Übersetzung - wird eine Primärquelle eine Sekundärquelle?

Timestheus

Mitglied
Servus... ich habe aus reiner Neugierde eine Frage.

Primär & Sekundärquellen:
Im Gegensatz dazu sind Sekundärquellen im zeitlichen Abstand zu einem bestimmten Ereignis entstanden. Dabei geht es um im Nachhinein geschriebene Berichte, die sich mit einer Primärquelle kritisch auseinandersetzen. Sekundärquellen sind oftmals fachwissenschaftliche Literatur und von Historikern publiziert worden. Beispiel hierfür wären Historikerurteile zu den Ursachen der friedlichen Revolution 1989 im Kontext des “Mauerfalls” .

Primärquellen und Sekundärquellen - Geschichte kompakt

Soweit, so klar.

Aber - wenn Max Mustermann eine Primärquelle nimmt - sagen wir etwas von Cicero - und diesen Text des Cicero nun 1:1 Wort für Wort ins Deutsche übersetzt. Keine Kommentare, keine Randnotizen und kein kritisches auseinandersetzen! Rein nur eine 1:1 Übersetzung vom Lateinischen ins Deutsche!

Ist das Werk von Max Mustermann dann noch eine Primär- oder eine Sekundärquelle, wenn man die "deutschen" Sätze des Ciceros nimmt?

Danke ;)
 
wenn der Max gut (richtig) übersetzt hat, liegt eine Übersetzung einer Originalquelle vor, die man beim zitieren verwenden könnte, wenn er schlecht (falsch) übersetzt hat, ist derjenige, der Maxens Elaborat zitiert, in der Bredouille...
kurzum: Cicero ist die Primärquelle, Maxens Übersetzung ist eine (gute oder schlechte) Übersetzung der Primärquelle.
(eine "Tertiär"quelle ist eine Übersetzung von Maxens Übersetzung ins Portugiesische wohl nicht)
 
Traduttore traditore sagen die Italiener. Der Übersetzer ist ein Verräter. Will sagen: so gut eine ÜS auch ist, sie ist nie ganz genau. Weil eben nicht jedes Wort aus der Originalsprache 1:1 in die Zielsprache zu übersetzen ist. Mal ist in dieser, mal in jener Sprache ein Wort um Nuancen semantisch ärmer oder reicher.
 
Bei Historische Quellen kommt dann noch hinzu, dass die Überlieferungssituation differiert.
Z.B. Tacitus Annalen sind nur in zwei HSS (HS = Handschrift, HSS = Handschriften, auch MS und MSS für Manuskript(e)) überliefert, die sich nicht einmal decken.
Von Isidors Etymologien haben wir über 500 HSS aus dem MA erhalten (das in mittelalterlichen Klosterbibliotheken nach der Bibel häufigste Buch). Anhand einer solch breiten Überlieferung können wir Stammbäume erstellen und so versuchen, den Urtext zu rekonstruieren. Eine Regel ist: Desto flüssiger der Text zu lesen, ist, desto mehr redaktionelle Eingriffe hat er wahrscheinlich erfahren, sprich, wenn du zwei Varianten vorliegen hast und eine davon hat seltsamere Worte oder umständlichere grammatische Konstruktionen, dann ist diese wahrscheinlich die ungeglättete und (unabhängig vom Alter der Abschrift) die ältere Fassung. Wenn du zwei Abschriften hast und die eine Abschrift kannst du auf das Jahr 950 datieren und die andere auf das Jahr 1050, kann es also sein, dass die jüngere Abschrift doch näher am Originaltext ist. Manchmal sind aber auch Interpolationen erkennbar (also Einschübe von späterer Hand). Nur sehr selten kommen die Originale auf uns. So z.B. von Thietmar von Merseburg, wo wir den Autograph erhalten haben (bzw. Thietmar hat diktiert und nachträglich Korrekturen vorgenommen und das haben wir vorliegen).

Historiker versuchen also, den Originaltext wieder herzustellen, wenn sie eine Vielzahl verschiedener Varianten eines Textes haben. Da sie aber natürlich niemals den Originaltext zu lesen bekommen werden, sprechen se vom Archetyp als der Textfassung, die weitestgehend identisch mit dem Originaltext sein dürfte. Man macht das, indem man durch Vergleich der verschiedenen Traditionen, die sich in einem Handschriftenstemma abbilden versucht, die innere Textgeschichte zu rekonstruieren und so Fehler oder auch absichtliche Veränderungen zu bemerken. Nur... wenn schon der erste Kopist eines Textes, der als einziger Zugang zum Original hatte, einen nicht offensichtlichen Kopierfehler begeht oder den Text redaktionell überarbeitet, dann werden wir eben bestenfalls diese fehlerhafte Variante oder redaktionelle Überarbeitung rekonstruieren können.

Editionen historischer Quellen sind heutzutage meist das Ergebnis dieses textkritischen Wiederherstellungsprozesses. Das gilt aber auch schon für Editionen des 19. Jhdts.
 
Sehr interessantes Thema - und wie immer gibt es kein schwarz oder weiß - sondern Grautöne.

Vorab also zu sagen das ist eine Primäre Quelle oder Sekundäre Quelle - kann man gar nicht - man muss erst sehr viel Faktoren und Hintergründe beleuchten. Wenn ich das jetzt so richtig verstanden habe.
 
Vorab also zu sagen das ist eine Primäre Quelle oder Sekundäre Quelle - kann man gar nicht - man muss erst sehr viel Faktoren und Hintergründe beleuchten. Wenn ich das jetzt so richtig verstanden habe.
Ob etwas eine Primär- oder eine Sekundärquelle ist, hängt von verschiedenen Faktoren an. U.a. auch vornedran Fragestellung.
 
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