Spessarter

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:richter:
Hallo,
ich weiß, das geht in die Juristerei, aber hier sind ja auch Juristen aktiv und vielleicht hat sich schon mal einer mit dem Thema beschäftigt.
Ich überlege, einige lokale Sagen zu einem bestimmten Thema in Buchform zusammen zustellen und zu veröffentlichen. Mit schönen Bleistiftzeichnungen (dafür suche ich noch jemanden) und mit heimatkundlichen Hinweisen zu den Orten, an denen die einzelnen Sagen spielen.
Die Sage ist eine zunächst auf mündliche basierende, kurze Erzählung (wikipwedia). Heutzutage hört man die Sagen aber nicht mehr bei der Bevölkerung. Die Zeit dürfte zumindest bei uns in D vorbei sein. Sagen sind üblicherweise in Sagensammlungen, Ortschroniken, heimatkundlichen Veröffentlicheungen, Zeitschriften, o.ä. veröffentlicht worden.
Also muss ich bei einer Veröffentlichung einer neuen Zusammenstellung auf die bestehenden Veröffentlichungen zugreifen, womit ich beim Thema Urheberrecht angelangt bin.
Ich habe inzwischen eine - wie ich finde - recht umfangreiche Sammlung mit heimatkundlichen Veröffentlichungen, darunter auch einiges zu Sagen.
Grundsätzlich ist es beim urheberrecht ja so, dass jeder Text, dessen Autor über 70 Jahre tot ist, ist absolut urheberrechtsfrei ist.
Zusätzlich gibt es offensichtlich eine Rechtsauffassung, dass aktueller gesammelte Sagen im Grunde theoretisch auch urheberrechtsfrei sein könnten. Es gibt da eine BGH-Entscheidung Goggolore, die von der
Gemeinfreiheit dieser Texte ausgeht.
Inwieweit kann ich mich darauf verlassen?
Darüber hinaus sind Verlag und Autor auch durch eine ganze Reihe weiterer Aspekte geschützt: "Nacherzählt von...", "neu bearbeitet von..." sind Klauseln, die dem Herausgeber zu Urheberrecht auch bei ursprünglich urheberrechtsfreien Inhalten verhelfen könnten, oder?
Oft wäre es ja wirklich schwierig, gerade bei lokalen Veröffentlicheungen an die Erben der Urheberrechte zu kommen. Vielfach sind die älteren herren gestorben, Erben unkalr, oft war nicht mal ein Verlag beteiligt, sondern die haben alles selbst gemacht. Insofern wäre es hilfreich, eine klare "Anleitung" zu haben, was beachtet werden muss.
Also, gilt grundsätzlich bei Sagen die Gemeinfreiheit, auch wenn der Autor noch nicht 70 Jahre verstorben ist? Muss ich dann die erzählten Sagen genauso übernehmen, muss ich sie ändern = mit anderen Worten nacherzählen, kann ich sie ändern = auf aktuelles "Wording" bringen? Was muss ich bei den Quellenangaben beachten?
Das ist für einen Laien einfach nicht lösbar! :motz:
 
Die von Dir erwähnte Goggolore-Entscheidung geht nicht davon aus, daß die konkreten Textfassungen gemeinfrei seien, gemeinfrei ist lediglich der Sagenstoff.
Bundesgerichtshof - Goggolore ? Wikisource

Wenn Du "Hänsel und Gretel" in Hexametern nachdichtest, dann hast Du auf diese Textfassung das Urheberrecht, nicht aber auf den Hänsel-und-Gretel-Stoff, der selbstredend nach wie vor gemeinfrei bleibt.
 
Was darf geändert werden

o.k. der Sagenstoff selbst ist gemeinfrei. Aber den gibts in der Regel ja nicht, sondern nur den bearbeiteten Stoff.
Genau da fängt jetzt die Krux an.
Wenn z.B. steht " aufegschrieben 1931 nach Erzählungen Windheimer Schulkinder". Darf ich das dann unveränbdert verwenden, weil ich davon ausgehen kann, dass das dann keine eigenes Werk = keine Schöpfungshöhe des lediglich "Niederschreibers" bedeutet?
Oder anders: Wenn steht "Erzählung einer Bauersfrau aus y, bearbeitet von..." mus sich dann den Stoff mit eigenen Worten nacherzählen? Darf ich dann noch Begriffe aus der Bearbeitung verwenden?
Es bleiben insgesamt die oben gestellten Fragen::confused:
Muss ich dann die erzählten Sagen genauso übernehmen, muss ich sie ändern = mit anderen Worten nacherzählen, kann ich sie ändern = auf aktuelles "Wording" bringen? Was muss ich bei den Quellenangaben beachten?
 
o.k. der Sagenstoff selbst ist gemeinfrei. Aber den gibts in der Regel ja nicht, sondern nur den bearbeiteten Stoff.
Genau da fängt jetzt die Krux an.
Wenn z.B. steht " aufegschrieben 1931 nach Erzählungen Windheimer Schulkinder". Darf ich das dann unveränbdert verwenden, weil ich davon ausgehen kann, dass das dann keine eigenes Werk = keine Schöpfungshöhe des lediglich "Niederschreibers" bedeutet?
Ich würde davon ausgehen, daß die Textfassung das Autors, der die Geschichte dann veröffentlicht hat, sein geistiges Eigentum ist.

Muss ich dann die erzählten Sagen genauso übernehmen, muss ich sie ändern = mit anderen Worten nacherzählen, kann ich sie ändern = auf aktuelles "Wording" bringen? Was muss ich bei den Quellenangaben beachten?
Ich kann hier leider keinen juristischen Rat geben, sondern nur schildern, wie ich es machen würde. Ich würde auf jeden Fall lieber die Textfassung von 1931 übernehmen als eine "eigene" durch mehr oder weniger willkürliche Umformulierungen zu erstellen. (Nur wenn es von ein und derselben Sage mehrere Versionen gibt, bietet es sich mitunter an, diese nacherzählend zusammenzufassen.)
Ich würde mich auf die Suche nach den Autoren bzw. ihren Erben machen. Möglicherweise hat das den nützlichen Nebeneffekt, daß man bei diesen Recherchen auf noch mehr - z. T. unveröffentlichtes - Material stößt. Daß das sehr zeitaufwendig werden kann, ist mir schon klar.
Wenn sich Autor oder Erben beim besten Willen nicht mehr ermitteln lassen, gibt es zwei Möglichkeiten: Ich setze eine entsprechende Notiz hinzu, oder ich gehe auf Nummer sicher und verfasse - unter Angabe der Quelle - eine Inhaltsangabe, die dann immer (als Zitate gekennzeichnete) wörtliche Passagen der Originalfassung enthalten kann.
 
Wenn z.B. steht " aufegschrieben 1931 nach Erzählungen Windheimer Schulkinder". Darf ich das dann unveränbdert verwenden, weil ich davon ausgehen kann, dass das dann keine eigenes Werk = keine Schöpfungshöhe des lediglich "Niederschreibers" bedeutet?
Die dir vorliegenden Aufzeichnungen sind noch nicht publiziert?
Dann sehe ich keine Probleme mit dem Urheberrecht bei wörtlicher Wiedergabe und korrektem Quellenhinweis.
 
Doch natürlich Sind sie pubuliziert. Woraus schließt du, das sie es nciht sein sollen?
Weil du die Quelle nicht genannt hast.
Gut, mein letzter publizierter Datenklau (aus Spessartsagen) war 1979, das ist verjährt. Anderseits bin ich da nicht so empfindlich. Urheberrechtsklagen erfolgen doch immer aus materiellen Interessen. Wenn du einen Bestseller planst und auch noch landest, dann mußt du dich natürlich warm anziehen.
 
Also, gilt grundsätzlich bei Sagen die Gemeinfreiheit, auch wenn der Autor noch nicht 70 Jahre verstorben ist? Muss ich dann die erzählten Sagen genauso übernehmen, muss ich sie ändern = mit anderen Worten nacherzählen, kann ich sie ändern = auf aktuelles "Wording" bringen? Was muss ich bei den Quellenangaben beachten?

Eigentlich steht in der Goggoloreentscheidung schon alles drin, was Du wissen musst.
Der Sageninhalt ist gemeinfrei, die Textfassungen in "zeitnahen" Veröffentlichungen sind es nicht. Wenn Du diese wörtlich in Dein Werk übernehmen willst, musst Du die Nutzungsberechtigung vom Rechteinhaber erwirken. Dies ist in der Regel der Autor, ansonsten seine Rechtsnachfolger. Im Zweifel solltest Du die Texte als grobe Vorlage für eine sprachlich eigenständige Nacherzählung verwenden, um dem Vorwurf des Plagiats zu entgehen. Auch lohnt es sich, mittels einer Quellenanalyse zu prüfen, ob die jeweilige Geschichte von mehr als einem Autor erzählt wird. Wird sie nur von einem Autor veröffentlicht, kann es darauf ankommen, ob diese Erzählung als Niederschrift einer altbekannten Sage auftritt und als solche aufgefasst wird oder ob deutlich wird, dass es sich um eine vom Autor ausgedachte Episode handelt.
Das bei der Ausarbeitung angehäufte Material sollte man vorsorglich zu Beweiszwecken archivieren.
Bei den Quellenangaben musst Du natürlich vollständig und korrekt alles angeben, was in Dein Werk mit einfließt. Wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit sonst auch.
Bei der 70jährigen Befristung musst Du zudem UrhG - Einzelnorm beachten.
Das mal so grob im Vorbeigehen. ;)
Sonst noch Fragen?
 
Hmmm, wenn ich die Bibel neu übersetzen würde....könnte ich dann ein Patent anmelden? Tantiemen für jede Messe! ;-)
 
Hmmm, wenn ich die Bibel neu übersetzen würde....könnte ich dann ein Patent anmelden?
Ein Patent nicht, aber Du hast auf diese Übersetzung selbstverständlich das Urheberrecht.
Tantiemen für jede Messe! ;-)
Wenn sich eine Kirche findet, deren Oberhäupter auf die Askan-Übersetzung schwören? Dann schau zu, daß im Verlagsvertrag ordentlich Prozente drinstehen, und Du bist ein gemachter Mann.
 
AHHHHHHHHHHHHHH, endlich die finanzielle Seligkeit.

War nur als Seitenhieb auf den ,meiner Meinung nach, ausufernden Urheberrechtsfetischismus gemeint.
 
Urheberrechtsfetischismus ist das richtige Wort. Wenn man weiß, wie besch...n professionelle Übersetzer ganz legal von den deutschen Verlagen bezahlt werden, bräuchte man jemandem, der Sagen in seiner eigenen Sprache einfach nur aufgeschrieben hat, allenfalls ein Bier ausgeben. Wer schon mal einen längeren Text übersetzt hat wird diese Rechnung nachvollziehen können. Juristisch hilft das natürlich wenig weiter.

Aber da es um Sagen geht, also traditionellen Stoff, ist das Problem lösbar. Wenn sie als nacherzählt oder neubearbeitet markiert sind, sollte man sowieso skeptisch gegenüber der vorliegenden Textfassung sein. Es empfiehlt sich auch aus sachlichlichen Gründen, nach älteren Vorlagen zu suchen. Und bei Sagen dürfte man da schnell vor den copyright-relevanten Zeitraum kommen. Genaugenommen 70 Jahre nach Tod des Autors. (Was bei "Schulkindern von 1931" noch nicht der Fall wäre, aber die Gefahr, daß sich anonyme Schulkinder beschweren und ihren Anspruch beweisen, ist nicht allzu groß.)
Kurz, bei Sagen möglichst den Quellen nachgehen (kann der Sache kaum schaden), notfalls neu nacherzählen, und wenn wirklich ein Text erst in jüngerer Zeit authentisch aufgezeichnet worden ist und du das so übernehmen möchtest - einfach mal nachfragen, ob man sich nicht einigen kann. Ansonsten deine Quellen gewissenhaft angeben, das ist gerade bei Sagen immer sinnvoll. Und es bleibt am Ende noch das Argument, daß Sagen schon vom Grundgedanken her zum Weitererzählen gedacht sind.
Und, egal ob du dein Buch da herausbringen willst oder nicht, du könntest ja mal mit einem einschlägigen, vielleicht kleinem, regionalen Verlag über dein Projekt sprechen. Die Leute dort müßten ausreichend praktische Erfahrung in solchen Fragen haben.
 
Urheberrechtsfetischismus ist das richtige Wort. Wenn man weiß, wie besch...n professionelle Übersetzer ganz legal von den deutschen Verlagen bezahlt werden, bräuchte man jemandem, der Sagen in seiner eigenen Sprache einfach nur aufgeschrieben hat, allenfalls ein Bier ausgeben.
Da bringst Du zwei Paar Stiefel durcheinander. Die meisten Autoren können sich nämlich von ihrem Urheberrecht noch nicht einmal ein Bier kaufen. Es geht hier schlicht um das elementare Recht eines Autors, wenigstens gefragt zu werden, ob man seinen Text verwenden darf und das Recht, diese Erlaubnis ggf. zu verweigern. Dies als "Fetischismus" zu verunglimpfen, ist völlig unangemessen.
Ist jemand, der es nicht für richtig hält, wenn ihm sein Fahrrad oder Auto geklaut wird, ein Eigentumsrechtsfetischist?

Über einzelne Bestimmungen der Gesetzeslage - warum müssen es z. B. gerade 70 Jahre sein? - mag man sich streiten, aber wie bei jedem Recht gibt es nun einmal gesetzliche Bestimmungen, die eben einzuhalten sind. Auch das hat mit "Fetischismus" nichts zu tun.
 
Ich würde mir mal keine allzugroßen Gedanken machen, solange es nur um ein relativ kleines Projekt innerhalb einer überschaubaren Region geht. Allerdings ist ein Quellennachweis trotz alledem und alledem unerlässlich: da es sich hierbei um ein populäres Buch handelt und nicht um eine textkritische Quellenforschung, dürfte ein Verzeichnis der Quellen (aus der Soundso Heimatzeitung, 1931 etc.) ausreichen. Wenn sich Vorarbeiter finden (z. B. Sagensammler aus den 50ern, 60ern) die massiv als Quelle genutzt werden, ist eine namentliche Nennung auf jeden Fall angebracht, sei es im Text oder als Unterzeile (das muss nicht unbedingt so weit gehen wie "Grimms Märchen", selbstverständlich ist bei noch lebenden Personen ein Anstandsbesuch angesagt bzw. Kontaktaufnahme mit den Erben/der Familie – da kann nb. auch noch gutes unentdecktes bei herausspringen). Ich würde dazu raten, den Metatext der Auffindung in die Sagen einzuweben – das verdichtet die (älteren) Sagen mit der neueren Lokalgeschichte.

Ein respektvoller Umgang mit den Quellen zahlt sich in jedem Fall aus, und verhindert auch in der Regel Copyrightforderungen. Die meisten Leute, die bislang Sagen gesammelt haben, taten das auch aus idealistischen Gründen – sie werden sich über die Lebendigerhaltung ihrer Arbeit freuen. Lebendig erhalten bedeutet auch eine Übertragung in modernere Sprache. Wohlgemerkt, "modernere" – wenn einige der Geschichten 1931 niedergeschrieben wurden gibt es sicher Formulierungen, die man heute nicht mehr verwenden möchte.

Ein effekthascherisches, oberflächliches Buch mit zwei aufs Marketing schielenden Augen hingegen können einem ganze Landstriche zum Feind machen. Eine liebevolle Ausgabe "zusammengetragen und erzählt vom Spessarter" macht sicher viele Freunde.
 
Da bringst Du zwei Paar Stiefel durcheinander. Die meisten Autoren können sich nämlich von ihrem Urheberrecht noch nicht einmal ein Bier kaufen. Es geht hier schlicht um das elementare Recht eines Autors, wenigstens gefragt zu werden, ob man seinen Text verwenden darf und das Recht, diese Erlaubnis ggf. zu verweigern. Dies als "Fetischismus" zu verunglimpfen, ist völlig unangemessen.
Ist jemand, der es nicht für richtig hält, wenn ihm sein Fahrrad oder Auto geklaut wird, ein Eigentumsrechtsfetischist?

Über einzelne Bestimmungen der Gesetzeslage - warum müssen es z. B. gerade 70 Jahre sein? - mag man sich streiten, aber wie bei jedem Recht gibt es nun einmal gesetzliche Bestimmungen, die eben einzuhalten sind. Auch das hat mit "Fetischismus" nichts zu tun.


Erstens habe ich, wie du im Thread leicht nachvollziehen kannst, das Wort Fetischismus nur aufgenommen. Und die Quellenangabe wie auch das Nachfragen beim Urheber habe ich genau in kritisierten Beitrag selbst empfohlen.
Aber dein Vergleich mit Auto- und Fahrradklau hilft mir zu zeigen, was eben beim geistigen Eigentum anders ist: Wenn einer mein Fahrrad klaut, ist es für mich weg. Punkt. Wenn einer meine Story abschreibt, ist sie immerhin noch da. Wir müssen jetzt nicht streiten, daß da immer noch Probleme bleiben (Vermarktungsmöglichkeit etc.), die übliche Unterschlagung dieses wesentlichen Unterschieds ist für mich entscheidend.
Und "... gesetzliche Bestimmungen, die eben einzuhalten sind" - das in dieser Schlichtheit würde ich wirklich Fetischismus nennen. Ich unterscheide grundsätzlich zwischen gesetzlichen Bestimmungen, die ich respektiere, weil ich sie für gerecht halte, und solchen, deren Realität ich nun mal akzeptieren muß, die ich aber bei Bedarf und Möglichkeit auch umgehe, weil ich sie für ungerecht halte. Ich denke, mindestens ein Verweis auf die NS-Zeit reicht, um diese Einstellung grundsätzlich zu begründen - im Einzelfall wird es zweifellos komplizierter.
Hier aber geht es ja ausdrücklich um Sagen, zu deren ureigenster Natur das Immer-wieder-Weitererzählen gehört und die nur zustandekommen, weil eben jeder Erzähler seinen kreativen Beitrag hinzufügt, jahrhundertelang ohne jeden Urheberrechtsschutz. Und wenn das jetzt nicht mehr möglich sein soll...
Und Geschichtsinteressierten muß man doch wohl nicht erklären, daß das persönliche Eigentum an Gebrauchsgegegnständen Jahrtausende alt ist, die Idee geistigen Eigentums dagegen äußerst neu.
 
Pass' auf was du sagst. Internationales Urheberrecht ist nichts, was nur ansatzweise in die Nähe von NS-Vergleichen gehört – es sei denn, du willst den Preis im Forumwettbewerb gewinnen, als Erster den NS-vergleich gezückt zu haben.
Der Preis besteht für gewöhnlich in ein paar Runden :jumpon:

Und Geschichtsinteressierten muß man doch wohl nicht erklären, daß das persönliche Eigentum an Gebrauchsgegegnständen Jahrtausende alt ist, die Idee geistigen Eigentums dagegen äußerst neu.

Stimmt ooch nicht. Seitdem es Schrift gibt, beklagen sich Autoren über nicht legitimierte Abschreiber.
 
Sorry, sollte ich mich wirklich so mißverständlich ausgedrückt haben? Mein Verweis auf die NS-Zeit sollte das deutlichste mir und allgemein bekannte Beispiel dafür liefern, daß die Einstellung "es gibt nun einmal diese oder jene Gesetze, und deshalb muß man sich danach richten" schlicht so nicht tragbar ist. Auf das Urheberecht im Speziellen bezog sich das natürlich nicht.
Allgemeiner gesagt, ich habe den Extremfall "NS-Zeit" als Prüfstein für die eventuelle Gültigkeit einer Aussage als allgemeine Regel benutzt. Ich wüßte nicht, was daran methodisch auszusetzen sein sollte.
Inhaltlich sehe beim gegebenen Thema keinerlei Bezüge zur NS-Zeit...

Zitat:
Seitdem es Schrift gibt, beklagen sich Autoren über nicht legitimierte Abschreiber.

> Wäre mir neu. Nach meinem Kenntnisstand galt es z.B. in der Antike, sagen wir vor 2000 Jahren, geradezu als anmaßend, unter eigenem Namen zu publizieren, anstatt sich das Pseudonym einer anerkannten Autorität zu wählen.

Führt aber alles vom Thema ab, hier ging es um die Weiterverbreitung von Sagen, wo der individuelle Beiträg zur Urheberschaft per se nur im Detail liegen kann. Ich will nochmal einen Vergleich wagen: Wie wäre es, wenn man in 10 Jahren für das Weitererzählen eines Witzes Lizenzgebühren zahlen müßte? Wird damit deutlich, wie ich es meine, daß man es mit dem Pochen auf geistiges Eigentum auch arg übertreiben kann? Oder würde jemand sagen, ja, klar, wo kämen wir hin, wenn jeder einfach so Witze weitererzählen wollte?
 
Oder würde jemand sagen, ja, klar, wo kämen wir hin, wenn jeder einfach so Witze weitererzählen wollte?

Einfache Witze sind schon etwas anderes. Bei gezeichneten haben wir da schon den totalen (strafbaren) Ideenklau. Es hat also schon etwas mit dem Medium zu tun:

Sagen bleiben Sagen (und, wie der Name sagt, mündlich), solange sie nicht in Schriftform geraten; dann werden sie Literatur.
Und genau um diesen Fall geht es hier. Ist eine "Sagensammlung" von 1931 schon Literatur, die als Stoff zu bearbeiten Plagiat wäre? Nicht, wenn diese Sammlung tatsächlich eine Zusammenstellung älterer, mündlich überlieferter Geschichten ist. Würde der Spessarter hier diese Sammlung wortwörtlich abschreiben, wäre es wiederum eine "Raubkopie". Hätte der Sammler von 1931 heimlich eine selbsterfundene Geschichte untergejubelt, wäre sie heute qua definitionem "Sage" geworden, es sei denn, der Spessarter findet das bei der Quellenforschung heraus (und diese, nota bene, ist auf jeden Fall angeraten: auch die Grimms haben die verschiedenen Formen der Volksmärchen dauernd verglichen).
 
Ich denke, mindestens ein Verweis auf die NS-Zeit reicht, um diese Einstellung grundsätzlich zu begründen - im Einzelfall wird es zweifellos komplizierter.

Nein, das reicht nicht.
Unrechtssysteme rechtfertigen nicht jeden beliebigen Verstoß gegen jede missliebige rechtliche Regelung in einem Rechtsstaat.
Vielmehr befindet sich derjenige, der gegen eine solche rechtliche Regelung opponieren will, auch in der Verantwortung, seine Abweichung überzeugend zu begründen.
Ein Verweis darauf, dass die Materie ja nicht zerstört wurde, geht an dem geschützten Recht und dem wesentlichen Inhalt künstlerischen oder wissenschaftlichen Schaffens vorbei. Nicht nur die gebaute Hütte ist Eigentum, auch der Plan dazu, wie sie zu bauen sei. Also die Idee. Ein Buch, das vervielfältigt und verkauft wurde, würde ja erst zu einer Eigentumsverletzung beim Künstler mit seiner Zerstörung führen, wobei allerdings das Buch höchstwahrscheinlich schon längst nicht mehr in seinem Eigentum steht und er somit schutzlos stünde. Da hilft auch nicht der Hinweis, der Künstler hätte durch den Verkauf bereits profitiert. Woher soll denn bitte das Recht eines anderen kommen, mit dem Werk des Künstlers zu tun und zu lassen, was ihm beliebt?
Für mich läuft das nicht auf legitime Widerspenstigkeit hinaus. Man kann ja gerne darüber streiten, ob die Industrien wirklich höhere Umsätze hätten, wenn es die Wechselbörsen nicht gäbe. Aber an dem grundsätzlichen Anspruch auf Schutz der künstlerischen Leistung, von der einige Leute ja auch leben wollen und müssen(!), kann man m.E. nicht rütteln, ohne Gefahr zu laufen, eine egozentrische asoziale Gesinnung zu entwickeln.

Oder würde jemand sagen, ja, klar, wo kämen wir hin, wenn jeder einfach so Witze weitererzählen wollte?
Nimmt dieser jemand dafür, dass er diesen Witz erzählt, Geld, dann sehe ich keinen Grund, warum er an den Erfinder dieses Witzes kein Geld bezahlen sollte. Oder soll ich die persönliche Raffgier und Faulheit honorieren?
 
Zuletzt bearbeitet:
> Wäre mir neu. Nach meinem Kenntnisstand galt es z.B. in der Antike, sagen wir vor 2000 Jahren, geradezu als anmaßend, unter eigenem Namen zu publizieren, anstatt sich das Pseudonym einer anerkannten Autorität zu wählen.

Dann sage ich dir gerne was neues: gerade in der Antike mit ihrer relativ entwickelten literarischen Kultur beklagen sich die Autoren über Kopisten ihrer Bücher, die sie nicht an ihrem Gewinn beteiligen.

Die ganzen "Pseudos" der Antike sind zu ihrem größten Teil Fehldeutungen späterer Bibliothekare, die unidentifizierbare Texte nominell einem stilistisch oder thematisch naheliegenden Autoren "zuschlugen".
 
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