Übernahme von Sprachen, Widerstand, Macht

Da hab ich doch gleich mal eine Frage an dich hyokkose und andere, welches mir immer noch ein kleines Rätsel ist:

Warum hat sich das Türkische meistens durchgesetzt?

Wie ist das zu erklären? Warum ausgerechnet das Türkische?

Was hätte es in Anatolien zu der zeit sonst sein können? Da gab es doch erst vor kurzem einige Antworten. Ich weiß allerdings nicht mehr wo, habe es nur am Rande gelesen. Soweit ich mich erinnere, so ähnlich wie mit ungarisch......:grübel:(hier hätte ich den "Asche auf mein Haupt"-Smiley brauchen können)

Das hat niemand behauptet. Nationale Identität und nationalistische Ideologie sind nicht dasselbe.
Ich wollte das nur klarstellen, etwas provokativ, sorry.
 
Warum hat sich das Türkische meistens durchgesetzt?

Hat es das?

Einige der von Dir zitierten Behauptungen sollte man erst mal auf ihre Richtigkeit überprüfen. Vor allem das hier:

Es gibt nur wenige Plätze, wo die von den Türken unterworfene Bevölkerung nicht türkisiert wurde.

Das ist doch eklatant falsch. Schauen wir uns mal die großen, von türkischen Dynastien begründeten Reiche an - von den Göktürken über die Seldschuken bis hin zu den Osmanen und Timuriden/Mogulen (die im Lauf der Zeit völlig enttürkisiert wurden - Babur hatte seine Autobiographie noch auf Tschagataisch geschrieben!) und die von ihnen unterworfene Bevölkerung:

Wurde Nordafrika (jahrhundertelang osmanisch) türkisiert? Wurden der syrisch-palästinensische Raum türkisiert? Die türkisch beherrschten Gebiete der arabischen Halbinsel? Mesopotamien? Der Iran? Afghanistan, Pakistan, Indien? Der Balkan? Die "innere" und "äußere" Mongolei?

Türkisiert wurden eigentlich fast nur die Steppengebiete Zentralasiens, die seit jeher sehr dünn besiedelt waren und wo ein paar -zigtausend berittene und gut bewaffnete Zuwanderer ein riesiges Gebiet kontrollieren und "besiedeln" konnten.

Darüber hinaus gibt es nur ein paar kleinere Ecken, etwa
im NW Iran (wo die Stämme stärker konzentriert waren) bis zum östlichen Transkaukasus
Ich würde davon ausgehen, daß auch in Anatolien eine größere türkische Bevölkerungskonzentration für die Türkisierung verantwortlich war.
Die bloße Beherrschung durch eine dünne Oberschicht führte, wie die von mir genannten riesigen Gebiete zeigen, auch nach Jahrhunderten der Beherrschung zu keiner Türkisierung.
 
Was hätte es in Anatolien zu der zeit sonst sein können? Da gab es doch erst vor kurzem einige Antworten. Ich weiß allerdings nicht mehr wo, habe es nur am Rande gelesen. Soweit ich mich erinnere, so ähnlich wie mit ungarisch......:grübel:(hier hätte ich den "Asche auf mein Haupt"-Smiley brauchen können)


Ich wollte das nur klarstellen, etwas provokativ, sorry.
Muss nicht Anatolien sein, z.b. auch im kulturell sehr hochstehendem Iran oder woanders. Siehe auch die Zitate aus dem Skript oben, leider wird dort kaum eine Erklärung nachgeliefert, oder Vermutung, warum die Türken sich nicht assimilierten, oder warum das Türkische andere Sprachen eher absorbierte, als andersrum, warum nicht Teile des Nahen Ostens oder Zentralasiens mongolisch, oder gar persisch-sprachig trotz dieser lingua franca wurden, sondern türkisch.

Tja, vielleicht hat ja hyokkose ne Idee? :winke:

EDIT: Oh, du hast ja schon geantwortet. In dem Skript findest du eine Fussnote mit eben deiner Ausnahme, nämlich z.B. Nordafrikas und des Balkans, die nicht türkisiert wurden.
Andere Bereiche, die türkisiert wurden, beinhalten hingewanderte türkische Populationen, eben in dem Raum von Syrien über den Irak, Iran, weiter nach nordosten. Auf der arab. Halbinsel gab es auch keine Wanderungen von Turkvölkern...

EDITEDIT: Ansonsten haste Recht, dieser Satz ist falsch, er müsste eher so lauten: "Es gibt nur wenige Plätze, wo Türken hingewandert sind und die autochthone Bevölkerung nicht türkisiert wurde."
Wohlgemerkt, oben im Zitat müsste es so stehen. Ich muss nochmal in den Scharlipp schauen, wo ich (glaube ich) ähnliches las. Vielleicht bekomme ich auch das Original-Zitat aus dem Golden heraus, wenn diese Frage nicht wieder einschläft.
Konkret krass, alder... ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meine mich zu erinnern, daß gerade diese für einen davor liegenden Zeitraum mehrfach und vehement negiert wurde. Demzufolge sei es eine "Erfindung" und überholt. :grübel:

Hier in dieser Diskussion? Mit der Suchfunktion komme ich da gerade auf keinen grünen Zweig.
 
Wie türkisch war die Türkei eigentlich vor dem Bevölkerungsaustausch?
Weniger türkischsprachig, genaueres ist mir grad entfallen, steht aber im Osm. Subforum was drüber. Oder wolltest du etwas aussagen, und nicht fragen?

@hyo: Nein, dass mit der Nationalen Identität muss in einem der Balkan-Diskussionen stehen, vielleicht in diesem einen Thread "Bosna..." den ich oben verlinkte?
 
Das Türkische war die Sprache der militärischen und politischen Elite in Zentralasien und breitete sich weit über ihre physischen Grenzen aus. Nicht-türkische Gruppen übernahmen die türkische Sprache ohne dass es damit auch zu einer Vermischung mit den Türken kam, zumindest in der Frühphase."

Türkisch war nicht einfach nur die Sprache der militärischen und politischen Elite in Zentralasien, sondern wurde von großen Teilen der Bevölkerung gesprochen. Welche nicht-türkischen Gruppen sollen die türkische Sprache übernommen haben? Hier werden keine konkreten Beispiele genannt.

Die Mongolen eroberten Eurasien, aber heute ist nur die Mongolei mongolisch in der Sprache und sogar hier, ist die Innere Mongolei in Gefahr ihren mongolischen Charakter zu verlieren.


Das lag daran, dass die Mongolen im Gegensatz zu den Türken wirklich nur wenige waren.

Es gibt nur wenige Plätze, wo die von den Türken unterworfene Bevölkerung nicht türkisiert wurde.


Das ist Unsinn. Nordafrika, der Nahe Osten, der Großteil des Iran oder Indien wurden nicht türkisiert.

Anderswo aber, in Anatolien, im NW Iran (wo die Stämme stärker konzentriert waren) bis zum östlichen Transkaukasus, den Niederungen des N-Kaukasus und besonders dem iranischen Zentralasien, turkisierten die Türken,
die oft in der Minderheit waren mit der Zeit die lokale Bevölkerung. Dies geschah nicht vorsätzlich. Es war keine Staatspolitik. Die vor-modernen Staaten benötigten keine linguistische Homogenität."


In Anatolien stellten die eingewanderten Türken schon im 13. Jh. die Bevölkerungsmehrheit. Sie waren also keine Minderheit.
 
Hallo,
zwecks besserer Verständlichkeit deines Postings: Du zitierst (in Fettdruck) von hier:
http://www.geschichtsforum.de/349924-post92.html
Und die dortigen Sätze sind Zitate von hier:
http://www.univie.ac.at/ksa/html/inh/stud/studmate_files/zentralas_0607/GesamtversionNewZas1_7.pdf

Das Türkische war die Sprache der militärischen und politischen Elite in Zentralasien und breitete sich weit über ihre physischen Grenzen aus. Nicht-türkische Gruppen übernahmen die türkische Sprache ohne dass es damit auch zu einer Vermischung mit den Türken kam, zumindest in der Frühphase."

Türkisch war nicht einfach nur die Sprache der militärischen und politischen Elite in Zentralasien, sondern wurde von großen Teilen der Bevölkerung gesprochen. Welche nicht-türkischen Gruppen sollen die türkische Sprache übernommen haben? Hier werden keine konkreten Beispiele genannt.
Das es von großen Bevölkerungsschichten gesprochen wurde, solltest du erstmal belegen. Und sagen, welche Zeit du meinst, denn mit der Westausdehnung der Türken, dürften anfangs eben nicht "große Bevölkerungsteile" eine Turksprache gesprochen haben.
Welche nichttürkischen Gruppen? Die vorher dort lebten. Vorm Eintreffen der Türken. Meist wohl indoeuropäische Sprachträger. Die Türken waren ja nicht von heute auf morgen in ganz Zentralasien verbreitet.
Es gibt nur wenige Plätze, wo die von den Türken unterworfene Bevölkerung nicht türkisiert wurde.

Das ist Unsinn. Nordafrika, der Nahe Osten, der Großteil des Iran oder Indien wurden nicht türkisiert.
Nein, das ist nicht Unsinn, und wird in den darauf folgenden Sätzen auch präzisiert. 1. Wird nichts über die Quantität gesagt, wie stark linguistisch türkisiert wurde. So wurde in Ungarn weniger türkisiert, wo die Osmanen nur ca. 150 Jahre herrschten, als in Bulgarien, wo sie 500 Jahre herrschten. Heute sind zwar nur noch wenige Reste der Türkisierung der Sprache vorhanden, da bei der Nationenbildung alle sprachliche Purifizierungsanstrengungen unternahmen, Anfang des 19. Jh. mag es anders ausgesehen haben. 2. Es kommt auch immer darauf an, wieviel Türken jeweils dort lebten. Wenn in Tunis nur eine Garnison von ein paar Tausend Mann stationiert war, dazu noch einige turkophone Händler, dann wirste dort eben kaum Turkisierung feststellen. Anders im Nordiran, die von vielen Türkenstämmen direkt durchzogen wurden, bei ihrer Völkerwanderung westwärts, und wieder zurück auch ostwärts. Ab einem gewissen Prozentsatz wirste eben verstärkte Turkisierung feststellen, und unterhalb dieses Satzes halt nur kaum feststellbare Turkisierung.
Auch spielen sicher lokale Gegebenheiten eine Rolle. So eiferten z.B. einflussreiche Familien in Syrien und Libanon den Istanbuler Hof nach, waren also sicher Kultureinflüssen inkl. Sprache gegenüber offener und konnten als Kristallisationskeime türkischen Spracheinflusses eher wirken, als irgendwelche Fellachen oder Kopten in Ägypten.
Anderswo aber, in Anatolien, im NW Iran (wo die Stämme stärker konzentriert waren) bis zum östlichen Transkaukasus, den Niederungen des N-Kaukasus und besonders dem iranischen Zentralasien, turkisierten die Türken, die oft in der Minderheit waren mit der Zeit die lokale Bevölkerung. Dies geschah nicht vorsätzlich. Es war keine Staatspolitik. Die vor-modernen Staaten benötigten keine linguistische Homogenität."

In Anatolien stellten die eingewanderten Türken schon im 13. Jh. die Bevölkerungsmehrheit. Sie waren also keine Minderheit.
Oh, nun sehe ich, dass du doch noch auf den folgenden Absatz eingegangen bist. Hast du irgendwelche Belege über die Prozentsätze in Anatolien im 13. Jh. und deiner Meinung, die Türken wären im 13. Jh. in der Mehrheit?
(Es gibt hier im Forum diverse Threads, wo wir darüber schon gesprochen haben und Lit.-Angaben gesammelt haben. Ich habe aber vergessen, ab welchem Jahrhundert vermutlich die Türken Anatoliens in der Mehrheit waren, wenn es überhaupt insgesamt möglich ist)
 
Das es von großen Bevölkerungsschichten gesprochen wurde, solltest du erstmal belegen. Und sagen, welche Zeit du meinst, denn mit der Westausdehnung der Türken, dürften anfangs eben nicht "große Bevölkerungsteile" eine Turksprache gesprochen haben.

Ich bezog mich auf die Neuzeit (ab. 15 Jh.), zu diesen Zeitpunkt wurde Türkisch bereits von großen Bevölkerungsteilen gesprochen. Die Westwanderung der Türken begann wahrscheinlich schon in der Spätantike. In den Steppengebieten Zentralasiens und Südrußlands war Türkisch bereits vor der Türkisierung Anatoliens, Transoxaniens und NW-Irans weit verbreitet. Auch wenn die türkischen Völker zu der Zeit wohl zahlenmäßig nicht so stark waren.

Welche nichttürkischen Gruppen? Die vorher dort lebten. Vorm Eintreffen der Türken. Meist wohl indoeuropäische Sprachträger. Die Türken waren ja nicht von heute auf morgen in ganz Zentralasien verbreitet.

Mir wäre es lieber gewesen, wenn der Autor konkret die Völker genannt hätte, die zur türkischen Sprachlichkeit gewechselt sind. Es kam durchaus vor, dass Sesshafte Bevölkerungen die türkische Sprache angenommen haben. Wie zum Beispiel in Transoxanien, wo ein Teil der iranischen Bevölkerung zur türkischen Sprachlichkeit gewechselt ist.


Nein, das ist nicht Unsinn, und wird in den darauf folgenden Sätzen auch präzisiert. 1. Wird nichts über die Quantität gesagt, wie stark linguistisch türkisiert wurde. So wurde in Ungarn weniger türkisiert, wo die Osmanen nur ca. 150 Jahre herrschten, als in Bulgarien, wo sie 500 Jahre herrschten. Heute sind zwar nur noch wenige Reste der Türkisierung der Sprache vorhanden, da bei der Nationenbildung alle sprachliche Purifizierungsanstrengungen unternahmen, Anfang des 19. Jh. mag es anders ausgesehen haben. 2. Es kommt auch immer darauf an, wieviel Türken jeweils dort lebten. Wenn in Tunis nur eine Garnison von ein paar Tausend Mann stationiert war, dazu noch einige turkophone Händler, dann wirste dort eben kaum Turkisierung feststellen. Anders im Nordiran, die von vielen Türkenstämmen direkt durchzogen wurden, bei ihrer Völkerwanderung westwärts, und wieder zurück auch ostwärts. Ab einem gewissen Prozentsatz wirste eben verstärkte Turkisierung feststellen, und unterhalb dieses Satzes halt nur kaum feststellbare Turkisierung.
Auch spielen sicher lokale Gegebenheiten eine Rolle. So eiferten z.B. einflussreiche Familien in Syrien und Libanon den Istanbuler Hof nach, waren also sicher Kultureinflüssen inkl. Sprache gegenüber offener und konnten als Kristallisationskeime türkischen Spracheinflusses eher wirken, als irgendwelche Fellachen oder Kopten in Ägypten.

Vielleicht hab ich den Satz auch nur anders verstanden. Ich hab den Satz so verstanden, dass fast überall, wo Türken geherrscht haben, die Bevölkerung weitgehend türkisiert wurde.
Oh, nun sehe ich, dass du doch noch auf den folgenden Absatz eingegangen bist. Hast du irgendwelche Belege über die Prozentsätze in Anatolien im 13. Jh. und deiner Meinung, die Türken wären im 13. Jh. in der Mehrheit?
(Es gibt hier im Forum diverse Threads, wo wir darüber schon gesprochen haben und Lit.-Angaben gesammelt haben. Ich habe aber vergessen, ab welchem Jahrhundert vermutlich die Türken Anatoliens in der Mehrheit waren, wenn es überhaupt insgesamt möglich ist)

Nach der Wissenschaft stellten die Türken bereits seit dem 13. Jh. die Bevölkerungsmehrheit in Anatolien.

»Anfang der 30er Jahre des 13. Jh. erhielten die nomadischen Türkmenen Anatoliens eine besonders bedeutsame Verstärkung: In Stammesverbänden, Gruppen oder als Einzelpersonen kamen zahlreiche Türken nach Kleinasien, die vor den Mongolen die Flucht ergriffen hatten. Unter den Flüchtlingen befanden sich nicht nur Oghusen, sondern auch Angehörige anderer Türkvölker, die später von den oghusischen Türkmenen absorbiert wurden. Diese permanente Einwanderung von Türken bewirkte, dass Anatolien sich in ethnischer Hinsicht zusehends veränderte: Schon vor dem Auftreten der Osmanen dürfte der türkische Bevölkerungsteil größer als der byzantinisch-armenische gewesen sein. Auch hinsichtlich des Zahlenverhältnisses von sesshaftem und nomadisierendem Bevölkerungsteil fand eine Verschiebung zugunsten der Nomaden statt. « (Matuz, Josef: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, 4., bibliographisch ergänzte Auflage 2006, S. 20)
 
Ich bezog mich auf die Neuzeit (ab. 15 Jh.), zu diesen Zeitpunkt wurde Türkisch bereits von großen Bevölkerungsteilen gesprochen.

Mir ist nicht klar, von welchen Bevölkerungsteilen du sprichst.

Turkisiert wurde - wie das lynxxx bereits sagte - nur ein ganz kleiner Teil des osmanischen Herrschaftsbereichs. Hierzu zählt in erster Linie die Bevölkerung Kleinasiens, die allerdings bereits schon seit der Schlacht bei Mantzikert im Jahr 1071 einem Turkisierungsprozess unterlag, der etwa 200 Jahre später abgeschlossen war. Bekannt und gut dokumentiert ist, dass die altkleinasiatische Bevölkerung die drückende Steuerlast des Byzantinischen Reiches nicht ungern mit der türkisch-seldschukischen Herrschaft tauschte, die trotz der Kopfsteuer für Christen weniger drückend war.

Die Westwanderung der Türken begann wahrscheinlich schon in der Spätantike.

Die Westwanderung von Turkstämmen begann im 10./11. Jh. mit dem Einbruch der Oghusen unter ihrem legendären Anführer Seldschuk und der Gründung des Großseldschukischen Reichs zunächst in Persien und anschließend im Raum des ganzen Nahen Ostens. Der Vorstoß der Seldschuken nach Kleinasien Ende des 11. Jh. (Schlacht bei Mantzikert 1071) und die Gründung des Reichs der Rum-Seldschuken ist nur ein kleiner Teil dieser Expansion, die auch das Abbasiden-Kalifat von Bagdad umfasste, dessen Kalifen die weltliche Oberherrschaft der Seldschuken anerkennen mussten, auch wenn sie symbolisch den Sultanen übergeordnet waren - pro forma!

Mir wäre es lieber gewesen, wenn der Autor konkret die Völker genannt hätte, die zur türkischen Sprachlichkeit gewechselt sind.

Wie ich bereits sagte: Eine Turkisierung in größerem Umfang gab es lediglich in Kleinasien, wo die autochthone altkleinasiatische Bevölkerung im Verlauf von etwa 200 Jahren von Turkvölkern assimiliert wurde und im Gefolge dieser Überschichtung den Islam annahm. Zu gewaltsamen Bekehrungen oder gezielten Turkisierungen ist es nach Ausweis aller Quellen nicht gekommen. Das schließt nicht aus, dass Teile der christlichen Bevölkerung diesem Prozess eine gewisse Zeit Widerstand geleistet haben

Zum Islam konvertiert sind im 16./17. Jh. auch beträchtliche Teile der bosnischen Bevölkerung, die diesen Glauben bis heute bewahrt hat . Ein Turkisierungsprozess war damit allerdings nicht verbunden.

Das gleiche gilt für etwa zwei Drittel der albanischen Bevölkerung, die ebenfalls zum Islam konvertierte, ohne indes "Türken" zu werden. Auch alle anderen Balkanvölker blieben christlich-orthodox, abgesehen von kleinen Bevölkerungsinseln im Bulgarien und Makedonien.

Auch im Nahen Osten und in Persien blieb die alte Bevölkerungsstruktur bestehen und nur in Indien konvertierten zur Zeit der Großmoguln einige Millionen Inder zum Islam, was sie auch heute noch bekennen. Türken hingegen wurden auch die nicht.
 
Mir ist nicht klar, von welchen Bevölkerungsteilen du sprichst..

Ich rede von den türkischen Bevölkerungsteilen in der zentralasiatischen Steppe, in Teilen Südrußlands, in Anatolien, Aserbaidschan und Nordwestiran, in Transoxanien und Osttürkistan.

Die Westwanderung von Turkstämmen begann im 10./11. Jh. mit dem Einbruch der Oghusen unter ihrem legendären Anführer Seldschuk und der Gründung des Großseldschukischen Reichs zunächst in Persien und anschließend im Raum des ganzen Nahen Ostens. Der Vorstoß der Seldschuken nach Kleinasien Ende des 11. Jh. (Schlacht bei Mantzikert 1071) und die Gründung des Reichs der Rum-Seldschuken ist nur ein kleiner Teil dieser Expansion, die auch das Abbasiden-Kalifat von Bagdad umfasste, dessen Kalifen die weltliche Oberherrschaft der Seldschuken anerkennen mussten, auch wenn sie symbolisch den Sultanen übergeordnet waren - pro forma!

Die Wanderung türkischer Stämme begann schon im Frühmittelalter. Lange bevor die Oghusen nach Anatolien migrierten, tauchten in Europa türkische Stämme auf. Wie zum Beispiel die Awaren, Protobulgaren und Chasaren. Auch die Hunnen waren nach Ansicht mancher Wissenschaftler ein türkisches Nomadenvolk.
Wie ich bereits sagte: Eine Turkisierung in größerem Umfang gab es lediglich in Kleinasien, wo die autochthone altkleinasiatische Bevölkerung im Verlauf von etwa 200 Jahren von Turkvölkern assimiliert wurde und im Gefolge dieser Überschichtung den Islam annahm. !

Mag sein, dass Teile der autochthonen Bevölkerung in Anatolien zur türkischen Sprachlichkeit gewechselt sind. Sie blieben aber bei ihrer alten ethnischen Identität. Auch wenn manche den Islam angenommen haben. Deine Behauptung, das Anatolien die einzige Region ist, wo eine nennenswerte Türkisierung einer ursprünglich nicht-türkischen Region stattgefunden hat, ist definitiv falsch. Auch in Transoxanien, Aserbaidschan und Osttürkistan wurde ursprünglich kein Türkisch gesprochen. Auch nicht im westlichen Zentralasien. Möglicherweise nicht einmal am Altai-Gebirge.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Wanderung türkischer Stämme begann schon im Frühmittelalter. Lange bevor die Oghusen nach Anatolien migrierten, tauchten in Europa türkische Stämme auf. Wie zum Beispiel die Awaren, Protobulgaren und Chasaren. Auch die Hunnen waren nach Ansicht mancher Wissenschaftler ein türkisches Nomadenvolk.

Wanderungen von Turkvölken gab es schon seit dem 4. Jh. mit Hunnen, Awaren, Protobulgaren, Petschenegen, Kumanen und zahlreichen anderen. Und wenn man den Hsiung-nu eine turkstämmige Identität zuerkennen will, dann gingen sogar schon 200 v. Chr. Wanderungen via Zentralasien Richtung Westen.

In unserem Kontext geht es aber um den Einbruch von Turkstämmen in die Staatenwelt des Vorderen Orients und die erfolgte im 9./10. Jh. mit den Oghusen unter Seldschuk und der Begründung des Großseldschukischen Reichs (s.o.).

Mag sein, dass Teile der autochthonen Bevölkerung in Anatolien zur türkischen Sprachlichkeit gewechselt sind. Sie blieben aber bei ihrer alten ethnischen Identität.

Das "mag nicht nur sein", denn die völlige Turkisierung der Bevölkerung Kleinasiens ist eine Tatsache. Einige wenige griechische Sprachinseln hielten sich am Küstenstreifen des Ägäischen Meers, während im übrigen Kleinasien die Türken die autochthone Bevölkerung überschichteten und assimilierten.

Eine solche Bevölkerung gibt ihre Identität auf, wie das unzählige Male weltweit geschehen ist. Und daher haben wir in Bayern auch keine Kelten mehr, im Nordirak keine Assyrer, in Ungarn keine Hunnen oder Awaren und in Serbien keine Illyrer. Alle diese Völker verschmolzen mit den Eroberern oder dem machtpolitisch führenden Volk.

Auch in Transoxanien, Aserbaidschan und Osttürkistan wurde ursprünglich kein Türkisch gesprochen. Auch nicht im westlichen Zentralasien. Möglicherweise nicht einmal am Altai-Gebirge.

Es geht hier doch um das Osmanische Reich und die Frage, ob die Osmanen in ihrem Herrschftsbereich eine Turkisierungspolitik betrieben haben. Und das haben sie eindeutig nicht. Wie ich oben schon schrieb, nahmen einige Balkanvölker wie die Bosnier und ein Teil der Albaner den Islam an, aber Türken wurden sie deshalb nicht. Kleine türkische Bevölkerungsinseln verblieben bis zum Ersten Weltkrieg in Mazedonien/Griechenland und Bulgarien. Der Türkisch-Griechische Krieg sorgte hier allerdings nach 1922 für einen Bevölkerungstausch.

Regionen we Aserbeidschan, wo sich Türken bereits seit dem 2. Jh. nachweisen lassen, sind alte turkstämmige Siedlungsgebiete, was auch für Transoxanien gilt. Wenn du allerdings den Türken lediglich ihre Ursitze am Altai zugestehen willst, dann musst du sie überall auf die Heimreise schicken - was allerdings für zahlreiche andere europäische Völker gleichemaßen gilt.

Eine interessante Idee! :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Das "mag nicht nur sein", denn die völlige Turkisierung der Bevölkerung Kleinasiens ist eine Tatsache. Einige wenige griechische Sprachinseln hielten sich am Küstenstreifen des Ägäischen Meers, während im übrigen Kleinasien die Türken die autochthone Bevölkerung überschichteten und assimilierten.

Eine solche Bevölkerung gibt ihre Identität auf, wie das unzählige Male weltweit geschehen ist. Und daher haben wir in Bayern auch keine Kelten mehr, im Nordirak keine Assyrer, in Ungarn keine Hunnen oder Awaren und in Serbien keine Illyrer. Alle diese Völker verschmolzen mit den Eroberern oder dem machtpolitisch führenden Volk.

Du hast da wohl die Armenier vergessen.

Regionen we Aserbeidschan, wo sich Türken bereits seit dem 2. Jh. nachweisen lassen, sind alte turkstämmige Siedlungsgebiete, was auch für Transoxanien gilt.

Für deine Behauptung, dass Türken in Aserbaidschan bereits seit dem 2. Jh. nachzuweisen sind, hätte ich gerne einen Beleg. Weder Aserbaidschan noch Transoxanien waren ursprünglich türkischsprachige Region.
Wenn du allerdings den Türken lediglich ihre Ursitze am Altai zugestehen willst, dann musst du sie überall auf die Heimreise schicken - was allerdings für zahlreiche andere europäische Völker gleichemaßen gilt.

Das verstehe ich jetzt überhaupt nicht. Warum sollte ich jemand auf „Heimreise“ schicken wollen? Welche Europäer kommen denn vom Altai? Ob die Urheimat der Türken überhaupt am Altai-Gebirge liegt, ist völlig unklar. Das die Urheimat der Türken aber in Asien liegt, ist Tatsache.
 
Zitat:
@Dieter ... Regionen wie Aserbeidschan, wo sich Türken bereits seit dem 2. Jh. nachweisen lassen, sind alte turkstämmige Siedlungsgebiete, was auch für Transoxanien gilt.

@lemming: Für deine Behauptung, dass Türken in Aserbaidschan bereits seit dem 2. Jh. nachzuweisen sind, hätte ich gerne einen Beleg. Weder Aserbaidschan noch Transoxanien waren ursprünglich türkischsprachige Region.

Lieber @Dieter, diese Nachfrage von @lemming möchte ich ausdrücklich unterstützen. Ich will mal zu deinen Gunsten annehmen, dass du die 1 vor der 2 versehentlich ausgelassen hast. :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich nehme mal an, das stammt aus dem deutschen Wiki-Artikel zur Geschichte Aserbaidschans:
"Erste türkische Volksgruppen lassen sich im späteren Aserbaidschan seit dem 2. Jahrhundert nachweisen, als dort der frühhunnische Volksstamm der Az auftauchte."
Diese Info habe ich allerdings in keinem der anderen Artikel noch mal gefunden. Und selbst wenn diese Az da gewesen sind, dann ist es schon sehr verwegen von früh-hunnisch auf türkisch zu schließen. Keiner weiß, was die Hunnen für eine Sprache hatten und frühe Hunnen sind dann vielleicht noch mal ein anderes Thema.
 
Ich nehme mal an, das stammt aus dem deutschen Wiki-Artikel zur Geschichte Aserbaidschans:
"Erste türkische Volksgruppen lassen sich im späteren Aserbaidschan seit dem 2. Jahrhundert nachweisen, als dort der frühhunnische Volksstamm der Az auftauchte."
Diese Info habe ich allerdings in keinem der anderen Artikel noch mal gefunden. Und selbst wenn diese Az da gewesen sind, dann ist es schon sehr verwegen von früh-hunnisch auf türkisch zu schließen. Keiner weiß, was die Hunnen für eine Sprache hatten und frühe Hunnen sind dann vielleicht noch mal ein anderes Thema.


Der Hunnenbegriff war nur eine Sammelbezeichnung für Reitervölker, ohne eine ethnisch-sprachliche Bedeutung zu besitzen. Wikipedia ist ohnehin kein Beleg.
 
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