Süddeutschland zum 1., zum 2. und...

Häufig stößt man ja auf die Reichsdeputation in der die Säkularisation,die Enteignung von Kirchengütern, zu Beginn des 19.Jh. verhandelt und durchgeführt wurde.
So ganz nebenbei auch in Armin Scholls Biographie: "Prinzessin Auguste Amalie von Bayern"

So schreibt er dort:
"Das ohnehin große Bayern wird nur 1,5mal größer, wogegen kleine Staaten wie Württemberg viermal, Baden sogar siebenmal größer werden - nicht zuletzt auch durch Bestechungsgelder in Talleyrands Taschen." (S.46)

Das Letztere lese ich nun allerdings zum ersten mal.
Leider vergaß der Autor einen Quellenverweis.
Nun hat es ja mit Bestechungsgeldern so eine Sache. Ist das nur ein bekanntes Gerücht oder weiß jemand von euch etwas genaueres ?

Es scheint überhaupt ein recht armseliges Gefeilsche in dem sich
Deutsche Potentaten mit deutschen Gebieten (Es saß ja meist doch Verwandtschaft auf den Bischofs- bzw Abtisstinenstühlen)
für den Verlust deutscher Gebiete die sich Frankreich einverleibt hatte,
"entschädigen" lassen...

Das nun der Herr Talleyrand Geld dafür nimmt das er sozusagen den
Deutschen Deutschland verkauft wäre ein weiterer Beweis seiner Genialität,aber man sollte eigentlich einen gequälten Aufschrei des Michels erwartet haben. Kennt jemand Quellen wo so etwas damals diskutiert wurde?

Liebe Grüsse, euer
Geschichteleser

200 Jahre Mitteleuropäische Geschichte in Kurzform:
Was dem einen der Jakobinerhut, ist dem anderen seine Schlafmütze,
der eine tauscht Centimes in Cent und der andere pennt...:friends:
 
Eine gute Quelle ist Eberhard Weis:

„Im 18. Jahrhundert war, so hat man festgestellt, die Korruption sogar ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Viele Fürsten sparten damals an der Bezahlung ihrer Minister und Beamten, weil sie es für normal hielten, dass diese von allen möglichen Seiten, auch von auswärtigen Mächten, Geld erhielten, was ihre Politik nicht einseitig vom Geber abhängig machen musste, zumal sie oft von mehreren, auch entgegengesetzten Parteien Geld nahmen.“ [1/Seite 137]

„Der Erste Konsul war persönlich nicht bestechlich und hätte es auch nicht nötig gehabt. Oft änderte er durch einen Befehl überraschend territoriale Dispositionen des Außenministers, manchmal zuungunsten und manchmal zugunsten Bayerns. Bonaparte war, wenn er nicht gerade im Felde stand, voll beschäftigt mit der Regelung seiner Beziehungen zu den europäischen Großmächten und mit dem Ausbau des französischen Imperiums. Als der bayerische Gesandte Cetto einmal bei ihm erschien, um ihm klarzumachen, wie wichtig es für Frankreich sei, dass nicht Österreich, sondern Bayern das bisher freisingsche Werdenfelser Land (das Gebiet um Partenkirchen und Mittenwald) bekäme, musste er feststellen, dass der Erste Konsul von der Geografie dieser Gegend, in der er noch keinen Feldzug geführt hatte, keine Ahnung und auch weder Zeit noch Lust hatte, sich damit zu beschäftigen. Bayern solle seine Vorschläge schriftlich einreichen, sagte er verständlicherweise.
Cetto berichtete, Bonaparte habe einem Diplomaten, der mit ihm über deutsche Angelegenheiten sprechen wollte, gesagt: „C’est l’affaire de M. Talleyrand, il a refait l’Allemagne“ (Dies ist Sache von Herrn Talleyrand, er hat Deutschland neu geordnet).
Doch war gerade Talleyrand auch ein wahrhaft schöpferischer Außenminister. Was unter Napoleon an Konstruktivem in der Außenpolitik geleistet wurde, war im wesentlichen das Werk Talleyrands.“ [1/ Seite 143/44 , Ber. Cetto 7.1.1802/25.7.1802]

Wenn Weis feststellt, dass Talleyrand sehr schöpferisch war, dann bezieht sich dies auf sein Bestreben, Frankreich in ein euröpäisches Gleichgewicht einzubinden, was nach Tilsit illusorisch wurde und er zurücktrat.

Richtig ist, dass er die Säkularisierung ... die Veränderung der deutschen Staaten persönlich nutzen konnte.
Vertraut man einem Pamphlet in Barras' Memoiren, dann kassierte er von Württemberg 1 Million, von Bayern 300000, von Dahlberg (Fürstprimas) 400000, dem Großherzog von Darmstadt 400000, Nassau, Sachsen, die Hohenlohe, die Grafen von Lippe 500000, vom Markgraf von Baden 100000 Franc. [2]

Ob die Zahlen stimmen, vermag ich nicht zu beurteilen, richtig dürfte aber sein, dass die bedrohten Fürsten sich an ihn wandten um ihre Interessen zu wahren. Und Korruption hat immer zwei Seiten.

Ein Aufschrei des deutschen Michels? Warum? Solche Geschäfte verlaufen doch hinter den Kulissen.

Grüße
excideuil

[1] Weis, Eberhard: Montgelas, München, 2005, Bd. 2
[2] Barras: „Memoiren von Paul Barras Mitglied des Direktoriums“, herausgegeben von George Duruy, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien, 1895-1896, Bd. 4 Seite 256-257
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Aufschrei des deutschen Michels? Warum? Solche Geschäfte verlaufen doch hinter den Kulissen.


Vielen Dank für die Quellen.

Verzeihung, die Frage ist falsch gegliedert.
Den "Aufschrei" meine ich natürlich zu dem Gebietsgeschiebe.
Möglicherweise sind die einzelnen Regionen im Laufe der Jahrhunderte durch so viele Hände gegangen das sich niemand mehr daran rieb?

Gab es in damaligen Veröffentlichungen (Intelligenzblätter, Karrikaturen etc)
Kritik an der Umverteilung von Terretorien die ohnehin zum Reichsgebiet gehörten?
Denn ein gewisses übergreifendes "teutsches" Bewusstsein hat es ja schon gegeben, oder liege ich da falsch ?
 
Deine Frage ist ein weites Feld.
Sicherlich hat es Kritik gegeben, vor allem von den betroffenen Fürsten, die ihre Souveränität einbüßten oder ihre Pfründe verloren. Napoleon wurde mehrfach die Geldgierigkeit seines Ministers zugetragen, der dies zu dieser Zeit aber großzügig tolerierte, ganz nach dem Motto: "Er ist ein großer Mann, das ist in Ordnung!" (sinngemäß zitiert).
Ob die Vergrößerung der süddeutschen Staaten allgemein im Volk Kritik hervorbrachten, vermag ich nicht zu beurteilen. Man kann an dieser Stelle nicht unterschlagen, dass mit der Gebietsvergrößerung auch modernes Gedankengut Einzug hielt, was sicher positiv wirkte.
International betrachte waren diese neuen franz. Vasallenstaaten natürlich ein Machtfaktor, der der österreichischen Monarchie oder Rußland nicht genehm sein konnten.

Den "teuschen" Gedanken würde ich eher in die Zeit der Befreiungskriege verlegen und selbst da noch sehr schwach ausgeprägt.

Richtige Kritik am "Länderschacher" ist mir nur aus der Zeit des Wiener Kongresses geläufig, wie die Karikatur am Beispiel Sachsens zeigt:
Balance WK.jpg
Grüße
excideuil
 


Und Korruption hat immer zwei Seiten.


Ein Aufschrei des deutschen Michels? Warum? Solche Geschäfte verlaufen doch hinter den Kulissen.



Und hatten leider lange Tradition.

Ist jetzt zwar eine Stufe "höher" angesiedelt, nämlich auf der Ebene der Königswahl, aber eine der entscheidensten Wahlen (1519) wurde nach dem Motto entschieden, die Krone wird an den Meistbietenden verkauft - so der damalige Papst Leo X. (der selbst massiv die Kandidatenauswahl zu steuern versuchte).
Als Gesamtsumme wird ein Betrag v. 850.000 Gulden kolportiert.
Gläubiger ? Der alte Fugger...
S. z.B. Kimminich, Dt. Verfassungsgeschichte, S. 170 f., oder Brandi, Reformation und Gegenreformation, S. 96 f.

Daher ist das Gescharre nach 1803 nichts wirklich Neues.

Götz zum Gruß
 
Danke für die Anmerkung Götz.

Korruption gibt es sicher solange wie es Menschen gibt.
(Wieder eine meiner berühmten Mutmaßungen...:))

Es sind ja schon ein paar Quellen zu meiner Frage genannt worden.
Auf Excideuils Anmerkung die Frage sei ein weites Thema möchte ich den Versuch machen, zu erklären worauf ich mit der schlecht gestellten Frage
hinaus wollte:

1) Das die "Gebietsreformen" zu größeren Staatengebilden führte
ist richtig, wobei man den Sinn kontrovers diskutieren konnte.
Wie meine ich das?
Was wirtschaftlich Erfolgsversprechend sein kann, wurde ggfls kulturell
möglicherweise anders empfunden.
Beispiel: Im protestantischen Baden wurden nach 1803 eben diese zur Minderheit... ( gedenkt man daß sich kaum 100 Jahre zuvor aus konfessionellem Grunde die Köpfe eingeschlagen wurden mochten religiöse Ressantiments noch bestehen)

2) Greade zu dieser Zeit gab es im deutschen Gebiet eine intressante intellektuelle Elite;
Goethe,Schiller, uvm
Hat diese reagiert?
So in der Art wie z. B. Herr Beethoven, der ja Aufgrund Napoleonischer Entscheidungen die Widmung seiner Eroica herausgestrichen haben soll.

Ist also jemand bei seinen Studien auf zeitgenössische Veröffentlichungen:
Zeitung,Romane, Karrikaturen, Korrespondenzen
gestossen die sich eben mit diesen Gebietsumstruckturierungen
und die nebenhergehenden Begleiterscheinungen und Folgen beschäftigen?
Wenn sich also jemand zufällig an das eine oder andere erinnert, nur zu :)

Grüsse Geschichteleser
 
Das, was wir heute als Korruption wahrnehmen ist in vergangenen Zeiten gar nicht unbedingt so wahrgenommen worden. In dem Wort Korruption steckt ja etwas von Zerstörung (rumpere, ruptus), sprich, es muss erst mal einen entsprechenden Sittenkodex geben, dass (ein) Recht (auf etwas) nicht käuflich ist, damit dieser zerstört werden kann.

Die Geldzuwendungen, die es z.B. im Rahmen der Wahl Karls V. zum König des HRR gegeben hat, wurden meines Wissens ziemlich öffentlich getätigt bzw. angenommen: Ein Unrechtsbewusstsein in dieser Richtung existierte - vorausgesetzt ich irre mich nicht, was die Öffentlichkeit der Zahlungen und Annahmen derselben angeht - also nicht.

Hätte nun jeder mit der entsprechenden Menge Valuta ankommen können, um deutscher König zu werden? Wohl nicht. Man musste neben den Devisen eben auch noch andere Dinge mitbringen, z.B. das Geburtsrecht. Es war also letztlich eine Entscheidung zwischen denen, die das formale Recht innehatten Anspruch auf die Königs- (und Kaiser-)Krone zu erheben. Diese Entscheidung wurde im 16. Jhdt. den Kurfürsten durch Zuwendungen und Zugeständnissen :grübel:... erleichtert.

Edit: Die Frage ist dementsprechend auch, ob die transtemporale Gleichsetzbarkeit der Geldbesitzerwechsel 1519 und 1800 +/- wirklich gegeben ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Daher ist das Gescharre nach 1803 nichts wirklich Neues.
Nein, neu nicht, nur die Höhen der Summen überstiegen das bisher Bekannte: "Wo andere Tausende bekamen, forderte und bekam er Millionen", schrieb ein Biograf über Talleyrand.

Kritik am Geschacher dieser Zeit findet sich bei Historikern, zB. Fournier:

"Die einzelnen deutschen Dynastien drängten sich zu direkten Verhandlungen mit dem Ersten Konsul. Das war ein Buhlen und Werben um das Wohlwollen Talleyrands und seiner Beamten, ein Bieten und Kaufen um Gunst und Gewähr, ein schimpflicher Handel, in dem für ein paar Fetzen Landes des Reiches Würde und das Ansehen der Nation dahingegeben wurde." [1]

Dass Korruption eben 2 Seiten hat, sieht man deutlich an Fourniers Kritik an den deutschen Fürsten.

Beispiel: Im protestantischen Baden wurden nach 1803 eben diese zur Minderheit... ( gedenkt man daß sich kaum 100 Jahre zuvor aus konfessionellem Grunde die Köpfe eingeschlagen wurden mochten religiöse Ressantiments noch bestehen)

Wie die Ausführungen oben andeuten, haben den künftigen Großherzog von Baden deine richtigen Einwendungen nicht gehindert, im Kampf um Größe mitzubieten. Mit Erfolg!
Und darum ging es doch tatsächlich. Nur wer "am Ball" blieb und auch in die strategische und dynastische franz. Politik passte, konnte überleben und/oder seinen Machtbereich erhalten/vergrößern. Was zählen da religiöse Überlegungen?

Grüße
excideuil

[1] Fournier, August: „Napoleon I., Emil Vollmer (Phaidon Verlag), Essen, 1996, Nachdruck der Ausgabe Wien 1922, Bd. II, Seiten 23-24
 
Zuletzt bearbeitet:
Das, was wir heute als Korruption wahrnehmen ist in vergangenen Zeiten gar nicht unbedingt so wahrgenommen worden. In dem Wort Korruption steckt ja etwas von Zerstörung (rumpere, ruptus), sprich, es muss erst mal einen entsprechenden Sittenkodex geben, dass (ein) Recht (auf etwas) nicht käuflich ist, damit dieser zerstört werden kann.

Die Geldzuwendungen, die es z.B. im Rahmen der Wahl Karls V. zum König des HRR gegeben hat, wurden meines Wissens ziemlich öffentlich getätigt bzw. angenommen: Ein Unrechtsbewusstsein in dieser Richtung existierte - vorausgesetzt ich irre mich nicht, was die Öffentlichkeit der Zahlungen und Annahmen derselben angeht - also nicht.

Hätte nun jeder mit der entsprechenden Menge Valuta ankommen können, um deutscher König zu werden? Wohl nicht. Man musste neben den Devisen eben auch noch andere Dinge mitbringen, z.B. das Geburtsrecht. Es war also letztlich eine Entscheidung zwischen denen, die das formale Recht innehatten Anspruch auf die Königs- (und Kaiser-)Krone zu erheben. Diese Entscheidung wurde im 16. Jhdt. den Kurfürsten durch Zuwendungen und Zugeständnissen :grübel:... erleichtert.

Edit: Die Frage ist dementsprechend auch, ob die transtemporale Gleichsetzbarkeit der Geldbesitzerwechsel 1519 und 1800 +/- wirklich gegeben ist.


1) Es gibt neben der rein juristischen Subsumtion von Tatbeständen wie Korruption, Bestechung und Bestechlichkeit usw. (wie wir sie heute im deutschen Strafrecht kennen - oder auch nicht, wie letztens erst bei den Kassenärzten festgestellt wurde) aber auch die zugrundeliegende Frage der "Verwerflichkeit" von Geldzuwendungen u. -annahme inkl. geldwerter Vorteile. Wobei offensichtlich ist, dass Moral, Sitte, Anstand etc. als Indikator von "Verwerflichkeit" kulturellen und zeitlichen Einflüssen unterliegen.
Aber ich denke, dass der Themenstarter auf ein grundsätzliches Problem hingewiesen hat, daher ist seine Formulierung vom armseligen Gefeilsche völlig zutreffend; wir reden ja auch von den hunderttausenden (oder mehr) Einwohnern, die da mit verschachert wurden.

2) Geldzuwendungen an sich sind natürlich weder verwerflich noch illegal - es kommt ja auf den wahren Zweck der Zuwendung an.
Gab es aber in der "Wahlordnung" - sprich "goldene Bulle" nicht einen entsprechenden Passus (sprich Verbot), mit der Folge, dass eine Beeidung stattfand ?

Wenn dann aber Beträge als "versteckte" Mitgift oder "Aufwendungsersatz", Gratifikation etc. deklariert wurden, finde ich dies schon bedenklich - was damals gang und gäbe war.
Heute nennt man es halt "kreative" Buchführung, was aber nichts an der Verwerflichkeit bzw. Verlogenheit ändert.
Dass sich 1519 letztlich keine Sau für die Rechtsverstöße interessiert hat, dürfte was mit dem berühmten "Glashaus" zu tun haben und dass die damaligen Geldflüsse in keiner offiziellen Buchhaltung auftauchen mussten.

Pech für die Herren Flick und Co. (wie Graf Lambsdorff), dass sich im 20. Jh. andere Regeln durchgesetzt haben, Stichwort "politische Landschaftspflege" - wer sich noch an den sog. Parteispendenskandal der 1980er Jahre erinnern kann.

3) Bei der Wahl 1519 hätte tatsächlich jeder Spacko antreten können; das für die "Königswahl" auch geltende Merkmal des Geblütsrechts war zu diesem Zeitpunkt das Unmaßgeblichste.
Also der Franzose und der Engländer wären da wohl ganz schlecht aufgestellt und auch der Kurfürst v. Sachsen war nicht unbedingt auf der Liste der von Bluts wegen zu berücksichtigenden Kandidaten ganz oben - aber alle befanden sich aus verschiedensten machtpolitischen Gründen in der Verlosung - aber die Details zur Wahl 1519 haben jetzt wirklich wenig mit der Ausgangsfrage zu tun.

4) Ich wollte mit dem Vergleich zu 1519 auch keine These aufstellen, wonach die von Geschichteleser beschriebene Situation exakt damit vergleichbar sei.
Aber es ist meiner Meinung unbestreitbar, dass sich die beteiligten Fürsten in den jeweiligen Situationen haben schmieren lassen bzw. bereit waren, hohe Beträge zu zahlen, um sich entsprechende Vorteile zu verschaffen.
Und sowohl die Ereignisse 1803 ff. als auch die Wahl v. 1519 waren sehr einschneidende Kapitel in der Geschichte des HRR.

In beiden Fällen - aber natürlich nicht nur da - gab es weder moralische Bedenken noch Rücksichtnahme auf die Betroffenen.
Und dass wird den wenigsten Untertanen bewusst gewesen sein.

Götz zum Gruß
 
Nein, neu nicht, nur die Höhen der Summen überstiegen das bisher Bekannte: "Wo andere Tausende bekamen, forderte und bekam er Millionen", schrieb ein Biograf über Talleyrand.


Ich kenne jetzt nicht den Umrechnungskurs der o.g. genannten Summe v. 850.000 Gulden, die 1519 hin und her geschoben wurden - umgerechnet auf 1803 ff. bzw. die damalige Kaufkraft (sprich was waren 850.000 Gulden tatsächlich wert).

Aber ein Pappenstiel kanns nicht gewesen sein, da sich der Habsburger doch relativ stark bei Fuggers verschuldet hatte.
Folge: einerseits Einflußnahme der Krämerseele auf die deutsche Politik, andererseits war Fugger vom guten Willen zur Rückzahlung des Kaisers abhängig. Also ein hohes Kreditausfallrisiko !
Volkswirtschaftlich alles wenig befriedigend - jetzt soll hier aber keine Diskussion zur sich langsam herausbildenden wirtschaftlichen Rückständigkeit Deutschlands ab der Mitte des 16. Jh. entfacht werden.

Götz zum Gruß
 
Ich kenne jetzt nicht den Umrechnungskurs der o.g. genannten Summe v. 850.000 Gulden, die 1519 hin und her geschoben wurden - umgerechnet auf 1803 ff. bzw. die damalige Kaufkraft (sprich was waren 850.000 Gulden tatsächlich wert).

Aber ein Pappenstiel kanns nicht gewesen sein...

Definitiv nicht.
Ich habe einmal ein klein wenig recherchiert:

Gulden ? Wikipedia

Nimmt man die wenigen angegebenen Feingehalte der Gulden, dann ergibt sich gegenüber dem Franc (4,5 g Feinsilber/ Franc) ein Mindestverhältnis von 1:4. Da schneidet der Gulden erheblich besser ab. Bezogen auf die vorhandene Silbermenge 1519 und 1803 dürfte dies noch einmal für den Gulden von 1519 sprechen, auch wenn Feingehalte grundsätzlich nicht viel über die tatsächliche Kaufkraft aussagen.

Mein Beitrag sollte auch nicht dein Beispiel zurücksetzen, - das bezogen auf den Anlass - wohl eher die Ausnahme darstellen dürfte.

Mein "Einwand" bezog sich nur darauf, dass entgegen der sonst normalen Korruption zur konkreten Zeit ein Minister auftrat, der statt der sonst üblichen Summen Millionen verlangte und auch bekam, und dies nicht als Ausnahme, sondern eher als Regel.

Grüße
excideuil
 
Mein Beitrag sollte auch nicht dein Beispiel zurücksetzen, - das bezogen auf den Anlass - wohl eher die Ausnahme darstellen dürfte.

Mein "Einwand" bezog sich nur darauf, dass entgegen der sonst normalen Korruption zur konkreten Zeit ein Minister auftrat, der statt der sonst üblichen Summen Millionen verlangte und auch bekam, und dies nicht als Ausnahme, sondern eher als Regel.

Grüße
excideuil


Wir liegen hier überhaupt nicht im clinch ! =)

Nur um Missverständnisse zu vermeiden, hier soll nichts gegeneinander aufgerechnet werden - so dass es auch kein Widerspruch darstellt, wenn der eine "Millionen" kassiert (1803 ff.) und die betreffenden Kurfürsten 1519 (es waren ja nicht alle - aber geistliche + weltliche gemischt) in der Summe 850.000 Gulden kassiert haben.

Es geht ja vielmehr um zwei Aspekte:
a) Die "Verwerflichkeit" ungesetzlicher bzw. unmoralischer "Geldflüsse" - einer, der gibt - einer, der nimmt - und wer zahlt dann die Zeche ?
Entsprechende Zahlungen werden immer abgewälzt !

b) Die Vergleichbarkeit der objektiven Umstände bei entscheidenden Ereignissen in der Geschichte des HRR bzw. der deutschen Landesherren.

Götz zum Gruß
 
Wie die Ausführungen oben andeuten, haben den künftigen Großherzog von Baden deine richtigen Einwendungen nicht gehindert, im Kampf um Größe mitzubieten. Mit Erfolg!
Und darum ging es doch tatsächlich. Nur wer "am Ball" blieb und auch in die strategische und dynastische franz. Politik passte, konnte überleben und/oder seinen Machtbereich erhalten/vergrößern. Was zählen da religiöse Überlegungen?

Grüße
excideuil

[1] Fournier, August: „Napoleon I., Emil Vollmer (Phaidon Verlag), Essen, 1996, Nachdruck der Ausgabe Wien 1922, Bd. II, Seiten 23-24


Um das Textbeispiel (und die dahinter stehende Kritik am Verhalten der betr. Landesherren) noch zu untermauern:

1) "Nunmehr bemühten sich auch die deutschen Fürsten, vor allem Bayern, Baden, Württemberg, aber auch Kurmainz und Preußen, um die Gunst des Korsen und seines Ministers Talleyrand, um bei der in Aussicht genommenen Entschädigung günstig abzuschneiden, und schlossen mit Frankreich Vereinbarungen über die Entschädigung." H. Conrad, Dt. Rechtsgeschichte, Bd. II, S. 58.
Was unter "günstig abzuschneiden" alles fällt, ist in den Beiträgen vorher deutlich geworden.

2) "Es war ein Beweis der Ohnmacht, aber auch der Würdelosigkeit der deutschen Fürsten, daß noch vor Beginn der Beratungen der Reichsdeputation eine Reihe deutscher Staaten (nämlich Bayern, Württemberg und Preußen) Verträge mit Frankreich und Rußland abschlossen, um sich ihren Anteil an der Entschädigung zu sichern. Sie gingen sogar soweit, die ihnen durch diese Verträge zugeteilten Gebiete noch vor der Entscheidung des Reichstags in Besitz zu nehmen. Dadurch gaben sie unumwunden zu, daß nicht mehr der Regensburger Reichstag, sondern ausländische Mächte die Gestaltung der staatsrechtlichen Geschicke Deutschlands in den Händen hatten." O. Kimminich, Dt. Verfassungsgeschichte, S. 281.
Ders. auf S. 282:
"Soweit sie durch den Reichsdeputationsschluß eine Entschädigung (in Land oder Geld) erhielten, hatten sie meist erbittert mit den entscheidenden Mächten Frankreich und Rußland darum gefeilscht. Der Reichsdeputationshauptschluß verzeichnete das Ergebnis getreulich und enthält deshalb viele Seiten von Bestimmungen über Ausgleichszahlungen, Renten, Zinsen, Dienstbarkeiten und sonstige Vorkehrungen."

"Die ungleiche Verteilung der durch Säkularisierung und Mediatisierung aufgebrachten Land- und Vermögensmasse zeigt deutlich, daß es keineswegs nur um Entschädigungen im Rechtssinne ging. Verlust und Gewinn standen oft in einem krassen Mißverhältnis."

Ich habe mir jetzt nicht die Mühe gemacht, die oben genannten Passagen des RDHS bezügl. der Auflistungen von "Ausgleichszahlungen" etc. durchzugehen. Kimminich nennt einige "typische" Beispiele.
Offene Schmiergeldzahlungen werden dort aber mit Sicherheit nicht auftauchen - so blöd werden die Schreiber in Regensburg nun auch nicht gewesen sein.
Dennoch sind die Feilschereien und das Gescharre in den unterschiedlichen Facetten dem Grunde nach belegbar und zumindest den damals direkt beteiligten Personen bekannt gewesen.

Götz zum Gruß
 
Zuletzt bearbeitet:
Zunächst eine Korrektur zu #11:
Das Verhältnis von Feinsilber des Gulden von 1519 und des Franc 1803 muss natürlich min. 1:5 heißen. Nicht dass jemand irritiert ist von meinen Rechenkünsten. ;)
Wir liegen hier überhaupt nicht im clinch ! =)

Nur um Missverständnisse zu vermeiden, hier soll nichts gegeneinander aufgerechnet werden - so dass es auch kein Widerspruch darstellt, wenn der eine "Millionen" kassiert (1803 ff.) und die betreffenden Kurfürsten 1519 (es waren ja nicht alle - aber geistliche + weltliche gemischt) in der Summe 850.000 Gulden kassiert haben.
Schön, dass du es so siehst. Das Beispiel des Users Huski läßt mich noch ein wenig vorsichtiger agieren, um auch jedem Mißverständnis und damit möglw. verbundenem Ärger die Spitze zu nehmen!
Es geht ja vielmehr um zwei Aspekte:
a) Die "Verwerflichkeit" ungesetzlicher bzw. unmoralischer "Geldflüsse" - einer, der gibt - einer, der nimmt - und wer zahlt dann die Zeche ?
Entsprechende Zahlungen werden immer abgewälzt !
Na, ich weiß nicht, ob ich die Korruption der deutschen Fürsten als "verwerflich" und unmoralisch bezeichnen kann.
Es ist doch immer das Problem der Mittel- und kleinen Mächte, dass sie im Machtpoker der Großmächte unter die Räder kommen können. Und damit sind meine Ausführungen zum zukünft. Ghz. von Baden nicht als Kritik zu verstehen. Betrachten wir die äußeren Umstände der - völkerrechtlich anerkannten - Vergrößerung des franz. Machtbereichs nach Lunéville, dann wird deutlich, dass die deutschen Staaten doch gar keine andere Möglichkeit hatten, als sich an den vermeindlich Stärksten zu halten, um für die linksrheinisch verlorenen Territorien beste Entschädigungen zu erhalten oder um die Gunst der Stunde zu nutzen, zumal das Oberhaupt des HRRDN doch geschwächt war.
Auch bin nicht der Ansicht, dass eine Ungesetzlichkeit zur Zahlung von Bestechungssummen vorlag. Ein souveräner Fürst ist Herr seiner "Kriegskasse" und wer im "Absolutismus" konnte ihn daran hindern?

Dein Argument, einer müsse die Zeche zahlen, zieht m.A.n. nicht wirklich: Bestechungen sind auch gezahlt worden, um bessere Bedingungen zu erhalten, dass heißt, die Bedingungen waren weniger hart. Da könnte man ja sagen, der Fürst hätte "verantwortungsvoll" gehandelt. Das Ganze ist also ein weites Feld.

Kritisch könnte man sehen, dass die Fürsten dies nicht Regensburg sondern in Paris entscheiden ließen.
Und so betrachtet hat der Ghz. von Baden doch alles richtig gemacht.

Im Grunde hatten doch die süddeutschen Fürsten die Zeichen der Zeit erkannt. (Das Ende des HRRDN)
Anders Sachsen z.B. Der Kurfürst stellte sich 1806 den Verteidigungsfall erkennend an die Seite Preußens und ... verlor ... und wurde nur deshalb nicht vernichtet, weil der Erhalt Sachsens in die strategischen Pläne Napoleons passte.
Anders 1813, als der sächs. König recht unglücklich und ängstlich agierte und gefangen genommen wurde und den Verlust seines Königreiches befürchten musste ...
2) "Es war ein Beweis der Ohnmacht, aber auch der Würdelosigkeit der deutschen Fürsten, daß noch vor Beginn der Beratungen der Reichsdeputation eine Reihe deutscher Staaten (nämlich Bayern, Württemberg und Preußen) Verträge mit Frankreich und Rußland abschlossen, um sich ihren Anteil an der Entschädigung zu sichern..."
Ohnmacht ganz sicher, aber kann man von Würdelosigkeit sprechen?
Nehmen wir 1808 als Napoleon, um Alexander I. zu imponieren, die Fürsten des Rheinbundes nach Erfurt befahl und sie alle "im Staub vor ihm krochen". Ich weiß nicht, wenn es um Macht geht, haben Vokabeln wie Moral oder Würde wohl eher keine Bedeutung. ("Küsse die Hand, die du nicht beißen kannst!")
Dennoch sind die Feilschereien und das Gescharre in den unterschiedlichen Facetten dem Grunde nach belegbar und zumindest den damals direkt beteiligten Personen bekannt gewesen.
Natürlich sind uns heute diese Vorgänge bekannt. Auszuschließen ist wohl, dass zur damaligen Zeit allgemeine Kenntnis herrschte, die zu einer Kritik an den Vorgängen führen hätte können.

Grüße
excideuil
 
1) Schön, dass du es so siehst. Das Beispiel des Users Huski läßt mich noch ein wenig vorsichtiger agieren, um auch jedem Mißverständnis und damit möglw. verbundenem Ärger die Spitze zu nehmen!

2) Na, ich weiß nicht, ob ich die Korruption der deutschen Fürsten als "verwerflich" und unmoralisch bezeichnen kann.

3) Es ist doch immer das Problem der Mittel- und kleinen Mächte, dass sie im Machtpoker der Großmächte unter die Räder kommen können. Und damit sind meine Ausführungen zum zukünft. Ghz. von Baden nicht als Kritik zu verstehen. Betrachten wir die äußeren Umstände der - völkerrechtlich anerkannten - Vergrößerung des franz. Machtbereichs nach Lunéville, dann wird deutlich, dass die deutschen Staaten doch gar keine andere Möglichkeit hatten, als sich an den vermeindlich Stärksten zu halten, um für die linksrheinisch verlorenen Territorien beste Entschädigungen zu erhalten oder um die Gunst der Stunde zu nutzen, zumal das Oberhaupt des HRRDN doch geschwächt war.

4) Auch bin nicht der Ansicht, dass eine Ungesetzlichkeit zur Zahlung von Bestechungssummen vorlag. Ein souveräner Fürst ist Herr seiner "Kriegskasse" und wer im "Absolutismus" konnte ihn daran hindern?

5) Dein Argument, einer müsse die Zeche zahlen, zieht m.A.n. nicht wirklich: Bestechungen sind auch gezahlt worden, um bessere Bedingungen zu erhalten, dass heißt, die Bedingungen waren weniger hart. Da könnte man ja sagen, der Fürst hätte "verantwortungsvoll" gehandelt. Das Ganze ist also ein weites Feld.

6) Im Grunde hatten doch die süddeutschen Fürsten die Zeichen der Zeit erkannt. (Das Ende des HRRDN)
Anders Sachsen z.B. Der Kurfürst stellte sich 1806 den Verteidigungsfall erkennend an die Seite Preußens und ... verlor ... und wurde nur deshalb nicht vernichtet, weil der Erhalt Sachsens in die strategischen Pläne Napoleons passte.
Anders 1813, als der sächs. König recht unglücklich und ängstlich agierte und gefangen genommen wurde und den Verlust seines Königreiches befürchten musste ...

7) Ohnmacht ganz sicher, aber kann man von Würdelosigkeit sprechen?
Nehmen wir 1808 als Napoleon, um Alexander I. zu imponieren, die Fürsten des Rheinbundes nach Erfurt befahl und sie alle "im Staub vor ihm krochen". Ich weiß nicht, wenn es um Macht geht, haben Vokabeln wie Moral oder Würde wohl eher keine Bedeutung. ("Küsse die Hand, die du nicht beißen kannst!")

8) Natürlich sind uns heute diese Vorgänge bekannt. Auszuschließen ist wohl, dass zur damaligen Zeit allgemeine Kenntnis herrschte, die zu einer Kritik an den Vorgängen führen hätte können.

Grüße
excideuil


zu 1) Kann ich zwar jetzt nicht nachvollziehen, aber ich bin auch nicht pausenlos im Netz.

zu 2) Zur "Korruption" gehört nunmal ein spezielles subjektives Moment, nicht lediglich die normale Rechtswidrigkeit.
Die genaue Bezeichnung hierfür ist jeder Rechtsordnung, soweit vorhanden, überlassen. Auf jeden Fall handelt es sich nicht primär um eine wie auch immer geartete "Täuschungsabsicht" (was Richtung Betrug ginge).

Es geht ja auch nicht um eine "leicht" überhöhte Abrechnung oder das in gewissen Regionen/Kulturen übliche Bakschisch.
Von eventuellen formalisierten Definitionen internationaler Vereinigungen heute abgesehen, schwingt diese "Verwerflichkeit" bei der Entgegennahme/Auskehr nicht zustehender Vorteile immer mit - was nichts mit der Frage zu tun hat, ob die Beteiligten auch wirklich ein Unrechtsbewusstsein haben.

zu 3) Wie weit kann/darf "Staatsraison" zur Selbstknechtung führen ?
Wenn alle "Herrscher" von Klein- oder gar nur Stadtstaaten der letzten 4000 Jahre so "ärmlich" gedacht hätten, wie zumindest ansatzweise die besagten Landesherren, sähe die (politische) Landkarte schon seit langer Zeit mit Sicherheit völlig anders aus.

Das einzige, was tatsächlich für die Herrschaften 1803 ff. spricht, ist der jeweilige persönliche Opportunismus.

zu 4) Sicher hat es damals mangels eines konstitutionellen Systems noch kein "Budgetrecht" irgendeines Parlamentes im heutigen Sinne gegeben - die wenigen landesrechtlichen Ständeversammlungen können nicht gerechnet werden.

Aber wer absichtlich die Bestimmungen des Westf. Friedens aushöhlt bzw. ganz abschafft und dann noch Bestechungsgelder zahlt, um sich an den so geschaffenen Resultaten zu bereichern, hat schon einen merkwürdigen Ehrbegriff (und dabei hat doch gerade der Hochadel immer pingelig auf die Einhaltung des eigenen Ehrenkodex geachtet).

zu 5) Da zum damaligen Zeitpunkt alle dt. Staaten noch rein agrarisch aufgebaut waren bzw. größtenteils merkantilistisch strukturiert waren, konnte es dem einzelnen Bauern egal sein, auf welchem der neu formierten Territorien seine Scholle lag.
Hat aber der "neue" Landesherr vorher kräftig in die Schatulle gegriffen, durften dann die Untertanen ran - das Schmuckkästchen der "Landesmutter" blieb im Regelfall unangetastet - daher auch die schon in der ersten Hälfte des 19. Jh. auffällige Staatsverschuldung in bestimmten Ländern.

zu 6) Die Frage nach möglichen Alternativen zu stellen, fällt natürlich aus heutiger Sicht einfacher als vor über 200 J.
Doch hätten die "Mittelstaaten" nicht schon 1795 (Separatfrieden zu Basel) nicht etwas ahnen können ?
Der Begriff alternativlos macht die Sache nicht besser....

zu 7) Wenn der zit. Autor von Würdelosigkeit spricht, kann ich dies sehr wohl nachvollziehen; nein im dort genannten Kontext wäre sogar "ehrlos" angebracht: Es ging ja nicht nur um das Feilschen an sich, sondern dass tw. noch vor rechtskräftigem Abschluss der "Verhandlungen" schon neue/künftige Gebiete besetzt wurden.

Das bezeichnende Bild vom "Erfurter Fürstentag" Herbst 1808 mit den "aufgeputzten Pudelhunden" (als die sie von N. dem Zaren vorgeführt wurden) ist bekannt und zeigt den Tiefpunkt dieser Erniedrigung.
Wobei sich natürlich dann auch die Frage stellt, ob es klug v. Kaiser der Franzosen war, dieses überhebliche Schauspiel aufzuführen - echte Freunde macht man sich damit nicht wirklich.

zu 8) Unbestritten.
Aber dennoch kein Grund, dass jeder der hohen Herrn geradezu gedankenlos mitgespielt hat - wo sich dann wieder die Frage nach möglichen Alternativen stellt.

Götz zum Gruß
 
Ich sehe, das Thema hat was Brisantes !

Zitat excideuil:
"Natürlich sind uns heute diese Vorgänge bekannt. Auszuschließen ist wohl, dass zur damaligen Zeit allgemeine Kenntnis herrschte, die zu einer Kritik an den Vorgängen führen hätte können."

Damit meinst du sicher die Bestechungszahlungen.
Das Gebietsgeschiebe dürfte ja wohl keinem entgangen sein.

Zitat excideuil:
„Im 18. Jahrhundert war, so hat man festgestellt, die Korruption sogar ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Viele Fürsten sparten damals an der Bezahlung ihrer Minister und Beamten, weil sie es für normal hielten, dass diese von allen möglichen Seiten, auch von auswärtigen Mächten, Geld erhielten, was ihre Politik nicht einseitig vom Geber abhängig machen musste, zumal sie oft von mehreren, auch entgegengesetzten Parteien Geld nahmen.“ [1/Seite 137]

Dann dürfte auch damals der Intelligenz klar gewesen sein wie der
Terretorienhandel wohl zustande gekommen war.
Daher würde ich nicht ausschließen das es "ätzende" Reaktionen gegeben haben muß. Stichwort Karrikaturenzeitalter.

Zitat Götz:
"Frankreich hat für die Kleinigkeit v. 60 Mio. Francs (keine Ahnung, welchen Umrechnungskurs man nun anlegen muss) die "Kolonie" an die USA verkauft.

Bei der "Unsumme" frage ich mich, ob in Anbetracht der damaligen Mentalitäten (zumindest auf französ. Seite) nicht ebenfalls kleine Aufmerksamkeiten ausgetauscht wurden, um den deal schnell und unkompliziert abzuwickeln."

Abgesehen davon das Frankreich hier etwas verkauft auf das es keinen Zugriff mehr hat (Englische Vorherrschaft auf See)
hat man sich damals wohl die Frage gestellt wie lange diese Kolonie bei dem prosperierenden Nachbarn wohl noch bei der Stange zu halten ist.

Das Bestechlichkeit zum Alltagsgeschäft gehörte ist nun hinlänglich geklärt
egal wie wir das heute bewerten
intressiert mich die zeitgenössische Kritik an diesem Reichsdeputationshauptschluss.

Grüsse, Geschichteleser
 
zu 3) Wie weit kann/darf "Staatsraison" zur Selbstknechtung führen ?
Wenn alle "Herrscher" von Klein- oder gar nur Stadtstaaten der letzten 4000 Jahre so "ärmlich" gedacht hätten, wie zumindest ansatzweise die besagten Landesherren, sähe die (politische) Landkarte schon seit langer Zeit mit Sicherheit völlig anders aus.

Das einzige, was tatsächlich für die Herrschaften 1803 ff. spricht, ist der jeweilige persönliche Opportunismus.
Ist das so? Oder müssen wir nicht feststellen, dass die Strukturen des HRRDN im betrachteten Zeitraum zumindest nahelegen, dass der Graf, Herzog, Kurfürst ... nicht mehr mit dem Schwert in der Hand um sein "Reich" kämpfen musste, weil wir befinden uns im "Absolutismus"? Sind dann nicht Mittel der Diplomatie eher zu erwarten als eine kleine Streitmacht, die angesichts der Großmächte nur ein Lächeln als Reaktion erwarten lassen könnte?
Und wenn Diplomatie, was nutzt das beste diplomatische Geschick, wenn die Diplomatie dem Gegenüber - auf Grund fehlender Macht - seinen Vorteil nicht verdeutlichen kann? Was haben denn Mittelstaaten denn für diplomatische Möglichkeiten, gerade wenn das wohlgefügte System plötzlich infrage gestellt wird? Zumal der Gegenüber vllt. Talleyrand heißt!
Ich bin daher sehr vorsichtig mit einer Verurteilung der deutschen Fürsten.
zu 6) Die Frage nach möglichen Alternativen zu stellen, fällt natürlich aus heutiger Sicht einfacher als vor über 200 J.
Doch hätten die "Mittelstaaten" nicht schon 1795 (Separatfrieden zu Basel) nicht etwas ahnen können ?
Der Begriff alternativlos macht die Sache nicht besser....
Selbst wenn, was hätte ein anklopfen in Wien denn gebracht? Doch nur Überforderung?
zu 7) Wenn der zit. Autor von Würdelosigkeit spricht, kann ich dies sehr wohl nachvollziehen; nein im dort genannten Kontext wäre sogar "ehrlos" angebracht: Es ging ja nicht nur um das Feilschen an sich, sondern dass tw. noch vor rechtskräftigem Abschluss der "Verhandlungen" schon neue/künftige Gebiete besetzt wurden.

Das bezeichnende Bild vom "Erfurter Fürstentag" Herbst 1808 mit den "aufgeputzten Pudelhunden" (als die sie von N. dem Zaren vorgeführt wurden) ist bekannt und zeigt den Tiefpunkt dieser Erniedrigung.
Wobei sich natürlich dann auch die Frage stellt, ob es klug v. Kaiser der Franzosen war, dieses überhebliche Schauspiel aufzuführen - echte Freunde macht man sich damit nicht wirklich.
Na, ja, das ist Ansichtssache. Ich nenne es Tatsachenschaffung. Großmächte machten es ähnlich: Alexander besetzte Polen, Preußen im Verlauf Sachsen, um auf dem Wiener Kongress die Verhandlungen in die gewünschten Bahnen zu leiten. Und diese Besetzungen erfolgten ohne, dass diesen Mächten diese Gebiete vertraglich zugesicht waren.

Keine Frage, die Fürsten in Erfurt machten keine ehrwürdige Figur, nur, es ist aus heutiger Sicht natürlich sehr leicht, eine Erbärmlichkeit festzustellen; nur, man kann nicht unterschlagen, jeder "Absolut" hatte sein Interesse und Glaskugeln gab es schon damals nicht. Und du sprichst es an, Napoleon verstand die deutschen Fürsten nicht als Partner, sondern nur als Vasallen.
zu 8) Unbestritten.
Aber dennoch kein Grund, dass jeder der hohen Herrn geradezu gedankenlos mitgespielt hat - wo sich dann wieder die Frage nach möglichen Alternativen stellt.
Gedankenlos mitgespielt? Glaubst du das wirklich? Sorry, gedankenlos empfinde ich die Aktivitäten des Ghz. von Baden nun nicht.
Und betrachte ich die Ergebnisse des Wiener Kongresses, dann hatte der Ghz. durchaus Erfolg: Im Nachgang der Revolution den Machtbereich vergrößert, mit der Restauration verteidigt.

Grüße
excideuil
 
Gab es
Kritik an der Umverteilung von Terretorien die ohnehin zum Reichsgebiet gehörten?
Denn ein gewisses übergreifendes "teutsches" Bewusstsein hat es ja schon gegeben, oder liege ich da falsch ?


In einem Satz: Die gebietsmäßigen Veränderungen, Verschiebung v. Staatsgrenzen usw. stießen tatsächlich beim „Volk“ auf eine gewisse Gleichgültigkeit (vgl. erneut Kimminich, Dt. VerfG, S. 289).


Selbst in den (knapp 20 J.) direkt von Frankreich besetzten linksrheinischen Gebieten gab es weder eine nennenswerte polit. Opposition oder gar bewaffnete Gegenwehr (im Sinne v. „Freiheitskampf“).
Ich meine jetzt nicht den literarisch erhöhten Schinderhannes (Curd Jürgens habe ihn selig – wer heute Abend die Verfilmung im BR zum x-ten Male bewundert hat) und ähnliche Räuberbanden; eine Bewegung wie in Tirol (Hofer) gab es meines Wissens nach nicht einmal ansatzweise.


Klingt banal - man arrangierte sich; und objektiv unbestreitbare Errungenschaften wie der code civil blieben sogar bis 1900 in vielen Regionen in Kraft !


Die Frage nach einem deutschen Bewusstsein wurde im Forum schon verschiedentlich diskutiert bzw. angeschnitten.
Also im hier maßgeblichen Zeitraum (1800 – 1806ff.) von einem ausgeprägten „Reichs“-Patriotismus zu sprechen, wird schwerlich gelingen.



Um die konkreten Fragen von „Geschichteleser“
(„intressiert mich die zeitgenössische Kritik an diesem Reichsdeputationshauptschluss.“ und
„Kennt jemand Quellen wo so etwas damals diskutiert wurde?“)


aufzugreifen, kann ich trotz Stöberns in meinen Bücherregalen nur wenig Neues bzw. Erhellendes beitragen.


Über die beiden bereits o.g. Werke (# 13) zur Dt. Rechts- bzw. Verfassungsgeschichte juristischer Autoren hinaus, habe ich lediglich noch bei E. Forsthoff, Dt. Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 3. Aufl., 1967, S. 68 f., allgemeine Aussagen zu „Bestechungsgeldern“ im Zusammenhang mit dem RDHS 1803 gefunden, ohne weitere Angaben – insbesondere zur Bewertung damaliger Zeitgenossen.


Was mich insofern auch etwas überrascht, dass viele Klassiker der Rechts- u. Verfassungsgeschichte (auch wenn ich jetzt die Neuerscheinungen gerade der letzten Jahre nur oberflächlich kenne) dieses schillernde Detail mit den Bestechungsgeldern gar nicht erwähnen.


Noch enttäuschter bin ich von einigen der „historischen“ Werke zur Dt. Geschichte bzw. konkret zum 19. Jh. (in der Hoffnung, dort gesuchte Hinweise auf zeitgenössische Stimmen zu finden).
Insbesondere bei Golo Mann hätte ich da mehr erwartet (beziehe mich auf seine „Dt. Geschichte des 19./20 Jhdts.“ bzw. seinen Beitrag in Propyläen Weltgeschichte) – Nichts Konkretes – nur Allgemeinplätze a´ la „Räuberei“.


Wo man bei den „wissenschaftlichen“ Werken der damaligen Zeit vielleicht fündig werden könnte, wäre einmal bei von Treitschke (Dt. Geschichte im 19. Jh.) oder ein mir bisher gänzlich unbekannter A.C. Gaspari, Der Deputations-Rezeß mit historischen, geographischen und statistischen Erläuterungen (2 Bde, 1803). Wer die Zeit und Gelegenheit hat......

Von den „literarischen“ Werken der damaligen Zeit könnte (ebenfalls nur eine Mutmaßung) Ernst Moritz Arndt (Geist der Zeit) interessant sein – Goethe mit Sicherheit nicht (bezogen auf 1803ff.)

Bei Schiller eventuell die Ballade „Der Graf v. Habsburg“ - bei von Kleist sein „Michael Kohlhaas“ - aber dann lediglich „sublimiert“ bzw. auf eine andere Handlungsebene übertragen – wobei v. Kleist
schon nachgesagt wurde, er habe die französ. Eroberer gehasst.

Polit. Kabarettisten (zur Not auch „comedians“) oder gar Enthüllungsjournalisten gabs halt damals alles noch nicht.
Die relativ wenigen „Medien“ um 1803 (wo man entsprechende Hellhörigkeit vermuten konnte) oder auch „satirische“ Künstler waren dann aber meist nicht so frei in ihrer Berichterstattung u. Arbeit.
Keine wirklich befriedigende Ausbeute – leider.


Götz zum sonntäglichen Gruß
 
Gedankenlos mitgespielt? Glaubst du das wirklich? Sorry, gedankenlos empfinde ich die Aktivitäten des Ghz. von Baden nun nicht.
Und betrachte ich die Ergebnisse des Wiener Kongresses, dann hatte der Ghz. durchaus Erfolg: Im Nachgang der Revolution den Machtbereich vergrößert, mit der Restauration verteidigt.

Grüße
excideuil


Also gerade beim genannten Beispiel Badens dürfen die verschiedenen Zeitabschnitte nicht vermischt werden.
Zum eigentlichen Zeitpunkt, auf den sich die Ausgangsfrage konkret bezieht – nämlich 1803 „RDHS“ - war Baden noch kein Ghz. - lediglich „Markgrafschaft“ - Ghz. erst ab 1806 (soll jetzt keine Beckmesserei sein).
Aber auch im Jahre des Herrn 1803 war der damalige Markgraf bzw. dann Kurfürst schon ein recht betagter Mann (knapp 75 J.). Die konkreten „Regierungsgeschäfte“ haben andere erledigt, z.B. der Minister v. Reitzenstein, so dass die eine oder andere „Kabinettsentscheidung“ vom Monarchen nur „durchgewunken“ worden sein dürfte – war ja seinerzeit nicht unüblich.

Da aber der alte Markgraf (und spätere Ghz.) 1811 verstarb, hatte er mit den Ergebnissen des Wiener Kongresses naturgemäß wenig zu schaffen =)

Sein Nachfolger galt aber gemeinhin als eher schwacher Regent.
Was ich damit sagen will:
Ich halte es für sehr optimistisch, wenn man den 1803 in „Amt u. Würden“ befindlichen Fürsten soviel Weitblick unterstellt, die Entwicklung bis 1815ff. abgeschätzt zu haben, um diese etwaigen künftigen Folgen bereits in die Politik des Jahres 1803 einfließen zu lassen – derart nachhaltigkeitsorientiertes Regierungshandeln („neu-politikerdeutsch“) würde mich bei den in Rede stehenden Fürsten der sog. „Mittelstaaten“ doch eher überraschen.

Jetzt will ich mich an meiner Formulierung (gedankenlos mitgespielt) nicht festbeißen, sondern als Versuch einer Erläuterung auf eine treffende Bewertung durch Golo Mann (Dt. Geschichte des 19./20. Jhdts., erw. Sonderausgabe 1966, S. 66 – 73) hinweisen, die eine Bandbreite unterschiedlichster Gesichtspunkte enthält:
„Eine kleine Zahl deutscher Monarchien, künstlich genug, um schwach zu sein, aber bodenständig und würdig genug, um den deutschen Stolz zu befriedigen, Planeten um die kaiserliche Sonne -das war der Plan; es gab der Lage der Dinge nach keinen besseren. Auch war die Auswahl der geretteten Dynastien nicht ungeschickt. In Ansehung der Vergangenheit hatte es seinen guten Sinn, daß Bayern als der größte der später sogenannten Mittelstaaten aus der Liquidation des Reiches hervorging; und selbst Württemberg, Baden und Hessen konnten sich historisch besser ausweisen als....“

„Die deutschen Fürsten kamen ihm gelegen. Sie schienen echt, legitim, sie hatten uralte Namen.
Sie waren dennoch seine Kreaturen, regierend über Kunststaaten, und hatten sich durch ihre Räubereien alle illegitim gemacht.“
„Es wird also nicht fruchten, die neuen deutschen 'Mittelstaaten' im Rückblick zu verurteilen, weil sie in der Franzosenzeit entstanden und aus französischem Geist. Unter ihren Gründern finden sich gewaltige und groteske Personen wie der erste König v. Württemberg, aber auch Menschen von hohem Rang;.... So ideenlos und gemein, wie Heinrich v. Treitschke wahr haben will, war diese Fürstenrevolution nicht. Einer mußte es am Ende machen...“.


Ich denke, bei sorgfältiger Betrachtung wird jeder sein Fünkchen Wahrheit entdecken.


Götz zum sonntäglichen Gruß
 
Und wenn Diplomatie, was nutzt das beste diplomatische Geschick, wenn die Diplomatie dem Gegenüber - auf Grund fehlender Macht - seinen Vorteil nicht verdeutlichen kann? Was haben denn Mittelstaaten denn für diplomatische Möglichkeiten, gerade wenn das wohlgefügte System plötzlich infrage gestellt wird? Zumal der Gegenüber vllt. Talleyrand heißt!
Ich bin daher sehr vorsichtig mit einer Verurteilung der deutschen Fürsten.


Na, ja, das ist Ansichtssache. Ich nenne es Tatsachenschaffung. Großmächte machten es ähnlich: Alexander besetzte Polen, Preußen im Verlauf Sachsen, um auf dem Wiener Kongress die Verhandlungen in die gewünschten Bahnen zu leiten. Und diese Besetzungen erfolgten ohne, dass diesen Mächten diese Gebiete vertraglich zugesicht waren.


Grüße
excideuil


Auch wenn ich befürchte, dass der Themenstarter über diesen Schwenk nicht gerade erbaut sein dürfte (da auch insoweit keine erhofften Primärquellen erschlossen werden), gehören die angeschnittenen Fragen doch zum Gesamtkomplex.


Der betroffene Themenkreis lautet „Recht/Gesetz“ im Spannungsverhältnis zu „Moral“ (oder auch persönl. Integrität) und „Real- u. Machtpolititk“ (Staatsraison).
Wie deutlich geworden sein dürfte, stelle ich als Ausgangspunkt die Frage nach der Rechtmäßigkeit bzw. des gesetzeskonformen Verhaltens.


Wird der Schwerpunkt auf „Tatsachenbeschaffung“ oder auf „politische Leichtgewichte“, die ihr Heil in der Diplomatie (Feilschen und Schmieren) suchten, gelegt, ist dieser Ansatz völlig in Ordnung – aber halt ein anderer.


Wenn wir die verschiedenen Ansätze nicht vermischen, kann jeder mit seiner Perspektive gut leben – im Gegenteil, man kann ja sogar noch was dazulernen :winke:



Ich verurteile die beteiligten dt. Fürsten tatsächlich insoweit, als sie während der gesamten Phase nach dem Diktatfrieden von Luneville (wer konnte es den Franzosen nach ihren milit. Erfolgen auch ernsthaft verdenken ?) sehenden Auges die Vernichtung der seit 1648 garantierten Rechte der Standesgenossen, die bei der Säkularisierung/Mediatisierung „auf der Strecke blieben“, zugelassen und ab Februar 1803 sogar offen daran mitgewirkt und deren Aushöhlung betrieben haben.


Aber als wären diese Vorgänge nicht schon „unfassbar“ genug (bezogen auf die jahrhundertelange Tradition der Reichsstände), haben genau diese Kriegsgewinnler des Frühjahrs 1803, ohne lange zu zögern, dieses neu gewonnene „Recht des Stärkeren“ in die Hand genommen, um schon ab Ende 1803 über einen Großteil der noch nicht mediatisierten Reichsritter herzufallen.
Willoweit, Dt. Verfassungsgeschichte, 4. A., S. 225, verwendet die Bezeichnung „chaotischer Rittersturm“. Der Zerfall der alten Rechtsordnung wurde von derartigen (Zeitpunkt: 1803/04) eindeutig rechtswidrigen Aktionen der „Mittelstaaten-Fürsten“ aktiv beschleunigt.
Man mag auch dies im Hinblick auf ein leichteres „handling“ für die 1806 ins Auge gefasste Gründung des Rheinbundes als taktisch gut begründbare Flurbereinigungsmaßnahme bezeichnen, ich wiederhole mich gerne: Dies basierte auch/erneut auf Rechtsbruch.


Eine umfassende Bewertung bietet R. Scheyhing, Dt. Verfassungsgeschichte der Neuzeit, S. 91:
„Keine Rücksichtnahme auf geschichtliche Besonderheiten, ein großes Einebnen ist die eine Seite der Reform; die Radikalität des Zugriffs erklärt sich aus dem Bestreben, historische Individualitäten möglichst rasch auszulöschen, um die Ergebnisse des großen Bereinigungsverfahrens seit 1804 politisch unangreifbar zu machen. Die allgemeine Unsicherheit der Besitzlage – auch auf Seiten der glücklichen Erwerber – gestattete keine föderalen Lösungen...
Die politische Situation rechtfertigt schwerlich die Härten und Mißgriffe anläßlich der Reformen, die zumeist nicht von der Sache gefordert waren. Oftmals fehlte hier die geschmeidige Hand, die unter Wahrung der Grundsätze dem Einzelfall sein Recht zu verschaffen weiß. Am weitesten gingen die Eingriffe kraft erlangter Souveränität da, wo das Regiment bislang nicht absolutistisch gewesen war. So wurde in Württemberg die Landschaft 1806 ihrer alten Rechte beraubt...“


In den von mir verschiedentlich zit. Fundstellen wird regelmäßig auf das sehr häufige Missverhältnis von Leistung – Gegenleistung hingewiesen; hält man sich dabei vor Augen, dass diese Situation nur deshalb entstehen konnte, weil die Kriegsgewinnler die (nunmehr alte bzw. überhohlte) Reichsverfassung ad absurdum geführt haben, wird man meinen Rechtsstandpunkt nachvollziehen können – man braucht ihn nicht zu teilen; ich weiss mich aber in guter Gesellschaft mit den „Rechts“-Historikern.


Ja – insoweit stelle ich sogar die grundsätzliche Legitimität der Herrschaft dieser neuen Mittelstaaten-Fürsten in Frage. Bei dem einen mehr, beim anderen weniger.


Wird dagegen der Schwerpunkt der Betrachtung/Perspektive auf die sog. „Realpolitik“ gelegt – wie gesagt, ein völlig zulässiger Ansatz – drängt sich aber doch irgendwann die Frage auf, wie weit die betr. Fürsten zu gehen bereit sein konnten (ohne völlig jede Glaubwürdigkeit zu verlieren – die „Typen“ mussten doch auch jeden Morgen/frühen Nachmittag in den Spiegel schauen können).
Anders herum:
Wenn nur das „Recht“ (richtig) ist, was dem Fürsten (Herrscher) nützt, dann lässt sich letzten Endes jede politische Maßnahme legitimieren – wozu gabs dann kurz vorher die „Aufklärung“ ?
Der Große Fritz als erster Staatsdiener – eine sich langsam etablierende „Beamtenethik“ usw. ???

Wie gesagt, unterschiedliche Denkansätze.

Nebenbei bemerkt kann ich mir im konkreten „Verhältnis“ - bezogen auf das Feilschen und Schmieren – des Kirchenmannes v. Dahlberg und dem (ehemaligen Bischof) Talleyrand, sofern man die in # 2 genannten Beträge (400.000 von v. Dahlberg) zugrunde legt und als wahr unterstellt - einfach nicht vorstellen, dass es zwischen „guten Katholiken“ nur den einen Weg (mit Bestechungsgeldern) gegeben haben soll, um einen Termin zwecks Aussprache zu bekommen.
Als wären hohe katholische Würdenträger immer nur auf schnöden Mammon aus.....
(Recht – Moral – Macht).


Und auf heutige Verhältnisse übertragen:
„Amigos“, „pfiffige Ideen“ und „Cleverle“ (aus dem Schwäbischen) oder 100.000-DM-Spenden auf Parkplätzen sind sozusagen „Alltag“ im politischen Business.


Götz zum sonntäglichen Gruß
 
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