Steven Runciman: Geschichte der Kreuzzüge

Karolus Magnus

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Ich wollte mal fragen, ob jemand das Buch "Geschichte der Kreuzzüge" von Steven Runciman kennt oder es sogar schon gelesen hat. Ich war einfach nur enttäuscht.

Sein Buch wird oft als das Standardwerk mit dem Basiswissen bezeichnet, das jeder lesen sollte. Für diejenigen, die nicht allzuviel von Geschichte verstehen oder wissen. Das ist leider nicht der Fall.

Steven Runciman erzählt in seinem "Sachbuch" so romantisierend und so parteiisch, dass man ernsthaft über das Wort "Sachbuch" nachdenkt.:spinner: Das ist schade. Die Kreuzfahrer werden teils so heldenhaft dargestellt, dass man Runciman glatt für einen fränkischen Chronisten halten möchte. Vor blindem Fanatismus, mit dem er dieses Buch schreibt, fragt man sich, ob der Autor von unserer Vergangenheit etwas gelernt hat. Ist ihm eigentlich klar, was unsere Vorfahren im 11. Jahrhundert da angerichtet haben? Ich glaube kaum... Jedenfalls hat er nicht großartig nachgeforscht, sondern einfach nur das angesammelte Wissen samt Erkenntnissen seiner Vorgänger in einem schönen 1300 Seiten dicken Buch zusammengetragen und seinen Namen darüber geschrieben. Das ist das einfachste, was ein Historiker machen kann. Geschichts-Wissenschaftliches ist in diesem Buch nicht aufzufinden. Ich hätte noch einiges mehr an dieser Literatur auszusetzen.

Ich persönlich finde es einfach nicht gerecht gegenüber denen, die wirklich etwas über diese Zeit erfahren und ein gut fundiertes Wissen aus diesem Buch mitnehmen wollen. Doch Runciman schreibt zu einseitig, er macht es sich zu leicht, er suggeriert fast dem Leser, dass in seinem Buch die einzig richtige Meinung steht. Das darf ein Histroiker eigentlich nicht.

Ich empfehle deshalb denen, die sich für diese Zeit interessieren, ernsthaft über die Idee nachzudenken, sich Bücher und Fachliteratur von muselmanischen Chronisten oder Autoren anzueignen, die diese Zeit von einer anderen Seite aus betrachten. Viel zu sehr beleuchtet Runciman die Kreuzfahrer und ihre Situation. So kann man nicht kritisch und offen darlegen, was sich in der damaligen Zeit abspielte. Leser, die so gut wie nichts über die Kreuzzüge wissen, bleiben unkritisch und erhalten nur die halbe Wahrheit. Das sollte nicht sein.

Wer also dringend ein gutes Buch über die Zeit sucht, dem rate ich, sich dieses Buch zu besorgen: Der Heilige Krieg der Barbaren von Amin Maalouf. Der Autor berichtet auch aus muslemischer Sicht, was viel vielfältiger und kritischer ist, als nur von der einen Seite schreiben. Dieses Buch lässt einen wahren Blick in diese schlimme Vergangenheit zu.
Natürlich gibt es noch viel mehr solcher Bücher, doch ich nenne dieses, weil es meiner Meinung nach das Beste ist.

Dann will ich noch einen Tipp geben: Lasst olle Kamellen wie Runciman zurück, denn das ist wirklich Geschichte von gestern...

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Vielleicht sollte man aber auch anmerken, dass Runcimans Buch 1960 erstmals erschienen ist - und in den Kontext dieser Zeit stellen. Niemand wird Rankes Werk nach den für moderne Historiker gültigen Maßstäben beurteilen wollen ..., oder?
 
Papa_Leo schrieb:
Vielleicht sollte man aber auch anmerken, dass Runcimans Buch 1960 erstmals erschienen ist - und in den Kontext dieser Zeit stellen. Niemand wird Rankes Werk nach den für moderne Historiker gültigen Maßstäben beurteilen wollen ..., oder?
Nein, dennoch bin ich mir sicher, dass auch vor 40 Jahren die Historiker in der Lage waren, sich kritisch mit solchen Themenbereichen auseinanderzusetzen. Auch vor 40 Jahren haben sich Geschichtswissenschaftler um eine möglichst kritische Darlegung der Dinge bemüht.
Gerade Historiker sollten über eine kritische Ansicht der historischen Tatsachen verfügen.
Und dass die arabische Welt nicht besonders erfreut über das Hereinplatzen der Kreuzritter war, muss doch auch vor 40 Jahren bekannt gewesen sein..., oder?
 
Karolus Magnus schrieb:
Und dass die arabische Welt nicht besonders erfreut über das Hereinplatzen der Kreuzritter war, muss doch auch vor 40 Jahren bekannt gewesen sein..., oder?
Frage ist wer wo reingeplatzt ist...
Den schliesslich war das Christentum bis zu den Kreuzzuegen kontinuierlich aufm Rueckzug - Syrien, Palästina, Aegypten waren alles christliche Gebiete als die ersten Kalifen anstuermten, bis zum 8. Jahrhundert war komplett Nordafrika und Spanien erobert, im 11. Jahrhundert viel dann Kleinasien weg und das byzantinische Reich war ziemlich "verkrueppelt" - als Folge dessen sandte der byzantinische Kaiser einen Hilferuf an den Westen - im Endeffekt waren die Kreuzzuege die Antwort auf 400 Jahre islamische Eroberungen von christlichen Gebieten...
Es kommt alles aufm Standpunkt an und wenn man ein bischen grosszuegig die Sache betrachtet kann man in den Kreuzzuegen eine Vorwegname der Nato Follow-on Forces Attack Doktrin (Angriff auf Folgestaffeln - durch Gegenangriffe auf Warschauerpaktgebiet sollte verhindert werden dasweitere Verbaende (Folgestaffeln) in den Westen eindringen) ansehn.


Steven Runciman's Werk kenn ich zwar noch nicht - werde es mir aber bei Zeiten mal zu genuege fuehren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Merowig schrieb:
Frage ist wer wo reingeplatzt ist...
Den schliesslich war das Christentum bis zu den Kreuzzuegen kontinuierlich aufm Rueckzug - Syrien, Palästina, Aegypten waren alles christliche Gebiete als die ersten Kalifen anstuermten, bis zum 8. Jahrhundert war komplett Nordafrika und Spanien erobert, im 11. Jahrhundert viel dann Kleinasien weg und das byzantinische Reich war ziemlich "verkrueppelt" - als Folge dessen sandte der byzantinische Kaiser einen Hilferuf an den Westen - im Endeffekt waren die Kreuzzuege die Antwort auf 400 Jahre islamische Eroberungen von christlichen Gebieten...


Stimmt, auf den Standpunkt kommt es an! Ich sage ja auch nicht, dass die Araber die besseren Menschen sind. Du siehst, die Frage ist immer dieselbe: Wer war zuerst da? (Ägypten war übrigens nicht zuerst christlich und wurde dann von den Muslimen übernommen :teach: , aber das tut jetzt nichts zur Sache). Du siehst die Kreuzritter also als rechtmäßige Verfechter des Christentums an. Und so sahen sich die Jungs von damals auch. Ich glaube aber, dass du einen großen Fehler machst, wenn du die Kreuzzüge - wenn auch nicht direkt -
rechtfertigst. Das haben viele Historiker auch getan. Sie sahen in den kreuzfahrten eine Entfaltungdes Christentums, als ob das Christentum Minderwertigkeitskomplexe gehabt hätte. Das war einfach falsch und und das ist auch bewiesen. Im Grunde genommen haben die Muslime nichts gegen das Christentum unternommen. So ist es auch mit dem Irakangriff durch die Amis. Haben die Iraker uns etwas getan? Ich glaube nicht...

Ich habe lediglich Runcimans Buch kritisiert, weil er die besagten Standpunkte nicht sorgfältig herausgearbeitet hat. Auch er machte den Fehler, die Interessen der Kreuzfahrer als die einzig richtigen zu nennen. Eine Entfaltung des Christentums...?? hmm....


Es kommt alles aufm Standpunkt an und wenn man ein bischen grosszuegig die Sache betrachtet kann man in den Kreuzzuegen eine Vorwegname der Nato Follow-on Forces Attack Doktrin (Angriff auf Folgestaffeln - durch Gegenangriffe auf Warschauerpaktgebiet sollte verhindert werden dasweitere Verbaende (Folgestaffeln) in den Westen eindringen) ansehn.

Nun, das scheint mir etwas weit hergeholt. Das kannst du nicht einfach mit den Kreuzzügen vergleichen oder die Kreuzzüge gar als Vorgänger ansehen.


Steven Runciman's Werk kenn ich zwar noch nicht - werde es mir aber bei Zeiten mal zu genuege fuehren.

Dann wünsch ich dir viel Spaß:D , wenn du dir das Werk zu Gemüte führst. Vielleicht können wir ja dann eine Meinung teilen, hoffentlich....
 
Auch ich finde, dass Runciman oft romantisiert..das tut aber der Bedeutung des Werks keinen Abbruch. Es ist bis dato die umfassenste, aus den Quellen gearbeitete Darstellung, verfasst auf einem hohen Niveau...und keineswegs so parteiisch, wie hier dargestellt. Runciman ist sogar mitnichten ein Historiker, der alles nur aus westlicher Perspektive untersuchte (man sollte auch seine Aufsätze lesen). Runciman war vor allem Byzantinist, er lebte auch viele Jahre im Nahen Osten. Tatsächlich bezieht das Buch große Teile seiner Wertung eher aus byzantinischer Sicht (siehe auch die Quellen).

Und Maalouf: obwohl christlicher Araber, ist er ebenfalls nicht ganz unbefangen. Wo bezieht er denn großartig westliche Quellen mit ein? Meistens werden obstruse "fränkische" Quellen zitiert. Er ist auch kein Historiker, sondern Journalist.Wo sich andere Jahrzehnte mit dem Stoff befassen und nicht nur ein paar Monate.

Die Kreuzzüge waren sicherlich kein Ruhmesblatt für die Geschichte Europas. Gerade der 1., der Kinder- und der 4. Kreuzzug waren pervertierte Unternehmen...aber man sollte auch sehen, dass die Kreuzzüge einen sozial-kulturellen Einfluss hatten. Wer heute Rittertum romantisiert sollte wissen, dass sich das Rittertum in der Form erst nach den Kreuzzügen formiert hat.

Und die Greueltaten waren nicht nur auf die Kreuzzügler beschränkt...man sollte mal aufhören, mit Mythen zu arbeiten. Die Kreuzzüge waren ja auch eine - in ihrer Eigendynamik nicht vorhersehbaren - Unternehmen, die als Reaktion AUF die Expansion der Moslems in ausschließlich christliche Gebiete organisiert wurden (siehe den Hilferus Alexios I.).

Damit will ich keineswegs die Greueltaten entschuldigen, die die Kreuzfahrer verübt haben. Aber was danach kam, war etwas völlig anderes. Die Kreuzfahrer und Moslems haben sich nach Etablierung der Kreuzfahrerstaaten ja nicht ständig die Köpfe eingeschlagen. Es kam im Gegenteil sogar zu Bündnissen.

Ich persönlich finde, dass Runcimans Werk trotz des Alters und trotz gewisser Mängel und dem Hang zur Romantisierung, immer noch eine der besten Abhandlungen zum Thema Ereignisgeschichte ist. Ich kann als Ergänzung K. Setton "A History of the Crusades", 6 Bde., empfehlen (ist im Prinzip eine umfangreiche Aufsatzsammlung zu verschiedenen Themen). Das Werk ist auch frei im Internet zugänglich.

Runciman begann mit der Arbeit in den frühen 50er Jahren und war eigentlich der ERSTE, der auch Byzanz miteinbezog, und das Kaiserreich nicht nur als eine dekadentes Gebilde am Rande begriff. Tatsächlich tendiert die neuere Forschung zu anderen Ansichten als Runciman, doch bleibt er sehr populär, und dies nicht ohne Grund.

Ich würde mir wünschen, dass bei der nächsten Auflage Runcimans ein Vorwort von Lilie, Riley-Smith, oder anderen Kreuzzugsforschern hinzugefügt würde, die auf die Mängel hinweist und den neueren Forschungsstand skizziert. Dennoch finde ich die Kritik an Runciman, wie sie hier geäussert wurde, recht einseitig, sorry.
 
Karolus Magnus schrieb:
Stimmt, auf den Standpunkt kommt es an! Ich sage ja auch nicht, dass die Araber die besseren Menschen sind. Du siehst, die Frage ist immer dieselbe: Wer war zuerst da? (Ägypten war übrigens nicht zuerst christlich und wurde dann von den Muslimen übernommen :teach: , aber das tut jetzt nichts zur Sache).

Bitte klaer mich auf - nach meinem Gechichtsverstaendniss war Aegypten christlich...

http://www.copts.net/history.asp
Saint Mark is the first leader of the Coptic Orthodox Church, and was followed by his first convert in Alexandria, Annianus circa 62 A.D.
...
The wars between the East-Roman Empire and The Persian Empire in the 6th and 7th centuries weakened both empires. The Muslim Arabs attacked both empires in the 7th century. After their conquest of the East-Roman provinces of Jordan, Syria, Lebanon, and Israel, they invaded Egypt in December 641 A.D.
http://www.coptic.net/EncyclopediaCoptica/
The Coptic Church is based on the teachings of Saint Mark who brought Christianity to Egypt during the reign of the Roman emperor Nero in the first century, a dozen of years after the Lord's ascension. He was one of the four evangelists and the one who wrote the oldest canonical gospel. Christianity spread throughout Egypt within half a century of Saint Mark's arrival in Alexandria as is clear from the New Testament writings found in Bahnasa, in Middle Egypt, which date around the year 200 A.D., and a fragment of the Gospel of Saint John, written using the Coptic language, which was found in Upper Egypt and can be dated to the first half of the second century.
Ich glaube aber, dass du einen großen Fehler machst, wenn du die Kreuzzüge - wenn auch nicht direkt - rechtfertigst.
Glaub ich nicht *g*

Das haben viele Historiker auch getan. Sie sahen in den kreuzfahrten eine Entfaltungdes Christentums, als ob das Christentum Minderwertigkeitskomplexe gehabt hätte. Das war einfach falsch und und das ist auch bewiesen.

Also ich seh auch keine Minderwertigkeitskomplexe - kann aber auch sein das wir unterschiedliches darunter verstehen....

Im Grunde genommen haben die Muslime nichts gegen das Christentum unternommen.


Echt? Dann luegen ja all die Geschichtsbuecher wenn drinsteht das Syrien 635, Palästina 637, Ägypten 640/641 und man anfang des 8 Jahr. ganz Nordafrika eroberte. Das 711 das Westgotenreich in Spanien von denen erobert worden ist, das 732 die Franken die Araber bei Poitiers gestoppt haben, das im Mittelmeer so gut wie alle Inseln erobert worden sind, das 831 Sizilien und 869/70 Malta erobert wurde, das die Araber 846 die Peterskirche gepluendert haben, das die Araber sich in der Provence, in Bari und am Garigliano eine Zeitlang festsetzen konnten. Und das das Byzantinische Reich ziemlich bedraengt wurde stimmt dann auch nicht ;) *gg*
Aktion - Reaktion - und die Kreuzzuege warn halt eine Reaktion auf 400 Jahre islamische Eroberung von christlichem Gebiet

So ist es auch mit dem Irakangriff durch die Amis. Haben die Iraker uns etwas getan? Ich glaube nicht...
Der Irak hat Terrorismus gegen einen amerikanischen Verbuendeten ( und zwar Israel) offen unterstuetzt - und in dne 90ern - als Clinton im Weissen Haus hockte hat der irakische Geheimdienst versucht George Bush Sen. umzubringen....

Ich habe lediglich Runcimans Buch kritisiert, weil er die besagten Standpunkte nicht sorgfältig herausgearbeitet hat. Auch er machte den Fehler, die Interessen der Kreuzfahrer als die einzig richtigen zu nennen. Eine Entfaltung des Christentums...?? hmm....
Wie schon gesagt ich sehs nicht als Entfaltung an sondern als vollkommen logische Reaktion - Unterstuetzung Byzanz gegen islamische Angriffe (die auch den Westen traffen) und der damit verbundenen Hoffnung das Christentum wieder zu einen...

Nun, das scheint mir etwas weit hergeholt. Das kannst du nicht einfach mit den Kreuzzügen vergleichen oder die Kreuzzüge gar als Vorgänger ansehen.
Natuerlich kann man das halbwegs vergleichen - A (islamische Welt, Warschauer Pakt in der Theorie) fuehrt gegen B (Abendland, NATO in den Planspielen) Offensiven - B reagiert darauf mit Gegenangriff auf Territorium das im Besitz von A befindet ( so geschehen bei den Kreuzzuegen: Palästina, Syrien, Teile Kleinasiens und Damietta - in den Planspielen waeren es Offensivaktionen Richtung Tschechoslowakei und der DDR gewesen.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo! Empfehlenswert ist auch F. Gabrieli, Die Kreuzzüge aus Arabischer Sicht, mit übersetzten arabischen Quellen von Athir bis Wasil

Gruß immer so!
 
Karolus Magnus schrieb:
...Jedenfalls hat er nicht großartig nachgeforscht, sondern einfach nur das angesammelte Wissen samt Erkenntnissen seiner Vorgänger in einem schönen 1300 Seiten dicken Buch zusammengetragen und seinen Namen darüber geschrieben.

Huh, so einfach stelle ich mir das nicht vor, so ein Buch zu verfassen. Er wird ja wohl nicht Copy&Paste praktiziert haben.
Für mich ist Runciman nach wie vor das Standardwerk und ein für mich unschätzbares Nachschlagewerk. Wann immer sich mir irgendeine Frage in Zusammenhang mit dem Thema stellt, ist er meine erste Anlaufstelle.

Für mich ist es bezugnehmend auf Maalouf kein >entweder/oder<, sondern ein >und<. Maalouf ist wie Gabrieli eine wichtige Ergänzung zur klassischen Kreuzzugsliteratur, aber kein Ersatz. Er ist auch nicht geeignet für Neueinsteiger in die Thematik, eben weil er den "fränkischen" Teil komplett ausklammert.
 
Ich habe das Buch vor ca. einem halben Jahr gelesen und kann Karolus´ Eindruck nur ansatzweise nachvollziehen. Im ersten Drittel klingt es an manchen Stellen vielleicht etwas nach "heldenhafter" Darstellung, aber je näher sich Runciman dem dritten Kreuzzug nähert, desto kritischer wird er. Vor allem beim Kreuzzug gegen Konstantinopel oder der Darstellung Saladins als Sieger vor Jerusalem im Vergleich zu den Kreuzzüglern gönnt sich Runciman die ein oder andere moralische Wertung, insgesamt hält er sich aber damit zurück.

Für denjenigen, der eine moralische Aburteilung des gesamten Unternehmens "Kreuzzüge" erwartet/fordert, ist dieses Buch sicher eine Enttäuschung. Aber ich denke, diese moralische Verurteilung will der Autor auch gar nicht vornehmen, da dies nicht das Thema des Buches ist. Es geht um die Geschichte der Kreuzzüge und nicht deren Verurteilung. Das dies ein Angriff der Europäer war, den die islamische Welt nicht gut heißen kann, ist klar, muß aber nicht extra erwähnt werden. In dem Sinne ist das Buch eher objektiv, da es den moralischen Aspekt weitgehend außen vor lässt. Nach meiner Meinung, ist dies sogar besser so.

Das Maaloufs und Gabrielis Werke diesbezüglich anders sind, ist gut, aber auch deren Intention. Da bin ich ganz bei Triere: prima Ergänzung.
 
Karolus Magnus schrieb:
Ich wollte mal fragen, ob jemand das Buch "Geschichte der Kreuzzüge" von Steven Runciman kennt oder es sogar schon gelesen hat. Ich war einfach nur enttäuscht.

Sein Buch wird oft als das Standardwerk mit dem Basiswissen bezeichnet, das jeder lesen sollte. Für diejenigen, die nicht allzuviel von Geschichte verstehen oder wissen. Das ist leider nicht der Fall.

Steven Runciman erzählt in seinem "Sachbuch" so romantisierend und so parteiisch, dass man ernsthaft über das Wort "Sachbuch" nachdenkt.:spinner: Das ist schade. Die Kreuzfahrer werden teils so heldenhaft dargestellt, dass man Runciman glatt für einen fränkischen Chronisten halten möchte. Vor blindem Fanatismus, mit dem er dieses Buch schreibt, fragt man sich, ob der Autor von unserer Vergangenheit etwas gelernt hat. Ist ihm eigentlich klar, was unsere Vorfahren im 11. Jahrhundert da angerichtet haben? Ich glaube kaum...
:confused:
Sorry,:winke: aber ich habe den Eindruck, dass Du entweder Runcimans Buch nicht gelesen oder dessen bissige Ironie nicht verstanden hast.:devil:

Romantisierenden Darstellungen stellt er regelmäßig die ernüchternde Realität gegenüber, was seinem Fachbuch auch eine unterhaltsame Seite:D gibt und dessen Lesbarkeit enorm beschleunigt. Sein letztes Kapitel ("in summa") enthält eine brilliante Abrechnung mit den Kreuzzügen, die ich so bislang nirgendwo besser gefunden habe. Auf die negativen Folgen, die die Kreuzzüge für die Moslems und den Islam hatten, geht er ausführlich ein. Ich kann Deine Kritik überhaupt nicht nachvollziehen und Runcimans Buch nur empfehlen.

Was Armin Maaloufs Buch angeht, stellt es - aus meiner Sicht - eine gelungene Ergänzung dar. Es schildert die Kreuzzüge aus arabischer Perspektive und seine Erklärungen runden das Bild, das Runciman von den Kreuzzügen vermittelt, sehr gut ab. Was bei Runciman trotz 1.200 Seiten zu kurz kommt, findet bei Maalouf eine sehr gute Ergänzung!;)
 
Hallo,

nun ich lese derzeit Runciman's sog. Standardwerk zu den Kreuzzügen und muss sagen, dass es sich nicht für Einsteiger eignet. Vor der Lektüre dieses Werkes sollte man sich bereits Kenntnisse angeignet haben ansonsten ist das Buch völlig unverständlich.
Schön zu lesen ist das Buch allerdings wegen der romantisierenden Darstellungen, hier stimme ich Gandolf zu.

Grüße
Johannes
 
Ich habe mir sehr lange überlegt, ob ich hier auch noch etwas schreiben soll...

Das Wichtigste wurde ja bereits geschrieben, zumal sich dieses Werk - übrigens vollkommen zu Recht - auch bei den Buchempfehlungen wiederfindet.
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=3382

Deswegen lediglich noch ein paar Anmerkungen meinerseits...

Die eingangs geäußerte Kritik kann ich nicht im Geringsten nachvollziehen, und ich finde es auch nicht opportun, Werk und Arbeit eines der selbst heute in der Fachwelt noch immer hoch angesehenen Historikers mit solcher Geringschätzung zu bedenken.
Sorry für die harten Worte...

Zunächst gilt Sir Steven Runcimans "Geschichte der Kreuzzüge" als das Standardwerk zur Kreuzzugsgeschichte schlechthin, weil es außerordentlich detailliert ist und damit nach wie vor als das am meisten umfassende Werk, welches aus den Quellen schöpft. Das Buch hat ein sehr hohes Niveau und gilt zu Recht noch imme als eine der besten wissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema.

Es mag sein, daß es sich für Einsteiger nicht in jedem Falle eignet und ein gewisses Basiswissen voraussetzt, doch tut dies dem Werk selbst ebensowenig Abbruch wie andere "Mängel", welche seinem Alter (erschienen original um 1960) geschuldet sind.

Und da wären wir dann bei einem Punkt, auf den hinzuweisen ist, für den Sir Steven Runciman aber nichts kann, denn zu seiner Zeit war die Kreuzzugsforschung noch nicht so weit wie heute...

Benowar schrieb:
Runciman begann mit der Arbeit in den frühen 50er Jahren...
...
Ich würde mir wünschen, dass bei der nächsten Auflage Runcimans ein Vorwort von Lilie, Riley-Smith, oder anderen Kreuzzugsforschern hinzugefügt würde, die auf die Mängel hinweist und den neueren Forschungsstand skizziert. Dennoch finde ich die Kritik an Runciman, wie sie hier geäussert wurde, recht einseitig, sorry.

Das wäre in der Tat wünschenswert, denn:

Gandolf schrieb:
Sein letztes Kapitel ("in summa") enthält eine brilliante Abrechnung mit den Kreuzzügen, die ich so bislang nirgendwo besser gefunden habe.

Gerade dieses Schlußkapitel wurde inzwischen durch den neueren Forschungsstand doch etwas relativiert.
Sorry Gandolf...
 
Gandolf schrieb:
worüber zu diskutieren wäre;)

Dein Angebot zur Diskussion weiß ich sehr zu schätzen, aber eine solche Diskussion müßtest Du mit Fachleuten, also den Historikern bzw. Kreuzzugsforschern selbst, führen.
Für mich als Laien gibt es bezüglich des Forschungsstandes nichts zu diskutieren; ich halte mich deshalb in Punkten wie dem angesprochenen Schlußkapitel an Aussagen, welche sich in neueren Werken finden.
Und da ist es nun einmal so, daß Sir Steven Runcimans Werk den Forschungsstand um 1960 wiedergibt, während bspw. Lilie, Riley-Smith u.a. in ihren Büchern den Forschungsstand um 2000 reflektieren...

Das tut - wie ich bereits erwähnte und hier nochmals ausdrücklich betonen möchte - der Qualität und Bedeutung von Runcimans Werk keinen Abbruch, muß aber berücksichtigt werden...
 
timotheus schrieb:
Und da ist es nun einmal so, daß Sir Steven Runcimans Werk den Forschungsstand um 1960 wiedergibt, während bspw. Lilie, Riley-Smith u.a. in ihren Büchern den Forschungsstand um 2000 reflektieren...

Aber warum soll denn der Forschungsstand aus dem Jahre 2000 ein anderer sein als der aus dem Jahre 1960, wo man doch nur die gleichen alten Quellen zu erforschen hat?
Allein die Deutungen könnten andere sein, aber das liegt ja dann wohl an den Menschen, was ja auch gut ist, dass nicht jeder dem anderen zu Munde redet!

Gruß
 
timotheus schrieb:
Dein Angebot zur Diskussion weiß ich sehr zu schätzen, aber eine solche Diskussion müßtest Du mit Fachleuten, also den Historikern bzw. Kreuzzugsforschern selbst, führen.
Für mich als Laien gibt es bezüglich des Forschungsstandes nichts zu diskutieren; ich halte mich deshalb in Punkten wie dem angesprochenen Schlußkapitel an Aussagen, welche sich in neueren Werken finden.
Und da ist es nun einmal so, daß Sir Steven Runcimans Werk den Forschungsstand um 1960 wiedergibt, während bspw. Lilie, Riley-Smith u.a. in ihren Büchern den Forschungsstand um 2000 reflektieren...

Das tut - wie ich bereits erwähnte und hier nochmals ausdrücklich betonen möchte - der Qualität und Bedeutung von Runcimans Werk keinen Abbruch, muß aber berücksichtigt werden...
In Runcimans Schlusskapitel geht es um dessen abschließende Bewertung der Kreuzzüge. Du wendest gegen diese ein, dass es inzwischen Bücher gibt, die einen aktuelleren Forschungsstand reflektieren. Gut gebrüllt, Timo!:) Aber ein gutes Argument wäre dieser Hinweis doch nur dann, wenn der neuere Forschungsstand Runcimans Bewertungen über den Haufen werfen würde. Das kann aber nicht - auch nicht unter Hinweis auf neuere Bücher - einfach so angenommen oder behauptet werden. Das müsste schon belegt werden, was wiederum der Anfang einer Diskussion wäre - so wie wir im GF auch zu vielen anderen Themen mehr oder weniger laienhaft diskutieren.;)
 
Gandolf schrieb:
In Runcimans Schlusskapitel geht es um dessen abschließende Bewertung der Kreuzzüge. Du wendest gegen diese ein, dass es inzwischen Bücher gibt, die einen aktuelleren Forschungsstand reflektieren.
Aber ein gutes Argument wäre dieser Hinweis doch nur dann, wenn der neuere Forschungsstand Runcimans Bewertungen über den Haufen werfen würde. Das kann aber nicht - auch nicht unter Hinweis auf neuere Bücher - einfach so angenommen oder behauptet werden.

Erm, ich werde hier wohl wieder einigermaßen mißverstanden...
(Anm.: Dieser Satz gilt auch in Richtung Literat...)

Genau um die Bewertungen bzw. wie wenig die damaligen Bewertungen noch schlüssig greifen, geht es doch dabei.
Und das mit dem "Über-den-Haufen-werfen" kann durchaus so angenommen werden, wenn z.B. Riley-Smith u.a. schreibt...

... während intellektuelle Entwicklungen vielleicht zu einem besseren Verständnis der Kreuzfahrer führen mochten, besagten die meisten Erklärungen, warum so viele Männer und Frauen sich an der Kreuzzugsbewegung beteiligt hatten, doch immer noch, daß es ihnen an Einsicht und Bildung gefehlt habe oder daß sie materiellen Gewinn erstrebt hätten. Gerade letztgenannte Erklärung fand mächtigen Rückhalt in der klugen, aber dennoch unzureichend belegten Hypothese, daß die Kreuzzüge das Resultat von familiären Strategien zur Sicherung des ökonomischen Überlebens gewesen seien. Noch Runciman konnte sein Werk im Ton moralischer Entrüstung schließen... (es folgt eine Passage des besagten Schlußkapitels - Anm. von mir)
...
In der Tat fiel es schwer, ernst zu nehmenden Männern und Frauen eine derartig abstoßende Ideologie wie die der Kreuzzüge zuzusprechen; da war es leichter zu glauben, sie seien zu einfältig gewesen, um ihr Tun zu verstehen, oder ihnen zu unterstellen, der Wunsch nach Land oder Beute habe sie getrieben, was auch immer sie selbst erklärt haben mochten. Freilich hätte sich die letztgenannte Erklärung nur schwer erhärten lassen, da allgemein bekannt war, welche Kosten die mittelalterliche Kriegsführung verursachte, und zudem bereits eine Vielzahl von Quellen gedruckt vorlag - auch wenn diese nicht unbedingt rezipiert worden waren -, die eindrucksvoll verdeutlichten, welche finanziellen Opfer die Männer und ihre Familien bringen mußten, um an einem Kreuzzug teilzunehmen.
Mit anderen Worten: die Historiker waren blind gegenüber den Fakten und dem Beweismaterial, weil sie vor ideologisch motivierter Gewalt einen Abscheu hatten und sich nicht vorstellen konnten, daß sie wirklich einen überzeugenden Anreiz darstellen konnte. Wie alle anderen hatten sie vergessen, wie intellektuell respektabel die christliche Theorie der gerechten Gewalt war...
...
Die Historiker, deren Forschungsgebiet die Kreuzzüge waren, entdeckten plötzlich, daß es ernst zu nehmende und fromme Zeitgenossen gab (bezieht sich auf den militanten Flügel der Befreiungstheologie ab den 60er Jahren bzw. die Auseinandersetzung mit diesem - Anm. von mir), die ideologische Positionen vertraten, die jenen der mittelalterlichen Apologeten, die sie untersuchten, sehr nahe kamen. Mit dieser Entdeckung wurde die fundamentale Schwäche der Argumente zu Gunsten der materialistischen Motivation der Kreuzzüge und die Dürftigkeit der Beweise, auf die sich diese Hypothese gestützt hatte, offenkundig. Die abenteuerlustigen jüngeren Söhne mußten schließlich die Bühne verlassen; nur wenige Historiker glauben heute noch, daß sie eine Rolle gespielt haben...

Auszug aus Jonathan Riley-Smith "Illustrierte Geschichte der Kreuzzüge", Campus Verlag 1999 - S.15 f.

Gandolf schrieb:
Das müsste schon belegt werden, was wiederum der Anfang einer Diskussion wäre - so wie wir im GF auch zu vielen anderen Themen mehr oder weniger laienhaft diskutieren.;)

Genügt Dir mit Jonathan Riley-Smith der derzeitige Kopf der britischen Kreuzzugsforschung und dazu ein weltweit - auch bei seinen Kollegen in islamischen Ländern - anerkannter Experte?
Wie erwähnt habe ich auf dem Gebiet zu wenig Kenntnisse, um mehr als die Aussagen dieser Historiker bringen zu können...

Gandolf schrieb:
Gut gebrüllt, Timo!:)

Ich brülle nicht, sondern erlaube mir lediglich Hinweise auf bestimmte Dinge; und das wird ja wohl noch erlaubt sein... :fs:

Und nochmals ganz deutlich: Dieser Punkt tut dem Werk von Sir Steven Runciman ja grundsätzlich keinerlei Abbruch!
 
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