Untergang des römischen Reiches

Natürlich war Anatolien angreifbar, aber zwischen ein paar Piratenüberfällen und einer großangelegten Invasion besteht doch ein Unterschied. Und diese war in Anatolien zumindest schwieriger, deutlich schwieriger.

Syrien und Ägypten dagegen waren praktisch überhaupt nicht bedroht.
 
Bedroht schon. Man konnte sich ja nicht darauf verlassen, dass die Sassaniden ruhig bleiben würden. Später, im frühen 7. Jhdt., eroberten sie immerhin für rund 20 Jahre die nahöstlichen Gebiete. Es war reines Glück für die Oströmer, dass es im 5. und 6. Jhdt. an der Ostgrenze meistens ruhig war.
Trotzdem sollte man auch die Bedrohung durch die Germanen nicht unterschätzen: Der Balkan war im Osten das Hauptrekrutierungsreservoir für die Armee gewesen, und nun wurde er von den Germanen überrannt. Die Isaurier waren ein zweifelhafter Ersatz für die Soldaten aus Illyrien. Aber auch Kleinasien war theoretisch keineswegs unerreichbar: Die Wandalen waren ja auch nach Afrika gelangt. Ebenso hätte für die Germanenstämme am Balkan theoretisch die Chance bestanden, mithilfe eines abtrünnigen Oströmers, z. B. Flavius Marcianus, Illus oder Vitalianus, nach Kleinasien überzusetzen.
 
Aber gerade wegen der Sassanidengefahr standen im asiatischen Teil etliche Legionen mehr als z.B. an der Rheingrenze, die immer stärker entblößt wurde. Gallien war unzureichend verteidigt und sehr lukrativ, zudem stand damit der Weg nach Spanien offen, das mangels Bedrohung kaum militärisch verteidigt war.
Der Westen war daher der einfachere Weg.

Vielleicht kam auch noch ganz einfach die Faszination des Namens "Rom" dazu, sich eher Italien und dem Westen zuzuwenden.
 
Die Desintegration des Römischen Reiches setzt nach Theodosius (379–95) ein. Er war der letzte Kaiser, der die Zügel des gesamten Reichs in seiner Hand hielt, obgleich seine Alleinherrschaft kaum ein Jahr gedauert hatte. Auf seinen Tod fogte der Prozess des Niedergangs, der nie wieder rückgängig gemacht werden konnte. Insofern steht Theodosius "der Große" an einer ganz anderen Stelle der Entwicklung als Diokletian und Konstantin.

Die von Theodosius hinterlassene Dynastie regierte im Westen bis 455, im Osten bis 450. Die Herrscher dieser Zeit erwiesen sich als politisch unfähig: Honorius (395–423) und Valentinian III. (423–455) im Westen sowie Arcadius (395–408) und Theodosius II. (408–450) im Osten zählten als politische Potenzen überhaupt nicht, sondern waren Nullen. Zudem gelangten sie alle als Kinder und Jugendliche zur Regierung. Zeitlebens kamen sie kaum über die Gemächer ihres Palastes, geschweige denn über ihre Resiedenzstadt hinaus, also über Ravenna im Westen und Konstantinopel im Osten.

Ganz fern lag ihnen der Gedanke, an die Spitze eines Heeres zu treten, und das zu einer Zeit, als der Feind nicht mehr an der Grenze stand, sondern sein Lager mitten auf dem Reichsboden aufgeschlagen hatte.– Dieser unfähigen Familie war das Geschick des Römischen Reichs in der kritischsten Phase anvertraut, die es jemals erlebt hatte.

Zu dieser politischen Unfähigkeit – ja Lähmung – an der Staatsspitze kamen die verheerenden ökonischen Daten hinzu. Die Reichsbewohner sahen sich einer unerträglichen Steuerlast gegenüber, was besonders die Landpächter, die Kolonen, traf. Zwar hatte sie der Staat durch Gesetze an die Scholle gefesselt, doch flüchteten immer mehr Menschen, sodass um 400 weite Landstriche verödet waren.

Nimmt man das alles zusammen, so standen Wirtschaft und Gesellschaft am Rande Zusammenbruchs, oder befanden sich bereits mitten darin. Die finanzielle Situation des Reichs wurde immer hoffnungsloser und die Staatsflucht äußerte sich in einer völligen politischen Apathie der Bevölkerung.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Germanenreiche auf römischem Boden – Burgunder, Ostgoten, Westgoten, Wandalen usw. – den Sturz beschleunugten, da Widerstandskräfte kaum noch vorhanden waren. Die Absetzung des letzten (west)römischen Kaisers durch Odoaker im Jahr 476 markiert eigentlich nur noch das unspektakuläre Ende eines langjährigen Prozesses.
 
einerseits durch die größe des Reiches, wodurch es nicht mehr regierbar war, anderseits durch die Streitigkeiten, durch einfallende Barbarenstämme wie Hunnen, Sachsen und Germanen und letztlich durch eine Reihe von schwachen Kaisern...der letzte war Augustulus...wie man schon am Namen merkt machte man sich über ihn lustig...eine verniedlichung von augustus
 
einerseits durch die größe des Reiches, wodurch es nicht mehr regierbar war, anderseits durch die Streitigkeiten, durch einfallende Barbarenstämme wie Hunnen, Sachsen und Germanen und letztlich durch eine Reihe von schwachen Kaisern...der letzte war Augustulus...wie man schon am Namen merkt machte man sich über ihn lustig...eine verniedlichung von augustus

Meinst Du Romulus Augustulus?Romulus Augustulus ? Wikipedia
Er ist nicht von Konstantinopel nicht anerkannt worden. Und wie macht man sich über jemanden lustig, durch Verniedlichung, dessen Name die verniedlichte Form eines Namens ist.
Waren die Sachsen keine Germanen? Da bin ich aber erstaunt.
Und eine Bitte. Bitte berücksichtige die Groß/klein-Schreibung. Ist einfach besser zu lesen und zu verstehen.

Apvar
 
@ Lukas:
Das ist zu kurz gegriffen.

Größe des Reiches: Den Großteil seiner Ausdehnung erreichte das römische Reich bereits unter Augustus, danach hielt es noch ca. 400 Jahre lang stand, ehe es zusammenzubrechen begann. Davon, dass es infolge seiner Größe unregierbar gewesen wäre, kann also keine Rede sein.

Die schwachen Kaiser waren da schon eher ein Problem, allerdings wurden sie teilweise durch starke Heermeister als eigentliche Machthaber kompensiert. Das Problem war eher, dass die Heermeister teilweise wegen ihrer germanischen Herkunft angefeindet wurden und gegen sie intrigiert wurde.

Die Sachsen waren auch Germanen und fielen nur in Britannien ein.

@ Apvar:
Er hieß Romulus Augustus. Augustulus war in der Tat eine Verniedlichung.
 
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@ Apvar:
Er hieß Romulus Augustus. Augustulus war in der Tat eine Verniedlichung.

Stimmt habe ich auch gerade gelesen. War aber ziemlich jung zu dem Zeitpunkt als er als Kaiser ausgerufen wurde.

OT Caligula war auch eine Verniedlichung. Trotzdem war er kein netter Zeitgenosse. Und auch nicht ungefährlich für seine Zeitgenossen.

Apvar
 
OT Caligula war auch eine Verniedlichung. Trotzdem war er kein netter Zeitgenosse. Und auch nicht ungefährlich für seine Zeitgenossen.
Als er diesen Namen erhielt war er auch noch ein kleiner Junge im Feldlager seines Vaters und eine Art Maskottchen der Soldaten. Als Erwachsener hat er diesen Namen nie geführt und sicher auch nicht geduldet dass er so genannt wurde.
 
Staatsrechtlich ist das Römische Reich 1453 untergegangen würde ich sagen. Man sagt ja auch nicht das Deutschland 1990 untergegangen ist mit der Auflösung der DDR oder?
Zumal Ost und Westrom keine zwei unterschiedlichen Staaten waren wie BRD und DDR.
Man hat sich ja nicht als zwei Staaten gesehen, als gespaltenes Reich, nur als ein Reich mit zwei Herrschern mit eigenen Herrschaftsbereichen.
 
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Staatsrechtlich ist das Römische Reich 1453 untergegangen würde ich sagen. Man sagt ja auch nicht das Deutschland 1990 untergegangen ist mit der Auflösung der DDR oder?
Zumal Ost und Westrom keine zwei unterschiedlichen Staaten waren wie BRD und DDR.
Man hat sich ja nicht als zwei Staaten gesehen, als gespaltenes Reich, nur als ein Reich mit zwei Herrschern mit eigenen Herrschaftsbereichen.


hmmmm...war das Reich, das im wesentlichen aus seiner Hauptstadt Konstantinopel bestand und 1453 von den Osmanen erobert wurde, noch das Römische Reich? In seinem eigenen Verständnis sicherlich ja.

Man könnte auch als Römisches Reich das Heilige Römische Reich auffassen, das erst 1806 aufgelöst wurde. Was ist mit dem Zarenreich, das sich auch in der Tradition / Nachfolger des Römischen Reiches sah und die Hauptstadt Moskau als "Drittes Rom" bezeichnete?

Kontinuitäten und Diskontinuitäten kann man vom Römischen Reich bis in die Gegenwart ziehen.
 
Staatsrechtlich ist das Römische Reich 1453 untergegangen würde ich sagen. Man sagt ja auch nicht das Deutschland 1990 untergegangen ist mit der Auflösung der DDR oder?
Zumal Ost und Westrom keine zwei unterschiedlichen Staaten waren wie BRD und DDR.
Man hat sich ja nicht als zwei Staaten gesehen, als gespaltenes Reich, nur als ein Reich mit zwei Herrschern mit eigenen Herrschaftsbereichen.

Auch wenn der westliche Teil abgetrennt war, bestand das Römische Reich im Osten zweifellos fort. Die Bewohner des Oströmischen bzw. Byzantinischen Reichs bezeichneten sich selbst als Römer - nämlich Rhomäer/Rhōmaîoi - und ihren Staat als "Reich der Römer", nämlich Basileía tōn Rhōmaíōn. Sie sahen sich auch keineswegs als "Nachfolger" der Römer, sondern sie waren Römer im vollen Wortsinn.

Dass Anspruch und Wirklichkeit im Lauf der Jahrhunderte immer weiter auseianderklafften, steht auf einem ganz anderen Blatt. Auch dass schon früh eine Hellenisierung einsetzte, die die Latinisierung nahezu völlig verdrängte. Dennoch gab es bei den staatlichen Institutionen einzelne Ämter und Würden, die sich aus römischer Zeit erhalten hatten und fortbestanden: etwa der praefectus praetorio, der magister officiorum, der quaestor oder die magistri militum.

Allerdings verschwanden viele dieser Ämter im Lauf der Zeit oder wechselten ihre Namen, Funktionen und Zuständigkeiten. Auf jeden Fall wirkte Byzanz nit seiner hoch organisierten Bürokratie "moderner" als seine abendländischen mittelalterlichen Nachbarn. Auch das ist antik-römisches Erbe und keine neue eigene Entwicklung.
 
Man könnte auch als Römisches Reich das Heilige Römische Reich auffassen, das erst 1806 aufgelöst wurde. Was ist mit dem Zarenreich, das sich auch in der Tradition / Nachfolger des Römischen Reiches sah und die Hauptstadt Moskau als "Drittes Rom" bezeichnete?

Das geht meiner Meinung nicht, alleine dadurch das es da erhebliche Unterbrechungen gab. Das weströmische Reich ging 476 unter, das HRR wurde erst um 1000 "neugegründet", da gibt es keinen Zusammenhang mehr bis auf den Namen und die gewollte Legitimation.

Und nach dem Untergang von Konstantinopel (bzw. Ostroms) dauerte es ebenfalls noch einige Jahrhundert/e bis es ein Zarenreich gab

Hier handelt es sich um Reiche die ihre Legitimation im alten Rom suchten, doch waren sie im modernen Sinne nicht einmal Nachfolgestaaten (wie z.B Weißrussland einer ist von der UdSSR) ganz zu schweige der Staat selbst. Der weströmische "Staat" hörte 476 auf zu existieren, der oströmische "Staat" 1453, da gab es keine Nachfolger [mal abgesehen von Nepos/Trapezunt]

Dass Anspruch und Wirklichkeit im Lauf der Jahrhunderte immer weiter auseianderklafften, steht auf einem ganz anderen Blatt. Auch dass schon früh eine Hellenisierung einsetzte, die die Latinisierung nahezu völlig verdrängte. Dennoch gab es bei den staatlichen Institutionen einzelne Ämter und Würden, die sich aus römischer Zeit erhalten hatten und fortbestanden: etwa der praefectus praetorio, der magister officiorum, der quaestor oder die magistri militum.


Naja Deutschland von 1871 unterscheidet sich auch ein Stück weit vom Deutschland 2014, das sind keine 200 Jahre - das Römische Reich existierte von -500 bis +1500 also rund 2000 Jahre, dass es dort zu erheblichen Veränderungen kam, ist doch selbstverständlich.
Und letztlich ist doch immer entscheidend wie sich ein Staat selbst sieht und ob es klare Eckpunkte gibt die solche Selbstdarstellungen für legitim halten. Es gab kein Ende des Römischen Reiches nach dem Verlust Roms 476, einfach dadurch das Konstantinopel nun entgültig zum Ersatzrom geworden ist...ein Exil, vielleicht nicht praktisch aber theoretisch, man hat in Byzanz den Anspruch auf Rom auch natürlich nie aufgegeben. In der modernen Forschung nennt man Ostrom auch nur deshalb Byzanz um es vom antiken römischen Reich abzugrenzen und den Verlust der namensgebenden Stadt Rom "weiterzugeben" Aber das "Byzantinische Staat" war der selbe(staatsrechtlich) wie der "oströmische".
 
Das weströmische Reich ging sicher 476 unter. Zwar lebte und herrschte der letzte legitime weströmische Kaiser Nepos noch einige Jahre länger in Dalmatien, aber das ist eher eine Episode am Rande.

Die Frage ist, hat es Irgendjemanden interessiert, daß das weströmische Reich untergegangen war? Ich denke nicht. Wahrscheinlich hat es kaum Einer bemerkt. Romulus Augustulus, Sohne eines Usurpators war von dem germanischen Patricius Odoaker mit Duldung durch Konstantinopel abgelöst worden. Das könnte man in Konstantinopel sogar als Verbesserung empfunden haben. In jedem Fall war es nur eine marginale Veränderung der politischen Situation in der Diozöse Italica, die wohl nur einige damit befasste zentrale Beamte beschäftigt hat.

Rom war ohnehin seit langem unwichtig. Das Zentrum des römischen Reiches war eindeutig Konstantinopel. Rom war nur noch Tradition und Geschichte. Italien nur eine von vielen Diozösen des Reiches und der Rest ohnehin vorläufig verloren. Peter Heather spekuliert sogar durchaus fundiert, daß man in der Hauptstadt Konstantinopel heilfroh war, diese rebellischen "Gallier", und damit war wohl Alles westlich der Alpen gemeint, endlich los zu sein.

Die interessantere Frage ist, wann das oströmische Reich und damit das römische Reich als Ganzes endgültig unterging.

Für mich liegt die Faszination des römischen Reiches darin, daß es ein riesiges Imperium war und nicht nur eines von vielen regionalen Königreichen. Mit der Schlacht am Jarmuk 636 war es dann so weit. Das Römische Imperium verlor Syrien und Ägypten und in der Folge auch Africa. Es wurde damit auf die Größenordnung eines regionalen Königreiches reduziert.

Der Traum einer Wiederauferstehung eines römischen Reiches vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer, den man zu Zeiten eines Justinians vielleicht noch kurz träumen konnte, war endgültig ausgeträumt. Es würde niemals mehr wieder ein römische Reich geben.

Für mich persönlich ist daher das Römische Reich im Jahr 636 untergegangen. Ungeachtet der Tatsache, daß mir jeder Bürger Konstantinopels im Jahre 636 mit Inbrunst widersprochen hätte. Aber diese Frage muß Jeder für sich selbst beantworten. Denn die Historiker werden sich darüber noch streiten, wenn wir Alle schon Geschichte sind.
 
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Der Untergang des Römischen Reiches ist kein punktuelles Ereignis. Aus Teilen des Römischen Reiches in Kombination mit germanischer Herrschaftsschicht in Italien/Spanien/Frankreich/Deutschland und Nordafrika entstanden neue Staaten, die man als Teilrechtsnachfolger und in Tradition des Reiches sehen kann.

Beispielsweise entstand aus dem Föderatenverhältnis mit den Franken das erste Frankenreich - quasi eine Symbiose aus germanischen Franken, christianisierten und romanisieren Kelten. Dies zerfiel später in weitere Staaten, die die Grundlage für das heutige Frankreich, Deutschland, Belgien, Niederlande und Luxemburg bildeten.

Aber an irgendeiner Stelle muß man das Ende des "eigentlichen" Römischen Reiches ansetzen. Das wird in der Geschichtswissenschaft nun in der Zeitenwende um 500 angesetzt.
 
hmmmm...war das Reich, das im wesentlichen aus seiner Hauptstadt Konstantinopel bestand und 1453 von den Osmanen erobert wurde, noch das Römische Reich? In seinem eigenen Verständnis sicherlich ja.

Man könnte auch als Römisches Reich das Heilige Römische Reich auffassen, das erst 1806 aufgelöst wurde. Was ist mit dem Zarenreich, das sich auch in der Tradition / Nachfolger des Römischen Reiches sah und die Hauptstadt Moskau als "Drittes Rom" bezeichnete?
Allerdings handelte es sich beim HRR und beim Zarenreich um bemühte Anknüpfungen an ein prestigeträchtiges Reich ohne jegliche tatsächliche Kontinuität. Das Oströmische Reich hingegen war tatsächlich das geschrumpfte Römische Reich ohne staatsrechtlichen Bruch.

Das geht meiner Meinung nicht, alleine dadurch das es da erhebliche Unterbrechungen gab. Das weströmische Reich ging 476 unter, das HRR wurde erst um 1000 "neugegründet", da gibt es keinen Zusammenhang mehr bis auf den Namen und die gewollte Legitimation.

Und nach dem Untergang von Konstantinopel (bzw. Ostroms) dauerte es ebenfalls noch einige Jahrhundert/e bis es ein Zarenreich gab
Nicht so ganz. Den Zarentitel führte bereits Iwan III. 25 Jahre nach dem Fall von Konstantinopel. (Sein Sohn Wassili III. allerdings nicht, sondern erst wieder dessen Sohn Iwan der Schreckliche.) Die Rolle Moskaus als "Drittes Rom" wurde darauf zurückgeführt, dass Iwan III. mit einer Nichte von Kaiser Konstantin XI. verheiratet war und man daraus eine Quasi-Rechtsnachfolge ableitete.

Im Westen wurde die römische Kaiserwürde bekanntlich bereits von Karl dem Großen wiederbelebt.

Hier handelt es sich um Reiche die ihre Legitimation im alten Rom suchten, doch waren sie im modernen Sinne nicht einmal Nachfolgestaaten (wie z.B Weißrussland einer ist von der UdSSR) ganz zu schweige der Staat selbst. Der weströmische "Staat" hörte 476 auf zu existieren, der oströmische "Staat" 1453, da gab es keine Nachfolger [mal abgesehen von Nepos/Trapezunt]
Der weströmische "Staat" hörte 476 schon deshalb nicht zu existieren auf, weil es, wie Du weiter oben selbst richtig angemerkt hast, nie einen eigenständigen weströmischen Staat gab. Odoaker verzichtete (anders als vor ihm Ricimer, Gundobad oder Orestes) lediglich darauf, einen neuen Kaiser für den Westen einzusetzen. Damit blieb für den Westen als Kaiser nur noch Iulius Nepos zurück, nach dessen Ermordung es im Westen gar keinen Kaiser mehr gab. Was 480 endete, war also nur die administrative Teilung des Reiches. Fortan beanspruchte der Ostkaiser wieder die unmittelbare Herrschaft auch über den Westen, und dieser Anspruch wurde von den westlichen Machthabern rein formal teilweise auch anerkannt. Es gab jedenfalls wieder nur noch einen Kaiser.

Trapezunt sollte man eher als Sezession betrachten. Ursprünglich, als Konstantinopel im 4. Kreuzzug erobert worden war, betrachtete es sich zwar tatsächlich als das fortexistierende Reich, aber einige Zeit nach der Wiederherstellung des Byzantinischen Reiches einigten sich die Kaiser in Trapezunt und Konstantinopel, dass der Kaiser in Trapezunt sich zwar auch Kaiser nennen dürfe, aber nur der Kaiser in Konstantinopel der original echte römische Kaiser sei. Der Kaiser in Trapezunt erhob fortan nicht mehr den Anspruch, "römischer" Kaiser zu sein.

Allerdings existierte das Römische Reich auch nach dem Fall von Konstantinopel 1453 in gewisser Weise tatsächlich noch kurz weiter, da das zum Reich gehörende autonome Despotat Morea erst 1460 von den Osmanen erobert wurde. 1453 ging also im Grunde genommen nur wieder einmal die Hauptstadt verloren.

Das weströmische Reich ging sicher 476 unter. Zwar lebte und herrschte der letzte legitime weströmische Kaiser Nepos noch einige Jahre länger in Dalmatien, aber das ist eher eine Episode am Rande.

Die Frage ist, hat es Irgendjemanden interessiert, daß das weströmische Reich untergegangen war? Ich denke nicht. Wahrscheinlich hat es kaum Einer bemerkt. Romulus Augustulus, Sohne eines Usurpators war von dem germanischen Patricius Odoaker mit Duldung durch Konstantinopel abgelöst worden. Das könnte man in Konstantinopel sogar als Verbesserung empfunden haben. In jedem Fall war es nur eine marginale Veränderung der politischen Situation in der Diozöse Italica, die wohl nur einige damit befasste zentrale Beamte beschäftigt hat.
Ganz so marginal wohl auch wieder nicht. Der Kaiser des Ostens hatte, seitdem im Westen die Theodosianische Dynastie ausgestorben war, das Recht beansprucht, den dortigen Kaiser zu bestimmen. Dieser Anspruch bestand nicht nur formal, sondern hatte auch praktische Auswirkungen, indem der Osten immer wieder versuchte, ihm genehme Kaiser im Westen zu installieren, und dazu teilweise auch Truppen entsandte. Es waren also mehr als nur ein paar Beamte mit der Situation im Westen befasst. Romulus Augustulus galt im Osten stets nur als Usurpator gegen den als legitim anerkannten Iulius Nepos. Odoaker beseitigte zunächst also nur einen Usurpator, was den Osten wohl nicht störte, weigerte sich dann aber, Iulius Nepos als Kaiser anzuerkennen. In diesem Punkt betonte man im Osten aber sehr wohl die Legitimität des Nepos und arrangierte sich nur notgedrungen mit Odoaker, da man im Moment faktisch keine Möglichkeit hatte, gegen ihn vorzugehen. ("Duldung" ist eher relativ.) Sogar Ricimer hatte in der Regel versucht, seine Kaiser dem Osten schmackhaft zu machen, oder gar Kaiserkandidaten aus dem Osten akzeptiert. Damit war mit Odoaker Schluss, der Osten hatte jetzt in Italien nicht mehr Einfluss als bei den Westgoten. Dass sich Odoaker nicht mit Italien begnügte, sondern auch nach Dalmatien ausgriff (statt dem Osten die Kontrolle zu überlassen), wird man im Osten auch negativ empfunden haben, zumal Dalmatien seit jeher zwischen Ost und West umstritten gewesen war.
Dass man diese neue Situation als Verbesserung empfunden hat, bezweifle ich.
 
Der weströmische "Staat" hörte 476 schon deshalb nicht zu existieren auf, weil es, wie Du weiter oben selbst richtig angemerkt hast, nie einen eigenständigen weströmischen Staat gab.

Ich denke, das ist der entscheidende Grund. Der römische Kaiser saß im 5ten Jahrhundert in Konstantinopel. Er verzichtete darauf einen zweiten und nachrangigen Augustus einzusetzen, nachdem Nepos tot war.

Man begnügte sich mit der politischen Illusion, daß Italien durch einen germanischen Patricius verwaltet wurde. Ähnlich sah man das wohl für Gallien und Spanien. Selbst der westgotische König hat den Kaiser in Konstantinopel offiziell als Oberherrn anerkannt. Im Weiteren betrachtet man zumindest Italien noch als Bestandteil des Reiches, wie das Eingreifen der Römer in die gotischen Thronstreitigkeiten nach Odoaker belegen, die zu Theoderichs Herrschaft führten. Als man Italien und auch Africa wieder erobert hatte, oder aus römischer Sicht wieder unter direkte Kontrolle nahm, setzte man auch keinen neuen Augustus ein, sondern verwaltete diese neuen Provinzen wie üblich mit Praefekten.

Das meinte ich auch mit "marginal". Eine verwaltungstechnische Frage für Experten und Diplomaten am Kaiserhof, die den römischen Bürger auf der Straße weder interessierte noch bewußt war. Rom war und blieb der Mittelpunkt der Welt und lag eindeutig am Bosporus. Daran hatte sich Nichts geändert.
 
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