Unbekanntes Ostfriesland

Cherusker schrieb:
Ich gehe davon aus, daß er diese Schriften richtig übersetzt hat.
Die Übersetzung von Walther Sontheimer steht dann aber im Gegensatz zu deinen eigenen Überlegungen von einem römerfreundlichen Umfeld.
Cherusker schrieb:
Außerdem bewegte sich Germanicus dann in einem Gebiet (Ems), das von romfreundlichen Germanen bewohnt wurde.
Strabo erwähnte ein Schiffsgefecht auf der Ems mit den Brukterern, welches notwendig in das Jahr 12 v.d.Z. zu setzen ist, woraus man folgert, daß nach den Friesen auch mit den Brukterern ein Bündnis geschlossen worden sei. Wilhelm, die Feldzüge des Drusus, vermutete, daß auch schon damals mit den Chauken ein Bündnis geschlossen worden sei, war doch dieses Volk gegen siebzig Jahre lang mit wenig Unterbrechungen ein treuer Bundesgenosse der Römer: Als die Römer unter Drusus in ihr Land kamen, stellten sich die Chauken freundlich zu ihnen und schlossen im Jahre 5 n.d.Z. ein Bündnis mit Tiberius. Tacitus erwähnte die Chauken als östliche Nachbarn der Friesen und schilderte sie als wehrhaftes, aber friedliches Volk, das ein großes Gebiet bewohnte und bei seinen Nachbarn hoch angesehen war. Nach anderen Quellen waren sie jedoch auch als Seeräuber berüchtigt; sie vertrieben auch die Ampsivarier im Jahre 58 aus dem Gebiet der Emsmündung. Da die Chauken Germanicus die Stellung von Hilfstruppen zusagten, wurden sie in die Bundesgenossenschaft mit Rom aufgenommen. Doch war die Freundschaft nicht von zu langer Dauer. Unter Kaiser Claudius führten die Römer Krieg gegen die Chauken. Sie wurden vom niedergermanischen Heer unter P. Gabinius Secundus im Jahre 41 n.d.Z. besiegt. Die Rückgewinnung des letzten Legionsadlers wurde dabei offensichtlich für bedeutend gehalten. Die Chauken schlossen sich auch an den Aufstand der Bataver unter Civilis an. Wenig später, im Jahre 47 n.d.Z., wurde deutlich, daß der Sieg über die Chauken noch keine Befriedung oder Unterwerfung der Chauken bedeutet hatte. Germanen dieses Stammes überfielen unter der Führung des Canninefaten Gannascus, der zuvor aus einer Auxiliareinheit desertiert war, die gallische Küste. Die Canninefaten siedelten in den heutigen Niederlanden zwischen Waal, Ijsselmeer und Nordsee. Tacitus nennt den wachsenden Reichtum Galliens, das Fehlen innerer Streitigkeiten bei den Germanen und die Tatsache, daß das niedergermanische Heer gerade keinen Oberbefehlshaber hatte, als Gründe für diese Überfälle. Im Gegensatz zu den Ereignissen der Jahre 21 und 28 n.d.Z. waren diesmal keine Aufstände schon unterworfener Stämme gegen die römische Herrschaft der Anlaß für ein militärisches Eingreifen, sondern Raubzüge eines unabhängigen rechtsrheinischen Germanenstammes, die anscheinend nicht dazu dienen sollten, beispielsweise die betroffenen gallischen Gebiete von der römischen Herrschaft zu befreien. Der neue niedergermanische Legat Cn. Domitius Corbulo vernichtete die Schiffe der Chauken mit Hilfe der Rheinflotte und zog dann zunächst gegen die Friesen, die offensichtlich befürchteten, jetzt für ihren Aufstand aus dem Jahre 28 n.d.Z. bestraft zu werden. Daher unterwarf der Stamm sich freiwillig. Daraufhin veranlaßte Corbulo die Ermordung des Gannascus, um die Chauken ebenfalls zur Unterwerfung zu veranlassen. Das hatte allerdings zur Folge, daß der Aufruhr bei den Germanen so stark wurde, daß eine militärische Auseinandersetzung mit den Römern fast unumgänglich wurde. Diese Auseinandersetzung wurde durch eine Anweisung des Princeps Claudius verhindert, der befahl, alle Truppen auf linksrheinisches Gebiet zurückzuziehen.
Quellen:
http://gutenberg.spiegel.de/dahn/voelker/voe1103.htm
http://susi.e-technik.uni-ulm.de:80...and/3/seite/0970/meyers_b3_s0970.html#Chauken
http://www.ggrs.com/essays/romgerm.html
http://www.fiks.de/rom/index.htm?rom09.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Chauken
 
Strabo erwähnte ein Schiffsgefecht auf der Ems mit den Brukterern, welches notwendig in das Jahr 12 v.d.Z. zu setzen ist, ....

Danke, für die Aufzählung der Ereignisse über mehrere Jahrzehnte. Leider hat das nichts mit den Begebenheiten um 14-16n.Chr. zu Zeiten des Germanicus zu schaffen. Dort waren diese germanischen Stämme eindeutig Verbündete. Tiberius hatte selbst für die Unterwerfung der Stämme gesorgt. Der immensum bellum um die Zeitenwende, war der letzte große Aufstand bevor Arminius den Varus schlug. Germanicus konnte bei den Friesen, Chauken, Batavern, Ampsivariern usw. von romfreundlichem Verhalten ausgehen.
 
Die Übersetzung von Walther Sontheimer steht dann aber im Gegensatz zu deinen eigenen Überlegungen von einem römerfreundlichen Umfeld.

Wieso? Hier ist doch Kritik an der Überlieferung des Tacitus anzubringen. Er beschrieb die Küste als feindliches Gebiet. Das konnte aber aufgrund seiner Angaben über die Stämme nicht stimmen. Hier besteht ein Widerspruch.
Tacitus griff anscheinend zu diesem Mittel, um darzustellen, wie die Römer in germanische Gefangenschaft gelangen konnten. Dabei hoffte er anscheinend, daß die Römer zu seiner Zeit keine Ahnung mehr über die jeweiligen Stammesgebiete hatten.
 
Tacitus schildert die Küste nicht von Feinden besetzt, sondern die dir vorliegende Übersetzung von Walther Sontheimer (die ich nicht kenne!) ist hierin wohl ungenau. Du stellst aber selbst fest, daß ein Widerspruch entsteht, wenn man der ungenauen Übersetzung von Walther Sontheimer folgt. Nicht die Überlieferung des Tacitus ist hier also kritisch zu betrachten, sondern die Übersetzung von Walter Sontheimer.
Tacitus muß auch nicht auf das Schiffsunglück zurückgreifen, um zu erklären, wieso es Gefangene bei den Stämmen im Landesinnern gab, die ausgelöst werden mußten. Er gibt uns dafür nämlich überhaupt keine Erklärung, sondern legt das Ereignis nur zeitlich in einen Zusammenhang mit den zurückkehrenden Römern. Jeder Zuhörer darf sich sein eigenes Urteil bilden.

Cherusker schrieb:
Danke, für die Aufzählung der Ereignisse über mehrere Jahrzehnte. Leider hat das nichts mit den Begebenheiten um 14-16 n.Chr. zu Zeiten des Germanicus zu schaffen. Dort waren diese germanischen Stämme eindeutig Verbündete. Tiberius hatte selbst für die Unterwerfung der Stämme gesorgt. Der immensum bellum um die Zeitenwende, war der letzte große Aufstand bevor Arminius den Varus schlug. Germanicus konnte bei den Friesen, Chauken, Batavern, Ampsivariern usw. von romfreundlichem Verhalten ausgehen.
Ich hatte die Stellung von Hilfstruppen selbst angesprochen, aber die Römer konnten auch bei den Cheruskern vor der Varusschlacht von romfreundlichem Verhalten ausgehen. Es ging mir auch nicht nur um die Begebenheiten der Jahre 14 bis 16 n.d.Z., sondern allgemein um die in jener Zeit in Ostfriesland wohnenden Chauken, die die großen und die kleinen genannt werden. Nach Berichten aus dem vierten Jahrhundert machte das Siedlungsgebiet der Chauken große Teile desjenigen aus, in dem für dieselbe Zeit die Sachsen erwähnt werden. Während ursprünglich Chauken das Gebiet zwischen Ems und Weser bewohnten, begannen etwa um die Zeitenwende Friesen in diesen Raum vorzudringen. Die Chauken wurden von diesen teils verdrängt, teils in deren Stammesverband aufgesogen. Seit dem zweiten Jahrhundert n.d.Z. werden die Chauken nicht mehr erwähnt. Von der Landseite her drängten derweil sächsische Stämme in die Geestgebiete vor.
Quellen: http://209.85.135.104/search?q=cach...stfriesland&hl=de&ct=clnk&cd=9&gl=de&ie=UTF-8
http://de.wikipedia.org/wiki/Chauken
 
Es bestanden keine schwachen Herrschaftsstrukturen, ...
Ich meinte damit nicht die römische Herrschaft.
Sondern die Tatsache, daß die "friesische Stammesführung" (ich bin mir eben nicht einmal sicher, ob das eine Person war) keinen zuverlässigen und direkten Durchgriff auf jeden einzelnen Hof irgendwo an der Küste hatte.
Es wird sich bis dort rumgesprochen haben, daß man aktuell mit Rom verbündet ist. Aber wenn den Küstenbewohnern ein Wrack an den Strand gespült wird, dann ist die naheliegende Lösung, etwa überlebende Eigentümer zu töten oder in die Sklaverei zu verkaufen, um sich unwidersprochen alles aneignen zu können. Wobei das mit der Sklaverei vielleicht doch zu riskant war - das hätte rauskommen können.

Wenn also die römerfreundlichen germanischen Küstenbewohner die römischen Schiffbrüchigen getötet hätten, dann wäre sofort eine Gegenaktion seitens Germanicus erfolgt
Wenn er es präzise genug erfahren hätte, um die Schuldigen benennen und bestrafen zu können (bzw. von den Friesen eine Bestrafung zu verlangen).

warum ist Germanicus im Jahre 16 nochmals über die See gekommen, wenn er schon im Jahre 15 die Heimtücken der Nordsee kennenlernte und dadurch Verluste erlitt?
Vermutlich, weil die Vorteile des Seetransports es immer noch wert waren, solche Risiken einzugehen.

Diese ganzen tragischen Seekatastrophen der Jahre 15 und 16 sollen die Verluste aus den Schlachten relativieren.
Ich glaube nicht, daß das in größerem Maße möglich ist.
Verlorene Schiffe kann Germanicus nicht erfinden. Und die römische Armee war ein halbswegs ordentlich durchbürokratisierter Laden, da wurde schon notiert, ob ein bestimmter Legionär in einer Schlacht oder zu einem ganz anderen Zeitpunkt auf See geblieben ist.

Diese gefangenen Römer sind höchstwahrscheinlich Überbleibsel der Schalcht am Angrivarierwall
Halte ich auch für plausibel.

Mir ging es nun darum, eine Erklärungsidee für die feindlichen Ufer zu finden - da wäre die übliche Strandräuberei eine plausible Möglichkeit.

Horsts Variante wäre auch denkbar, aber eigentlich sind die flachen Nordseeufer nicht wirklich feindlich. Man kann dort Pech haben und in eine falsche Strömung geraten. Aber die für Schiffsbrüche wirklich gefährlichen Riffe oder Felsenufere fehlen.
 
Ich meinte damit nicht die römische Herrschaft.
Sondern die Tatsache, daß die "friesische Stammesführung" (ich bin mir eben nicht einmal sicher, ob das eine Person war) keinen zuverlässigen und direkten Durchgriff auf jeden einzelnen Hof irgendwo an der Küste hatte.
Es wird sich bis dort rumgesprochen haben, daß man aktuell mit Rom verbündet ist. Aber wenn den Küstenbewohnern ein Wrack an den Strand gespült wird, dann ist die naheliegende Lösung, etwa überlebende Eigentümer zu töten oder in die Sklaverei zu verkaufen, um sich unwidersprochen alles aneignen zu können. Wobei das mit der Sklaverei vielleicht doch zu riskant war - das hätte rauskommen können.


Wenn er es präzise genug erfahren hätte, um die Schuldigen benennen und bestrafen zu können (bzw. von den Friesen eine Bestrafung zu verlangen).

Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, daß schiffbrüchige Römer von romfreundlichen Germanen (Batavern, Chauken, Friesen, Ampsivariern,...) in die Sklaverei verkauft wurden. Es bestand die Gefahr, daß diese Römer von ihrem Schicksal berichteten. Eine umgehende römische Strafexpedition wäre die Folge gewesen.
Daß die Küstenbewohner sich an Strandgut bereichert haben, das ist durchaus möglich. Aber sie hätten es nicht auf einen Konflikt mit einem angriffslustigen Feldherrn ankommen lassen.
Tacitus beschreibt, daß selbst Römer, die es nach Britannien verschleppte, von den dortigen Fürsten zurückgeschickt wurden. Und Britannien war zu dem Zeitpunkt noch rein in Keltenhand. Ferner hatte Germanicus umgehend Suchaktionen gestartet, um die Inseln nach Überlebenden abzusuchen. Diese Maßnahme diente dazu die Fürsorge des Cäsar für seine Legionäre darzustellen. Auch waren die meisten Schiffe nur kurzfristig seeuntüchtig gewesen und kampferprobte Legionäre lassen sich auch nicht so einfach von Strandräubern besiegen.

Daher gehe ich weiterhin davon aus, daß die römischen Gefangenen aus Schlachten stammten und nicht aus den Seekatastrophen.
Bei den Berichten über die Schlachten gibt es soviele Ungereimtheiten, die diesen Schluß auch zulassen.

Friesen, Chauken und Bataver waren zu dem Zeitpunkt treue Verbündete, die sich eher einen Vorteil bei Hilfestellung für die Römer erhofften.
 
R.A. schrieb:
Horsts Variante wäre auch denkbar, aber eigentlich sind die flachen Nordseeufer nicht wirklich feindlich. Man kann dort Pech haben und in eine falsche Strömung geraten. Aber die für Schiffsbrüche wirklich gefährlichen Riffe oder Felsenufer fehlen.
Tacitus spricht vom Wattenmeer. Das ist lebensfeindlich, wenn man sich darin verirrt und von der Flut überrascht wird. Darin wächst auch nichts. Riffe und Felsenufer gibt es zwar nicht, dafür aber gefährliche Untiefen. Das Wattenmeer ging in ausgedehnte Sumpf- und Treibsandgebiete (Marschen) über. Diese Gegenden darfst du nicht mit dem heute eingedeichten und entwässerten Marschenland verwechseln. Die großflächige Besiedelung der höher gelegenen Marschen begann in der ausgehenden Bronzezeit, unterbrochen von Zeiten stärkerer Überflutung; besonders am Ende des vierten Jahrhunderts vor der Zeitrechnung. Wegen des im ersten Jahrhundert n.d.Z. erneut einsetzenden Meeresspiegelanstiegs erhöhten die Bewohner ihre Siedlungsstätten durch Anlegen von Wurten. Am Ende des vierten Jahrhunderts wurden die Wurten verlassen.
 
Kaum vorzustellen, das in dieser trostlosen Wasserwüste überhaupt irgendwelche einheimischen Herrschaftstrukturen zu finden sind. Die paar Menschen die dort sesshaft waren, hatten doch bestimmt besseres zu tun als sich um "Politik" zu kümmern.
 
Tacitus berichtete, die Chauken nannten dieses unermeßliche Gebiet nicht nur ihr eigen, sie füllten es vielmehr auch aus. Die Chauken waren ein unter den Germanen sehr angesehener Stamm, der es vorzog seine Größe durch Rechtlichkeit zu behaupten. Frei von Habgier, frei von Herrschsucht, lebten sie still und für sich; sie reizten nicht zum Kriege, sie gingen nicht auf Raub oder Plünderung aus (nach anderen Quellen taten sie es). Der vorzüglichste Beweis ihres Mutes und ihrer Macht sei es gewesen, daß sie ihre Überlegenheit nicht auf Gewalttaten gründeten. Doch hatten alle die Waffen zur Hand, und sooft die Not es erforderte, stand ein Heer bereit, zahlreich an Männern und Rossen. Auch wenn sie Frieden hatten, war ihr Ruf der gleiche.
 
Da außerdem beschrieben steht, daß die Schiffe durch den Sturm weit verteilt wurden, wäre ein Fund reine Glückssache. Wie lange hält sich eigentlich Holz im Salzwasser?

Der Schiffsbohrwurm, eine Muschel, ist der Feind des Meeresarchäologen. Vor allem durch die Klimaerwärmung breitet er sich auch immer mehr in nördliche Gewässer aus.
 
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