hmmmm...war das Reich, das im wesentlichen aus seiner Hauptstadt Konstantinopel bestand und 1453 von den Osmanen erobert wurde, noch das Römische Reich? In seinem eigenen Verständnis sicherlich ja.
Man könnte auch als Römisches Reich das Heilige Römische Reich auffassen, das erst 1806 aufgelöst wurde. Was ist mit dem Zarenreich, das sich auch in der Tradition / Nachfolger des Römischen Reiches sah und die Hauptstadt Moskau als "Drittes Rom" bezeichnete?
Allerdings handelte es sich beim HRR und beim Zarenreich um bemühte Anknüpfungen an ein prestigeträchtiges Reich ohne jegliche tatsächliche Kontinuität. Das Oströmische Reich hingegen war tatsächlich das geschrumpfte Römische Reich ohne staatsrechtlichen Bruch.
Das geht meiner Meinung nicht, alleine dadurch das es da erhebliche Unterbrechungen gab. Das weströmische Reich ging 476 unter, das HRR wurde erst um 1000 "neugegründet", da gibt es keinen Zusammenhang mehr bis auf den Namen und die gewollte Legitimation.
Und nach dem Untergang von Konstantinopel (bzw. Ostroms) dauerte es ebenfalls noch einige Jahrhundert/e bis es ein Zarenreich gab
Nicht so ganz. Den Zarentitel führte bereits Iwan III. 25 Jahre nach dem Fall von Konstantinopel. (Sein Sohn Wassili III. allerdings nicht, sondern erst wieder dessen Sohn Iwan der Schreckliche.) Die Rolle Moskaus als "Drittes Rom" wurde darauf zurückgeführt, dass Iwan III. mit einer Nichte von Kaiser Konstantin XI. verheiratet war und man daraus eine Quasi-Rechtsnachfolge ableitete.
Im Westen wurde die römische Kaiserwürde bekanntlich bereits von Karl dem Großen wiederbelebt.
Hier handelt es sich um Reiche die ihre Legitimation im alten Rom suchten, doch waren sie im modernen Sinne nicht einmal Nachfolgestaaten (wie z.B Weißrussland einer ist von der UdSSR) ganz zu schweige der Staat selbst. Der weströmische "Staat" hörte 476 auf zu existieren, der oströmische "Staat" 1453, da gab es keine Nachfolger [mal abgesehen von Nepos/Trapezunt]
Der weströmische "Staat" hörte 476 schon deshalb nicht zu existieren auf, weil es, wie Du weiter oben selbst richtig angemerkt hast, nie einen eigenständigen weströmischen Staat gab. Odoaker verzichtete (anders als vor ihm Ricimer, Gundobad oder Orestes) lediglich darauf, einen neuen Kaiser für den Westen einzusetzen. Damit blieb für den Westen als Kaiser nur noch Iulius Nepos zurück, nach dessen Ermordung es im Westen gar keinen Kaiser mehr gab. Was 480 endete, war also nur die administrative Teilung des Reiches. Fortan beanspruchte der Ostkaiser wieder die unmittelbare Herrschaft auch über den Westen, und dieser Anspruch wurde von den westlichen Machthabern rein formal teilweise auch anerkannt. Es gab jedenfalls wieder nur noch einen Kaiser.
Trapezunt sollte man eher als Sezession betrachten. Ursprünglich, als Konstantinopel im 4. Kreuzzug erobert worden war, betrachtete es sich zwar tatsächlich als das fortexistierende Reich, aber einige Zeit nach der Wiederherstellung des Byzantinischen Reiches einigten sich die Kaiser in Trapezunt und Konstantinopel, dass der Kaiser in Trapezunt sich zwar auch Kaiser nennen dürfe, aber nur der Kaiser in Konstantinopel der original echte römische Kaiser sei. Der Kaiser in Trapezunt erhob fortan nicht mehr den Anspruch, "römischer" Kaiser zu sein.
Allerdings existierte das Römische Reich auch nach dem Fall von Konstantinopel 1453 in gewisser Weise tatsächlich noch kurz weiter, da das zum Reich gehörende autonome Despotat Morea erst 1460 von den Osmanen erobert wurde. 1453 ging also im Grunde genommen nur wieder einmal die Hauptstadt verloren.
Das weströmische Reich ging sicher 476 unter. Zwar lebte und herrschte der letzte legitime weströmische Kaiser Nepos noch einige Jahre länger in Dalmatien, aber das ist eher eine Episode am Rande.
Die Frage ist, hat es Irgendjemanden interessiert, daß das weströmische Reich untergegangen war? Ich denke nicht. Wahrscheinlich hat es kaum Einer bemerkt. Romulus Augustulus, Sohne eines Usurpators war von dem germanischen Patricius Odoaker mit Duldung durch Konstantinopel abgelöst worden. Das könnte man in Konstantinopel sogar als Verbesserung empfunden haben. In jedem Fall war es nur eine marginale Veränderung der politischen Situation in der Diozöse Italica, die wohl nur einige damit befasste zentrale Beamte beschäftigt hat.
Ganz so marginal wohl auch wieder nicht. Der Kaiser des Ostens hatte, seitdem im Westen die Theodosianische Dynastie ausgestorben war, das Recht beansprucht, den dortigen Kaiser zu bestimmen. Dieser Anspruch bestand nicht nur formal, sondern hatte auch praktische Auswirkungen, indem der Osten immer wieder versuchte, ihm genehme Kaiser im Westen zu installieren, und dazu teilweise auch Truppen entsandte. Es waren also mehr als nur ein paar Beamte mit der Situation im Westen befasst. Romulus Augustulus galt im Osten stets nur als Usurpator gegen den als legitim anerkannten Iulius Nepos. Odoaker beseitigte zunächst also nur einen Usurpator, was den Osten wohl nicht störte, weigerte sich dann aber, Iulius Nepos als Kaiser anzuerkennen. In diesem Punkt betonte man im Osten aber sehr wohl die Legitimität des Nepos und arrangierte sich nur notgedrungen mit Odoaker, da man im Moment faktisch keine Möglichkeit hatte, gegen ihn vorzugehen. ("Duldung" ist eher relativ.) Sogar Ricimer hatte in der Regel versucht, seine Kaiser dem Osten schmackhaft zu machen, oder gar Kaiserkandidaten aus dem Osten akzeptiert. Damit war mit Odoaker Schluss, der Osten hatte jetzt in Italien nicht mehr Einfluss als bei den Westgoten. Dass sich Odoaker nicht mit Italien begnügte, sondern auch nach Dalmatien ausgriff (statt dem Osten die Kontrolle zu überlassen), wird man im Osten auch negativ empfunden haben, zumal Dalmatien seit jeher zwischen Ost und West umstritten gewesen war.
Dass man diese neue Situation als Verbesserung empfunden hat, bezweifle ich.