Vielleicht auch ne Generationenfrage? "Ältere" Semester mögen Hektor lieber, mit seiner Reflexion, mit seinem Verantwortungsbewußtsein, die Jüngeren werden sagen:
"Go Brad, go!! Mach die Trojaner platt! Cooler Body, Handtuch runter! Will Blut sehen! Gooiiler Move! Endlich mal kein Jammerlappen! Auja, Bodycount!"...
Na, na jetzt mach uns alte Säcke nicht älter, als wir sind. Es ist wohl eher eine Frage der Reife, als des Alters, denn auch Hektor sendet viele "stattliche Seelen der Heroen zum Hades hinab, machte sie selbst zur Beute, den Hunden und Vögeln zum Fraß". An Achilleus bewundere ich, daß er seinem Spleen, seiner Ehre, seinem Ego alles opfert, denn er kennt seinen Wert und weiß, daß er selbst bald sterben wird. Soviel destruktive Energie, die dann, als die Griechen wirklich in der Bredoullie sind, hofiert wird, wer wünscht sich das nicht, es ist herrlich destruktiv in seinem heroischen Nihilismus. Hektor aber ist eigentlich der psychologisch breiter angelegte Held. Homer hat auch viele Sympathien für ihn und die Begegnung Hektors mit Andromache und Astyanax, es ist, glaube ich im 6. Gesang, gehört mit zu den besten Passagen der Ilias. Hektor will sich mit Achilleus einigen, daß der Sieger die Rüstung nimmt, dem Leichnam aber ehrenvolle Bestattung zu gewähren. Hektor ist ein Soldat, Achilleus eher ein Gladiator. Er hat übrigens einen Gegenpart, der Hektor in vielem ähnlich ist: Patroklos. Er ist älter und reifer als Achilleus. Er ist der Einzige, der mäßigenden Einfluß auf Achilleus hat. Phoinix versucht das in der Gesandtschaft mit Aias und Odysseus auszunutzen, indem er Patroklos ersucht, noch mal mit dem Freund zu sprechen. Briseis und die anderen Sklavinnen schätzten seinen Gerechtigkeitssinn und auch die unsterblichen Pferde Achilleus, Xanthos und Balios weinen um ihn.. Er fühlt sich verantwortlich für die Griechen, und das wird ihm schließlich zum Verhängnis. Hektor hat nicht einfach " nur einen Vetter" getötet, nein er, der Beste der Trojaner, hat den moralisch vollkommsten der Griechen getötet, und das kulminiert schließlich im Leitmotiv der Ilias, dem Zorn des Achilleus, der jetzt erst richtig zornig wird und am Ende, dadurch, daß er seinen Zorn mäßigt, seinem Gegner die Ehre erweist und die Einhaltung der Absprachen gegenüber Priamos garantiert, zum wirklichen, weil menschlichen Helden wird.
Homer und seine Nachfolger haben sehr viel von Psychologie verstanden, die Werke Homers sind wahrhafte Fundgruben, ebenso wie übrigens auch das Alte Testament.