Thälmann und die Reichspräsidentenwahl 1925

A

amicus

Gast
Wie bewertet ihr Thälmanns Rolle bei der Wahl zum Reichspräsidenten im Jahre 1925?

1925 waren bei der Wahl zwei Wahlgänge notwendig, da kein Kandidat die erforderliche absolute Mehrheit erreichte.

Ergebnisse 1.Wahlgang:

Karl Jarres als Kandidat der DNVP und DVP knapp 39%
Otto Braun SPD 29 %
Wilhelm Marx Zentrum 14 %
Die restllichen 14% gingen auf Held, Hellpach (DDP), Ludendorff und Thälmann.

Die SPD zog in der Erkenntnis, dass sie allein keine Chance hatte, die Kandidatur von Otto Braun zurück und rief ihre Anhänger auf Wilhelm Marx zu wählen.


Die DDP tat das gleiche.

Aber auch die DVP und DNVP erkannten das Jarres über das Wählerpotential von DNVP und DVP hinaus keine guten Chancen hatte. Man nahm Jarres aus den Rennen und präsentierte den Tannenbergsieger Hindenburg.

Hindenburg war nach wie vor ungeheuer populär in der Bevölkerung, deshalb kam es darauf an, das die Linken sich auf einen Mann einigten. Das taten sie auch mit Wilhelm Marx, nur die KPD unter Thälmann weigerte sich, trotz gegenteiliger Weisung vom ZK in Moskau.

Ergebnisse 2.Wahlgang:

Hindenburg: 48, 3%
Marx als Kandidat der Linken: 45,3 %
Thälmann als "Zählkandidat": 6,4 %

Wenn Thälmann nun verzichtet hätte, darf man wohl davon ausgehen, das die KPD-Anhänger ganz gewiss nicht Hindenburg gewählt hätten, sonder entweder zu Hause geblieben wären oder den Kandidat der Linken.




Grüße
Amicus
 
Zuerst eine kleine Korrektur: Es kam von der Komintern, nicht vom ZK, in Moskau der Rat, nicht die Anweisung, nicht an der Zählkandidatur Thälmanns festzuhalten. Sorry!


Nachlesen kannst du das in der Propyläen Geschichte Deutschlands Band 8 "Die verspielte Freiheit" von Hans Mommsen auf Seite 245 bis 246.


Grüße
Amicus
 
Ich hab was gefunden:

Gerade die Reichspräsidentenwahlen 1925, in denen SPD und KPD gleichermaßen historisch gewachsenen Grundeinsichten ihres Klientel verletzten, demonstrierten diese Bezogenheit: Thälmanns aussichtslose Kandidatur und das Festhalten daran gegen den Rat der Komintern auch im zweiten Wahlgang stieß nicht nur innerparteilich - wie etwa in Hamburg - auf Opposition, auch ein beträchtlicher Teil der kommunistischen Wähler war nicht bereit, dieser Empfehlung zu folgen; gegenüber den Reichtagswahlen im Dezember 1924 verlor die KPD im ersten Wahlgang 31 % ihrer Stimmen. Zudem fand die Schlagzeile "Hindenburg von Thälmanns Gnaden", mit der der Vorwärts am 27. April 1925 aufmachte, starke Zustimmung; "in der breiten Masse der Arbeiterschaft gelten wir", so musste Ruth Fischer eingestehen, "als Verbündete der Reaktion, als Helfer des Hindenburg-Regimes."

Als Quellen werden genannt: Bericht des KP-Parteitages 1925, S. 173; Die monarchistische Gefahr und die Taktik der KPD, Berlin 1925, S. 7 ff., S. 66ff.
Zahlen bei Lenz: Wie Hindenburg Präsident der deutschen Republik wurde, in: Int. 8 (1925), S. 222.

Und das ganze habe ich aus: Mallmann, Klaus-Michael: Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung. Darmstadt 1996.
 
Und wieder ein paar neue Posten auf meiner Literaturliste ... interessant ist es, weil es einiges über die Autonomie der KPD im Allgemeinen und Thälmanns im Besonderen aussagt.
 
Amicus schrieb:
Ergebnisse 1.Wahlgang:

Karl Jarres als Kandidat der DNVP und DVP knapp 39%
Otto Braun SPD 29 %
Wilhelm Marx Zentrum 14 %
Die restllichen 14% gingen auf Held, Hellpach (DDP), Ludendorff und Thälmann.

Die SPD zog in der Erkenntnis, dass sie allein keine Chance hatte, die Kandidatur von Otto Braun zurück und rief ihre Anhänger auf Wilhelm Marx zu wählen.

Ergebnisse 2.Wahlgang:

Hindenburg: 48, 3%
Marx als Kandidat der Linken: 45,3 %
Thälmann als "Zählkandidat": 6,4 %
Hier ist mir etwas aufgefallen, nämlich die Einstufung von Wilhelm Marx (Zentrumspartei) als "Kandidat der Linken" im 2. Wahlgang.

Ich würde W. Marx, als Kandidat der Zentrumspartei, nicht plötzlich als linken Kandidaten bezeichnen, denn die damalige Zentrumspartei war in etwa vergleichbar mit der heutigen CDU.
Allerdings war Hindenburg dagegen ein Kandidat der Rechten.

Zu Thälmann würde ich folgendes sagen: Er war der Kandidat der KPD, also der extremen Linken und spielte bei der Wahl eine eher unbedeutende Rolle. Aus meiner Sicht ist es nicht sicher, ob wirklich viele KPD-Wähler W. Marx gewählt hätten, obwohl die Kommunisten immer propagiert haben: "Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler - wer Hitler wählt, wählt den Krieg". Wann und wie er wirklich an die Macht kam, wissen wir heute.
Insgesamt ist das auch wieder so eine - was wäre, wenn... - Debatte. Ist immer schwierig. ;)
 
Ich würde W. Marx, als Kandidat der Zentrumspartei, nicht plötzlich als linken Kandidaten bezeichnen, denn die damalige Zentrumspartei war in etwa vergleichbar mit der heutigen CDU.


Marx gehörte dem Zentrum an und war deren Kandidat, das ist richtig. Trotzdem kann Marx als der Kandidat des linken Parteienspektrums, nämlich der SPD und der DDP bezeichnet werden .

SPD und DDP haben nach dem 1.Wahlgang erkannt, das ihre Kandidaten nämlich allein keine Chance hätten. Deshalb haben SPD und DDP ihre Wähler aufgerufen, Marx zu wählen.
Das Zentrum ist nicht mit der CDU vergleichbar. Die CDU ist eine Volkspartei während des Zentrum eine konfessionelle Partei gewesen war und sich den primar den katholischen Wähler, katholischen Glaube, der Römisch-Katholischen Kirche verpflichtet fühlte.
Zu Thälmann würde ich folgendes sagen: Er war der Kandidat der KPD, also der extremen Linken und spielte bei der Wahl eine eher unbedeutende Rolle.

Mich interessierte ja auch eine Bewertung von Thälmanns Zählkandidatur, da er ohnehin keine Chance besaß und trotzdem an ihr festhielt.


Grüße
Amicus
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
...Das Zentrum ist nicht mit der CDU vergleichbar. Die CDU ist eine Volkspartei während des Zentrum eine konfessionelle Partei gewesen war und sich den primar den katholischen Wähler, katholischen Glaube, der Römisch-Katholischen Kirche verpflichtet fühlte...
Das ist mir bekannt. Jedoch meine ich, einmal gehört zu haben, daß sich die CDU in der Tradition der Zentrumspartei sieht (zumindest teilweise-möglicherweise besonders die südlichen Bundesländern?).


Amicus schrieb:
Mich interessierte ja auch eine Bewertung von Thälmanns Zählkandidatur, da er ohnehin keine Chance besaß und trotzdem an ihr festhielt.

Grüße
Amicus
Meine Bewertung der Thälmann´schen Kandidatur - ich würde sagen, obwohl er sicher auch gewußt haben wird, daß er keine Chance hatte, hielt er aus ideologischen Gründen an der Kandidatur fest. Er wird es politisch als nicht vertretbar angesehen haben, einen der anderen Kandidaten zu unterstützen.
 
Hinweis: Das Zentrum gibt es auch heute noch.

Der Thälmann muss ganz tolle Reden gehalten haben, zum Entsetzen seiner Freunde und zur Freude seiner Gegner.
Als in der KPD die mangelnde Akzeptanz bei den weiblichen Wählern beklagt wurde, soll er verkündet haben:

"Die Frauen sollten von den, dafür besonders geeigneten, unteren Organen bearbeitet werden."

Thälmann meinte natürlich Parteiorgane. (ich vermute, dass diese Erklärung nicht notwendig ist)

Grüße Repo
 
Meine Bewertung der Thälmann´schen Kandidatur - ich würde sagen, obwohl er sicher auch gewußt haben wird, daß er keine Chance hatte, hielt er aus ideologischen Gründen an der Kandidatur fest. Er wird es politisch als nicht vertretbar angesehen haben, einen der anderen Kandidaten zu unterstützen.

Ich denke mal, dass schon zu diesem Zeitpunkt die Komintern über Sinn und Zweck der Kandidatur entschieden hat.

Das ist mir bekannt. Jedoch meine ich, einmal gehört zu haben, daß sich die CDU in der Tradition der Zentrumspartei sieht (zumindest teilweise-möglicherweise besonders die südlichen Bundesländern?).
Eben nicht. Eine Neuauflage des Zentrums hätte im Süden keine Chance gehabt. Da sie nur "Katholen" gewählt hätten. Bis in die 70er hinein gab es dann den "Proporz" aber nicht nach Geschlechtern, nee nach Religion, aber das ist echt OT.

Grüße Repo
 
Hinweis: Das Zentrum gibt es auch heute noch.

Der Thälmann muss ganz tolle Reden gehalten haben, zum Entsetzen seiner Freunde und zur Freude seiner Gegner.
Als in der KPD die mangelnde Akzeptanz bei den weiblichen Wählern beklagt wurde, soll er verkündet haben:

"Die Frauen sollten von den, dafür besonders geeigneten, unteren Organen bearbeitet werden."

Thälmann meinte natürlich Parteiorgane. (ich vermute, dass diese Erklärung nicht notwendig ist)

Grüße Repo
Das kann ich aus erster Quelle bestätigen !
Seine "Fazination" als Redner war eher bei Hilfsarbeiter anzutreffen und hatte allenfalls die Qualität des "hervorragenden" Redners Walter Ulbricht :D .
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