Alexander187 schrieb:
Warum wurden die Slawen von der Österreich-Ungarischen Regierung eigentlich unterdrückt? Was hat die Regierung mit den Slawen gemacht?
Diese Frage kann so nicht beantwortet werden. Zunächst einmal verfolgten Cisleithanien (oft Österreich genannt) und Ungarn seit 1867 eine unterschiedliche Politik und daher auch eine unterschiedliche Nationalitätenpolitik.
Zu Ungarn: Hier muß ich vorausschicken, daß ich zunächst das zu Ungarn gehörige Königreich Kroatien-Slawonien ausklammern muß, da dies über den sogenannten Subdualismus (seit 1868) einen Sonderstatus hatte und eine eigenständige Nationalitätenpolitik verfolgte.
In Ungarn basierte die Nationalitätenpolitik auf dem vom ersten Unterrichtsminister entworfenen Sprachengesetz. Diese sicherte zwar allen Kindern Ungarns eine Ausbildung in der Grundschule in ihrer Muttersprache zu, sie erkannte aber keine kulturelle Nationaldefinition an. In Ungarn gab es nur eine politische Nation, die ungarische. D.h. jeder Staatsbürger Ungarns war Ungar (andere in Ungarn lebende Personen waren Ausländer). Nur sprachen hatten die ungarischen Staatsbürger unterschiedliche Muttersprachen. Es gab Ungarn die ungarische Muttersprache hatten, und solche mit slowakischer, rumänischer, serbo-koratischer etc.
Dies hieß im Klartext, in Ungarn gab es personenbezogene Rechte auf Wahrung der eigenen Identität, aber keine kollektiven Gruppenrechte "ungarischer" Nationalitäten. Z.B. nicht die ungarischen Rumänen hatten Rechte, sondern nur die einzelnen Personen.
Die Rechte der einzelnen Personen waren aber de facto wieder eingeschränkt. Denn zum Wahlrecht mußte man ungarisch lesen und schreiben können, Wahlbezirke in den sogenannten "Nationalitätengebieten" waren weitaus größer, als in den rein ungarischen. Im ungarischen Repräsentantenhaus waren nie mehr als 5% nicht-ungarischer Muttersprache und darin waren die "siebenbürger Sachen" eingerechnet, die eine spezielle bevorzugte Sonderstellung hatten.
Mit der Zeit wurde die Rechte der einzelnen Personen auf Wahrung iher Muttersprache zudem immer mehr aufgeweicht. Zum einen, indem man nicht-ungarischen Schulen die staatlichen Förderungen entzog, dann, daß Spenden für nicht-ungarische Schulen nicht aus dem Ausland kommen durften. Wenn man bedenkt, daß der Masse die nicht-ungarischen Nationalitäten zu den ärmsten (und wirschaftlich nicht geförderten) Bevölkerungsschichten kamen (wieder mit Ausnahme der siebenbürger Sachsen), so ist leicht verständlich, daß die den Todesstoß für die Nationalitätenschulen bedeutete. Seit den 1890er Jahren betieb Ungarn eine dezidierte und öffene Magyarisierungspolitik, mit dem Ziel, wie es Ministerpräsident Bánffy formulierte, daß die Grenzen Ungarns auch die Grenzen der ungarischen Muttersprache werden. Der "Erfolg" dieser Politik ist schwer zu ermessen (wenn man rein formale, nicht aber moralische Maßstäbe anwendet). Zum einen nahm der Anteil derer, die sich in den alle 10 Jahre stattfindenden Volkszählungen als ungarische Muttersprachler bezeichneten, stark zu, zwischen 1870 und 1910 von unter 40% auf über 50%. Andererseits gewannen die Ungarn eigentlich nur opportunistische Neuungarn, hingegen die, die 1910 sich immer noch nicht als Ungarn bezeichnen wollten, waren nationale und anti-ungarische Hardlinier.
Also, Ungarn betrieb keine dezidierte anti-slawische Politik, sondern eine, die gegen alle nicht-ungarischen Muttersprachler gerichtet war, also auch gegen z.B. Rumänen.
Ganz anders waren die Verhältnisse in Cisleithanien: es gab zwar eine enome politische Dominanz der Deutschen. Und das aus mehreren Gründen: 1. historisch, denn das Kernland und die Dynastie war deutsch, 2. die Deutschen war eine etablierte Kulturnation, die anderen Nationen begannen sich seit dem 19. Jhd. "zu finden" und 3. sie stellten die insustriellen Besitzer. Die Deutschen wurden oft als "der Kitt der Monarchie" genannt (und gefielen sich in dieser Rolle). Daraus ergaben sich nahezu automatisch bestimmte Vorteile. So war "selbstverständlich" die Verwaltungssprache der höchsten Ebene deutsch sowie auch die Kommandosprache der gemeinsamen Armee und der k.k. Landwehr.
Doch besonders auf Ebene der einzelnen Kronländer nahmen deutsche Vorrechte kontinuierlich ab. So wurde Anfang der 1880er-Jahre die deutsche Karls-Universität in Prag in eine deutsche und eine tschechische geteilt. Über neue Sprachenverordnungen in Böhmen wurde das tschechische im externen Verkehr (d.h. in der Kommunikation der Behörden mit der Bevölkerung) gleichberechtigt neben das Deutsche gestellt. Im Vergleich entstanden weitaus mehr Grundschulen für nichtdeutsche Nationen und zusätzlich wurden auch viele höhere nicht-deutsche Schulen gegründet.
Dies führte zu einer Abwehrhaltung der Deutschen gegen jegliche Veränderungen. Sie sahen ihre Vormachtsstellung gefährdet und begannen der Regierung ihre Unterstützung zu verweigern, wenn es um kleinste und unwichtigste Zugeständnisse an die "Natonalitäten" ging. So scheiterte das Budet von 1894 in der Höhe von etlichen 100 Millionen Gulden wegen den Budgetpostens "Unterstufengymnasium in Cilli", das ca. 2000 Gulden ausmachte. Cilli war eine Stadt im Süden der Steiermark (heute in Slowenien). Wie üblich wurden hier Slowenen in den Grundschulen slowenisch und Deutsche deutsch unterrichtet. Das Gynasium war aber nur deutschsprachig. Nun war es üblich, daß slowenische Schüler, die nach der Grundschule das Gymnasium besuchen konnten, ein Schuljahr verloren, um zuvor deutsch zu lernen. Durch das Unterstufengymnasium sollte nun den Slowenen in den unteren Gymnasialklassen deutsch parallel beigebracht werden, um den Verlust eines Schuljahres für sie zu umgehen (also, zuerst der Unterricht fast nur auf slowenisch, am Ende der Unterstufe nur mehr auf deutsch). Die Deutschen hingegen faßten dies Unterstufengymnasium als "Slawisierungspolitik" der cisleithanischen Regierung auf und ließen verkünden, daß sie dem Budgetentwurf der Regierung nur zustimmen würden, wenn die ca. 2000 Gulden für das Unterstufengymnasium gestrichen würden. Hingegen erklärten die an der Regierungsmehrheit beteiligten Slowenen, sie würde ihm nur mit dem Unterstufengymnasium zustimmen und so mußte die gesamte Regierung wegen dieser 2000 Gulden zurücktreten. Das war 1894.
1897 geriet dann das politische System Cisleithaniens aber ganz in Scherben, als die Regierung Badeni neue Sprachenverordnungen für Böhmen und Mähren erlassen wollte, in der gesagt wurde, daß ein auf tschechisch eingebrachter Akt bis zur Erledigung auch intern auf tschechisch zu führen sei und daß daher jeder Beamte in Böhmen und Mähren auch tschechisch beherrschen müsse. Danach legte die deutsche Obstruktion das Parlament lahm, bis diese Sprachenverordnung 1899 zurückgenommen wurde und es nun die tschechische Obstruktion war, die Verhandlungen unmöglich machten.
Also, in Bezug auf Cisleithanien kann überhaupt nicht davon die Rede sein, daß eine antislawische Politik betrieben wurde, aber den Regierungen waren im Versuch die alten Benachteiligungen aufzuheben, Grenzen gesetzt, da die Deutschen eine Politik für die anderen Nationen nicht zuließen.