Unklare Formulierungen 2. punischer Krieg

sybok

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Hallo

Es gibt da Anekdoten zum 2. punischen Krieg, bei denen - auch wenn sich jeweils eine Vermutung aufdrängt - ich mir nicht wirklich 100% sicher bin, wie sie jeweils gemeint sind:

1. Marcellus soll nach der Belagerung von Syrakus Archimedes lebend gwünscht haben. Wie hat er das gemeint, im Sinne von Respekt oder im Sinne von Rache?:
A: "Bringt mir den genialen Mathematiker, ich möchte ihm gratulieren und er soll nun für uns arbeiten!"
B: "Bringt mir den teuflischen Mathematiker, ich will ihn eigenhändig auf dem Forum präsentieren und niederstrecken!"

2. Diktator Quintus Fabius hat den Namen "Cunctator" erhalten. Wiki schreibt zwar, das sei positiv gemeint, sehr häufig lese ich aber, der Name sei Spott gewesen. Stimmt Wiki da, war der Name ein positives oder war er doch ein negatives Attribut?

3. Scipio soll, als ein karthagischer Sieg drohte, sein Schwert im Senat gezückt haben. Wie ist die Geste zu verstehen, war es ein Symbol, Rom zu verteidigen oder könnte es auch als Drohung verstanden werden, im Sinne von:
A: "Hier stehe ich, opfere mich und mein Schwert für Rom."
B: "Ihr macht was ich sage oder ich schlitze euch eigenhändig mit meinem Schwert auf."

Grüsse
 
1. Marcellus soll nach der Belagerung von Syrakus Archimedes lebend gwünscht haben. Wie hat er das gemeint, im Sinne von Respekt oder im Sinne von Rache?:
A: "Bringt mir den genialen Mathematiker, ich möchte ihm gratulieren und er soll nun für uns arbeiten!"
B: "Bringt mir den teuflischen Mathematiker, ich will ihn eigenhändig auf dem Forum präsentieren und niederstrecken!"
Laut Plutarch soll er Archimedes habe holen lassen, dann gibt es aber mehrere Versionen, warum er getötet wurde, entweder, weil der Soldat ihn nicht erkannte oder weil er zu ungeduldig war, als Archimedes ihm sagte, er müsse erst seine Berechnungen zu Ende führen. Plutarch ist sich mit Livius einig, dass Marcellus jedenfalls nicht am Tod des Archimedes beteiligt war, sondern ihm eine Bestattung zukommen ließ bzw. der Familie des Archimedes - in einer Stadt, die er für die Plünderung freigegeben hatte! - Entschädigung zahlte für den Tod des Archimedes.Laut Valerius Maximus war es ein plündernder Soldat der nicht wusste, wen er vor sich hatte. Marcellus jedenfalls habe Archimedes Genie bewundert.
Im wesentlichen gleichen sich die Geschichten alle, anzunehmen ist, dass sie auf Marcellus und seine Entourage selbst zurückgehen, zeitgenöss. Quellen sind nicht überliefert, das älteste was wir haben, stammt aus der Phase der späten Republik/frühen Kaiserzeit (Titus Livius/Diodor nach Iohannis Tzetzes).
 
Zur 2. Frage:
Ich glaube, so genau wird sich das nicht sagen lassen. Wir haben keine direkten Zeugnisse für die erstmalige Verwendung, können also auch den Kontext nicht genau beurteilen. Falls der Beiname schon in einer Zeit geprägt wurde, ehe Fabius' Zaudern als positiv anerkannt wurde, wird er zunächst negativ gemeint gewesen sein. (Des Dictators Fabius' hitziger Magister equitum Minucius Rufus machte ihm sein Zaudern zum Vorwurf.) In späterer Zeit war er aber positiv gemeint.
Die erste erhaltene indirekte Erwähnung stammt vom zeitnahen Dichter Ennius: "Unus homo nobis cunctando restituit rem." ("Ein Mensch stellte uns durch Zaudern den Staat wieder her".) Bei ihm war das Zaudern also bereits positiv gemeint.
Ähnlich später auch Vergil (Aeneis VI 845-846): "Tu Maximus ille es, unus qui nobis cunctando restituis rem." ("Du bist jener Maximus, der du als einziger uns durch Zaudern den Staat wiederherstellst.")
Ausdrücklich berichtete in viel späterer Zeit Florus (I, 22) über den Ursprung des Beinamens "Cunctator", und zwar positiv, weil Fabius durch seine neue Art der Kriegsführung gegen Hannibal (indem er nicht kämpfte) den Staat gerettet habe.
Auch Frontinus wertete im 1. Buch seiner "Strategemata" den Beinamen positiv: "Fabius ... verdiente sich den Namen des Zauderers ..."
Etwas ambivalent hingegen Livius (30,26), der dahingestellt lässt, ob Fabius aus Anlage ein Zauderer war oder weil es für die Kriegsführung angemessen war.

Zur 3. Frage:
Die Anekdote wird von Livius, 22,53, erzählt. Sie fand jedoch nicht im Senat statt. Nach der Schlacht von Cannae waren mehrere Kriegstribunen, darunter Scipio, und sonstige Führer aus vornehmem Geschlecht uneinig über die weitere Vorgangsweise. Einige von ihnen wollten alles verlorengeben. Daraufhin bedrohte sie Scipio mit gezücktem Schwert und verlangte von ihnen zu schwören, dem römischen Staat weiterhin die Treue zu halten.
Das Schwert war somit als Drohung gemeint.
 
3. Oh, bei dieser Frage hat mich meine Vermutung dann doch komplett getäuscht.
"Nach der Schlacht von Cannae...", Wahnsinn, da war er ja scheinbar erst 19, beinahe noch ein Kind.

Herzlichen Dank für die hochkarätigen Antworten!
 
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