Übersetzung eines § der Peinlichen Gerichtsordnung (1532) über den Kindermord

B

blobstar

Gast
Aus dem Artikel 131 der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. (1532):

[...] Item welches Weib jre kind, das leben vnd gliedmaß empfangen hett, heymlicher boßhafftiger williger weiß ertödtet, die werden gewohnlich lebendig begraben vnnd gepfelt, aber darinnen verzweifflung zuuerhütten, mögen die selben übeltaterinn ihn welchem gericht die bequemlicheyt des wassers darzu vorhanden ist, ertrenckt werden. [...]

Es geht um Folgen außerehelicher Beziehungen und Kinder. Diesen Text soll ich ins gegenwärtige Deutsch übersetzen. Dabei habe ich v.a. Probleme, Verben und Nebensätze den Personen so zuzuordnen, dass der Inhalt auch Sinn macht.

Kann jemand helfen und den Text übersetzen?
 
Der Text ist doch gar nicht so schwer. Gib doch mal deinen bisherigen "Übersetzungs"versuch hier ein und wir versuchen anhand dessen deine Probleme zu klären.

Edit: Ich erahne dein Problem, du fragst dich wahrscheinlich, wie der rot markierte Relativatz zuzuordnen ist, richtig?
welches Weib jre kind [...] heymlicher boßhafftiger williger weiß ertödtet, die werden gewohnlich lebendig begraben vnnd gepfelt,

Also ob der rot markierte Satz dem Weib oder jre Kind zugeordnet werden muss.
Grammatikalisch erscheint es auf den ersten Blick so, dass der Relativsatz sich auf jre Kind bezöge, weil sowohl das jre als auch das die werden morphologisch als Pluralia markiert sind. Sinnlogisch muss sich das die werden aber auf welches Weib beziehen und so würde ich das auch übersetzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Weib, welches ihr Kind heimlich und boshafterweise getötet hat, wird für gewöhnlich lebendig begraben und gepfählt. Die selben Übeltäterinnen sollen aber bei einem Gericht, bei welchem die Bequemlichkeit des Wassers dafür vorhanden ist, ertränkt werden.

Jetzt bleibt noch das:
1. Was habe ich in diesem Zusammenhang mit "Item" anzufangen?
2. Hat das Weib "das leben vnd gliedmaß [= das Kind] empfangen [vom Mann]" oder hat das Kind "das leben vnd gliedmaß empfangen [= erhalten/ geschenkt bekommen] [von seinen Eltern]"?
3.Wo ist "aber verzweifflung zuuerhütten" zuzuordnen und wie "zuuerhütten" am besten in gegenwärtigem Deutsch wiederzugeben?
 
"Item" bedeutet "ebenso, ebenfalls". Viele Artikel der CCC beginnen mit diesem Ausdruck, also im Sinne von: "ebenfalls soll bestraft werden, wer dieses oder jenes tut".

Das mit "leben vnd gliedmaß" bezieht sich auf das Kind. Gemeint ist damit, dass es sich um ein lebensfähiges und menschlich aussehendes Kind handelte. Völlig deformierte und nicht lebensfähige Kinder wurden von diesem Artikel also nicht erfasst.

"zuuerhütten" bedeutet wohl "zu verhüten", es soll also die Verzweiflung verhütet werden. Die genaue Bedeutung im Rahmen dieses Artikels ist mir leider auch nicht klar.
Insgesamt geht es im Artikel jedenfalls darum, dass Kindsmörderinnen im Normalfall lebendig begraben und gepfählt werden sollen, wenn aber in der Nähe des Gerichts ein Gewässer vorhanden ist, ertränkt. In Gegenden, in denen es besonders oft zum Kindsmord kommt, soll aber der abschreckenden Wirkung wegen trotz Gewässers das Pfählen und Lebendigbegraben zugelassen sein oder dass die Täterin vor dem Ertränken mit glühenden Zangen gequält wird.
 
Was haltet ihr von diesem Übersetzungsversuch:

Desweiteren soll ein Weib, das sein Kind heimlich und in boshafter Absicht tötet, in der Regel lebendig begraben und gepfählt werden, soweit das Kind lebte und Gliedmaßen hatte. Um aber Problemen vorzubeugen, mögen diese Straftäterinnen ertränkt werden, soweit in dem Bezirk des Gerichts die Möglichkeiten dazu gegeben sind.
 
Desweiteren soll ein Weib, ... in der Regel lebendig begraben und gepfählt werden

Ich bin nicht sicher, ob es das trifft. Die Constitutio Criminalis Carolina kodifiziert ja (erneut) hergebrachtes Recht und stellt einen Versuch dar, angewandtes Recht in geregeltere Bahnen zu lenken - was auch beinhalten kann, gängige und evtl. als zu hart bzw. willkürlich empfundene Rechtspraxis abändern zu wollen.

Hier das Zitat in einem größeren Zusammenhang:

131. Item welches weib jre kind, das leben vnd glidmaß empfangen hett, heymlicher boßhafftiger williger weiß ertödtet, die werden gewonlich lebendig begraben vnnd gepfelt, Aber darinnen verzweiffelung zuuerhütten, mögen die selben übelthätterinn inn welchem gericht die bequemlicheyt des wassers darzu vorhanden ist, ertrenckt werden. Wo aber solche übel offt geschehe, wollen wir die gemelten gewonheyt des vergrabens vnnd pfelens, vmb mer forcht willen, solcher boßhafftigen weiber auch zulassen, oder aber das vor dem erdrencken die übelthätterin mit glüenden zangen gerissen werde, alles nach radt der rechtuerstendigen.

Nach: http://www.llv.li/pdf-llv-la-recht-1532__peinliche_halsgerichtsordnung__carolina_.pdf

Das sieht mir eher danach aus, als wäre die bisher gängige (gewonliche) Strafe das Lebendig vergraben werden und Pfählen. Angesichts der Tatsache, dass dies zu zu viel "verzweiffelung" ausgelöst hat (denn sonst müsste dies nicht gesondert erwähnt werden), wird nun aber geraten, es beim Ertränken zu belassen. Gleichwohl werden gleich zwei Einschränkungen gemacht: In Gegenden, in denen diese Art Verbrechen "offt" vorkommen, könne man einerseits bei der hergebrachten Sitte bleiben. Andererseits müsse alles nach Rat der Rechtskundigen geschehen.

Vgl. auch: Constitutio Criminalis Carolina ? Wikipedia
 
die werden gewohnlich lebendig begraben vnnd gepfelt, aber darinnen verzweifflung zuuerhütten, mögen die selben übeltaterinn ihn welchem gericht die bequemlicheyt des wassers darzu vorhanden ist, ertrenckt werden.

Ich verstehe das so, dass hier durchaus auf die Motivation (Verzweiflung) der Frau eingegangen wird, die den Kindsmord begangen hat. Wenn eine Verzweiflungstat vorlag, sollte darauf Rücksicht genommen werden. Die Hinrichtung sollte deshalb weniger grausam erfolgen.

"die (Frauen) werden normalerweise lebendig begraben und (oder) gepfählt (es geht doch eigentlich nur eines von beiden), wenn darin (in dem Verbrechen) aber Verzweiflung zu erkennen ist, ( wenn die Tat aus Verzweiflung begangen wurde) sollen die selben Übeltäterinnen vor Gericht aus Rücksicht (bequemlicheyt für die Frau, also eine weniger grausame Hinrichtung) ertränkt werden. (Genug Wasser zum Ertränken sollte eigentlich überall zu finden sein.)
 
Ich verstehe das so, dass hier durchaus auf die Motivation (Verzweiflung) der Frau eingegangen wird, die den Kindsmord begangen hat. Wenn eine Verzweiflungstat vorlag, sollte darauf Rücksicht genommen werden. Die Hinrichtung sollte deshalb weniger grausam erfolgen.

"die (Frauen) werden normalerweise lebendig begraben und (oder) gepfählt (es geht doch eigentlich nur eines von beiden), wenn darin (in dem Verbrechen) aber Verzweiflung zu erkennen ist, ( wenn die Tat aus Verzweiflung begangen wurde)
Diese Deutung ist zwar inhaltlich durchaus naheliegend, aber der Originaltext gibt das mE einfach nicht her. "aber darinnen verzweifflung zuuerhütten" müsste man schon arg verbiegen, um zu dieser Deutung zu gelangen. Außerdem ist es vermutlich zu modern gedacht, wenn man das Vorliegen einer Verzweiflungstat als Milderungsgrund ansieht. Im Gegenteil, im Mittelalter wurde das eher als erschwerend gesehen, denn verzweifelt war die Mutter, die ihr Kind tötete, meist deshalb, weil sie es unehelich geboren hatte, was erst recht als strafwürdig galt. Das sahen die Verfasser der CCC vermutlich auch noch so, denn im weiteren Text des Art. 131 wird dann noch ausdrücklich betont, wie verwerflich es sei, ein unschuldiges Kind zu töten, um den eigenen leichtfertigen Lebenswandel zu vertuschen.
Wenn schon, dann sollte wohl eher die Verzweiflung der Frau über die grausame Art der Hinrichtung berücksichtigt werden, also im Sinne einer Milderung der Strafe gegenüber dem früher Üblichen, das jetzt als allzu grausam angesehen wurde. (Im Laufe des Mittelalters wurde die Kindstötung immer härter bestraft.) Wenn möglich, sollte die Frau also durch das Ertränktwerden milder bestraft werden als durch das (früher übliche) Pfählen oder Lebendigbegraben. Dazu würde dann auch passen, dass, wenn es aus Gründen der Generalprävention erforderlich erschien, trotzdem wieder die grausameren Hinrichtungsarten angewandt werden sollten.

sollen die selben Übeltäterinnen vor Gericht aus Rücksicht (bequemlicheyt für die Frau, also eine weniger grausame Hinrichtung) ertränkt werden.
Die "Bequemlichkeit" auf die "Übeltäterin" zu beziehen, gibt der Text mE vom Satzbau her nicht her. Die Bequemlichkeit bezieht sich eindeutig auf das Gericht, das Zugang zu einem geeigneten Gewässer hatte.
 
Unter Berücksichtigung des inzwischen dazu von anderen geposteten, würde ich meinen Übersetzungsversuch wie folgt ändern:

Desweiteren soll einE FRAU, DIE IHR Kind heimlich und in boshafter Absicht tötet, in der Regel lebendig begraben ODER gepfählt werden, soweit das Kind lebte und Gliedmaßen hatte. Um aber SCHWIERIGKEITEN ZU VERMEIDEN, mögen diese Straftäterinnen ertränkt werden, soweit in dem Bezirk des Gerichts die Möglichkeiten dazu gegeben sind.


- Frau statt Weib, weil ja heutiges Deutsch,
- Oder anstatt Und, weil hier wohl eine Alternative und nicht eine gleichzeitige Anwendung gemeint ist. In der Tat wird es nicht leicht sein, jemanden nach dem Pfählen noch lebendig zu begraben. Allenfalls könnte man jemanden erst lebend begraben, dann tot ausgraben und pfählen. Ich glaube aber auch nicht, dass das gemeint ist, obwohl es wohl tatsächlich immer mal wieder vorkam, dass man Tote gehenkt hat, was uns heute ja ebenso unsinnig erscheinen würde.
- Schwierigkeiten vermeiden anstatt Problemen vorzubeugen, weil es mir genauer erscheint.
 
Zurück
Oben