Timur i Lenk

Sein letztes großes Ziel war China, und da er alt und fast blind war, lief ihm auch schon die Zeit davon.
Aber letztlich können wir nur spekulieren, was in ihm vorging.


Gerade das finde ich ja merkwürdig. Im hohen Alter widmet er sich von Anatolien aus China, obwohl ein Angriff auf Konstantinopel "sinnvoller" gewesen wäre, da er sich bereits bei Smyrna aufhielt und es von dort an nur mehr ein Katzensprung ist. Aber offensichtlich war Smyrna eine Art Draufgabe nach dem Sieg über die Osmanen, im Sinne von "Na wenn ich schon einmal da bin.."
 
Timur wollte Anatolien nicht wirklich unterwerfen, sondern nur die Macht der Osmanen brechen, indem er Anatolien mit türkischen Vasallenfürstentümern überzog. Nach Konstantinopel wäre es zwar geographisch nicht mehr weit gewesen, aber eine Belagerung hätte sich lange hinziehen können, die Stadt war also nicht so einfach im Vorbeigehen zu erledigen. Und dann? Was hätte er am Balkan überhaupt machen sollen? Verglichen mit den Reichtümern des Orients, Indiens und Chinas gab es am Balkan kaum etwas zu holen. China hingegen war sein letzter mächtiger Rivale, der ihm gefährlich werden konnte.
 
Ich meine Timur pflegte sogar recht freundschaftliche Beziehungen zu den Byzantinern, bzw. er hatte dem Kaiser doch sogar ein Brief geschrieben :fs:
 
Die Byzantiner unterhielten tatsächlich Kontakte mit Timur, und nach der Schlacht bei Ankara sandten sie ihrem "Retter" reiche Geschenke.
 
Bitte? Persien und das byzantinische Gebiet wurden ja nicht gerade mit Blumen erobert und auch in Persien gab es ständig Aufstände vor allem im heutigen Nordiran, die Revolte von Bābak Khorramdin, das Bündnis von Pirouz von Persien und der chinesischen Tang-Dynastie usw. also wohlwollend wurden die Araber ja nicht aufgenommen, obwohl die Sassaniden gut quälen konnten.

Es ging hier um einen Vergleich der arabischen Expansion im 7. Jh. mit Timur, der seine Eroberungen durch Anwendung gezielter Terrormaßnahmen verfolgte, denen ganze Landstriche und zahllose Menschen zum Opfer fielen. Dieser charakteristische Zug seiner Kriegs- und Beutezüge ist nicht vergleichbar mit der arabischen Expansion, die unzweifelhaft auch Krieg und Opfer bedeutete.

Das arabische Kalifenreich schuf allerdings im Gegensatz zum kurzlebigen Reich des hinkenden Timur bleibende kulturelle, gesellschaftliche, religiöse, architektonische und administrative Werte, förderte eroberte Gebiete, half bei einem Neuanfang und verhielt sich nicht wie Timur nur als Zerstörer und Terminator.
 
Es ging hier um einen Vergleich der arabischen Expansion im 7. Jh. mit Timur, der seine Eroberungen durch Anwendung gezielter Terrormaßnahmen verfolgte, denen ganze Landstriche und zahllose Menschen zum Opfer fielen. Dieser charakteristische Zug seiner Kriegs- und Beutezüge ist nicht vergleichbar mit der arabischen Expansion, die unzweifelhaft auch Krieg und Opfer bedeutete.

Das arabische Kalifenreich schuf allerdings im Gegensatz zum kurzlebigen Reich des hinkenden Timur bleibende kulturelle, gesellschaftliche, religiöse, architektonische und administrative Werte, förderte eroberte Gebiete, half bei einem Neuanfang und verhielt sich nicht wie Timur nur als Zerstörer und Terminator.

Da waren wir ja des öfteren bereits kontroverser Ansicht.

Die angebliche Auslöschung ganzer Gebiete oder Städte darf doch meist bezweifelt werden, da kaum ein Bruch in der Geschichte zu erkennen ist.
Vergleiche hinken bekanntlich immer, mir zumindest zeigt sich kaum ein qualitativer Unterschied der Eroberungszüge zu anderen in jener Zeit.

Und zum angeblich so kurzlebigen, kulturlosen Reich Timurs:
Buchara, Samarkand und Herat blieben über Jahrhunderte Kulturzentren, sind es eigentlich heute noch. Babur, der Begründer des Mogulreiches, war Timuride.
Mir ist völlig unklar, wie man die zentralasiatische Kultur der frühen Neuzeit derart ignorieren kann.
 
Es ging hier um einen Vergleich der arabischen Expansion im 7. Jh. mit Timur, der seine Eroberungen durch Anwendung gezielter Terrormaßnahmen verfolgte, denen ganze Landstriche und zahllose Menschen zum Opfer fielen. Dieser charakteristische Zug seiner Kriegs- und Beutezüge ist nicht vergleichbar mit der arabischen Expansion, die unzweifelhaft auch Krieg und Opfer bedeutete.

Da waren wir ja des öfteren bereits kontroverser Ansicht.

Die angebliche Auslöschung ganzer Gebiete oder Städte darf doch meist bezweifelt werden, da kaum ein Bruch in der Geschichte zu erkennen ist.
Vergleiche hinken bekanntlich immer, mir zumindest zeigt sich kaum ein qualitativer Unterschied der Eroberungszüge zu anderen in jener Zeit.

Sehe ich auch so. Man sollte sich nicht zu sehr auf die schriftlichen Quellen tendenziell feindlich gesinnter oder aber die "Leistungen" überhöhender Autoren verlassen.
Es lag nicht im Interesse Timurs, die angegriffenen Zivilisationen zu zerstören:

Die Verschleppung von Handwerkern und Künstlern durch Timur Lenk ist also letztendlich nur folgerichtig, sie ist nicht unbedingt ein Versuch, eine eigene Zivilisation aufzubauen, sondern an der angegriffenen Zivilisation teilzuhaben. Anstatt des Beutegutes nimmt man halt diejenigen mit, die die entsprechenden Werte schaffen können.

Es wäre im Übrigen eine Aufgabe der Siedlungs- und Landschaftsarchäologie Mittelasiens herauszufinden, ob Timur Lenk tatsächlich so grausam war, wie man ihm vorwirft.
 
Da waren wir ja des öfteren bereits kontroverser Ansicht.

Die angebliche Auslöschung ganzer Gebiete oder Städte darf doch meist bezweifelt werden, da kaum ein Bruch in der Geschichte zu erkennen ist.
Die Quellen sprechen da eine andere Sprache, wie du in der gesamten Sekundärliteratur nachlesen kannst. Sei doch so freundlich und zitiere eine Sekundärquelle, die deine Meinung vertritt.

Und zum angeblich so kurzlebigen, kulturlosen Reich Timurs: Buchara, Samarkand und Herat blieben über Jahrhunderte Kulturzentren, sind es eigentlich heute noch. Babur, der Begründer des Mogulreiches, war Timuride.

Dass Timur Handel, Gewerbe und Kunst förderte, weil er Gelehrte, Künstler und Handwerker gewaltsam (!) und planmäßig aus den eroberten Gebieten vor allem in seine Hauptstadt Samarkand umsiedelte, ist bekannt. Soll man diese gewaltsam herbeigeführte Kulturblüte in Samarkand wirklich als Errungenschaft und Timur als "Kulturmäzen" feiern? Im übrigen versiegte dieser künstlich hervorgebrachte Aufschwung bereits nach wenigen Generationen.
 
Wir verlassen uns hier viel zu sehr auf die Traditionsquellen und sollten uns lieber auf die Überrestquellen konzentrieren.
 
Wir verlassen uns hier viel zu sehr auf die Traditionsquellen und sollten uns lieber auf die Überrestquellen konzentrieren.

Es gibt es eine Fülle guter wissenschaftlicher (und populärer) Publikationen, die die Geschichte Tirmurs und seines Reichs anhand zeitgenössischer Schriftquellen und archäologischer Funde nachzeichnen. Der Grundtenor ist überall gleich oder ähnlich und es ist unsinnig, nun um jeden Preis eine andere Geschichtsschreibung künstlich zu konstruieren. Wir kennen solche Versuche, die lediglich darauf aus sind, Aufmerksamkeit durch eine konträre Blickrichtung zu erwecken, ohne dass indes die Quellen das hergeben. Nichts gegen neue Blickwinkel, sofern das quellenkritisch begründbar ist.

Da wir hier allerdings in erster Linie von der Sekundärliteratur leben, müssen wir uns auf das Urteil seriöser Geschichtsforscher verlassen, und es muss zu Denken geben, wenn ihre Urteile im wesentlichen einheitlich sind.
 
Ein Beispiel, das öfter angeführt wird, ist Isfahan.
Nach der Eroberung wurde die Stadt durch Timur mit Milde behandelt (!), aber nach einem Aufstand und der Ermordung seiner Steuereintreiber soll Timur die gesamte Bevölkerung ausgerottet haben.
Da mutet es seltsam an, dass Isfahan seine Bedeutung behielt, und etwas später Hauptstadt des Safawidenreiches wurde.
So ganz kann die Überlieferung da nicht stimmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gibt es eine Fülle guter wissenschaftlicher (und populärer) Publikationen, die die Geschichte Tirmurs und seines Reichs anhand zeitgenössischer Schriftquellen und archäologischer Funde nachzeichnen. Der Grundtenor ist überall gleich oder ähnlich und es ist unsinnig, nun um jeden Preis eine andere Geschichtsschreibung künstlich zu konstruieren. Wir kennen solche Versuche, die lediglich darauf aus sind, Aufmerksamkeit durch eine konträre Blickrichtung zu erwecken, ohne dass indes die Quellen das hergeben. Nichts gegen neue Blickwinkel, sofern das quellenkritisch begründbar ist.

Da wir hier allerdings in erster Linie von der Sekundärliteratur leben, müssen wir uns auf das Urteil seriöser Geschichtsforscher verlassen, und es muss zu Denken geben, wenn ihre Urteile im wesentlichen einheitlich sind.

Wer spricht hier von Künstlichkeit. Es handelt sich doch um ein altbekanntes Problem, dass die historiographischen Quellen meist editiert und viel bekannter sind, als Überrestquellen. Für die Antike und das europäische Mittelalter sind wir dank akribischer Wissenschaftler über das Stadium, auf die historiographischen Quellen angewiesen zu sein, glücklicherweise in weiten Teilen hinaus - zumindest indirekt über die Sekundärliteratur werden Überrestquellen dann nutzbar. Das Problem ist aber leider, dass die arabischen und persischen Quellen zu einem Großteil immer noch nicht über die Edition der historiographischen Hauptwerke hinaus sind und Überrestquellen so gut wie unbekannt - was im Übrigen auch daran liegt, dass es im islamischen Raum - trotz der verbreiteteren Schriftlichkeit - kaum so etwas wie Archive und damit kein Archivgut gibt.
 
Wer spricht hier von Künstlichkeit. Es handelt sich doch um ein altbekanntes Problem, dass die historiographischen Quellen meist editiert und viel bekannter sind, als Überrestquellen.

Da so ziemlich alle Historiker in Sachen "Timur" einer Meinung sind und die Quellen anscheinend eine eindeutige Sprache sprechen, bilde ich mir daraus eine Meinung. Ohne eigenen Einblick in die Quellen ist es doch unsinnig, eine Gegenmeinung zu vertreten und unseren hinkenden Freund plötzlich als strahlenden Glücksbringer anzusehen. Er scheint in der Tat selbst über das hinausgegangen zu sein, was damals an Grausamkeiten ohnehin üblich war.
 
Da so ziemlich alle Historiker in Sachen "Timur" einer Meinung sind und die Quellen anscheinend eine eindeutige Sprache sprechen, bilde ich mir daraus eine Meinung.

Sehr viel gibt es da ja nicht. Die gesamte Region ist doch noch ein relativ unbeschriebenes Blatt in der Geschichtsforschung, nur wenige, die sich wirklich intensiv damit befasst haben.
 
Ein Beispiel, das öfter angeführt wird, ist Isfahan.
Nach der Eroberung wurde die Stadt durch Timur mit Milde behandelt (!), aber nach einem Aufstand und der Ermordung seiner Steuereintreiber soll Timur die gesamte Bevölkerung ausgerottet haben.
Da mutet es seltsam an, dass Isfahan seine Bedeutung behielt, und etwas später Hauptstadt des Safawidenreiches wurde.
So ganz kann die Überlieferung da nicht stimmen.
"Etwas später" ist wohl nicht ganz zutreffend. Es waren zwei Jahrhunderte. (Überlege einmal, wie sich viele deutsche Städte in den letzten beiden Jahrhunderten entwickelt haben.)
Isfahan wurde bereits von den Timuriden wieder gefördert, und Abbas I., der die Stadt zu seiner Hauptstadt machte, baute sie gezielt aus, indem er Handwerker und Architekten in die Stadt holte. Vor allem aber siedelte er einen Großteil der Bevölkerung der Stadt Dschulfa nach Isfahan um.
 
Sehr viel gibt es da ja nicht. Die gesamte Region ist doch noch ein relativ unbeschriebenes Blatt in der Geschichtsforschung, nur wenige, die sich wirklich intensiv damit befasst haben.

Deutsche Monografien über Timur sind mir nicht bekannt, mal abgesehen von Tilman Nagel: Timur der Eroberer und die islamische Welt im späten Mittelalter. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37171-X. Ansonsten ist man auf enzyklopädische Werke angewisen.
 
"Etwas später" ist wohl nicht ganz zutreffend. Es waren zwei Jahrhunderte. (Überlege einmal, wie sich viele deutsche Städte in den letzten beiden Jahrhunderten entwickelt haben.)
Isfahan wurde bereits von den Timuriden wieder gefördert, und Abbas I., der die Stadt zu seiner Hauptstadt machte, baute sie gezielt aus, indem er Handwerker und Architekten in die Stadt holte. Vor allem aber siedelte er einen Großteil der Bevölkerung der Stadt Dschulfa nach Isfahan um.

Vor allem hatte die Stadt schon unter den schwarzen Hammeln Mitte des 15. Jhdts. wieder überregionale Bedeutung, der Darb-i-Imam-Schrein wurde 1453 errichtet. Als Abbas I. sie zur Hauptstadt machte, ist von 30.000 Handwerkern die Rede, die er dorthin holte. Allerdings soll die Stadt im 17.Jh. 600000 Einwohner gehabt haben.
 
Da so ziemlich alle Historiker in Sachen "Timur" einer Meinung sind und die Quellen anscheinend eine eindeutige Sprache sprechen, bilde ich mir daraus eine Meinung. Ohne eigenen Einblick in die Quellen ist es doch unsinnig, eine Gegenmeinung zu vertreten und unseren hinkenden Freund plötzlich als strahlenden Glücksbringer anzusehen. Er scheint in der Tat selbst über das hinausgegangen zu sein, was damals an Grausamkeiten ohnehin üblich war.

Es geht nicht darum, eine Gegenmeinung zu vertreten oder aus einem "Steppenhitler", wie er in diesem Thread schon genannt wurde, einen "strahlenden Glücksbringer" zu machen. Es gibt mehr, als immer nur die beiden Extreme. Und es geht um die Diskrepanz der erzählenden Quellen und dem Fortleben der angeblich entvölkerten Gebiete.

Was erzählen uns die Quellen, die nicht mit einer Aussageabsicht geschaffen wurden? Daher die Frage nach Dokumenten, die eben keine erzählenden Quellen sind mit der gleichzeitigen Problematisierung: Es gibt keine Archive, dementsprechend auch keine Archivalien, in dem Maße, wie wir das aus Westeuropa gewohnt sind.
Was aber sagen die fraglichen Siedlungshorizonte? Haben wir signifikante Zerstörungshorizonte? Haben wir eine Entdichtung der Siedlungen? Schrumpfen Siedlungen signifikant zusammen? Warum schrumpfen sie signifikant zusammen, weil die Leute enger aufeinander hocken, näher zusammenrücken, oder weil es größere Bevölkerungsverluste gibt? Daher die Frage nach Siedlungs- und Landschaftsarchäologie.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man sich dann noch anschaut, dass in den Berichten immer die gleichen Topoi auftauchen - so sind zum Beispiel die "Schädelberge" in Isfahan schon genauso von der mongolischen Eroberung Bagdads überliefert - so werden die Zweifel nicht kleiner.
 
Warum? Nur weil bestimmte Formen der Hinrichtung und ihrer Demonstration immer wieder auftauchen? Immerhin standen Mongolen und Timuriden in kulturellem Zusammenhang.

Zum Vergleich: Die besonders grausame öffentliche Hinrichtungsmethode des Pfählens war auch nicht eine Eigenart von Vlad Tepes, sondern existierte bereits in Mesopotamien und wurde auch von Procopius als Hinrichtungsmethode der Slawen beschrieben. Soll man daraus schließen, dass das Pfählen nur ein Topos ist, der in Wahrheit maximal einmal vorkam?
 
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