Ursachen größerer Bevölkerungsunterschiede

Ravenik geht auf genau das ein, was ich meine.

Siehe auch meinen letzten Beitrag die Küstenregionen betreffend.

Du willst also wissen, warum die "Küstenregionen" anderer Gebiete angeblich dichter besiedelt sind als die Europas? Das war aus dem Ausgangsbeitrag nicht ersichtlich.

Ansonsten muss man auch heir wieder sagen: Wenn man in China nur die Pazifikküste zählt, muss man in Europa auch die Ebenen Russlands und Osteuropas rauslassen. Und dann ist die Bevölkerungsdichte gleich bzw. mitunter größer als an der chinesischen Küste.
 
Habe einige Texte zu diesem Thema auf dem Computer.

Kann sie nicht zur Verfügung stellen, da ich diese nur im Zuge einer Lehrveranstaltung benutzen kann. Wer interessiert ist sollte sich vielleicht folgendes durchlesen.

BÄHR, Jürgen (2010): Bevölkerungsgeographie. 5. Auflage. Stuttgart: Ulmer (= UTB 1249). Kapitel 3.4.1: Hauptphasen in der Entwicklung
der Weltbevölkerung, S. 201-207.

MACKENROTH, G. (1955): Bevölkerungslehre. In: GEHLEN, A. und H. SCHELSKY (Hrsg.): Soziologie. Ein Lehr– und Handbuch zur
modernen Gesellschaftskunde. Düsseldorf-Köln. Kapitel 1: Geschichte der Bevölkerungstheorien seit dem 18. Jahrhundert, S. 1-12.

BÄHR, Jürgen (2010): Bevölkerungsgeographie. 5. Auflage. Stuttgart: Ulmer (= UTB 1249). Kapitel 2.2.1: Horizontale und vertikale Differenzierung von Bevölkerungsverteilung und Bevölkerungsdichte über die Erde,
S. 47-54.
 
Ravenik geht auf genau das ein, was ich meine.

Siehe auch meinen letzten Beitrag die Küstenregionen betreffend.

Wenn wir solche geografischen Gegebenheiten detailliert berücksichtigen wollten, brauchten wir lange Zeit. Wenn also jemand nur den am dichtesten besiedelten Teil Chinas herausgreifen will, so muss man dem den am dichtesten besiedelten Teil Europas gegenüberstellen usw. usw. Wer will das schon ausrechnen?

Am aussagekräftigsten ist die Tatsache, dass Europa dichter besiedelt ist als China. Ebenso wie in China gibt es auch in Europa kaum besiedelte Regionen wie große Teile Skandinaviens, dünner besiedelte wie die spanische Hochfläche und sehr dicht besiedelte wie die Niederlande oder Großbritannien.

Die Aussage bleibt bestehen, dass Europa dichter besiedelt ist und bei weitem dichter als die Staaten Nord- und Südamerkas, von Afrika ganz zu schweigen. Wie das im Vergleich zu repräsentativen Staaten Europas aussieht, habe ich weiter oben schon einmal aufgelistet. Dass Europa weniger Einwohner als Asien hat ist natürlich der Tatsache geschuldet, dass es auch erheblich kleiner ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aussagekräftig ist vor allem die zur Fläche des Kontinents in Beziehung gesetzte Zahl von Menschen, also die Bevölkerungsdichte.

Aber nur, wenn man davon ausgehen würde, dass die Einwohner gleichmäßig auf die Fläche des betrachteten Gebietes verteilt wären.

Entscheidend ist also die Bevölkerung pro besiedelbarer Fläche.

Dies wäre zumindest eine genauere Betrachtung und stellt im Gegensatz zur o.g. Bevölkerungsdichte die Besiedlungsdichte dar.

Bevölkerungsdichte ? Wikipedia
 
Aber nur, wenn man davon ausgehen würde, dass die Einwohner gleichmäßig auf die Fläche des betrachteten Gebietes verteilt wären.

Ich sagte bereits, dass es unrealistisch ist, bestimmte Gebiete Chinas herauszugreifen und sie mit anderen ähnlichen in Ezropa zu vergleichen. In Europa sind die Niederlande am dichtesten besiedelt und dort wiederum gibt es Regionen, die eine noch größere Bevölkerungsdichte haben. Andere sind dünner oder kaum besiedelt, wie das auch in China der Fall ist. Wo will man da anfangen, wo aufhören und welche Kriterien sollen gelten?
 
Im Fall des Amerikanischen Doppelkontinents spielen bei den verschiedenen Schätzungen zudem politische und ideologische Gegebenheiten mit hinein, die dazu führten, daß lange Zeit Zahlen für die präkolumbische Zeit sehr niedrig ausfielen. Heute stellt sich die Situation sehr aufgefächert dar: während einerseits einige Wissenschaftler von Bevölkerungszahlen zwischen 100 und 150 Millionen Einwohnern auf beiden Kontinenten ausgehen, hält sich andererseits eine Fraktion von sogen "Low Counters", die vor 1492 Zahlen von 10-15 Millionen für Nord-, Mittel- und Südamerika zusammen für das Maximum halten. Der von dir zitierte Braudel befindet sich demnach im oberen Bereich der "Low Counter".

Das ist eine interessante Diskussion, wenn sie auch etwas vom Thema wegführt. Braudel erörtert diese beiden Schätzungen ausführlich und kommt dabei auf die Berkeley-Schule zurück, die für den Beginn des 16. Jahrhunderts mittels Interpolation die Bevölkerung des indigenen Mexikos allein auf 25 Millionen schätzt und plus die höher entwickelten Kulturen Südamerikas, Amazonas-Jäger, nordamerikanische Nomaden bzw. Bauern, Inuit und andere Völker schließlich auf eine Gesamtbevölkerung von 100 Millionen und mehr für Amerika zur Zeit der europäischen Renaissance kommt.

Die von dir genannten "Low-Counters" kritisiert Braudel, da ab dem 17./18. Jahrhundert relativ sichere Zahlen vorliegen (um die 10 Mio.). Da die Invasion der Europäer durch Kriegsverbrechen, Sklaverei aber vor allem tödliche Seuchen aber sicher mehr Indios dahingerafft hat als der Schwarze Tod 200 Jahre zuvor die Weißen, muss die Zahl vor 1519 deutlich höher gewesen sein.

Andererseits erläutert Braudel, dass die Vermehrungsrate der amerikanischen Völker mangels tierischer Milch (die Kinder mussten bis zum 4. Lebensjahr von der Mutter gestillt werden) schon immer unter der anderer Volksgruppen lag und beim Überblicken des Siedlungspotenzials Amerikas die Bevölkerung wohl kaum hätte höher sein können als jene Europas, das ohnehin über eine deutlich fortschrittlichere Landwirtschaft verfügte und dementsprechend mehr Hungrige füttern konnte.
Außerdem hält der Autor es für unrealistisch, dass die von den Angreifern eingeschleppten Leiden mehr als 80% der Indios hätten töten können, wie es Schätzungen oberhalb der 50 Mio. nahelegen. Letztendlich wählt Braudel dann die goldene Mitte, obwohl er beide Schätzungen gleichermaßen für Nonsens hält.

Vielleicht hat ja irgendwer Laune, seine Meinung dazu abzugeben; ich mache dann einen Thread dazu auf.
 
PPS:
Nochmal was zur Verteilung der dichtestbesiedelten Gebiete:
Diese befinden sich bei praktisch allen Kontinenten bevorzugt an den Küsten.
Wie erwähnt auch im Falle Chinas.
Sind fruchtbare Küstenregionen also ausschlaggebend für eine gute Bevölkerungsentwicklung gewesen, dann sollte Europa hier erst recht einen guten "Nährboden" gehabt haben und relativ wegen der Küstenanteile also eine wiederum eher höhere Bevölkerungszahl aufweisen.

Da möchte ich allerdings ergänzen, dass die Bevölkerungsdichte allein auch nicht sehr viel aussagt, da in vielen Staaten nicht alle Flächen gleichermaßen besiedelbar sind. Wüstenregionen, Urwälder und Gebirge sind normalerweise bekanntlich weniger bevölkert. Während in den meisten europäischen Staaten der Großteil der Fläche nutzbar ist, sieht es in Staaten wie China und den USA mit Wüsten- und Gebirgsregionen anders aus. Ein Extremfall ist Ägypten, wo sich trotz großer Fläche fast die gesamte Bevölkerung im Niltal und -delta konzentriert. Entscheidend ist also die Bevölkerung pro besiedelbarer Fläche.

Ravenik geht auf genau das ein, was ich meine.

Siehe auch meinen letzten Beitrag die Küstenregionen betreffend.

Das Thema ist etwas holperig gestartet, könnte jedoch interessant werden, wenn man es differenziert betrachtet. Ich hatte vor Jahren in http://www.geschichtsforum.de/f39/a...age-auf-handel-wandel-grenzen-kontakte-25381/ schon mal einen ähnlichen Versuch gestartet. Die Bevölkerungsdichte / qkm ist ein Indiz für die unterschiedliche Ausstattung mit Ressourcen, Spezialisierungsmöglichkeiten in Städten, Industrieregionen und die Anbindung an Verkehrswege. Beim letzten Punkt sind die Küsten meist bevorzugt, da sie guten Zugang zum Meer aufweisen. Wenn sie darüberhinaus noch an einer Flußmündung liegen, leben die Menschen an einem Handelsknotenpunkt, der idR mehr Menschen ernährt als eine Inlandlage, egal ob in Europa, Indien oder China.
Wie Ravenik schon gesagt hat, ist die Bevölkerungsdichte abhängig von vielen verschiedenen Faktoren.
Alex74, könntest du genauer eingrenzen, um was es dir in erster Linie geht, sonst besteht die Gefahr, dass das Thema zerfasert.
 
Andererseits erläutert Braudel, dass die Vermehrungsrate der amerikanischen Völker mangels tierischer Milch (die Kinder mussten bis zum 4. Lebensjahr von der Mutter gestillt werden) schon immer unter der anderer Volksgruppen lag und beim Überblicken des Siedlungspotenzials Amerikas die Bevölkerung wohl kaum hätte höher sein können als jene Europas, das ohnehin über eine deutlich fortschrittlichere Landwirtschaft verfügte und dementsprechend mehr Hungrige füttern konnte...

Du gibst ja nur Braudel wider, deshalb widerspreche ich nicht dir sondern ihm, obwohl ich ihn nicht gelesen habe:
Dass die europäische Landwirtschaft fortschrittlicher gewesen sei und daher hätte mehr Menschen ernähren können, kann nur eine Aussage Braudels aus imperialistischer Arroganz sein.
Das Gegenteil ist der Fall, viele Regionen Europas konnten erst nach Einführung etlicher amerikanischer Pflanzenzuchterfolge bes. der Kartoffel, eine steigende Anzahl von Mensch und Vieh ernähren.
Die Aussage über die Milch ist in diesem Licht genauso falsch.
 
Du gibst ja nur Braudel wider, deshalb widerspreche ich nicht dir sondern ihm, obwohl ich ihn nicht gelesen habe:
Dass die europäische Landwirtschaft fortschrittlicher gewesen sei und daher hätte mehr Menschen ernähren können, kann nur eine Aussage Braudels aus imperialistischer Arroganz sein.
Das Gegenteil ist der Fall, viele Regionen Europas konnten erst nach Einführung etlicher amerikanischer Pflanzenzuchterfolge bes. der Kartoffel, eine steigende Anzahl von Mensch und Vieh ernähren.
Die Aussage über die Milch ist in diesem Licht genauso falsch.

Hm, die Amerikaner hatten vielleicht die Kartoffel, aber ist durch bessere Pflüge und Anbautechniken wie die Dreifelderwirtschaft nicht doch ein Vorteil auf Seiten der Europäer gegeben? Man muss bedenken, dass die Bewohner Mexikos z. B. trotz allen staatsorganisatorischen Errungenschaften technologisch teilweise noch auf dem Niveau der Jungsteinzeit waren.

Welche Tiere, die die amerikanischen Hochkulturen züchteten, waren denn zur Milchproduktion geeignet? Ich gehe davon aus, dass Braudel diese Behauptung nicht einfach so aufgestellt hat.

Du kennst das Buch ja nicht, aber imperialistische Arroganz wäre das Letzte, was ich Fernand Braudel vorwerfen würde; eher die krampfhafte Neigung, auf Basis von wenigen Quelleninformationen unbedingte Geschichtsbilder zu entwerfen. An keiner Stelle des Buches unterschlägt er auf irgendeine Weise außereuropäische Kulturen im Bezug auf ihr Alltagsleben (was ja das Thema des Wälzers ist), und teilweise wirkt es sogar sehr bemüht, wenn z. B. beim Thema Hausrat "und hier sollten wir noch einen Blick auf die Küchenausstattung in Schwarzafrika werfen" eingebaut wird.
 
Da ich außer Fernand Braudel ? Wikipedia nichts über Braudel weiß, kann ich mich in der Einschätzung nur an seinen Lebensdaten orientieren, die könnten zwar auf imp. Arroganz hindeuten, ich will sie ihm aber nicht unterstellen, da ich ihn nicht gelesen habe.

Gerade bei der Einschätzung von effektiver Landwirtschaft hat sich die Sicht in den letzten Jahren durch das Erkennen der Umweltproblematik aber geändert. Das konnte Braudel noch nicht berücksichtigen, da er 1985 gestorben ist.

Hm, die Amerikaner hatten vielleicht die Kartoffel, aber ist durch bessere Pflüge und Anbautechniken wie die Dreifelderwirtschaft nicht doch ein Vorteil auf Seiten der Europäer gegeben? Man muss bedenken, dass die Bewohner Mexikos z. B. trotz allen staatsorganisatorischen Errungenschaften technologisch teilweise noch auf dem Niveau der Jungsteinzeit waren.
Die Einteilung in die Materialepochen sagt doch nicht unbedingt etwas über das Kulturniveau aus.
Es kommt doch darauf an, mit welcher Qualität von Nahrungsmitteln kann eine Kultur ihre Bevölkerung zuverlässig ernähren und da hatten die Altamerikaner einige Erfolge zu verzeichnen, siehe u.a. http://www.geschichtsforum.de/f15/terra-preta-gartenbau-amazonien-24673/




Welche Tiere, die die amerikanischen Hochkulturen züchteten, waren denn zur Milchproduktion geeignet? Ich gehe davon aus, dass Braudel diese Behauptung nicht einfach so aufgestellt hat.

Die Milchproduktion würde ich nicht überbewerten, die mitteleuropäische Dreifelderwirtschaft benötigte das Vieh in erster Linie zur Düngung der Felder, es gab ja noch keine Kunstdünger. Ansonsten hätten sie Wanderfeldbau betreiben müssen. Die paar ausgemergelten Kühe oder eher Ziegen werden beim Vergleich von bis ins Erwachsenenalter überlebenden Kinder nicht den Unterschied ausmachen.
Wie begründet Baudel die geringere Kinderanzahl denn. Wenn es keine validen Bevölkerungszahlen für Altamerika gibt, ist seine Milchbegründung doch Spekulation.
 
Die Verfügbarkeit tierischer Milch beeinflusst durchaus die Wachstumsrate eines Volkes.

Milch ist - wie allgemein bekannt - gerade für Kleinkinder ein fast unersetzliches Lebensmittel. Da die altamerikanischen Kulturen keine milchproduzierenden Tiere züchteten (wenn Braudel richtig liegt), mussten die Kinder bis zum dritten oder vierten Geburtstag die Muttermilch in Anspruch nehmen, während das mitteleuropäische Kind bis heute meist schon nach höchstens einem Jahr davon unabhängig ist und Kuh- bzw. Ziegenmilch konsumieren kann. Dadurch, dass die Indio-Kinder also mindestens dreimal länger gestillt werden mussten, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit für Kinder unter drei Jahren deutlich geringer (es steht nur begrenzt Muttermilch zur Verfügung).
 
Wie begründet Baudel die geringere Kinderanzahl denn. Wenn es keine validen Bevölkerungszahlen für Altamerika gibt, ist seine Milchbegründung doch Spekulation.

Das ist ja gerade die Schwäche in all diesen Bevölkerungsschätzungen. Auch jene, die mit 80 oder 100 Mio. Altamerikanern rechnen, basieren ihre Vermutungen ausschließlich auf möglichen Gegebenheiten, die eine bestimmte Wachstumsrate begünstigen. Im Falle der "High-Counters" ist es die Annahme, der Einfall der Europäer hätte 90% oder noch mehr von den Indios ums Leben gebracht. Wenn wir dieses Thema diskutieren wollen, müssen wir uns damit begnügen, dass unsere Schätzungen nur auf Spekulationen gründen, ausgehend von den tatsächlichen oder wahrscheinlichen Lebensumständen von Azteken, Inka, Eskimos usw.
 
Die Verfügbarkeit tierischer Milch beeinflusst durchaus die Wachstumsrate eines Volkes.

Milch ist - wie allgemein bekannt - gerade für Kleinkinder ein fast unersetzliches Lebensmittel. Da die altamerikanischen Kulturen keine milchproduzierenden Tiere züchteten (wenn Braudel richtig liegt), mussten die Kinder bis zum dritten oder vierten Geburtstag die Muttermilch in Anspruch nehmen, während das mitteleuropäische Kind bis heute meist schon nach höchstens einem Jahr davon unabhängig ist und Kuh- bzw. Ziegenmilch konsumieren kann. Dadurch, dass die Indio-Kinder also mindestens dreimal länger gestillt werden mussten, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit für Kinder unter drei Jahren deutlich geringer (es steht nur begrenzt Muttermilch zur Verfügung).

Diesen absoluten Zusammenhang kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt viele Kulturen, die keine frische tierische Milch trinken und die dennoch ordentliche Bevölkerungswachstumsraten haben. Hast du Zahlen zum Vergleich?
Und wieso mussten altamerikanische Kulturen bis zum 3.-4. Lebensjahr Muttermilch in Anspruch nehmen und alle anderen Kulturen nicht.
Spätestens ab dem 1. Lebensjahr werden Kinder überall zugefüttert.
Der entscheidende Vorteil von Frischmilch bei der Überlebensrate von Kindern oder der Kinderanzahl erschließt sich mir nicht. Da würde ich eher bei den kulturellen Unterschieden, wie z.B. der Religion nach Gründen suchen, wenn ich anhand von validen Zahlen belegen könnte, dass es Unterschiede in der Fortpflanzungsrate gab.
 
Ich bin kein Experte für Ernährungswissenschaften, aber soweit ich weiß, ist Milch doch für Kleinkinder eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Da hätten die Europäer dann doch einen Vorteil gehabt, eben da schon früh mit dem Stillen aufgehört werden kann und tierische Milch als Ersatzmittel eingesetzt wird.

Dein Einwand, dass auch andere Völker auf tierische Milch verzichten und trotzdem ordentliches Wachstum generieren (z. B. China, wo sogar eine Mehrheit der Bevölkerung laktoseintolerant ist, auch wenn es die Kinder nicht sind) ist jedoch ein wichtiger Kritikpunkt an Braudels Hypothese. Damit würde dieses Erklärungsmodell obsolet. Was sind alternative Theorien, oder müssen wir hier schulterzuckend aufgeben?

Zu bedenken ist natürlich auch, dass europäische Völker nur über die Laktosetoleranz im Erwachsenenalter verfügen, da es sich offensichtlich herausgestellt hat, dass der Konsum von Milch für den Menschen in irgendeiner Weise Vorteile hat (es handelt sich hierbei um eine Genmutation). Hier würden wir auf eine weitere windige Theorie stoßen: Könnte die rasante Entwicklung Europas u. a. in seiner Milchproduktion begründet liegen? Da wird es dann richtig witzig. :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin kein Experte für Ernährungswissenschaften, aber soweit ich weiß, ist Milch doch für Kleinkinder eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Da hätten die Europäer dann doch einen Vorteil gehabt, eben da schon früh mit dem Stillen aufgehört werden kann und tierische Milch als Ersatzmittel eingesetzt wird.
Milch ist eiweißreich, das sind aber auch andere tierische und pflanzliche Nahrungsmittel wie Fleisch, Eier, Bohnen, Linsen, Soja. Außerdem hielt sich frische Milch unter geschichtlichen Bedingungen nur kurz, für Käse und andere Milcherzeugnisse trifft die vielzitierte Lactoseintoleranz nicht zu, die für Kleinkinder sowieso nicht gilt.
Ich kann mir die Lactosetoleranz als Vermehrungsvorteil nur für frühe Gesellschaften vorstellen, wenn der Unterschied über einen längeren Zeitraum wirken konnte. Ansonsten sterben weder reine Ackerbauern noch reine Viehzüchter aus.

Dein Einwand, dass auch andere Völker auf tierische Milch verzichten und trotzdem ordentliches Wachstum generieren (z. B. China, wo sogar eine Mehrheit der Bevölkerung laktoseintolerant ist, auch wenn es die Kinder nicht sind) ist jedoch ein wichtiger Kritikpunkt an Braudels Hypothese. Damit würde dieses Erklärungsmodell obsolet. Was sind alternative Theorien, oder müssen wir hier schulterzuckend aufgeben?
Erstmal möchte ich wissen, wofür wir überhaupt ein Erklärungsmodell suchen.

Zu bedenken ist natürlich auch, dass europäische Völker nur über die Laktosetoleranz im Erwachsenenalter verfügen, da es sich offensichtlich herausgestellt hat, dass der Konsum von Milch für den Menschen in irgendeiner Weise Vorteile hat (es handelt sich hierbei um eine Genmutation). Hier würden wir auf eine weitere windige Theorie stoßen: Könnte die rasante Entwicklung Europas u. a. in seiner Milchproduktion begründet liegen? Da wird es dann richtig witzig. :)
Welche rasante Entwicklung Europas meinst du?
Wenn du die ab 1600 meinst, dafür gibt es doch sehr einfache Erklärungen.
Mit der Milch haben die nur am Rande zu tun.
 
Erstmal möchte ich wissen, wofür wir überhaupt ein Erklärungsmodell suchen.

Für eine bestimmte Bevölkerungsschätzung (eher 10-40 Mio. oder 80-150 Mio.) für das präkolumbianische Amerika.


Welche rasante Entwicklung Europas meinst du?
Wenn du die ab 1600 meinst, dafür gibt es doch sehr einfache Erklärungen.
Mit der Milch haben die nur am Rande zu tun.

Ich meine die wirtschaftliche Stärke Europas, die in den letzten zwei Jahrtausenden nur in Teilen Asiens ihresgleichen fand und im Grunde den Aufbau der europäischen "Weltherrschaft" ab dem 17. Jahrhundert erst möglich machte. Aber das nur nebenbei; ich hatte auch nicht vor, diese holprige These ernsthaft zu vertreten. Das war eher als Denkanstoß gedacht. :winke:
 
Für eine bestimmte Bevölkerungsschätzung (eher 10-40 Mio. oder 80-150 Mio.) für das präkolumbianische Amerika.

Wir sprechen von Schätzungen, dafür braucht man Grundannahmen und Analogien und wenn die schon falsch oder nur unsicher sind, stehen die Schätzungen auf tönernen Füßen.
Interessanter wären echte, gezählte Bevölkerungszahlen, gibt es die, für das römische Reich beispielsweise oder das chinesische Kaiserreich oder gar das HRR?




Ich meine die wirtschaftliche Stärke Europas, die in den letzten zwei Jahrtausenden nur in Teilen Asiens ihresgleichen fand und im Grunde den Aufbau der europäischen "Weltherrschaft" ab dem 17. Jahrhundert erst möglich machte. Aber das nur nebenbei; ich hatte auch nicht vor, diese holprige These ernsthaft zu vertreten. Das war eher als Denkanstoß gedacht. :winke:

Den ersten Satz mußt du aber gut begründen. Vom 17. -19. Jhd. ist Europas Vorherrschaft in weiten Teilen der Erde unbestritten, ob diese mit den 2 vorausgehenden Jahrtausenden begründet werden kann, davon müßtest du mich erst überzeugen.
Ich halte andere Gründe für stärker.
 
Im Heiligen Römischen Reich gab es keine Volkszählungen; lediglich die Städte führten ihre eigenen Statistiken. Auch bei den Römern fehlen gesicherte Zahlen; die Schätzungen diverser Althistoriker für die Blütezeit des Imperiums unter den Antoninen schwanken zwischen zurückhaltenden 30 Millionen und waghalsigen 100 Millionen. Einig ist man sich nur, dass der Ostteil des Reiches stets erheblich volkreicher war als der Westen. Was das HRR betrifft, gibt es Hochrechnungen, die für das spätere Mittelalter 12-16 Millionen Einwohner schätzen (8-11 Millionen davon in deutschen Landen), aber wieder nur wilde Spekulation, nichts verlässliches.
In China wiederum wurde ein regelmäßiger Zensus durchgeführt; Historiker streiten sich aber darüber, ob Personen oder einfach Haushalte gezählt wurden. Dazu gab es wegen häufiger Bürgerkriege nicht selten organisatorische Einbrüche, die die Statistik durcheinander brachten. Beispiel: In der Folge des An-Lushan-Aufstandes im 9. Jahrhundert vermerkt die Statistik eine Bevölkerungsschrumpfung von 75%. Selbst bei den unglaublichen Massakern, die die Chinesen sich damals antaten, ist dieser Einbruch nur mit dem kaiserlichen Kontrollverlust über große Teile des Landes zu erklären.

Insgesamt muss man anerkennen, dass historische Bevölkerungsberechnungen vor dem 19. Jahrhundert extrem schwierig und unsicher sind; und die kleinste Änderung in der Datenbasis kann einige Millionen Menschen ausmachen. Man kann dann mit den Schultern zucken und resignieren, oder versuchen, eine möglichst idiotensichere Hochrechnung aufzubauen, basierend auf mehr oder weniger sicheren historischen Fundamenten. Freilich läuft man dabei Gefahr, ein nicht zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen; und letztendlich können wir nie genau wissen, wieviele Menschen im Jahre 1687 das untere Sauerland besiedelten. Bei eines solchen Diskussion geht es immer um wacklige Schätzungen, nicht um genaue Zahlen.
 
Den ersten Satz mußt du aber gut begründen. Vom 17. -19. Jhd. ist Europas Vorherrschaft in weiten Teilen der Erde unbestritten, ob diese mit den 2 vorausgehenden Jahrtausenden begründet werden kann, davon müßtest du mich erst überzeugen.
Ich halte andere Gründe für stärker.

Ich wollte da jetzt gar keinen unmittelbaren Zusammenhang aufbauen; nur andeuten, dass Europa seit der Römerzeit wirtschaftlich, militärisch und wissenschaftlich immer die erfolgreichste Region der Welt war oder gegenüber anderen großen Kulturräumen wie China, dem Orient oder Indien zumindest "konkurrenzfähig".
 
Wer sagt das?
Schon die Römer hatten das Problem, dass sie zwar an Waren aus dem Osten (Arabien, Persien, Indien, China) interessiert waren, aber kaum Waren hatten, die den Osten interessierten, sodass die Handelsströme sehr einseitig verliefen und Unmengen an Edelmetall ins Ausland abflossen, was als eine der Ursachen für den Niedergang des Reiches gilt.
Später im Mittelalter hatte der Großteil Europas doch lange Zeit eindeutig das Nachsehen gegenüber Byzanz und der arabischen Welt. Wirtschaftlich florierende Regionen wie Flandern, die Champagne oder Italien waren eher die Ausnahme. Wissenschaftlich hinkte Europa der arabischen Welt ohnehin lange hinterher, und militärisch konnte man sich zuerst im 7./8. Jhdt. nur schwer gegen die Araber, im 7.-13. Jhdt. nur schwer und teils mit viel Glück gegen diverse Reitervölker aus dem Osten und später im 14.-16. Jhdt. kaum gegen die Osmanen halten. Ein Übergewicht Europas sehe ich frühestens ab dem 17. Jhdt.
 
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