Stationen der Odyssee

askan

Aktives Mitglied
Schon seit der Antike gibt es Theroien über die Handlungsorte der Odysee und bis heute kommen weitere Deutungen dazu. Von einer Rundfahrt um Sizilien bis hin zum Törn nach Britannien und Kanaren reichen die Vermutungen.
Lasst uns doch mal hier einige der Stationen zusammentragen und mit den hier üblichen Argusaugen begutachten.
Wie findet ihr die Idee?
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Wenn wir Odysseus fertigmacht haben, können wir uns dann die Argo vornehmen.
 
Ich finde die Idee nett, wenn auch eher etwas smalltalktauglich - schließlich können wir angesichts fehlender Beweise für Odysseus' Anwesenheit hier und da und dort nur spekulieren, wo er gewesen sein könnte, oder halt eben in der Perzeptionsgeschichte der Odyssee stochern.

Tacitus z. B. sagt in der Germania, "Übrigens meinen einige, auch Ulixes sei auf jener langen und fabelhaften Irrfahrt, in diesen Ocean verschlagen, nach den Ländern Germaniens gekommen, und Asciburgium, das, am Ufer des Rheins gelegen, noch heute bewohnt wird, sei von ihm begründet und benannt worden; ja selbst ein dem Ulixes geweihter Altar mit beigefügtem Namen seines Vaters Laertes sei an eben jenem Orte ehedem gefunden worden, so wie es noch jetzt auf der Grenze von Germanien und Rätien Denkmale und einige Grabhügel mit griechischer Inschrift gebe."

Fairerweise sollte man dann aber auch komplett zitieren:
"Dieses alles bin ich mit Gründen weder zu bestätigen noch zu widerlegen willens; jeder mag nach seinem Belieben ihm den Glauben entziehen oder schenken."
Tacituszitat. M. E. gab es also auch damals schon den Wunsch, unbekannte Gefilde als "im Grunde schon bekannt" zu sehen, und die Landnahme durch irgendeinen großen Vorfahren hinein zu projizieren, vergleichbar den Wikingersiedlungen in Nordamerika oder karthagischen Stelen im Süden.
 
Ich habe jetzt wenig Zeit, deshalb kommt jetzt nur ein kurzer Abriss aus dem Gedächnis. Ich erinnere mich das es in Klassischer Zeit u.a. diese Orte lokalisiert wurden:
Insel der Circe = im Golf von Neapel
Insel der Aeolos = Stromboli
Lotosesser = Djerba
Land der Zyklopen = Lybien ( die Beschreibung der Höhle des Polyphem lässt auf eine typische Wohnhöhle der Berber schliessen)
Stylla = ein Gezeitenstrom in der Strasse von Messina
Sirenen = Apulien


so jetzt muss ich arbeiten...
 
Es gibt aktuell ein Buch eines Italieners, der die ganze Fahrt und wohl auch die ganze griechische Frühgeschichte ins Baltikum und die Ostsee verlegen will.
Wenn man lange genug sucht, das in der Beschreibung der Fahrten akzeptiert, was zu neuen Lokalisierungen passt und anderes, was dem vielleicht widerspricht, stillschweigend übergeht, dann sollte es möglich sein, die Odysee an jedem beliebigen Ort der Erde spielen zu lassen.
In den 80'er Jahren oder so gabs mal 'ne witzige Serie 'Unterwegs mit Odysseus' - der Versuch der Rekonstruktion der Route, die nachgesegelt wurde gepaart mit netten Zeichentricksequenzen, um die Story zu veranschaulichen.
 
Den Ort "Scilla" auf der italienischen Seite der Strasse von Messina gibt es noch, mit einem auf einem hohen Felsen gelegenen Fort (heute, bzw. 1983, Jugendherberge).
Von den legendären Strudeln Skylla und Charybdis war zur damaligen Zeit aber nichts geblieben ausser den gewöhnungsbedürftigen Hock-Toiletten mit intervallgesteuerter Spülung, die so manchen um sein Leben hüpfen ließ.
 
Die Aufzählung von mir bezog sich auf antike Autoren die sich ernsthaft Mühe gemacht haben, um die Orte heraus zu finden. Teilweise liegt der Schluss nahe, das es sich um Überlieferungsreste von Seerouten aus der frühen Kolonialphase waren. Denn an vielen der in der Antike lokalisierten Orten fand man Siedlungsreste und auch die topograhischen Besonderheiten (wie zum Beispiel die "ertrunkenen Flüsse") passten.
Die Römer haben sogar der Circe einen Tempel auf Ischia oder Capri (?) gebaut.
 
Ich bin mir nicht sicher, aber ist nicht Gozo die Insel der Circe gewesen. Jedenfalls beanspruchen die Gozoianer die Zauberin Circe für sich.
 
Die Insel der Sirenen, soll die eine kleine Insel beim Kap Peloro bei Messina sein. Durch die sehr starken Turbulenzen, weil sich das Thyrenische und das Ionische Meer durch mischen, hat diese Insel heute noch sehr tückische Untiefen, außerdem gibt es dort auch ein Phänomen das in der Odysee beschrieben wird, die Wellen kommen der Strömung entgegen und das Meer brüllt beim Gezeitenwechsel.
 
Ich bin mir nicht sicher, aber ist nicht Gozo die Insel der Circe gewesen. Jedenfalls beanspruchen die Gozoianer die Zauberin Circe für sich.

Da verwechselst Du etwas: auf Gozo befindet sich Calypso's Cave, die Calypso Grotte - übrigens ein Tourismusmagnet, der bei jeder Gozo Rundfahrt angesteuert wird.
Mit der Odyssee hat diese maltesische Insel aber damit dennoch zu tun...
Hintergrund: Calypso war eine Nymphe und Tochter des Oceanos, die Odysseus sieben Jahre lang auf ihrer Insel Ogygna (welche gemeinhin mit Gozo identifiziert wird) festhielt und ihm Unsterblichkeit versprach. Odysseus aber lehnte dies ab und entfloh...
http://www.showcaves.com/english/mt/caves/Calypso.html

PS (EDIT): Beitragsüberschneidung mit Askan...
 
Was mich eigentlich am meisten an diesem Thema interessiert ist eigentlich die Tatsache, aus welchen Schlussfolgerungen die antiken (und spätere) AUtoren diese Orte lokalisierten. Gingen sie selbst alten Ortsagen nach? Soweit ich weiß, gab es schon in dr Antike einen regelrechten Tourismus zu den homerischen Stätten.
 
Tacitus macht es an einem Weihestein für einen "Laertes" fest ... und knüpft vielleicht an den Epilog der Sage, dass der Seebär Odysseus mit einem Ruder so lange über Land laufen musste, bis die Leute das Ruder für eine Schaufel hielten (also keine Schiffe kannten). Dort sollte er dann opfern und Vergebung erlangen (für seine gesammelten Missetaten). Was er angeblich auch tat.

Na ja, Asberg ist nicht so weit ab vom Schuss, aber trotzdem. Ich würde es jedenfalls begrüßen, wenn mancher Wissenschaftler und/oder Forummitglied heute die Skepsis und Gelassenheit aufbringen könnte, die Tacitus bei diesen Informationen zeigte.
 
Angeblich soll Odysseus Lissabon gegründet haben, ich glaube der römische Name der Stadt soll sich darauf beziehen.
 
Angeblich soll Odysseus Lissabon gegründet haben, ich glaube der römische Name der Stadt soll sich darauf beziehen.


Tante Wikipedia meint dazu folgendes:
Bereits die Phönizier und die Karthager sollen den Platz Alis Ubo (dt. Liebl. Bucht) als einzigen großen Naturhafen an der iberischen Atlantikküste genutzt haben, archäologisch wurde dies bisher nicht bewiesen, hingegen griechische Siedlungsspuren gefunden. Nach Plinius dem Älteren war Lissabon eine Gründung von Odysseus.
Ab 205 v. Chr. hieß die Stadt unter römischer Herrschaft Olisipo, 48 v.Chr. erhält sie unter Julius Caesar die römischen Stadtrechte und war als Felicitas Julia Hauptort der Provinz Lusitania.

http://de.wikipedia.org/wiki/Lissabon#Geschichte

"Olisipo" erinnert tatsächlich ein wenig an den die Namensform "Ulysses".
 
Land der Zyklopen = Lybien ( die Beschreibung der Höhle des Polyphem lässt auf eine typische Wohnhöhle der Berber schliessen)
Und auch die Zyklopen gab es wohl wirklich, wenn auch heuter eher unter Mastodon und/oder Deinotherium besser bekannt.
Schaut man auf den Schädel von vorn kann man sich vorstellen, warum man von einem einäugigem Riesen sprach.



ein Mastodon von vorn
http://www-personal.umich.edu/~jedwardf/UROP/mastodon.jpg
oder das Deinotherium
http://de.wikipedia.org/wiki/Bildeinotherium.jpg
 
Wir bewegen uns hier auf den Spuren vieler Gelehrter des Altertums, die damals schon für die gesamten Irrfahrten einen geografischen Raum festzulegen suchten. Dabei boten sich mit der Erweiterung des geografischen Horizonts immer entferntere Schauplätze an.

So kamen neben den Küsten und Inseln des gesamten Mittelmeers das Schwarze Meer und der sich angeblich daran anschließende "nördliche Ozean" und auch der Atlantische Ozean in Betracht. Es handelte sich also für die antiken Leser um die Frage, wo Homer sich wohl die Abenteuer des Odysseus vorgestellt hatte.
 
an der Charybdis habe ich vor gut einem jahr stundenlang gestanden (nordostecke Messinas, stark verdreckter und zugemüllter sandstrand) und bei strahlend klarem wetter nach osten hinüber auf die Skylla (Cap Scilla) geguckt, mit ner großmaßstäblichen seekarte dabei. wer von süden kommend durch die straße nach norden läuft, den bekommen im letzten teil der passage die dort vorherrschenden westwinde zu fassen. mit schiffen, die bestenfalls 90° am wind laufen konnten, muss es bei starkwind oder stürmischem wetter schwierigkeiten gegeben haben, zumal das letzte stück der straße nach osten hin abknickt: hält man in erwartung der abdrift zu weit nach westen, dann erwischt einen der schon im sagentext recht korrekt benannte gezeitenstrom ("...dreimal am tage..."; die gezeiten setzen in der straße erheblich und verlangen auch von der modernen schiffahrt aufmerksame berücksichtigung), wenn der unpassende zeitpunkt "gewählt" wurde; hat man dagegen nicht weit genug nach westen raum geholt, um die abdrift "a priori" zu kompensieren, dann konnte man meiner meinung nach nur noch mit viel glück unten am Cap Skylla vorbeischrammen - es ist einfach zu wenig seeraum da, um mit schiffen dort sicher herumzukommen, die nur gut mir wind von hinten oder schräg hinten einen kurs laufen konnten, den die steuerleute damals kalkulieren konnten. für mich ist denkbar, dass die Skylla-Charybdis angelegenheit eine in sagenform gefasste steuervorschrift für die passage der straße von Messina gewesen ist ...
will hinzufügen, dass mir an jenem winterlichen nachmittag in Messina, mit der seekarte vor augen und der sage im kopp, die phantasie so durchgegangen ist, dass ich die kameraden förmlích vor mir gesehen hab, wie sie versuchten, den gezeitenstrom auzusegeln, um der Skylla nicht zu nahe zu kommen ... detailliert :)
... hoffentlich ist nix zurückgeblieben :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Zitat:"für mich ist denkbar, dass die Skylla-Charybdis angelegenheit eine in sagenform gefasste steuervorschrift für die passage der straße von Messina gewesen ist ..."

Ja, ich glaube solche "Segelanleitungen" kommen sogar häufiger vor.
 
Diese Segelschwierigkeiten die Epolini nennt werden sogar noch vom sogenannten "Taglio" übertroffen. Aufgrund des Gezeitenwechsels und eines unterseeischen Höhenzugs erscheint an dieser Stelle eine heftige Gezeitenwelle, der Taglio, bgleitet von heftigen Turbulenzen die die See 4 x Tag kochen lassen.
 
unterhalb von Taormina/Sizilien bin ich einem hinweis aus einer internetseite zu diesem thema nachgegangen und hab die klippen und inselchen besucht, die dort dem sehr schmalen sandstrand unmittelbar vorgelagert sind. bin zwar sehr interessiert, aber dennoch laie, und als solcher hätte ich keinerlei probs damit, mir unter diesen kliffs genau die klötze vorzustellen, die Polyphem dem frechling noch hinterhergeworfen hat, als dieser bereits auf seinem kahn davonschwamm. problematisch aber ist für mich, dass dann sofort die passage Skylla anstand - der sage nach kommt die aber erst später dran, wenn ich mich nicht irre ...
gut dagegen würde passen, dass in der sage nach der beinahekatastrophe zwischen Skylla/Charybdis das Circe-kapitel folgt - denn wenn man voraussetzt, dass das bis heute so genannte Cap Circeo bei Neapel (östlich gegenüber den dortigen inseln) eine namentliche spur darstellen könnte, dann erweist es sich als möglicher endpunkt einer schnurgeraden, unterbrechungsfreien "kurslinie" vom Cap Skylla hinauf nach nordosten.
deshalb sehe ich damit gern die theorie unterstützt, dass Circe auf einer der inseln gegenüber Neapel gezaubert hat, bin mir aber über die beweisarmut klar :D .
trotzdem - ich meine, dass diese teile der Odyssee so am besten zusammenpassen. bei wikipedia findet sich ein hinweis, dass der dichter eigenerfahrungen in gestalt des helden niedergelegt hat, undzwar bei erkundungsfahrten zur umschiffung süditaliens. eine andere quelle - ich hab sie nicht mehr präsent - stellt den gesamten inhaltlichen sagenzusammenhang der Odyssee als bereits vergangen dar, bevor es zu den ereignissen um Troja kam; demnach wäre die reihenfolge umgekehrt: zuerst die irrfahrt, undzwar ohne den später erfundenen zusammenhang mit Troja.
 
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