Strategische Aufgabe der Hochseeflotte

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Repo

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In einer Publikation des MGFA las ich, die Hochseeflotte hätte ihre strategischen Aufgaben gut gelöst.
Die Sperrung der Ostseezugänge und der Dardanellen und Verhinderung des Durchbruchs 1915 und 1916 hätten maßgeblich zum Zusammenbruch Rußlands beigetragen.
Die Hochseeflotte hätte alleine durch ihr Vorhandensein den Kriegseintritt Hollands, Norwegens und Dänemarks trotz erheblichem britischem Druck verhindert. Mindestens die Dänen hatte ja durchaus eine offene Rechnung. Und den Hollöndern und Norwegern wurden sicherlich riesige Versprechungen von den Alliierten gemacht. Analog Japan. Italien und Rumänien.

Diese Sichtweise war mir neu, aber sie ist zweifellos schlüssig.

Also doch nicht nur sinnloses Riesenspielzeug.


Grüße Repo
 
Klingt interessant.

Allerdings habe ich noch keinen Hinweis gelesen, wonach England den Holländern oder Norwegern mit Druck oder Belohnung entgegengetreten wäre, um sie auf alliierter Seite in den Krieg zu bekommen. Waren in dem von Dir zitierten Artikel diesbezüglich Quellen genannt?

In den Dardanellen waren zwar auch deutsche Kriegsschiffe postiert, die Hauptaufgabe hatten aber die Türken.

Ansonsten wurde ja immer wieder behauptet, dass man die kostbare Flotte schonen wollte und aus diesem Grund die meiste Zeit des Krieges in den deutschen Häfen gelassen hat. Skagerrak war da nur die große Ausnahme.

Aus diesem Grund konnte die Hochseeflotte (ich klammere hier ausdrücklich die U-Boote aus) nichts gegen alliierte Truppentransporte zur See unternehmen noch die Hungerblockade verhindern.

Sicher hat sie, allein aufgrund der theoretischen Möglichkeiten, Auswirkungen auf die alliierten Planungen gehabt und natürlich auch gegenüber den kleinen Nationen in Nordeuropa eine gewisses Drohpotential darstellen können. Aber ich meine, dass diese Bedrohung durch englische Schiffe weitaus größer war.

Ich kann daher die These nicht unterstützen, wonach die deutsche Flotte "ihre strategischen Aufgaben gut gelöst" hätte. Die einzigen Erfolge waren letztendlich die im Kaperkrieg, aber das waren zum Großteil umgebaute Hilfskreuzer und keine Panzerkreuzer. Im Übrigen waren diese Erfolge für den Kriegsverlauf mehr oder weniger irrelevant.

Jacobum
 
Eine Niederlage am Skagerak hätte aber die Versorgung der Russen durch die Ostsee ermöglicht.

Die Flotte wollte im September 1914 im Kanal angreifen, die Heeresleitung meinte aber, es sei effektiver die Engländer in Frankreich zu "belehren".

Ich suche die Textstellen heute abend mal heraus.

Grüße Repo
 
Holland und die skandinavischen Staaten haben doch noch bis 1916 Lebensmittel in erheblichen Mengen an Deutschland geliefert und erst in den letzen beiden Kriegsjahren wurde der Druck Englands so stark, das auch diese Staaten den Handel mit Deutschland weitgehend einschränken mussten.

Auch hat Holland ja bekanntermaßen Wilhelm nach Kriegsende Asyl gewährt und nicht an die Alliierten ausgeliefert.
Irgendwie passt das nicht so richtig mit der These des Miliärgeschichtlichen Forschungsamts zusammen.

Mit offener Rechung Dänemarks meinst du da 1864? Gab es dort das Bedürfnis nach Revanche?

Grüße
Amicus
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Um welche Publikation handelt es sich?

Grüße
Amicus

"Deutsche Militärgeschichte in 6 Bänden von 1648 bis 1939"
Ich glaube in Band 5, die Marine ist aber kpl. in einem Band, kann soviel nicht schiefgehen.
Sorry, hatte es gestern abend vergessen. (Sohn kam überraschend auf Besuch)

Grüße Repo
 
Mit offener Rechung Dänemarks meinst du da 1864? Gab es dort das Bedürfnis nach Revanche?

1870 müssen sie ja durchaus kriegsbereit gewesen sein. Haben eigentlich nur auf einen 1. franz. Erfolg gewartet.
Die Verweigerung der zugesagten Volksabstimmung in Schleswig in den 1870er Jahren hat das Verhältnis mit Sicherheit auch nicht verbessert.

Grüße Repo
 
Man findet die von Repo vorgestellte These, dass die Deutsche Hochseeflotte die Ostsee absperrte, (neben der "türkischen Flotte") die Versorgung Russlands durch die Entente unmöglich machte und die Neutralität der skandinavischen Länder und Holland sicherte, bei Rolf Güth in: MGFA (Hrsg.), Deutsche Militärgeschichte in sechs Bänden (1648-1939), Band 5, 1983, S. 310.

1.
Dass die deutsche Hochseeflotte die Ostsee für alliierte Schiffe sperrte und so im Norden die Versorgung Russlands durch die Entente verhinderte, ist nachvollziehbar. Doch kann darin der von Güth proklamierte Beitrag der Hochseeflotte zum Zusammenbruch und Kriegsaustritt Russlands nur dann gesehen werden, wenn die Entente überhaupt in der Lage gewesen wäre, Russland im großen Stil zu unterstützen und mit Kriegsmaterial zu versorgen. Dem könnte aber entgegenstehen, dass die Versorgungslage Englands und Frankreichs während des Ersten WK ebenfalls nicht sehr rosig war. Aber möglicherweise gab es ja verschiedende Phasen des Krieges, in dem eine solche Unterstützung durchaus möglich gewesen wäre. In solchen Phasen hätte dann die deutsche Hochseeflotte ihren Beitrag zum Zusammenbruch Russlands geleistet; aber eben nur in diesen Phasen.

2.
Der Aspekt "Sicherung der Neutralität" dürfte nur wenig stichhaltig sein:

Die Lage in Norwegen und Schweden war dadurch geprägt, dass Schweden wegen dem 1809 erlittenen Verlust von Finnland an Rußland und den im 19. Jahrhundert in Finnland unternommenen Russifizierungsversuchen antirussisch und prodeutsch eingestellt war. Allgemein wurde sogar mit Schwedens Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmächte gegen Russland gerechnet. Norwegen hingegen wurde erst 1905 von Schweden unabhängig und sah in GB seine Garantiemacht. Zudem führte der deutsche Angriff auf das neutrale Belgien zu einer antideutschen Stimmung in Norwegen. Dass beide Länder neutral blieben, dürfte weniger an der deutschen Hochseeflotte gelegen haben, als viel mehr an der Aussicht, gegeneinander in einen Krieg hineingezogen zu werden, den man nicht gegeneinander führen wollte.

Dänemark war zwar bei Kriegsausbruch antideutsch eingestellt. Hier wirkten noch die Annexion Schleswig-Holsteins durch Preußen (1864) und die Eindeutschungsmassnahmen in Nordschleswig nach. ABER die Mobilmachung der dänischen Streitkräfte bei Kriegsausbruch war der strategischen Lage des Landes geschuldet. Über Dänemark konnte der Ostseezugang kontrolliert werden. Die Mobilmachung diente sowohl der Abwehr befürchteter britischer als auch der Abwehr befürchteter deutscher Militäroperationen. Freilich hatte Deutschland gegenüber Dänemark noch ein ganz anderes Druckmittel im Ärmel als die Hochseeflotte: das Landheer. Dementsprechend kamen die Dänen auch rasch allen deutschen Forderungen nach: Verminung des großen Belt, Zusage der "wohlwollenden Neutralität"; ja die Dänen untersagten sogar alle antideutsche Demonstrationen, um den übermächtigen Nachbarn nicht zu verstimmen.

Auch auf die Niederlande machte eher das deutsche Landheer als die Hochseeflotte Eindruck. Aber mehr noch als dieser militärische Einflussfaktor wirkte sich auf die Niederlande die Abhängigkeit von der deutschen Wirtschaft neutralitätsfördernd aus. Aus der Sicht der Alliierten verkamen die Niederlande während des Ersten WK zu einem deutschen "Vasallen". Und als der Krieg vorbei war, gewährte die Niederlande Kaiser Wilhelm auch noch Asyl. Dieses Beispiel zeigt, dass die Niederlande nicht durch die deutsche Hochseeflotte bedroht werden mussten, um sich neutral zu verhalten.

Fazit: die deutsche Hochseeflotte war eine der schwerwiegendsten Kriegsursachen. Im Krieg selbst leistete sie (möglicherweise) einen wichtigen Beitrag zum Zusammenbruch Russlands.
 
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Um die Metadiskussion zwischen Repo und Gandolf zu beenden, wird hiermit das Thema geschlossen und die Beiträge des Jahres 2007 unsichtbar gemacht. Wenn sich die beiden Beteiligten per PN darüber einigen können, auf rein sachlicher Ebene weiterzudiskutieren, werden die Beiträge wiederhergestellt und das Thema wieder geöffnet.
 
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