Titel und Anreden

Leo X.

Mitglied
1. Würde mich mal interessieren, welche Titel die (wichtigsten) Kaiser hatten. Z. B.
Wir, Soundso der Soundsovielte, von Gottes Gnaden Kaiser und allzeit Mehrer des Reiches, König von Soundso, Soundso und Soundso, Markgraf von diesem Land und Fürst von jenem Land

2. Wollrte ich fragen, welche Anreden die einzelnen Adligen hatten (z. B. Kurfürst Allerdurchlauchtigste Gnaden? Hochfürstliche Gnaden? Königliche Hoheit?)

Danke für eure Antworten!

Liebe Grüße
Leo
 
1.) Naja, würde reichen ein paar aus dem Mittelalter und der Neuzeit zu nehmen.

2.) Ja, das kenne ich. Aber das ist mir zu allgemein formuliert.
 
1. Nenne ein paar Namen und ich versuche dir entsprechende Titel zu suchen.

2. Was heißt zu allgemein formuliert? Was hättest du denn gerne?
 
Naja, ach dann ist egal...

Eigentlich alle Kaiser aus dem Mittelalter und fr. Neuzeit (z. B. Ferdinand II., Rudolf I., etc.)
 
Das Problem ist, dass Titel wechselten wie b3ei uns heute Hemden, alle paar Jahre kam einer hinzu oder abhanden.

Zu einigen Habsburger Kaisern findest du bei der Uni Wien etwas:
ferdinand II

Dies ist eine Sammlung des Wiener Hofstaates in der frühen Neuzeit (im 30-jährigen Krieg), inklusive den Hausherren Ferdinand II. und Ferdinand III.

Wobei man sagen muss, dass die Titel grundsätzlich offiziell in Latein gehalten waren und sich hier nur der Deutsche findet.
 
Hier Titles of European hereditary rulers findet man fast alles.

Ein paar Beispiele:

Heinrich VI. (1190–1197):

(July 1197) [16: vol.2; p.164]

Henricus sextus, divina favente clementia, Romanorum Imperator semper Augustus et Rex Siciliae

Friedrich II. (1212–1250):

(Sep 1226) [29: Band 2; p.19; Doc.# 19]

Fridericus secundus divina favente clementia Romanorum imperator semper augustus, Jerusalem et Sicilie rex

Wilhelm von Holland (1247/54–1256):


(Nov 1255) [13: Band 1; p.448; Doc.# 556]

Wilhelmus dei gratia Romanoram rex semper augustus

Adolf von Nassau (1292–1298):

(June 1293) [23: p.375; Doc.# 501]

Adolfus dei gracia Romanorum rex semper augustus

Ludwig IV. der Bayer (1314–1347):

(Aug 1329) [15: Abteilung 1; Band 2; p.124]

Wir Ludowig von Gots gnaden Römischer cheiser ze allen zeiten merer dez richs

Karl IV. (1346/47–1378):

(Oct 1355) [2: Band 8; p.262; Doc.# 321]
Karolus quartus divina favente clementia Romanorum Imperator semper Augustus et Boemiæ rex

Sigismund (1410/11–1437):

Wir Sigmund, von Gotes gnaden Romischer keiser, czu allen czeiten merer des Reichs, und czu Hungern, czu Behem, Dalmacien, Croacien etc. kunig

Friedrich III. (1440–1493):

(Nov 1481) [2: p.409; Doc.# 220]

Wir Fridrich von gots gnaden Römischer keiser zu allen czeiten merer des reichs, zu Ungern Dalmacien Croacien etc. künig, herzoge zu Österreich zu Steir zu Karnnden und zu Crain, herre auf der Windischen March und zu Portnaw, grave zu Habspurg zu Tirol zu Phirt und zu Kiburg, marggrave zu Burgaw und landgrave im Ellsass

Maximilian I. (1493–1519):

(May 1517) [29: Teil 2; p.247]

Wir Maximilian von gots gnaden Romischer kayser, zu allen tzeitten merer des reichs, in Germanien, zu Hungern, Dalmatien, Croatien etc. konig, Ertzhertzog zu Osterreich, Hertzog zu Burgund, zu Lottringk, zu Brabant, zu Steyr, zu Kernden, zu Crain, zu Limburg, zu Luxemburg und zu Gelldern, Lanntgrave zum Ellsass, Furst zu Schwaben, Phalltzgrave zu Habspurg und zu Henigew, Gefurster grave zu Burgund, zu Flanndern, zu Tirol, zu Görtz, zu Arthois, zu Hollandt, zu Seelandt, zu Phirt, zu Kiburg, zu Namur und zu Zutphen, Marggrave des heiligen Romischen Reichs, der Enns und zu Burgaw, herr zu Frieslandt auf der Windischen Mark, zu Mechrln, zu Portenaw und zu Salins &c.

Karl V. (1519–1556/58):

(Oct 1530) [24: p.297; Doc. Nn]

Wir Carl der Fünfft, von Gottes Gnaden, Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, in Germanien, zu Castilien, Arragon, Leon, beeder Sicilien, Hierusalem, Hungarn, Dalmatien, Croatien, Nauarra, Granaten, Tolleten, Vallenz, Gallicien, Majorica, Hispalis, Sardinien, Corduba, Corsica, Murcien, Giennis, Algarbien, Algestrien, Gibraltar, der Canarischen und Indianischen Inseln und Terrefirme, des Oceanischen Meers &c. Künig, Ertz Herzog zu Oesterreich, Herzog zu Burgundi, zu Loterick, zu Braband, zu Steir, zu Kerndten, zu Crain, zu Lymburg, zu Limburg, zu Geldern, zu Calabrien, zu Athen, zu Neopatrien und Würtemberg &c. Grave zu Habspurg, zu Flandern, zu Tyrol, zu Gerts, zu Barenien, zu Arthois, und zu Burgundi &c. Pfalz-Grave, zu Henigau, zu Holland, zu Seeland, zu Pfurt, zu Kyburg, zu Namur, zu Rosilien, zu Teritania, und zu Zitphen &c. Landgrave im Elsäß, Marggraue zu Burgau, Oristein, zu Goziani, und des Heiligen Romischen Reichs, Fürst zu Schwaben, Catalonia, Asturia &c. Herr zu Frießland, auf der Windischen Marck, zu Portenau, Biscaien, zu Salines, zu Mölln, zu Tripoli und Mecheln &c.

Ferdinand II. (1619–1637):

(July 1623) [72: Abtheilung II; p.195; Doc.# CXCI]

Wir Ferdinand der ander von gottes gnaden erwählter Römischer kaiser, zu allen zeiten mehrer des reichs, in Germanien, zu Hungarn, Bohaimb, Dalmatien, Croatien und Sclavonien könig, erzherzog zu Österreich, herzog zu Burgund, zu Braband, zu Steier, zu Kärnten, zu Crain, zu Luzenburg, zu Wurtemberg, Ober- und Nider-Schlesien, fürst zu Schwaben, marggraf des heiligen Römischen reichs, zu Burgau, zu Mährern, Ober- und Nider- Laussitz, gefürster grafe zu Habspurg, zu Tirol, zu Pfiert, zu Kiburg und zu Görz, lantgrafe in Elsass, herr auf der Windischen March, zu Portenau und zu Salins etc.

Karl VI. (1711–1740):

(Feb 1723) [47: p.315; Doc.# III, 5a]

Wir, Carl der Sechste, von Gottes Gnaden Erwehlter Römischer Kayser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, König in Germanien, zu Castilien, Arragon, Legion, beeder Sicilien, zu Hierusalem, Hungarn, Böheimb, Dalmatien, Croatien, Sclavonien, Navarra, Granaten, Toledo, Valentz, Gallicien, Maiorica, Sevilien, Sardinien, Corduba, Corsica, Murcien, Giennis, Algarbien, Algeziern, Gibraltar, der Canarischen und Indianischen Insulen, und Terrae Firmae und des Oceanischen Meers, Ertzhertzog zu Österreich, Hertzog zu Burgund, zu Brabant, zu Meyland, zu Steyr, zu Kärnten, zu Crain, zu Limburg, zu Lützenburg, zu Geldern, zu Wirttemberg, Ober- und Nieder Schlesien, zu Calabrien, zu Athen und Neopatrien, Fürst zu Schwaben, zu Catalonien und Asturien, Marggraf des Heil. Römischen Reichs, zu Burgau, zu Mähren, Ober- und Nieder Laussnitz, gefürsteter Graff zu Habspurg, zu Flandern, zu Tyrol, zu Pfird, zu Kyburg, zu Görtz und zu Arthois, Landgraff in Elsas, Marggraff zu Oristani; Graff zu Goziani, zu Namur, Russilion und Ceritania, Herr auf der Windischen Marck, zu Portenau, Biscaia, zu Molins, zu Salins, zu Tripoli und zu Mechlen

Karl VII. (1742–1745):

(Oct 1742) [22: p.IV; Doc.# B]

Wir Carl der Siebende, von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kayser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, in Germanien und zu Böheim König, dann in Ober- und Nieder-Bayern, wie auch der Obernpfalz Herzog; Pfalzgraf bey Rhein, Erzherzog in Oesterreich, des H. Rom. Reichs Churfürst, Landgraf zu Leuchtenberg etc. etc.


Franz I. (1745–1765):

(Oct 1758) [44: Band 50 (Jahr 1885), p.5]

Nos Franciscus Divinâ Favente Clementia electus Romanorum Imperator, semper Augustus, ac Germaniae et Hierosolymarum Rex, Dux Lotharingiae, Barri, et Magnus Hetruriae Dux, Calabriae, Geldriae, Montisferrati, in Silesia Teschenae, Princeps Carolopolis, Marchio Mussiponti et Nomenei, Comes Provinciae, Valdemontis, Albemontis, Zutphaniae, Saarwerdenae, Salmae, Falckensteinei, etc. etc.

Franz II. (1792–1806):

(Aug 1804) [86: Band II; p.266]

Wir Franz der Zweyte, von Gottes Gnaden erwählter römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, erblicher Kaiser von Oesterreich; König in Germanien, zu Jerusalem, zu Hungarn, zu Böheim, Dalmazien, Kroazien, Slavonien, Galizien und Lodomerien; Erzherzog zu Oesterreich, Herzog zu Lothringen, zu Venedig, Salzburg, Steyer, Karnthen und Krain; Grossfürst zu Siebenbürgen; Markgraf in Mähren; Herzog zu Wurtemberg, Ober und Niederschlesien, Parma, Plazenzia, Guastalla, Auschwitz und Zator, zu Teschen, zu Friaul und zu Zara; Fürst zu Schwaben, zu Eichstädt, Passau, Trient, Brixen, zu Berchtoldsgaden und Lindau; Gefürsteter Graf zu Habsburg, Tyrol, Kyburg, Görz und Gradiska; Markgraf zu Burgau, zu Ober- und Nieder-Lausnitz; Landgraf in Breisgau, in der Ortenau und zu Nellenburg; Graf zu Montfort und Hohenems, zu Ober- und Nieder- Hohenberg, Bregenz, Sonnenberg und Rothenfels, zu Blumeneck und Höfen; Herr auf der windischen Mark, zu Verona, Vizenza, Padua etc. etc.
 
Was die Anreden angeht, so wurden die letztgültig erst auf dem Wiener Kongreß (1814/15) festgelegt. Die dort festgelegten Formen gelten im Grunde bis heute.

Im Mittelalter wurden Könige als "Eure Hoheit" oder "Sire" angesprochen. Erst Kaiser Karl V. (1519–1556/58) hat für sich das Majestätsprädikat erkoren, da er meinte, ein Kaiser bräuchte auch eine über den Königen stehende Anrede. Freilich haben kurz darauf auch Franz I. von Frankreich (1515–1547) und Heinrich VIII. von England (1509–1547) begonnen, sich "Majestät" zu nennen. Die spanischen Könige beanspruchten diese Anrede ebenso. M. W. hat der Kaiser aber erst im Westfälischen Frieden (1648) das Majestätsprädikat des französischen Königs anerkannt. Das der spanischen Verwandtschaft erkannte man wohl bereits ab Philipp II. (1556–1598) an (Quellenverweise würde ich begrüßen, mir liegt gerade nichts vor).

Die Kurfürsten bekamen, soweit ich weiß, bereits von Karl IV. (1346/47–1378) die Anrede "Kurfürstliche Durchlaucht(igkeit)" zugestanden.

Herzöge erlangten erst im Laufe der Zeit das Prädikat "Durchlaucht". Früher war "Hochgeboren" üblich (wohl bis ins 17./18. Jh.).

Fürstlichen Grafen steht seit dem Wiener Kongreß das Prädikat "Erlaucht" zu. Die anderen müssen sich mit "Hochgeboren" begnügen.

Freiherren, Ritter, Edle und untitulierter Adel wird mit "Hochwohlgeboren" angesprochen, wobei es hier auch feine Unterschiede gibt ("Hoch- und Wohlgeboren" kam mir auch schon unter).

Die Rangfolge im Protokoll war eine sehr komplizierte Sache, die oft für Streit sorgte. Man denke nur an die Verhandlungen am Ende des Spanischen Erbfolgekrieges, wo ja der kaiserliche Bevollmächtigte und der Ludwigs XIV. auf Gleichrangigkeit bestanden, was die Friedensverhandlungen enorm in die Länge zog (ich glaube, man einigte sich dann darauf, daß beide gleichzeitig durch zwei verschiedene Türen den Verhandlungsraum betreten sollten). Das klingt heute affig, aber damals war das absolut essentiell.

Ein ähnlicher Fall war der Besuch des Mainzer Kurfürsten bei Kaiser Karl VI. in Wien 1731. Da war ganz genau festgelegt, wie viele Schritte dieser auf den Kaiser zu gehen mußte und wie viele der Kaiser auf ihn (natürlich sehr viel weniger).

Die protokollarische Rangfolge am kaiserlichen Hof in Wien war m. W. so, daß der spanische Botschafter den Vorrang vor allen anderen hatte (das kommt sicher daher, weil die Hauptlinie der Habsburger bis 1700 in Spanien regierte). Danach müßte der französisische Botschafter gekommen sein, danach der englische. An den anderen Fürstenhöfen Europas hatte freilich der kaiserliche Botschafter den Vorrang.

Auch wenn Philipp II. von Spanien in der 2. Hälfte des 16. Jhs. und Ludwig XIV. von Frankreich in der 2. Hälfte des 17. Jhs. fraglos die mächtigsten Herrscher Europas waren: protokollarisch standen sie immer hinter dem jeweiligen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Zeitlebens haben weder Philipp II. noch Ludwig XIV. diesen Zustand wirklich akzeptiert. Beide hatten Ambitionen auf die Kaiserkrone. So stand es in den 1580er/90ern sogar im Raum, Rudolf II., den Neffen Philipps, durch ihn zu ersetzen. Und der Sonnenkönig kandidierte 1657/58 ganz offiziell gegen Leopold von Habsburg, den späteren Leopold I. Noch in den 1680ern versuchte Ludwig XIV., den brandenburgischen Kurfürsten dazu zu verpflichten, ihn bei der nächsten Wahl eines Römischen Königs zu wählen. Infolge der reichsfeindlichen Politik des Sonnenkönigs ab spätestens 1688 war eine bourbonische Kaiserkandidatur allerdings zum Scheitern verurteilt (1690 wählte man vivente imperatore Joseph von Habsburg, alias Joseph I., Leopolds ältesten Sohn).
 
Kein Problem. Ich habe jetzt allerdings aus dem Stegreif rezipiert. Das ginge gewiß noch ausführlicher und genauer.

Was mir noch einfiel:

Der Fürst zu Schaumburg-Lippe (vermutlich auch Lippe und Reuß) hat die Anrede "Eure Hochfürstliche Gnaden" und der Fürst von Hohenzollern darf sich "Hoheit" nennen. Dasselbe gilt für die Herzöge von Hohenberg (österr. agnatische, morganatische Linie des Hauses Habsburg-Lothringen): 1900 Fürstentitel mit Prädikat "Fürstliche Gnaden", 1905 Prädikat "Durchlaucht", 1909 persönliches und 1917 schließlich erbliches Prädikat "Hoheit" für den regierenden Herzog in Primogenitur (die übrigen Nachkommen führten weiter den Fürstentitel mit Prädikat "Durchlaucht").

Fürst(erz)bischöfe durften sich "Hochfürstliche Gnaden" nennen (bei Salzburg weiß ich das jedenfalls) und Reichsfürsten nennen. Genau genommen ist "Fürst(erz)bischof" nur umgangssprachlich für "(Erz-)Bischof von N. N. und des Heiligen Römischen Reiches Fürst".

Bsp. Fürsterzbischof Colloredo von Salzburg:

Wir Hieronymus, von Gottes Gnaden des heil. Röm. Reichs Fürst und Erzbischof zu Salzburg, des heil. apostol. Stuhls zu Rom gebohrner Legat und Primas von Deutschland &c.

Nur ein einziges Mal, glaube ich, war ein Kurfürst gleichzeitig auch Kardinal, und zwar Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz:

Wir, Albrecht von Gots gnaden, der heyligen Römischen Kirchen des tittels Sancti Petri ad vincula priester, cardinal, des heyligen stuls zu Meintz und des stiefts Madgenburgk ertzbischof, churfuerst, des Heyligen Römischenn Reichs durch Germanien ertzkantzler und primas, administrator zu Halberstat, margkgraff zcu Brandenburgk, zcu Stettyn, Pomern, der Casuben und Wenden hertzog, burgkgrave zu Nuermbergk und fuerst zu Ruegen
 
Da muss man sich als z.B. Kammerdiener richtig auskennen, zumal auch noch verschiedene Anreden für bestimmte Ämter hinzukommen:

Nachdem die Erhebung des Ministers (bis dato Graf) Metternich in den erblichen Fürstenstand durch Franz I. bekannt wurde, "soll der Kammerdiener Metternichs, Giroux, seinen Herrn gefragt haben: "Werden Euer Hoheit den Rock anlegen, den gestern Exzellenz trug?"" [1]

Das nenne ich gut aus der Affäre gezogen. ;)

Grüße
excideuil

[1] Grobauer, Franz Joseph: Ein Kämpfer für Europa Metternich, Union Verlag, Wien, 1961, Seite 183
 
Zurück
Oben