wäre :D
 
Ich glaube ja, dass solche Theorien eigentlich immer aus der Wahrnehmung der (vermeintlichen) Misstände der eigenen Zeit (Dekadenz, Faulheit) erwachsen, die dann früheren Zeiten übergestülpt werden. Gewissermaßen als eine Variante des Katastrophismus.
 
Also ich weiß nicht ...

Dass sich der Homo erectus weit über Afrika hinaus ausbreitete, zeigt doch wohl, dass er keineswegs faul war und sich sehr wohl an sich verändernde Umweltbedingungen anpassen konnte. Georgien z. B. ist ein anderes Pflaster als die afrikanische Savanne. Dass er das Feuer benutzte, zeigt auch, dass er Neuerungen gegenüber aufgeschlossen war.
 
Ich habe jetzt nur den SPON-Artikel gelesen, dort erscheint mir diese Argumentation zur Faulheit etwas dünn:
"Demnach befand sich in direkter Umgebung der Lagerstätte der Frühmenschen eine Felsnase, die hochwertiges Gestein bot, das sich perfekt für die Werkzeugherstellung eignete. "Aber statt die kurze Strecke auf den Hügel zu laufen, haben sie einfach das benutzt, was von selbst herunterrollte", sagt Shipton. An dem Felsvorsprung gab es zumindest keine Hinweise auf Aktivitäten der Frühmenschen."

Wenn für den Bedarf genug Zeug lose herumliegt wäre es hirnrissige Energieverschwendung der Felsnase selbst zu Leibe zu rücken.
 
Zumal der Homo erectus in diesem Sinne nicht ausgestorben ist, sondern sich in Europa zum Neandertaler und in Afrika zum Homo sapiens entwickelt hat, also unser direkter Vorfahr ist. Dass die untersuchte Gruppe letzlich Arabien verlassen hat, wird im wissenschaftlichen Artikel mit der sich ausbreitenden Trockenheit erklärt, aber hat nichts mit den verwendeten Steinwerkzeugen zu tun.

Ultimately, central Arabia was depopulated, likely in the face of environmental deterioration in the form of increasing aridity.
Acheulean technology and landscape use at Dawadmi, central Arabia
 
Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann die "arroganten" Pauschalbeschuldigungen (er / sie war faul, dumm, feig etc., daher …), auch wenn das im 21. Jahrhundert wieder sehr beliebt ist.
 
Dass die untersuchte Gruppe letzlich Arabien verlassen hat, wird im wissenschaftlichen Artikel mit der sich ausbreitenden Trockenheit erklärt, aber hat nichts mit den verwendeten Steinwerkzeugen zu tun.

Zudem gehen Vermutungen zu Dynamiken sich ausbreitender ariderer und feuchterer Phasen während des Pleistozäns von u.U. wenigen Jahrzehnten für sich auf Flora, Fauna und Hominiden nachhaltig auswirkenden Klimaschwankungen aus.
Wie es um den paläoklimatischen Forschungsstand Arabiens bestellt ist weiß ich nicht, diesem Artikel zufolge Stand 2011 nicht so gut:
Quartärer Klima- und Umweltwandel auf der Arabischen Halbinsel

Aridisierung hat Gesellschaften auf ganz anderem technischem Stand oft genug gehörig in die Bredouille gebracht, mitunter so schnell, dass so gut wie keine Zeit zur Verfügung stand für Innovationen.
 
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