Ursprung der Reihengräbersitte

Witege

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In der Merowingerzeit übernahmen ja viele Germanenstämme die Reihengräbersitte.

Ich wollte einmal fragen, ob man den Ursprung dieser Sitte feststellen kann bzw. ob man weiß wer als erstes Reihengräberfelder (west-östlich ausgerichtet) angelegt hat. Oder entstanden diese wirklich in vielen Gebieten zeitgleich, evtl. unter romanischem Einfluß?


Gab es in den einzelnen Gebieten offensichtliche Unterschiede zwischen diesen Grabfeldern, wodurch man unterscheiden kann was typisch fränkisch, alamannisch usw. war?
 
Da hast du uns aber eine ganz schwere Nuss zu knacken gegeben!

Ich kann den Begriff "Reihengräber" nur in Verbindung mit dem frühen Mittelalter, Alemannen, Slawen und natürlich den Merowingern finden, doch bleiben Vorläufer dieser Sitte im Dunkeln. In einer Publikation heißt es, es hätte Reihengräber bereits im Neolithikum gegeben, doch wurden keine näheren Angaben gemacht, sodass sich das nicht verifizieren lässt.

Vermuten kann man nur, dass die Reihengräbersitte in der Tat schon bei einigen neolithischen Kulturen geübt wurde, doch fehlt mir hierzu jeglicher Beweis. :grübel:
 
Von ihrer Anlage her sind Reihengräber schon typisch für das 5.-7. Jahrhundert nach Christus. Gemeint sind eben Flachgräber in regelmäßiger Anordnung (von der Anlage her vergleichbar mit vielen modernen Friedhöfen, nur halt ohne Grabsteine) und West-Ost-Ausrichtung.
Die Germanenstämme innerhalb Deutschlands waren eigentlich Brandbestatter, wobei es viele unterschiedliche Bräuche gab (Urne, Brandschüttungsgrab, Grablege von Urnen in einem Hügel etc.).
Nach Horst Wolfgang Böhme setzte sich die Körperbestattung erst in der Spätantike durch. Der interkulturelle Kontakt der Söldner habe dazu gefüht, dass diese Kriegergräber anlegten, wie eben auch römische Offiziere und Soldaten mit ihren Beigaben bestattet worden.
Dieser Theorie zufolge nahm die Reihengräbersitte denn auch ihren Anfang in der germanisch-römischen Kontaktzone am Niederrhein, die zu den Kernlanden des Merowingerreichs gehören sollte. Aber auch weiter südlich (z.B. Nähe Frankfurt) gibt es schon frühe Reihengräberfelder. Die Alemannen dürften fast zeitgleich mit den Franken diesen Brauch aufgenommen haben, wobei der "Durchbruch" der Reihengräber erst im 5. Jahrhundert erfolgte. So wie ich das sehe, waren die Reihengräber im Merowingerreich und bei den Alemannen, Baiuwaren und Thüringern verbreitet. Mit den Slawen kenne ich mich nicht so aus, aber nach meinem Wissen pflegten auch sie eher die Brandbestattung.
Natürlich gab es zahlreiche Versuche, Grabgut aus den Reihengräbern ethnisch zuzuordnen. Dies bereitet insofern Schwierigkeiten, da die Kulturen der Alemannen und Franken zumindest auf deutschem Boden sehr einheitlich und ähnlich waren. Daher schenkt man solchen Deutungen zurzeit wenig Vertrauen. Frank Siegmund hat mit Hilfe der statistischen Auswertung versucht, die signifikanten Unterschiede der Grabbeigaben in verschiedenen Kulturräumen herauszuarbeiten. Ergebnis daraus ist das Buch "Alemannen und Franken", welches trotz des allgemein gehaltenen Titels sich hauptsächlich mit den Interpretationsmöglichkeiten aus den Reihengräbernfelder befasst.
Lesenswert zur Einführung ist immer noch der Abschnitt zu Reihengräbern in der 1970 erschienenen "Geschichte der Franken" von Zöllner. Interessant dazu auch einige Schriften von Heiko Steuer, der versucht hat, aus dem Fundgut der Reihengräber sozialgeschichtliche Erkenntnisse zu treffen (z.B. "Frühgeschichtliche Sozialstrukturen im Mittelalter").
 
Frage, insbesondere an Ashigaru: hat der Umbruch von der Brandbestattung zur Grabbestattung vielleicht auch etwas mit der Christianisierung zu tun?
 
In Alamannien kann man die Christianisierung nicht mit der Entstehung der Reihengräbersitte (ca. 450 n.Chr.) in Verbindung bringen. Die zunehmende Christianisierung leitete eher das Ende der Reihengräber ein, obwohl die Goldblattkreuze natürlich belegen, dass auch hier schon Christen begraben wurden, da die außerhalb der Siedlung gelegen Gräberfelder von den bei der Ortskirche gelegenen Kirchhöfe abgelöst wurden.

Die Franken wurden vielleicht durch die christianisierten Romanen beeinflußt, allerdings setzten auch hier die Reihengräberfelder vor der Christianisierung ein (Zülpich war ja erst 496).
 
Frage, insbesondere an Ashigaru: hat der Umbruch von der Brandbestattung zur Grabbestattung vielleicht auch etwas mit der Christianisierung zu tun?

Ja und nein. Die heidnischen Völker, wie die Sachsen, betrieben die Brandbestattung viel länger, bis zur Christianisierung und über deren erste Jahrzehnte hinaus. Allerdings sind die Reihengräber auch nicht typisch "christlich". Die Reihengräbersitte bricht im Frankenreich um 700 ab; zeitgleich mit dem Ausbau der Klöster und der ersten großen Kirchenreform.
Die Friedhöfe rücken an die Kirchen heran, die Beigabensitte bricht in kurzer Zeit nahezu vollständig ab, wenngleich es auch Belege dafür gibt, dass manche Reihengräberfelder christlich fortgeführt wurden.
Neben einigen schriftlichen Quellen gelten vor allem die Reihengräber mit ihren Beigaben (darunter zahlreichen Artefakten, die als Amulette interpretiert werden) als Kronzeugen für den Synkretismus im Frankenreich, ein stark heidnisch beeinflusstes Christentum. Dazu sei noch zu erwähnen, dass im 6./7. Jahrhundert sporadisch, ohne eine klare Verteilung, aber vor allem im Südwesten und Westen Deutschlands, wieder Hügelgräber auftauchen, die als eindeutig heidnisch angesehen werden.
 
Was sind überhaupt die wichtigsten Unterschiede der merowingerzeitlichen Reihengräberfelder zu den spätrömischen Körpergräber?

Die christlichen Romanen haben ja im Unterschied zu den Heiden komplett auf Beigaben verzichtet, oder? Auch die Verwendung von Sarkophagen und die Umgrenzung der Särge mit Steinen scheint ein Unterschied, der die Entstehung der Steinmauergräber beeinflußte.

Gibt es auch Unterschiede in der Anordnung?
 
Auf der Markung meiner Heimatstadt gibt es 8 per Spaten erforschte Reihengräberfelder.
Eins davon wurde in christlicher Zeit weiterbelegt, da dort die 1. Kirche der Gegend (Martinskirche) erbaut wurde.

Es gibt aber keinen einzigen nachgewiesenen Siedlungsplatz aus der Allemannenzeit.

Mit anderen Worten, ohne Reihengräberfunde wüßte man so gut wie nichts über die Allemannen im heutigen Südwestdeutschland.
 
Du hast recht. Die Reihengräberfelder sind fast die einzige archäologische Quelle für die Alamannen. Nicht vergessen darf man allerdings die Höhensiedlungen. Auch die Siedlungen sind wichtige Funde, wobei man natürlich sagen muß, dass zu alamannischen Zeiten natürlich nur Einzelhöfe, Weiler und Siedlungsspuren bei Villae Rusticae gefunden wurden. Die Dörfer kamen ja dann erst unter den Merowingern auf.

Insgesamt finde ich es aber auch nicht besonders verwunderlich, dass weniger Siedlungen wie Gräberfelder gefunden wurden. Die Reihengräberfelder befanden sich ja außerhalb der Siedlungen, die in den kommenden Jahren weiterverwendet worden sind.

Hier mal eine Karte zu den Dörfern.
 

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