Sumerisches Neujahrsfest

Babylonia

Mitglied
Das etwas andere Neujahrsfest



Neujahrsfeste wurden und werden in allen großen Kulturen gefeiert. In unserer westlichen Welt werden wir am 1. Januar das Jahr 2005 begrüßen. Mit Einführung des Julianischen Kalenders im Jahr 46 v. Ch. durch Julius Cäsar wurde der 1. Januar zum ersten Tag eines neuen Jahres bestimmt. Die Juden werden erst am 4./5. Oktober des kommenden Jahres das Jahr 5766 (nach der Schöpfung und vor Jom Kippur), die Moslems am 9./10. Februar das Jahr 1426 (gezählt werden die Jahre nach der Flucht Mohammeds – Hadschra- von Mekka nach Medina) begrüßen und die Chinesen feiern das Neujahrsfest variabel auf der Grundlage des Mondkalenders zwischen dem 21.Januar und 19. Februar eines Jahres – drei Wochen lang. Die Aufzählung ließe sich noch lange fortführen. Je nach Kulturkreis wurde und wird das Neujahrsfest unterschiedlich begangen.



Auch die Mesopotamier feierten ihr Neujahrsfest – fröhlich und ausgelassen, elf Tage lang. Rollsiegel, Weihplatten, Gefäße, Inschriften und Wirtschaftstexte zeigen, dass die Sumerer schon im 3. vorchristlichen Jahrtausend ihr Neujahrsfest feierten. In babylonischer Zeit werden solche Neujahrsfeste durch umfangreiche Ritualbeschreibungen, Königsschriften, Briefe und Andeutungen in literarischen Texten bezeugt.

In einem Ritualtext aus Assurbanipals Bibliothek erfahren wir, dass das Neujahrsfest nicht nur als Jahresbeginn, sondern in Wirklichkeit als Erneuerung aller Dinge, im Frühling – Ende März - gefeiert wurde. Im Lauf der Jahrtausende änderten sich die Namen der Götter und Fürsten als Hauptakteure des Festes, auch wurde das Zeremoniell erweitert; die Funktion des Neujahrsfestes, das die jährliche kultische Regeneration das Staates bedeutete, änderte sich nicht. Rituell wurde alles nachvollzogen, was mythisch als Kosmogenie, Theogenie und Anthropogonie – als heilige Ordnung, Störung dieser Ordnung und Wiederherstellung dieser Ordnung – erzählt wird.

Hauptzeremoniell des Neujahrsfestes war die Heilige Hochzeit, vollzogen durch Inanna (Ischtar), die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, und Dumuzi (Tummuz), dem Hirten, der durch die Liebesverbindung mit Inanna zum Fruchtbarkeitsgott wurde. Eine tragische Verbindung und eine rührende Liebesgeschichte, durch die Dumuzi dazu verdammt wird, sich den Aufenthalt auf Erden und in der Unterwelt halbjährlich mit seiner Schwester zu teilen. Im Frühling kehrt er aus der Unterwelt hinauf in das Liebesgemach des „Weißen Tempels“ in Uruk, wo er mit Inanna neues Leben zeugt, um im Herbst wieder in der Unterwelt zu versinken.

Im Weißen Tempel traf sich die Göttin mit ihrem Geliebten, so wollte es der Mythos. Später vollzogen es die Priesterfürsten mit ihren obersten Priesterinnen – die Inschrift auf einem 1936 in Uruk gefundenen Halsschmuck einer Priesterin beweist es. Das Brautgemach wurde von den Priestern prächtig hergerichtet, war es doch ihr eigenes Liebesnest: Der Raum wurde mit Zedernholz ausgeschlagen, die Wände mit Gold und Lapislazuli geschmückt. Neben dem Thron stand das goldene Bett mir edlen Decken und weichen Kissen. Gott und Göttin (eigentlich Fürst und Priesterin) wuschen und salbten sich mit wohlriechenden Ölen und Essenzen, legten kostbaren Schmuck an. Musik erklang, das erlesene Essen wurde serviert (Darstellung auf Weihplatten). Dann bestiegen sie das goldene Lager, umarmten sich und schenkten damit dem Land und den Menschen Fruchtbarkeit und Gedeihen für das ganze kommende Jahr.

Die Stellvertretung der Götter durch den Fürsten und die Priesterin machte das Zeremoniell für das Volk sichtbar und entsprach der lustbetonten Lebenseinstellung der Sumerer. Noch Herodot weiß von der Heiligen Hochzeit im späten Babylon zu erzählen. Anfangs legte man die Statuen von Gott und Göttin über Nacht auf das „Hochzeitslager“, um die „Vereinigung“ am folgenden Tag unter großer Anteilnahme von Festbesuchern und mit einem üppigen Bankett zu feiern. Die göttlichen Statuetten wurden auch „ausgeführt“, teils zu Lande auf einem Wagen, teils im Boot auf dem Fluss oder auf einem Kanal. So konnten sie anderen Göttern Besuche abstatten. Sie wurden freudig von langen Prozessionen der Einwohner, Sänger und Musikanten begleitet.

Für die Sumerer, Akkader, Babylonier oder Assyrer war es ein Fest voller Freude.



In diesem Sinne wünsche ich allen Mitgliedern und Ihren Familien einen freudigen Rutsch ins neue Jahr.



Quellen:

H. Uhlig, „Die Sumerer“, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach, 3. Aufl., 2003

M. Jursa, „Die Babylonier“, C. H. Beck- Wissen, München 2004-12-29

G. Hierzenberger, „Der Glaube in den alten Kulturen“, Topos plus, Kevelaer, 2003

B. Hrouba, Hrsg., „Der Alte Orient“, Random House, München 2003, Originalausgabe by Bertelsmann Verlag





 
Zurück
Oben