Troia und der Untergang der Stadt

Rafael

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Gestern lief auf Phoenix eine Dokumentation, die sich damit beschäftigte, wann in der Geschichte mit List etwas erreicht wurde/zu erreichen versucht wurde.
Ein Beitrag in diesem Film widmete sich Troia und dem troianischen Pferd. Interessant fand ich hier die These eines Professors der Universität zu Tübingen, die besagt, obwohl Troia durch ein Erdbeben vernichtet worden sein soll - Risse in der Stadtmauer lassen darauf schliessen - , dass Homers Geschichte vom troianischen Pferd genau davon erzählt. Zunächst sei wichtig, dass in Troia selbst das Pferd sehr wichtig war (wirtschaftlich...), doch dann kommt der interessante Punkt: Da das Pferd ein Attribut für Poseidon war und dieser erstens gekränkt war, weil er beim Aufbau der Stadt seinen "Kollegen" nicht helfen durfte, und zweitens auch für Erdbeben zuständig war, soll das troianische Pferd ein Bild für das Erdbeben gewesen sein, das Troia vernichtete.

Hat jemand von euch die Doku gesehen und habe ich alles richtig verstanden? Was haltet ihr von der These?
 
Ich habe die Doku rein zufällig beim Durchschalten auch gefunden und bin dort hängen geblieben.
Im Großen und Ganzen ist deine Wiedergabe richtig. Nur das Motiv des Poseidons war nicht die Kränkung nicht beim Aufbau mitbeteiligt worden zu sein. Viel eher haben er und Phoibos Apollon gemeinsam die unbezwingbare Mauer erbaut. Nachdem er für diese und andere Dienste aber nicht entlohnt worden war, keimte in ihm die Feindschaft zu den Troern auf.


Eine Sache ist allerdings etwas seltsam gewesen: Einmal wurde - wie von dir ausgeführt - das Pferd als Metapher für das Erdbeben dargestellt. Ein anderes Mal wurde eindeutig auf die Bresche, welche angeblich noch heute gut zu erkennen sei, hingewiesen, die geschlagen werden musste, um das Holzpferd in die Stadt zu ziehen.
Beides wurde - wie so oft bei diesen Dokus - als Wahrheit dargestellt und nicht als zwei denkbare Thesen...
 
Danke H. von Salza für die Korrektur.

Und du hast Recht, es wurden wirklich beide Dinge so dargestellt, als würden sie sich nicht widersprechen. Ich meine die Bresche wurde sogar öfter erwähnt.
 
Achso, was ich von der These halte:

Das ganze Problem um Troja ist sehr kompliziert, denke ich.
Nach Expertenmeinung handelt es sich ja bei Troja VI um die Schicht, die in der Ilias-Zeit die aktuelle war - um ca. 1600-1500 v. Chr. zerstört bzw. aufgegeben, also noch bevor die Mykenische Kultur nach Kleinasien vorgedrungen war.
(Die beiden) Homer(s) schrieben ihre Werke bekanntlich zwischen 800 und 750 vuZ. Allein die zeitliche Lücke und damit auch die damit verbundene Überlieferungslücke ist so gewaltig, dass man nicht erwarten kann, realistische Darstellungen in Ilias und Odysee vorzufinden. Die Zeitdistanz ist nämlich meiner Meinung nach viel größer einzuschätzen als von unserer Zeit bis ins 13. Jh., aufgrund geringer oder überhaupt nicht vorhandener Schriftlichkeit und mehreren kulturellen Umbrüchen, die wir so seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden nicht mehr so erlebt haben (Mykenische Kultur, Hethiter, Seevölker, griechische Wanderungen, insbesondere für diesen Raum wichtig die ionische und v.a. die aiolische).

Ich stelle einfach mal eine eigene These auf, die möglicherweise auch nicht unrichtiger ist, als die gemeinhin bekannten: Vielleicht verquickt der Grieche Homer zwei oder mehrere größere, voneinander unabhängige, Ereignisse rund um die Siedlung Troja.
Möglicherweise gibt es so etwas wie ein latentes Trauma aufgrund des starken Erdbebens in der Region, dem auch Troja VI zum Opfer gefallen ist. Und später gab es vielleicht Scharmützel oder gar Kriege zwischen Aiolern und der Vorbevölkerung, aus der die aioloischen Griechen siegreich hervorgingen.
Der Volksglaube oder auch Homer selbst bildet eine Erklärung für ihren eigenen Sieg, der zu seiner Zeit natürlich auch schon recht weit in der Ferne liegt und zieht dazu auch den Willen der Götter (Poseidons und anderer) heran --> Die Ilias entsteht.


Hm, eigentlich wollte ich mit meinem Geschreibsel nur sagen, dass in der These vom Erdbeben/Poseidon/Pferd auch ein Körnchen Wahrheit liegen kann, wenn sie auch nicht den alleinigen Anspruch darauf haben darf - dazu gibt es einfach zu viel Unbekanntes. Und wer mag, der darf gerne beurteilen wie groß der Wahrheitsgehalt ist. Einige Professoren tun das ja ganz gerne - ich traue mir das nicht zu (und ohne grundlegend neue Erkenntnnisse eigentlich auch keinem anderen). :scheinheilig:
 
H. von Salza schrieb:
Ich stelle einfach mal eine eigene These auf, die möglicherweise auch nicht unrichtiger ist, als die gemeinhin bekannten: Vielleicht verquickt der Grieche Homer zwei oder mehrere größere, voneinander unabhängige, Ereignisse rund um die Siedlung Troja.

Höchstwahrscheinlich sogar. Mythenbildung ist einer der dynamischsten und lebendigsten Prozesse, das gilt für unsere Zeit (wo die Vielzahl der Dokumentationen die Kristallisation einer allgemeingültigen Fassung verhindert) wie für die damalige (wo der Begriff "Dokumentation" noch erfunden werden musste).
 
guten Tag liebe Freunde,

Manfred Korfmann, der anerkannte Fachmann und langjährige Ausgräber von Troja sagte in einem seiner letzten Vorträge:
"Meine Mitarbeiter und ich sprechen nicht über einen trojanischen Krieg."

Damit möchte er ausdrücken, es gibt keinerlei archäologische Beweise dafür.
Er sagte aber auch, daß es keine Widersprüche zwischen den Grabungsergebnissen und der modernen Homerforschung gibt.

Nimmt man Homer ernst, unter Berücksichtung eben der Ausgrabungen von Korfmann, kann das Troja eines wie auch immer hypothetischen homerischen Krieges nach derzeitigem Befund nur in der Schicht VII = VIIa, also nach
P.Mountjoy 1190/80 v.Chr. stattgefunden haben.

Ereignisse zu diesem Zeitpunkt können aber auch andere Ursachen haben.

mit freundlichem Gruß Max
 
H. von Salza schrieb:
Ich stelle einfach mal eine eigene These auf, die möglicherweise auch nicht unrichtiger ist, als die gemeinhin bekannten: Vielleicht verquickt der Grieche Homer zwei oder mehrere größere, voneinander unabhängige, Ereignisse rund um die Siedlung Troja.

Das Homer's Geschichte nicht einheitlich ist, hat die Sprachwissenschaft schon länger erkannt. So gibt es einige Verse, die definitiv älter als der Trojanische Krieg sind - falls damit die Zerstörung von Troia VI oder VIIa gemeint ist.
Diese Verse sind im homerischen Griechisch falsch, da Homer aber keine falschen Hexameter produziert - Annahme der Graecisten - hat man nach Erklärungen gesucht. Und eine gefunden: Manche der falschen Hexameter sind im Griechisch des 15./14. Jh. v. Chr. richtig und haben es irgendwie geschafft, bis Homer zu 'überleben'.
 
Rafael schrieb:
Ein Beitrag in diesem Film widmete sich Troia und dem troianischen Pferd. Interessant fand ich hier die These eines Professors der Universität zu Tübingen, die besagt, obwohl Troia durch ein Erdbeben vernichtet worden sein soll - Risse in der Stadtmauer lassen darauf schliessen - , dass Homers Geschichte vom troianischen Pferd genau davon erzählt. Zunächst sei wichtig, dass in Troia selbst das Pferd sehr wichtig war (wirtschaftlich...), doch dann kommt der interessante Punkt: Da das Pferd ein Attribut für Poseidon war und dieser erstens gekränkt war, weil er beim Aufbau der Stadt seinen "Kollegen" nicht helfen durfte, und zweitens auch für Erdbeben zuständig war, soll das troianische Pferd ein Bild für das Erdbeben gewesen sein, das Troia vernichtete.
Ich kenn den Zusammenhang zwischen Pferd und Erdbeben etwas andrs. Die Pferdeplastik war ein Geschenk für Poseidong, den Gott des Erdebebens (neben seiner Tätigkeit als Wellenaufrührer), weil er Trojas Mauern öffnete.
 
Ich meine mich wortwörtlich zu erinnern, dass der Professort sagte: "...Das Pferd als Attribut Poseidons...".
 
Ja, zumindest wurde das in der genannte Dokumentation so eindeutig gesagt.

Vielleicht verwechselst du das irgendwie mit der von Homer genannten Tatsache, dass die Achaier das Pferd der Pallas Athene weihten und die Troer es auch als ein Heiligtum derselben identifizierten, Themistokles?

P.S.: Das schwächt ja möglicherweise die Erdbebenthese mit der Verbindung Pferd --> Poseidon ab. Denn wenn Homer die Urspünge noch selbst bewusst gewesen wären, hätte er logischerweise den Poseidon als Empfänger des Opfers genannt. (?)
 
Zuletzt bearbeitet:
H. von Salza schrieb:
Vielleicht verwechselst du das irgendwie mit der von Homer genannten Tatsache, dass die Achaier das Pferd der Pallas Athene weihten und die Troer es auch als ein Heiligtum derselben identifizierten, Themistokles?
Nein, da habe ich nichts verwechselt. Es ist auch nur eine These. Neben den Göttern wird in ihr ja auch die Reihenfolge "Aufstellen des Pferdes", "Stadt einnehmen". geändert. Das Pferd taucht schließlich auch erst in der Odyssee auf, in der ist aber Athene sinnvoller als von Odysseus beschenkte.

@Raffael
Das Pferd an sich kenne ich auch als Attribut Poseidons, daher ist es sehr schlüssig ihm ein solches als Opfer hinzustellen. ODer meinte der Professor das "(Holz)pferd als Attribut des Poseidons"?
 
Themistokles schrieb:
Das Pferd an sich kenne ich auch als Attribut Poseidons, daher ist es sehr schlüssig ihm ein solches als Opfer hinzustellen. ODer meinte der Professor das "(Holz)pferd als Attribut des Poseidons"?

Es kam so rüber, als ob er das Tier Pferd als Attribut für Poseidon sah. Das Pferd sei ein Attribut für Poseidon, Poseidon sei für Erdbeben verantwortlich gemacht worden und so würde alles zusammenpassen, das Holzepferd als Grund für den Untergang Troias ist dann in diesem Fall das Bild für das Erdbeben durch Poseidon.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also der Holzgaul als symbolische Umschreibung und nicht als überproportioniertes Dankeschön. Eine andere These, als die die ich kenne. Aber auch schön. Gab es für Poseidon den Beinamen "Rossebändiger". Dann wird es nämlich so richtig schlüssig.
 
Das Schlimme an den Dokus ist, dass sie so spät kommen und ich dann müde nicht mehr alles fassen kann, sonst könnte ich vielleicht noch genauer berichten. ;)
 
in seinem buch "Troia und Homer" von dem renomierten wissenschaftler Joachim Latacz stellt er die theorie auf, dass das troianische pferd weder etwas mit götern noch mit metaphern, sondern mit einer "optischen täuschung" zu tun hat!
zitat:"da die troianischen stadtmauern an Höhe und Ausmaß so gewaltig waren, mussten die Belagerer einen riesigen Rammbock entwerfen, der auch noch das obere drittel der befestigungen erreichen konnte. um dies zu erreichen entwarfen die baumeister folgenden plan:die radachsen eines rammbockes normaler größe wurde so lang dem gemeinsamen mittelpunkt angenähert, bis der hängende "bock" auf der richitgen höhe lag.der so konstruierte rammbock hatte derart eng aneinander liegende radachsen, dass er den eindruck eines großen pferdes machte,welcher noch durch die schutzdächer verstäkrt wurde."
was haltt ihr davon?:grübel:
 
Angesichts der Tatsache, dass wir nicht wissen, ob die Belagerung von Troia überhaupt je stattgefunden hat, ist das nicht nur eine rein spekulative Theorie, sondern auch noch eine, die ihrerseits auf einer Spekulation aufbaut.
 
Manfred Korfmann, der anerkannte Fachmann und langjährige Ausgräber von Troja sagte in einem seiner letzten Vorträge:
"Meine Mitarbeiter und ich sprechen nicht über einen trojanischen Krieg."
Damit möchte er ausdrücken, es gibt keinerlei archäologische Beweise dafür.
Er sagte aber auch, daß es keine Widersprüche zwischen den Grabungsergebnissen und der modernen Homerforschung gibt. Nimmt man Homer ernst, unter Berücksichtung eben der Ausgrabungen von Korfmann, kann das Troja eines wie auch immer hypothetischen homerischen Krieges nach derzeitigem Befund nur in der Schicht VII = VIIa, also nach
P.Mountjoy 1190/80 v.Chr. stattgefunden haben. Ereignisse zu diesem Zeitpunkt können aber auch andere Ursachen haben.


Das Problem beim Trojanischen Krieg ist die fehlende zeitliche Übereinstimmung zwischen dem Ende des mykenischen Griechenlands und der Zerstörung Trojas.

Die trojanische Hochkultur findet sich unzweifelhaft in Schicht VI, die von 1700-1300 v. Chr. reichte. In dieser Zeit entstand die mächtige 8 m hohe Stadtmauer mit Befestigungsanlagen und großen Bastionen, zugleich war die Stadt so dicht besiedelt wie nie zuvor. Die Einwohnerzahl betrug nach Korfmann etwa 5000-10 000 Menschen, was für spätbronzezeitliche Verhältnisse hoch war. Dieses Troja VI ging um 1300 v. Chr. durch ein Erdbeben unter, was sich archäologisch anhand eingestürzter Mauern und anderer Hinweise recht eindeutig bestimmen lässt.

Im darauf folgenden Troja VII a reparierten die Bewohner die Schäden, besserten Mauern und Häuser aus und bewohnten die Stadt noch immer in großer Dichte. Dieses Troja fand sein Ende kurz nach 1200 v. Chr., also etwa um 1180, obwohl ich eine derart exakte Datierung kühn finde. Wie dem auch sei: Troja VII a fand sein Ende durch einen offensichtlich verlorenen Krieg, was sich anhand einer Brandschicht, ausgedehnter Zerstörungen und provisorisch verscharrter Toter nachweisen lässt. Dies könnte nun ein Resultat des Ereignisses gewesen sein, wonach alle suchen: der legendäre Trojanische Krieg.

Obwohl zahlreiche Forscher diese Hypothese vertreten, gibt es ein vertracktes Gegenargument: Als Troja VII a durch ein kriegerisches Ereignis ein Ende fand, nämlich um 1200 v. Chr., war nach Meinung der meisten Forscher Mykene und seine Palastkultur bereits durch die Invasion der Seevölker vernichtet. Insofern könnte es also keinen Krieg gegen Troja geführt haben.

Anhänger der Hypothese meinen, Mykene sei eben später vernichtet und Troja ein wenig früher zerstört worden, also vor dem Einbruch der Seevölker. Andere wiederum vertreten die Auffassung, Troja sei bereits in Schicht VI, die durch ein Erdbeben um 1300 v. Chr. ihr Ende fand, nur erobert worden. Das fehlen kriegerischer Einwirkungen erklären sie damit, dass es keine ghroßen Zerstörungen gegeben habe.

Last not least gibt es bis heute keinen unumstrittenen Nachweis für den Trojanischen Krieg. Zwar hat es Kriege um Troja gegeben, aber DER legendäre der Ilias ist uns noch verborgen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht ist der Illias eine Erinnerung an die Seevölkerinvasion, das Mykene auch davon betroffen war das wusste evtl. der Autor des Epos Jahrhunderte gar nicht mehr, sondern nur das die alte Stadt Illion von Seefahrern belagert und zerstört wurde.
Die Ägypter überlieferten doch eine Liste mit Stammesnamen der Seevölker, einige davon klingen wie griechische Stämme (Danäer, Archäer usw). Und der inzischen berühmte Hinweis aus den hethitischen Archiven über Piratenangriffe im Westen, lässt einen ähnlichen Schluss zu.
 
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