Ulrike Meinhof - Die Biographie. Von Jutta Ditfurth.

floxx78

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Jutta Dithfurt hat ihre Biographie über Ulrike Meinhof vorgelegt - und zeichnet in ihr ein Bild, welches in vielen Facetten konträr zur geläufigen Sicht auf U. Meinhof ist.


Hoch gelobt wird es in der taz:
Jutta Ditfurth über Ulrike Meinhof: Suggestive Metaphern - taz.de

Nicht wirklich wundern muss man sich hingegen, dass das Urteil des SPIEGEL nicht ganz so positiv ausfällt:
Ditfurth über Meinhof: Terroristen ausmisten - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Kultur

Auch die WELT hat´s rezensiert:
Deutscher Herbst: Ditfurth als Ulrike Meinhofs Seelenverwandte - Nachrichten Politik - WELT ONLINE

Weitere Meinungen beim Deutschlandfunk und natürlich beim Perlentaucher:
Deutschlandfunk - Politische Literatur - Unbedingt lesenswert
Jutta Ditfurth - Ulrike Meinhof
 
Ulrike M. unterzog sich 1962 einer Operation, bei der ein Blutschwamm im rechten Schläfenlappen des Gehirns abgeklammert wurde. Ulrike Meinhofs krankes Hirn ( NZZ Online). Eine solche Verletzung des Gehirns kann zu emotionalen Störungen sowie Realitätsverlust führen.

Sollte man neben ihrer politischen Motivation nicht auch ihre mentale Disposition für ihre Handlungen in Betracht ziehen oder wäre eine solche "Entpolitisierung und Pychiatrisierung" unstatthaft ?
 
Ulrike M. unterzog sich 1962 einer Operation, bei der ein Blutschwamm im rechten Schläfenlappen des Gehirns abgeklammert wurde. Ulrike Meinhofs krankes Hirn ( NZZ Online). Eine solche Verletzung des Gehirns kann zu emotionalen Störungen sowie Realitätsverlust führen.

Sollte man neben ihrer politischen Motivation nicht auch ihre mentale Disposition für ihre Handlungen in Betracht ziehen oder wäre eine solche "Entpolitisierung und Pychiatrisierung" unstatthaft ?
Ich denke schon, dass solche Einflüsse wichtig und interessant sind und ja das Thema nicht weniger politisch machen.
 
Erstmal vielen Dank für das Rege Interesse an meinem Beitrag :D.

Jetzt mal wieder halbwegs OT:

Ulrike M. unterzog sich 1962 einer Operation, bei der ein Blutschwamm im rechten Schläfenlappen des Gehirns abgeklammert wurde. Ulrike Meinhofs krankes Hirn ( NZZ Online). Eine solche Verletzung des Gehirns kann zu emotionalen Störungen sowie Realitätsverlust führen.

Sollte man neben ihrer politischen Motivation nicht auch ihre mentale Disposition für ihre Handlungen in Betracht ziehen oder wäre eine solche "Entpolitisierung und Pychiatrisierung" unstatthaft ?

Natürlich sollten "mentale Dispositionen" bei der Suche nach den Ursachen für die Handlungen, die Personen begehen, herangezogen werden. Nur sollte man nicht den Fehler machen, damit eine völlige "Entpolitisierung und Psychatrisierung" betreiben zu wollen. Die Meinhof hat ja trotz ihrer Erkrankung noch erfolgreich als Publizistin gearbeitet und ihre Arbeiten stießen ja durchaus auch bei Menschen (wie z. B. Stefan Aust, vgl. taz-Artikel oben) auf Zustimmung, denen man einen halbwegs "normalen" Geisteszustand bescheinigen könnte.

Eine "Entpolitisierung und Pychiatrisierung" birgt daneben, ganz Allgemein gesagt, die Gefahr der Entkontextualisierung der Taten Einzelner und macht eine Analyse der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen ihres Handelns nahezu unmöglich (was dann an so Erklärungsmuster a la "Hitler hatte nur ein Ei" erinnert).
 
Ulrike Meinhof ist an und für sich, insbesondere im Nachhinein, die interessanteste Persönlichkeit in der ganzen Gruppe.

Sie hatte es ja bereits geschafft, war eine etablierte.

Keine verkrachte Existenz wie Baader.
 
Ulrike Meinhof ist an und für sich, insbesondere im Nachhinein, die interessanteste Persönlichkeit in der ganzen Gruppe.

Sie hatte es ja bereits geschafft, war eine etablierte.

Keine verkrachte Existenz wie Baader.

Das interessante ist, dass es in der RAF nicht wenige wie Meinhof gab; zwar nicht ganz so berühmt, aber doch auf der Startrampe für den "Marsch durch die Institutionen". Ensslin z.B. war gerade am Promovieren, als es losging; oder Ingrid Schubert, die ihr Medizinstudium abgeschlossen hatte.
 
Jutta Dithfurt hat ihre Biographie über Ulrike Meinhof vorgelegt - und zeichnet in ihr ein Bild, welches in vielen Facetten konträr zur geläufigen Sicht auf U. Meinhof ist.
Das Buch ist doch schon eine olle Kamelle (2007!).
Da darf die Jutta sich und ihr Buch wieder in Erinnerung bringen und sich selbst loben. :fs:
 
Das interessante ist, dass es in der RAF nicht wenige wie Meinhof gab; zwar nicht ganz so berühmt, aber doch auf der Startrampe für den "Marsch durch die Institutionen". Ensslin z.B. war gerade am Promovieren, als es losging; oder Ingrid Schubert, die ihr Medizinstudium abgeschlossen hatte.


Stimmt schon.
Aber schau Dir mal die Branche der Meinhof an. Von 100.000 schafft es da einer.

Schon nochmal eine andere Liga.
 
findet ihr es nicht problematisch, wenn man sich emotional dem subjekt seiner betrachtungsweise zu sehr annähert? ditfurth macht zumindest auf mich den eindruck, nicht genügend distanz zu waren.

vor allem, wenn meinhof - beim allem verständnis für das interesse an ihrer person - texte verfasst hat, die vor menschenverachtung nur so strotzen? (ich dachte da vor allem an meinhofs äußerung zu münchen '72)
 
findet ihr es nicht problematisch, wenn man sich emotional dem subjekt seiner betrachtungsweise zu sehr annähert? ditfurth macht zumindest auf mich den eindruck, nicht genügend distanz zu waren.

vor allem, wenn meinhof - beim allem verständnis für das interesse an ihrer person - texte verfasst hat, die vor menschenverachtung nur so strotzen? (ich dachte da vor allem an meinhofs äußerung zu münchen '72)


Der Verdacht, dass die ebenso wie Mahler, einen Defekt auf der Festplatte hatte, liegt einfach nahe.
 
Der Verdacht, dass die ebenso wie Mahler, einen Defekt auf der Festplatte hatte, liegt einfach nahe.

Ich überleg schon seit gestern Mittag, warum mir diese Diskussion bloß so bekannt vorkommt, mittlerweile ist es mir wieder eingefallen :D

Ich hab sie selbst schon mal geführt und zwar in einem Seminar zur klinischen Psychologie in dem wir auf Grundlage eines neurochirogischen Befundes Maßnahmen zur Überprüfung der Zurechnungsfähigkeit ableiten sollten und zudem fiktiv die Zurechnungsfähigkeit aufgrund des Krankheitsbildes diskutieren. Der Groschen fiel nicht sofort, der besagte neurologische Befund eine Patientin mit Namen R.U. nennt. R.U. steht dabei für Röhl, Ulrike, die nach ihrer Scheidung wieder ihren Mädchennamen "Meinhof" annahm. Nachdem mir dieses Lichtlein nun endlich aufgegangen ist, habe ich mal kurz gegoogelt, ob sich der neurologische Befund online irgendwo auftreiben lässt, was leider nicht der Fall ist. Dafür habe ich aber einen alten Spiegel-Artikel aus den 70ern gefunden, der sich mit dem Fall Meinhof, ihrer Zurechnungsfähigkeit und insbesondere dem neurologischen Eingriff auseinandersetzt:

Baader-Meinhof - Klar oder krank (Spiegel Nr. 35/1973)
 
Ich überleg schon seit gestern e irgendwo auftreiben lässt, was leider nicht der Fall ist. Dafür habe ich aber einen alten Spiegel-Artikel aus den 70ern gefunden, der sich mit dem Fall Meinhof, ihrer Zurechnungsfähigkeit und insbesondere dem neurologischen Eingriff auseinandersetzt:

Baader-Meinhof - Klar oder krank (Spiegel Nr. 35/1973)



Und ich denke mal, dass ich als Ural-Spiegel-Leser den Artikel damals gelesen habe.
Aber erinnern kann ich mich nicht.
 
Mal abgesehen davon, das da so ein Gewese um diese Frau (Verbrecherin) gemacht wird, finde ich das, aus einen Wikiartikel recht merkwürdig.
Im Herbst 2002 erfuhr ihre Tochter, die Journalistin Bettina Röhl, dass das Gehirn ihrer Mutter nicht mit Meinhof beerdigt worden war. Stattdessen war das Gehirn jahrzehntelang in Formalin aufbewahrt worden, und wurde erneut in einer Klinik in Magdeburg untersucht. Den Professoren wurde daraufhin von einer Ethik-Kommission untersagt, weiter an dem Gehirn zu forschen oder ihre bisherigen Forschungen zu veröffentlichen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart forderte das Gehirn von den Professoren zurück, ließ es einäschern und die Asche den Angehörigen übergeben. Am 22. Dezember 2002 wurde diese ebenfalls auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof beigesetzt.
 
Weiß denn jemand mehr über die Hirnfunktionen des betroffenen Bereichs bzw. die zu erwartenden Störungen beim (meist unzureichend) beschriebenen Krankheitsbild ?
 
Weiß denn jemand mehr über die Hirnfunktionen des betroffenen Bereichs bzw. die zu erwartenden Störungen beim (meist unzureichend) beschriebenen Krankheitsbild ?

Betroffen vom Tumor waren sowohl die innere Hirnschlagader als auch die mittlere Hirnarterie. Die Mittlere Hirnarterie stellt dabei eine Verzweigung der Inneren Hirnschlagader dar. Bei der Meinhof saß der Tumor in der Nähe dieser Verzweigung (= sinus cavernus). Nachdem die mittlere Hirnarterie eine der Hauptversorgungsadern des Gehirns ist, gibt es einige Hirnareale die durch eine zu geringe Blutversorgung in Mitleidenschaft gezogen werden konnten. Ich versuche mal die versorgten Hirnareale mit psychologischer Hauptzuständigkeit zusammenzufassen. Wobei ich direkt noch dazu sagen will, dass das menschliche Hirn im Zusammenhang mit psychischen Störungen definitiv noch nicht abschließend erforscht ist:
  • Thalamus ("Schaltzentrale" zwischen unbewusst und bewusst)
  • Parietallappen (langfristiger Speicher für Erinnerungen)
  • Temporallappen (deklaratives Gedächtnis)
  • Frontallappen (insb. präfrontaler Cortex, da zuständig für situationsgerechtes Handeln)
  • Inselrinde ("Suchtzentrum", Liebesempfinden)

Irgendwo hab ich auch noch die Seminarunterlagen, ich geh später mal buddeln... Allerdings bin ich auch keine klinische Psychologin, ich hab nur dieses eine Seminar gebraucht, also keine Garantie auf Vollständigkeit...
 
Betroffen vom Tumor waren sowohl die innere Hirnschlagader als auch die mittlere Hirnarterie.
Soweit ich gelesen habe, war es kein Tumor sondern ein Blutschwamm (für mich als medizinischen Laien hört sich das harmloser an).

Nach Deiner Beschreibung wäre also nicht das Gehirn selbst geschädigt gewesen, sondern lediglich die Blutversorgung potenziell behindert. Das könnte natürlich auch bedeuten, dass die Erkrankung keinerlei bleibenden Auswirkungen auf die Hirnfunktionen gehabt hatte.
 
War buddeln, hab allerdings die Seminarunterlagen nicht mehr gefunden. Nichts desto trotz, habe ich ein paar beispielhafte Störungen rausgesucht, die aus der Beeinträchtigung der ein oder anderen Hirnregion entstanden sein könnten:

eine Angststörung in Form einer Zwangsstörung (Zwangsgedanken, Zwangshandlungen) durch Beeinträchtigung von Parietallappen, Frontallappen und/oder Inselrinde.

eine affektive Störung in Form einer bipolaren Störung (auf küchenpsychologisch "manisch-depressiv") durch Beeinträchtigungen von Thalamus, Parietallappen und/oder Frontallappen.

dissoziative Störungen (keine Integration von Identität, Gedächtnis und Bewusstsein) durch Beeinträchtigungen Parietallappen und/oder Thalamus, bspw. in Form von dissoziativer Amnesie (man kann sich wichtige persönliche Erfahrungen nicht mehr erinnern) oder in Form von dissoziativen Identitätsstörung (auf küchenpsychologisch: "multiple Persönlichkeit")

Soweit ich gelesen habe, war es kein Tumor sondern ein Blutschwamm (für mich als medizinischen Laien hört sich das harmloser an).
Naja, einfach nur ein Blutschwamm wars nicht (das sind doch Erdbeerflecken oder? die hat man doch schon ab Geburt, dachte ich), sondern ein sog. Kavernom. Im Hirn wirkt sowas wie ein Tumor, weil das Ding ja dauernd wächst und im schlimmsten aller Fälle platzen kann. Sitzt es so wie bei der Meinhof an einer Schlagader, verblutet man dann innerhalb weniger Minuten.

Nach Deiner Beschreibung wäre also nicht das Gehirn selbst geschädigt gewesen, sondern lediglich die Blutversorgung potenziell behindert. Das könnte natürlich auch bedeuten, dass die Erkrankung keinerlei bleibenden Auswirkungen auf die Hirnfunktionen gehabt hatte.
Ja, nur die Blutversorgung war beeinträchtigt. Geschieht das aber über einen längeren Zeitraum, beispielsweise weil das Kavernom nicht gleich bemerkt wird oder aber das Abklemmen nicht sauber erfolgt ist, kommt es langfristig zu Hirnschäden.
 
Geschieht das aber über einen längeren Zeitraum, beispielsweise weil das Kavernom nicht gleich bemerkt wird oder aber das Abklemmen nicht sauber erfolgt ist, kommt es langfristig zu Hirnschäden.

Soweit ich gelesen habe, waren doch die Untersuchungen sehr umstritten und haben dann den Bundesgerichtshof 1973 in einem Beschluß zur zwangsweisen Untersuchung beschäftigt (den Beschluss habe ich zB in der NJW nicht gefunden, die Anordnung des BGH-Ermitltungsrichters zur Untersuchung stammt angeblich vom 13.7., dagegen wurde Beschwerde eingelegt). Aus der Zeit stammt der Spiegel-Artikel, der auch den angefochtenen Beschluß des Ermittlungsrichters abdruckt.

Die Frage solcher Hirnschäden war damals zum einen ein Politikum bzw. wurde das angenommen/unterstellt (eine vermindert Zurechnungsfähige als Anführerin).
Zum anderen wäre das für das Strafmaß im späteren Stammheim-Prozess relevant gewesen.

Alle publizierten medizinischen Informationen müßten doch demnach aus der Untersuchung in der DDR stammen (siehe Spiegel-Artikel).
 
In den Texten von Ulrike Meinhof kann ich keine Hirnschäden nachvollziehen.
Dass man als RAF in Haft einem Wärter übers Maul fährt, ist keine psychische Störung. Emotionale Störungen oder gelegentlicher Realitätsverlust (z.B. im Orgasmus, Tagtraum oder Meditation) hat jeder von uns.
 
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