Überlebensdauer 1. Weltkrieg

B

boritwer

Gast
Hallo!
Wie lange hat ein Soldat im 1. Weltkrieg durchschnittlich überlebt, speziell Verdun?

Gibt es dazu Zeitangaben?

Vielen Dank

Boritwer
 
Man kann solche statistischen Werte natürlich bilden, aber für mich stellt sich da immer auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Was habe ich von der Information, wie lange die durchschnittliche Überlebensdauer eines Soldaten in der Schlacht um Verdun war?

Verallgemeinern bzw. hochrechnen auf den ganzen Krieg kann man das eh nicht. Auch sollte man bedenken, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Soldaten wesentlich von seiner Funktion und seinem Einsatzbereich abhängig war (gut, Verdun ist da vielleicht eine Ausnahmesituation, von der es aber auch wieder einige geben dürfte) und vor allem auch von der Phase des Krieges.

Den höchsten Blutzoll (insbesondere bezogen auf bestimmte zeitliche Größen) forderte m. W. ohnehin nicht der Stellungskrieg, sondern der Bewegungskrieg/Vormarsch zu Kriegsbeginn, zumindest für die deutsche Seite. Dies wird immer wieder gerne vergessen. Aber wenn man bedenkt, wie ganze Infanterieeinheiten auf MG- und Artilleriestellungen losstürmen und diese letztendlich nur aufgrund der schieren Masse der Soldaten überrennen, kann man sich vorstellen, wie enorm die Verluste gewesen sein müssen.

Dagegen bot der Stellungskrieg bessere Überlebenschancen, zumal der Soldat dort nicht durchgängig an der vordersten Front war. Da gab es, wennich das richtig im Kopf habe, ein Rotationssystem bei denen die Einheiten abwechselnd "ganz vorne", in Reservestellungen (etwas weiter hinten) und in der Etappe (zur Erholung, wenn man den Begriff hier verwenden möchte), waren. Die Gefahr, durch Feindeinwirkung ums Leben zu kommen, war also nicht immer gleich hoch und dürfte sich auch nach den jweiligen Kriegsschauplätzen und Frontabschnitten unterschieden haben.

Viele Grüße

Bernd
 
Hi,

ich habe mich auch schon oft gefragt, wie sich diese Zahl zusammensetzt.

in einem Buch über Stalingrad bsplw. wird dort differenziert nach Dienstgraden.
Der einfache Soldat ist dort weit mehr gefährdet als z.b. ein Offizier.

Das Rotationssystem wurde soweit ich weis lediglich bei den Franzosen praktiziert, bei den Deutschen wurde nur normal "abgelöst" wenn Verluste und Auffrischung es nötig machten.

Das starke Erinnern an Verdun liegt hauptsächlich daran das hier der Wahnsinn des Kämpfens um ein paar Meter Schlamm am greifbarsten ist.
Ein Besuch in Verdun hilft mmn das nachzuvollziehen, mich hat das Gebeinhaus mit all den nicht identifizierten Toten nachhaltig beeindruckt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann solche statistischen Werte natürlich bilden, aber für mich stellt sich da immer auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Was habe ich von der Information, wie lange die durchschnittliche Überlebensdauer eines Soldaten in der Schlacht um Verdun war?

Nun , man stellte solche Statistiken nicht zur Information der Truppe
zusammen - es war Herrschaftswissen .......
Zu nutzen für Planungen des Zeitrahmens für " Ersatz " in den
Angriffsvorstellungen der Stäbe .....

Irgendwo habe ich mal gelesen , unter den Bedingungen der
Einsatzplanungen der Nationalen Volksarmee der DDR , dh.
" Vorwärtsverteidigung " gemeinsam mit den Kräften der " Bruderarmeen "
auf dem Territorium des " Feindes " ( Nuklerareinsätze berücksichtigt ) -
wurde die Überlebensdauer des NVA - Kämpfers mit 26 Stunden angenommen ......

Und es hat auch heute Relevanz .....man weiss ja , wo die Bundeswehr
eingesetzt wird ...
 
"Man kann solche statistischen Werte natürlich bilden, aber für mich stellt sich da immer auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Was habe ich von der Information, wie lange die durchschnittliche Überlebensdauer eines Soldaten in der Schlacht um Verdun war?..." von Cephalotus

Die Sinnhaftigkeit besteht für mich als Lehrer darin, meinen Schüler/innen den Wahnsinn von Verdun mit kalten Zahlen (Du lebst noch 14 Tage) zu verdeutlichen. Sicherlich plakativ, aber es hilft.

Herzliche Grüße und vielen Dank

boritwer
 
Irgendwo habe ich mal gelesen , unter den Bedingungen der
Einsatzplanungen der Nationalen Volksarmee der DDR , dh.
" Vorwärtsverteidigung " gemeinsam mit den Kräften der " Bruderarmeen "
auf dem Territorium des " Feindes " ( Nuklerareinsätze berücksichtigt ) -
wurde die Überlebensdauer des NVA - Kämpfers mit 26 Stunden angenommen ...
OT: Nun erschließt sich mir auch, warum zu meiner Armeezeit der Satz: "Die NVA müsse solange durchhalten, bis eine Armee da wäre (gemeint waren die Sowjets)" geläufig war.

Grüße
excideuil
 
Hi,

ich habe mich auch schon oft gefragt, wie sich diese Zahl zusammensetzt.


Ich mich auch. Kann man da überhaupt von einem wissenschaftlichem Verfahren sprechen?

Ab wann zählt die Zeit? Ab der Einberufung? Dem Transport an die Front? Mit der Ankunft im Schützengraben? Wird die Zeit gestoppt, wenn ein Soldat vorübergehend in die Etappe geht?

Wie kommen solche Zahlen zusammen? Sagen wir mal, zehn Soldaten rücken in den Schützengraben ein. Fünf sterben schon in der ersten Minute durch einen Artillerievolltreffer. Die anderen fünf werden nach 10 Stunden abgelöst.
Dann haben wir 5 Soldaten, die 0 Stunden überlebt haben und 5 Soldaten, die 10 Stunden überlebt haben. Im Schnitt hat also jeder der Zehn 5 Stunden überlebt.
Was sagt nun diese Zahl aus...?
 
In "Im Westen nichts neues" wird erwähnt, dass die Verluste unter den "neuen" Frontsolddaten besonders hoch waren. Ohne die Bedigungen des Grabenkrieges zu kennen stirbt es sich am schnellsten, und wenn man überlebt, bis man die gelernt hat, steigen die Chancen enorm.

Gut, sind die Berichte einer fiktiven Figur, beruhen mE aber auf persönlicher Erfahrung, nicht nur des Autors (Erich Maria Remarque).
 
Nun , man stellte solche Statistiken nicht zur Information der Truppe
zusammen - es war Herrschaftswissen .......
Zu nutzen für Planungen des Zeitrahmens für " Ersatz " in den
Angriffsvorstellungen der Stäbe ......

Könntest Du mal für die Verwendung dieser speziellen Kennzahl ein konkretes Planungsbeispiel aus den Stäben bringen?

Ähnlich wie Jacobum kann ich damit relativ wenig anfangen, bezogen auf den militärhistorischen Apsekt. Selbstverständlich wurden absolute Verlustzahlen bei Operationen stets "eingeplant", dafür auch entsprechende Vorbereitungen getroffen (Umfang von Reserven, Logistik der Versorgung, Lazarettplätze etc.). Durchschnitte wie eine solche zeitraumbezogene Kennzahl ergeben hier aber wenig Sinn, auch der Falkenhaynsche Abnutzungskrieg ging von Totalverlusten aus.

In Mode kam die Kennzahl Überlebensdauer/Zeiteinheit mE im Kalten Krieg der 1960/1970er mit der weiteren "Technisierung" des Schlachtfeldes, so nach dem Beispiel "Panzergrenadier-25 Minuten", jedenfalls im NATO-Jargon. Das bezog sich auf die Gefechtszeiten, wurde "von unten" durchaus zynisch verwendet, und stellte die Brutalität des Krieges dar.

In dem Sinne ist das sicher eine gute Idee von Boritwer, Schülern den Wahnsinn von Verdun verständlich zu machen. Genauso könnte man die absoluten Verlustzahlen plastisch machen, indem man sie zB mit der Größe der Heimatstadt vergleicht.
 
Könntest Du mal für die Verwendung dieser speziellen Kennzahl ein konkretes Planungsbeispiel aus den Stäben bringen?

Kann ich nicht , zumindestens nicht auf eine direkte Quelle bezogen.
Ich bezog mich auf ein Gespräch vor Jahren mit meinem Onkel, der 1941 als
Leutnant mehrfach verwundet wurde und danach im Ersatzheer lange eingesetzt
war - wohl in Munster ?
Sinngemäß sagte er , man wäre heftig überrascht gewesen , daß
die Einsatzzeiten bei Infanteristen und Panzerleuten 1941 /42
mehr als 3- fach abgesunken wären gegenüber 1940er Erfahrungen.
Deshalb nehme ich an , das derartige Kennzahlen im Ersatzheer
verwendet wurden .
 
...
In Mode kam die Kennzahl Überlebensdauer/Zeiteinheit mE im Kalten Krieg der 1960/1970er mit der weiteren "Technisierung" des Schlachtfeldes, so nach dem Beispiel "Panzergrenadier-25 Minuten", jedenfalls im NATO-Jargon. Das bezog sich auf die Gefechtszeiten, wurde "von unten" durchaus zynisch verwendet, und stellte die Brutalität des Krieges dar.
....

Zu Zeiten des Vietnam-Krieges hiess es, dass der LMG-Schütze eines Infanteriezuges nach Beginn des Feuergefechts eine Lebensdauer von maximal 30 Sekunden hätte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Sinnhaftigkeit besteht für mich als Lehrer darin, meinen Schüler/innen den Wahnsinn von Verdun mit kalten Zahlen (Du lebst noch 14 Tage) zu verdeutlichen.

Nun ein Beispiel aus der Realität verdeutlicht das auch ganz gut:

Das Infanterieregiment in dem mein Opa im ersten Weltkrieg diente hatte eine Sollstärke von 2470 Mann und eine Ersatzreserve in gleicher Stärke . Nach Einsätzen an der Somme und bei Verdun waren noch 12 Mann übrig. Fünf davon verstarben an den Kriegsfolgen innerhalb von 10 Jahren nach Kriegsende.

Die Überlebenden trafen sich übrigens bis in die Siebziger eimal im Jahr .
 
Das Infanterieregiment in dem mein Opa im ersten Weltkrieg diente hatte eine Sollstärke von 2470 Mann und eine Ersatzreserve in gleicher Stärke . Nach Einsätzen an der Somme und bei Verdun waren noch 12 Mann übrig.

Solche Beispiele erschuettern natuerlich immer wieder, besonders wenn man sie noch durch Erzæhlungen von Verwandten und Bekannten "greifbar" vor Augen hat.
Allerdings gibt es sie ja in der gesamten Geschichte des Krieges. Seien es die Spataner bei Marathon, Napoleons Alte Garde, die bei Waterloo stirbt, aber sich nicht ergibt, Picketts Angriff bei Gettysburg ("Kuemmern sie sich um ihre Division!" - "General Lee, ich habe keine Division mehr"), usw., usw.:

Es gab immer wieder Situationen, wo die Vernichtung von Einheiten in Kauf genommen werden musste, um ein bestimmtes taktisches Ziel (z.B. Deckung des Rueckzugs) zu erreichen.

Neu ist das im wahrsten Sinne des Wortes vorsætzliche "Verheizen" von ganzen Armeen ohne taktisches Ziel ("Blutpumpe"). Der Versuch des "Ausblutens" des Gegners als strategisches Ziel ist an Perversitæt kaum noch zu ueberbieten.
Aber auch die ernsthafteren Versuche, einen Durchbruch durch die Grabenstellungen zu erzielen, haben einen anderen Charakter als vorangegangene Kriege, aufgrund der gesteigerten Effizienz und Quantitæt der Waffen.
D.h. die vorangegangenen Beispiele aus der Militærgeschichte waren keine Einzelfælle mehr, sondern im 1.WK. fast schon die Regel.

Gruss, muheijo
 
@boritwer

Wie Du w.o. schriebst, bist Du Lehrer und möchtes Deine Schüler mit dem Grauen des I. WK konfrontieren.

Wenn Du die Zeit findest, kannst Du Dir die Berichte des Sanitätslorps der preußischen Armee hier anschauen:

Findbuch PH 22, "Sanitätseinrichtungen". Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv.

http://startext.net-build.de:8080/b...ndex.htm?kid=E486FB21310F43B4B20090CE93B34BBE

Oder noch deutlicher hier:

Anti-War-Museum Berlin

Die haben beeindruckende und erschütternde Bilder und Filme.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Neu ist das im wahrsten Sinne des Wortes vorsætzliche "Verheizen" von ganzen Armeen ohne taktisches Ziel ("Blutpumpe"). ....Aber auch die ernsthafteren Versuche, einen Durchbruch durch die Grabenstellungen zu erzielen, haben einen anderen Charakter als vorangegangene Kriege, aufgrund der gesteigerten Effizienz und Quantitæt der Waffen.
muheijo, da hast Du zweifelsfrei Recht, was hier stattfand war die Industrialisierung des Krieges , die mit teilweise antiquierten Taktiken wie Massensturmangriffen oder Stellungskrieg zusammentraf. (Mein Opa hat teilweise von ganzen Haufen von Toten vor Maschinengewehrstellungen berichtet- und das für 20 Meter Geländegewinn,der beim nächsten Gegenangriff wieder weg war. )
Was ich jedem empfehlen kann ist ein Besuch in Verdun oder bei Ypern, der führt einem den Wahnsinn erst richtig vor Augen.
Ähnliches erlebt man auch,wenn man von Bozen nach Verona wandert und durch die
Hauptkampfgebiete des Alpenkrieges kommt. Da wurde beim Monte Pasubio der gesamte Gipfel weggesprengt und um die Trümmer des Restberges weitergekämpft.
Taktisch wie strategisch absolut sinnlos.
 
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