Ursprung der Deutsch-Französischen Feindschaft

Will man - wie der Gast - Entstehung, Ursachen und Entwicklung eines propagandistischen Begriffs ergründen, ist es wichtig zu wissen, wann, von wem und mit welcher Absicht er erstmals verwendet wurde.

Das will er nicht.
Man lese seinen Eingangspost sorgfältig. Dort ist von der Entstehung der Feindschaft die Rede, nicht von der Entstehung eines propagandistischen Begriffes.
Letzteres wäre ein schönes Thema unter der Rubrik "wie funktioniert Propaganda", an der ich mich auch gerne beteiligen würde. Dabei hätten wir dann auch eine nahezu übereinstimmende Sichtweise. Hier differieren wir nur dahingehend, dass ich auf eine andere Frage antworte als Du ;)

Gruß,

Panzerreiter
 
Mit dem "Nationalen", wollte ich sagen, ist ein Plus an Mobilisierungspotential verbunden, etwas Totales, das der "nur-dynastischen" Erbfeindschaft fehlt.
Dann meinst Du wohl doch eher den "modernen Nationalstaat".
Der - wie Panzerreiter gut dargestellt hat - durch die Übereinstimmung von Nation und Staat deutlich mehr Mobilisierungspotential hatte.

Wobei ich ihm aber auch zustimme, daß es schon vorher nationale Identitäten gab, die für Feindschaften eine Basis gaben.
Das dynastische Element spielt da m. E. eine untergeordnete Rolle. Bourbonen und Habsburger mögen sich aus verschiedenen Gründen über längere Zeit in verschiedenen Lagern befunden haben - das alleine wäre ihren Untertanen aber recht egal gewesen.
 
1866 wurden dann Nord- und Süddeutsche aufeinander gehetzt, und nicht, weil ein ostfriesischer oder pommerscher Bauer seinen oberbayrischen Berufskollegen gehasst hätte.
Das war nun aber nichts Neues - schon vorher gab es viele innerdeutsche Kriege.

Trotzdem ist seither der Preiß oder Piefke der Erbfeind von Bayern und Österreichern.
Das halte ich für eine weit überzogene Gleichsetzung.
Solche Sticheleien (analog Gelbfüßler/Schwobesäcke) sind im Niveau drei Ebenen unter einer "Erbfeindschaft" wie zwischen verschiedenen Nationen, sie sind selten wirklich mit Haß verbunden und auch nicht wirklich Grundlage von Kriegen.
 
Wie man mittlerweile bemerkt haben könnte, bin ich kein allzu großer Freund akademisch-verbindlicher Erklärungen, empirischer Messungen und Begriffsherleitungen, wenn es um "gefühlte" Geschichte geht. (In anderen Fachgebieten dagegen sehr wohl)
Ich habe daher noch mal nachgedacht. Diese Gedanken möchte ich einbringen, noch ohne zu diesem Zeitpunkt tatsächlich eine verbindliche Schlussfolgerung oder Beweisführung daraus werden zu lassen. Ich lade dazu ein, einfach zu versuchen, sie nachzuvollziehen.

Die (ansatzweise durchaus auch von mir gemachte) Bemerkung, Streitigkeiten zwischen Dynastien oder Regierungen, auch kriegerischer Art, seien nicht mit Feindschaft zwischen den Völkern zu verwechseln, hat - so richtig sie theoretisch auch sein mag - einen Haken.

Zu Beginn solcher Streitigkeiten und wenn sie diplomatischer Art bleiben auch noch später, ist das unzweifelhaft richtig. Aber:
Wer führt den Krieg und gegen wen? Rückt etwa der französsiche König persönlich im Reich ein, fragt höflich nach dem Weg und brennt schließlich gezielt den Rosengarten des Kaisers nieder?
Nein. Es sind seine Soldaten, also Angehörige "seines" Volkes, die in das andere Land einfallen und dort Krieg führen. Gegen Angehörige des anderen Volkes. Selbst wenn wir den möglichen Einsatz von ausländischen Söldnern mit einrechnen, bleibt immer noch die Sicht des unter dem Krieg leidenden Volkes: Wo kommen diese Soldaten her?
Zu Zeiten, in denen Schlachten angeblich fein säuberlich nur zwischen den beteiligten Heeren und unter bewusster Schonung der Zivilbevölkerung stattgefunden haben (hat es die wirklich je gegeben...), mag das dem Volk tatsächlich relativ egal gewesen sein, aber spätestens im Dreißigjährigen Krieg war es damit vorbei. Spätestens jetzt hieß es etwa nicht mehr "König Gustav kommt" sondern "die Schweden kommen", im Übrigen unabhängig davon, ob im schwedischen Heer ausschließlich Schweden waren oder nicht. Im Reich analog sicher auch für die Franzosen. Umgekehrt nahmen "die Franzosen" "den Deutschen" die Niederlage von 1870/71 übel, nicht nur Napoleon III dem König/Kaiser Wilhelm I.

Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Wem nimmt man heute noch den zweiten Weltkrieg übel? Adolf und seiner Partei? Während man europaweit die Deutschen liebt?

Auch kriegerische Auseinandersetzungen, die ursprünglich nur der Rivalität zweier Regierungen anzlasten sind, führen in der Folge rasch zu Feindschaften zwischen Völkern. Nun gilt in der Psychologie die Faustregel, dass eine Negativprägung etwa 10 mal so stark ist wie eine Positivprägung.
Das bedeutet auf obigen Sachverhalt angewandt, dass einem Jahrzehnt, in dem ein signifikanter Krieg zwischen zwei Völkern stattfand, etwa ein Jahrhundert Frieden folgen müsste, um wieder Normalität in den Beziehungen entstehen zu lassen. (Zwischen den Völkern, nicht den Regierungen! Die können, wenn sie wollen, schon nach Monaten wieder so tun, als sei nichts geschehen.) Das nationale Gedächtnis ist nachtragender als das einzelner Menschen oder Regierungen.

Ob nun - um bei unserem Thema speziell mit der deutsch-französischen Feindschaft zu bleiben - die entsprechenden Kriege tatsächlich so zahlreich oder so kontinuierlich waren, und ab wann, sei dahingestellt. Dazu wurde ja schon etliches gesagt. Aber generell halte ich das Argument, wenn zwei Regierungen sich stritten wäre das dem Volk weitgehend egal, für bedenklich. Es mag, wie erwähnt, stimmen, solange sich dieser Streit nicht über Krieg, Annektion, Blockade, Vertreibung oder sonstige Ereignisse auf das Volk auswirkt. Sobald er dies aber tut, ist auch in der Volksseele Schluss mit lustig.

Gruß,

Panzerreiter
 
Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Wem nimmt man heute noch den zweiten Weltkrieg übel? Adolf und seiner Partei? Während man europaweit die Deutschen liebt?

Ich habe in den letzten 15 Jahren recht viele Reisen durch Europa gemacht, wurde dabei nie irgendwie als Deutscher schief angeschaut. Negative Erfahrungen habe ich eher mit der positiven Aufnahme als Deutscher gemacht, in Venezuela, wobei dort der Hitlergruß wohl nur ein missratener Scherz war, und in Jordanien und wo ich auf Unverständnis stieß, als ich erklärte, dass sich die meisten Deutschen nicht gerade freuten, wenn sie sich Lobhudeleien auf H. anhören müssten.
In Polen dagegen wurde mir abgeraten nach Auschwitz zu fahren, weil das vielleicht doch zu hart sei - wobei mir in Polen positiv aufgefallen ist, dass nirgendwo stand, "Hier haben die Deutschen ein KZ errichtet", "Hier haben die Deutschen die Warschauer Altstadt gesprengt", sondern das immer - und in allen Sprachen dort stand "Hier haben die Nationalsozialisten dieses bestimmte Verbrechen begangen". Dabei wissen wir es doch inhaltlich besser. Nein, in Europa habe ich durchaus Erfahrungen damit gemacht, dass ich als Deutscher als ein Bürger eines demokratischen Staates aufzunehmen bin und dass man sich der eigenen Kollaboration sehr wohl bewusst ist. Ein Freund aus den USA, Spross einer askenasisch-sefardischen Familie (Aschkenasim aus Polen, Sefardim aus dem Iraq), der in Michigan Deutsch studierte, der hat familiär die Erfahrung gemacht, dass es noch Misstrauen gibt. Als er seiner Familie eröffnete, sein Studium in Deutschland beenden zu wollen, waren einige Familienmitglieder dagegen, weil sie Angst um ihn hatten.
 
Ich habe mittlerweile auch recht viel von Europa gesehen und kann Folgendes dazu sagen.

Egal, wo man hinfährt, es kommt auf das Benehmen des Einzelnen an. Ist man in einer größeren Reisegruppe, wird man eher angefeindet - als GRUPPE, wohlgemerkt - als wenn man allein unterwegs ist. Das begründet sich so: Menschen neigen zu Verallgemeinerungen. Wenn sich also zehn Leute von 30 in einer Gruppe daneben/respektlos benehmen, wird das gleich auf die ganze Gruppe projiziert, dann sind es wieder die bösen Deutschen.

Ist man allein unterwegs und benimmt sich respektvoll und freundlich, wird einem NIEMAND die Nationalität vorwerfen. Ein kleines Beispiel, bleiben wir mal bei Frankreich, weils hier in den Thread passt:

Ich war mit meiner Oma in einer größene Reisegruppe für eine Woche in Paris. Bei den großen Besichtigungstouren hörte man überall Gemurre von den Einheimischen. Kein Wunder: bemühten sich die anderen Teilnehmer doch kein Stück, den Leuten entgegenzukommen. Wenn meine Oma und ich alleine unterwegs waren, haben wir uns mit den Leuten irgendwie verständigt (meistens mit Händen und Füßen) und ich hab nicht einen einzigen schiefen Blick geerntet.

In Ungarn wiederum sind die deutschen Touristen verhasst, speziell am Balaton auf der Partymeile. Dort benimmt sich der Großteil der deutschen (jugendlichen) Touristen nämlich wirklich wie ein Rudel Ferkel (sry), lassen sich volllaufen, schmeißen dann mit dem Interieur herum usw.
Ich war mit einer Freundin da und eine Bekannte hatte uns geraten, möglichst die Einheimischen zu meiden, da wir sonst angefeindet werden würden, alleine wegen unserer deutschen Ausweise. Weit gefehlt... die Kellnerin in einem Lokal ging irgendwann so weit, dass sie keine Kollegen mehr an unseren Tisch ließ und uns immer bedient hat :D ob das nun am Trinkgeld lag oder an uns, weiß ich aber auch nicht so ganz... :D
 
Das sind aber doch keine aus der Geschichte stammenden Vorbehalte, sondern liegt am Gruppenverhalten von Leuten, die sich nicht benehmen können. Wir "wissen" doch auch, dass *ALLE* Italiener nur Schwalben machen, dann rumheulen und deshalb ihre Spiele gewinnen. Unbeliebter in diesem Zusammenhang sind im Übrigen die Briten, welche die Meisterschaft im Koma-Saufen innehaben.
 
Die These von der Erbfeindschaft oder dem Erzfeind Frankreich stammt ja aus nationalistischeren Zeiten. Da hat man dann alles gesammelt, was ins Bild passte. Eine "Tradition" bis 870 sehe ich allerdings nicht. Wichtiger dürfte tatsächlich der lange habsburgisch-bourbonische Konflikt sein, wobei die Revolutionskriege wiederum eine strenge Zäsur darstellen.

Die Frage ist tatsächlich, was hier wieder "geweckt" wurde, wenn man auf den Krieg von 1870/71 abstellt.

Dazu wird auch die scharfe These vertreten, dass die militärgeschichtliche Literatur - eine regelrechte Schwemme nach dem siegreichen Krieg in kleinen Büchlein und großen Generalstabswerken - entscheidend dazu beigetragen habe. Die Schriften hatten große Verbreitung, während die angebliche "Erbfeindschaft" zuvor nur auf geringes Interesse in der Bevölkerung gestoßen war.
 
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