Eine mehr oder weniger friedliche Koexistenz der europäischen Staaten nach dem "Balance of Power" Prinzip existierte im Grunde seit dem Frieden von Utrecht 1713, ebenso wie das System der Pentarchie, der 5 europäischen Großmächte seit dem 18. Jahrhundert existierte. Als der große Krieg, den man jahrzehntelang gefürchtet oder ersehnt hatte, schließlich ausbrach, nicht zuletzt deshalb ausbrach, weil die Großmächte sich allzusehr daran gewöhnt hatten, mit der "Krieg in Sicht" Angst das erstarrte Bündnissystem aufzusprengen hoffte, wurde der Krieg als Urdaseinszustand eines Volkes stilisiert, wurde er zum Anfang des "Untergangs des Abendlandes" glorifiziert, und es empfanden vielerorts die Massen den Ausbruch des Krieges als Abenteuer, als Erlösung aus den Zwängen des Alltags empfunden. Ein französischer Autor pries an der zeitgenössischen jungen Generation, dass die Jugend nicht vor dem Krieg zurückschrecke. In Deutschland wurde das "Augusterlebnis" von 1914 beschworen, und unter der panslawistischen Bewegung in Rußland, aber auch in der k. k. Militäraristokratie gab es durchaus Vorstellungen, mit einem Präventivschlag und kurzen Krieg zentrifugale Tendenzen und innere Schwierigkeiten im eigenen Land beseitigen zu können, wie sie Rußland während der Revolution von 1905 auszustehen hatte. Es gab in allen Armeen Planspiele, wie ein großer europäischer Krieg geführt werden müsse, am bekanntesten war das Konzept des Schlieffenplanes. Militärische Erwägungen, den Krieg zu einem bestimmten Zeitpunkt in Kauf zu nehmen, da man ihn dann noch zu gewinnen können hoffte, hatten schließlich einen verheerenden Einfluss auf politische Entscheidungen im Juni/ Juli 1914.
Dass aber die Politik der europäischen Großmächte ganz bewußt auf den Krieg zugesteuert hätte und in den Optionen auf eine "Alles oder nichts Politik" festgelegt gewesen wäre, entspricht nicht den Fakten. Es entsprach auch durchaus nicht den Spielregeln europäischer Politik. Weder in Münster und Osnabrück 1648, noch 1713 in Utrecht oder 1815 in Wien ging es um "Alles oder nichts", um die völlige Degradierung des Besiegten. Frankreich hatte 1713 in Utrecht, 1714 in Rastatt und erst recht 1815 in Wien ein gewichtiges wort mitzureden. Welche "Alles oder nichts Option" sollen die europäischen Mächte den gehabt haben? Frankreich mochte wohl gerne Elsass- Lothringen wiedergewonnen, dass aber Sein oder Nichtsein der französischen Nation davon abgehangen hätte, ob es das deutsche Kaiserreich vernichtet, oder selbst untergeht, war doch nicht der Fall. Ebensowenig stand Großbritanniens Existenz durch die Konkurrenz Deutschlands vor einer lebensbedrohlichen Situation. Die Option "Alles oder nichts", also um den "Platz an der Sonne" um die Bestätigung als Hegemonialmacht auf dem Kontinent oder die Liquidierung gab es vor 1914 nicht einmal für das Deutsche Reich, mochten auch eine ganze Reihe deutscher Intellektueller davon überzeugt sein, einen "Schicksalskampf um sein oder Nichtsein Deutschlands zu führen. Ein großer europäischer Krieg war durchaus keine Notwendigkeit für das zaristische Russland. Eher war das Gegenteil der Fall, wie sich ja bereits während des Russisch- Japanischen Krieges gezeigt hatte. Die Donaumonarchie, eigentlich nur dem Namen nach noch eine Großmacht, hätte am wenigsten einen europäischen Krieg gebrauchen können. Zwar spielten Leute wie von Hötzendorf mit der Idee eines Präventivkrieges gegen Serbien oder Italien, das aber mußte natürlich ein begrenzter Krieg sein.
Dass der Krieg um "Alles oder nichts" geführt würde, war Inhalt der Kriegspropaganda, die man den Massen auf allen Seiten verkaufte. Schließlich endete er nach den Opfern, die er gefordert hatte, nachdem er Millionen von Menschenleben kostete und vier große Imperien stürzte, mit einem "Diktatfrieden" beendet, der nur so lange Bestand haben konnte, als die Sieger über die Macht verfügten, seine Einhaltung zu erzwingen. Der Frieden, der den großen Krieg beendete, schien denen recht zu geben, die behaupteten, der Krieg ginge um "Alles oder nichts" und Kriege würden um "Sein oder Nichtsein" von ganzen Völkern geführt.
Das macht allerdings die These nicht wahrer, dass der 1. Weltkrieg zwangsläufig hätte ausbrechen müssen, da es für die europäischen Mächte nur eine Politik des "Entweder- Oder" und "alles oder nichts" gegeben hätte.