Varus Aussehen an Münze rekonstruiert. Aber wie?

(Mal abgesehen von der angesprochenen Frage nach der Authentizität des vorh. Portraits: ) Die Rekonstruktion aufgrund einer Profilansicht ginge nur sehr ungenau. Die Breitenverhältnisse eines Gesichtes lassen sich nicht mal aus einer fotografierten Profilansicht genau ablesen. Schon geringe Abweichungen der Beleuchtungsstärke führen zu Fehlinterpretationen. Hinzukommen die Verzerrungen von Objektiven, die man leicht unterschätzt. Ein weiteres Problem ist die starke Asymmetrie jedes Gesichts, wie bspw. die unterschiedliche Augenhöhe.
Noch weniger Sinn macht die Rekonstruktion nach einem Profilportrait auf einer Münze, da es sich hierbei um ein Flachrelief handelt, das die Tiefen verfälscht, und zwar mit unbekannter Unregelmäßigkeit und mit künstlerischer Subjektivität.
Eine ›Rekonstruktion‹ würde jedenfalls nicht das Gesicht liefern, das ein Zeitgenosse der Person erkennen würde.

Puh, ich denke das kann man so nicht sagen. Man kann als Zeitgenosse durchaus Menschen in einem Profil erkennen!
Ob man allerdings heute aus einer Münze ein realistisches Bild bekommt ist vor allem wegen der Einwände die El Quijote schon nannte fraglich. Denn scheinbar kann nicht einmal mit Sicherheit gesagt werden dass es sich wirklich um Varus' Gesicht auf der Münze handelt.
Das mit den Tiefen und Breiten und der Asymmetrie ist ja einleuctend. Trotzdem sollte man eine Näherungsweise Rekosntruktion hinbekommen. Täterprofile sind ja auch nicht immer das gelbe vom Ei und liefern trotzdem einen Eindruck vom Aussehen des Täters. Was mich an der Rekonstruktion im Netz stört ist dass man eindeutig einen prominenten Adamsapfel und eine lange spitze Nase erkennen kann. Trotzdem wird Varus als fett und aufgeplustert dargestellt was meines Erachtens nach nicht sein kann. Etwas speckig oder markant könnte er gewesen sein, aber nicht so klobig/klotzig.

Dass mit dem Augustus ist mir auch aufgefallen. Allerdings nur bei dieser einen Münze. Es kann sich vielleicht auch um einen Fehler des Prägers handeln.
 
Man kann als Zeitgenosse durchaus Menschen in einem Profil erkennen!
Hab’ ich mit keinem Wort bezweifelt. (Dass die Person bei einer Kopf-Rekonstruktion im Profil weiterhin ähnlich aussieht, wäre ja anzunehmen…)

Das mit den Tiefen und Breiten und der Asymmetrie ist ja einleuctend. Trotzdem sollte man eine Näherungsweise Rekosntruktion hinbekommen.
Kann man nicht.(Habe Erfahrung mit Rekonstruktionen in 3D, auch nach mehreren Fotografien. Gesichter sind eine zusätzliche Herausforderung, da kleinste Unstimmigkeiten die Ähnlichkeit verhindern können. Und was in Spielfilmen und Serien möglich ist, muss mit der Realität nicht übereinstimmen.) Irgendwas lässt sich aber immer machen. Die Frage ist nur, ob’s Sinn macht… Einen römisch anmutenden Krausekopf kann man aber heute in den Medien leicht als Rekonstruktion, als digitale Errungenschaft feiern lassen. ;)
 
Hab’ ich mit keinem Wort bezweifelt. (Dass die Person bei einer Kopf-Rekonstruktion im Profil weiterhin ähnlich aussieht, wäre ja anzunehmen…)

Kann man nicht.(Habe Erfahrung mit Rekonstruktionen in 3D, auch nach mehreren Fotografien. Gesichter sind eine zusätzliche Herausforderung, da kleinste Unstimmigkeiten die Ähnlichkeit verhindern können. Und was in Spielfilmen und Serien möglich ist, muss mit der Realität nicht übereinstimmen.) Irgendwas lässt sich aber immer machen. Die Frage ist nur, ob’s Sinn macht… Einen römisch anmutenden Krausekopf kann man aber heute in den Medien leicht als Rekonstruktion, als digitale Errungenschaft feiern lassen. ;)

Ok.
 
Nee, wenn das nichts bringt ist es Zeitverschwendung!
Moment! Ich sehe da noch eine Möglichkeit:
Giuseppe Moretti (Archäologe) – Wikipedia , der 1937 die Ara Pacis wieder aufbaute, beschrieb 1948 nämlich eine andere Figur als Varus und von der gibt es einiges mehr an originaler Substanz. Dies wurde zwar von einigen späteren Forschern abgelehnt, z.T. aber nur mit dem Argument, dass der daneben stehende vermeintliche Tiberius nicht als solcher zu erkennen ist.
varus3.JPG

Ara Pacis Sued Platte 3
Wenn es also gelingen würde, mittels Rekonstruktion Parallelen zwischen den Münzen und dieser Figur zu finden, wäre das mMn ein Gewinn. Zumindest kann man mit dieser Figur so etwas versuchen.
 
Moment! Ich sehe da noch eine Möglichkeit:
Giuseppe Moretti (Archäologe) – Wikipedia , der 1937 die Ara Pacis wieder aufbaute, beschrieb 1948 nämlich eine andere Figur als Varus und von der gibt es einiges mehr an originaler Substanz. Dies wurde zwar von einigen späteren Forschern abgelehnt, z.T. aber nur mit dem Argument, dass der daneben stehende vermeintliche Tiberius nicht als solcher zu erkennen ist.
Anhang anzeigen 21517
Ara Pacis Sued Platte 3
Wenn es also gelingen würde, mittels Rekonstruktion Parallelen zwischen den Münzen und dieser Figur zu finden, wäre das mMn ein Gewinn. Zumindest kann man mit dieser Figur so etwas versuchen.
Gibt es denn dafür Belege? o_O
 
Moment! Ich sehe da noch eine Möglichkeit:
Giuseppe Moretti (Archäologe) – Wikipedia , der 1937 die Ara Pacis wieder aufbaute, beschrieb 1948 nämlich eine andere Figur als Varus und von der gibt es einiges mehr an originaler Substanz. Dies wurde zwar von einigen späteren Forschern abgelehnt, z.T. aber nur mit dem Argument, dass der daneben stehende vermeintliche Tiberius nicht als solcher zu erkennen ist.
Anhang anzeigen 21517
Ara Pacis Sued Platte 3
Wenn es also gelingen würde, mittels Rekonstruktion Parallelen zwischen den Münzen und dieser Figur zu finden, wäre das mMn ein Gewinn. Zumindest kann man mit dieser Figur so etwas versuchen.
Irgendwie erinnert mich das Gesicht an jemanden. Das Gleiche Gefühl hatte ich auch schon seit eh und je bei der Varusmünze. Als ob ich diesen Menschen schon mal gesehen habe. Ich muss mal jemanden flüchtig gekannt haben der damit Ähnlichkeit hat. Das Bild mit der Vorderansicht hat etwas Ähnlichkeit mit Boris Becker.
 
Hallo


@Mashenko
Kann man nicht.(Habe Erfahrung mit Rekonstruktionen in 3D, auch nach mehreren Fotografien. Gesichter sind eine zusätzliche Herausforderung, da kleinste Unstimmigkeiten die Ähnlichkeit verhindern können. Und was in Spielfilmen und Serien möglich ist, muss mit der Realität nicht übereinstimmen.)



Völlig richtig. Wie will madenn den Augenabstand aus dem profil rekonstruiren, geht nciht,au8ßer man nimmt statische ermittelte Durchnittswerte von 100000 untersuchten miteleuropäischer Schädel. Aber dann hat man kein Idividium rekonstruiert.

Wenn man mehrere Fotografien, oder auch nur 1-2 im Halbprofil hat, ist da schon mehr zu machen.
Aber nur eine Profilaufnahme ist zwecklos.

mfg
schwedenmann
 
Gibt es denn dafür Belege?
Zum einen erwähnt es John Pollini in seiner Dissertation auf Seite 89:
To either side of Augustus are two individuals (figs. S-1, S-16) that have sometimes been identified as the consuls of 13 B.C.-- Tiberius and Varus. There are no known portraits of Varus with which to compare either figure....
Hier nochmals ein funktionierender Link: John Pollini, Studies in Augustan "Historical" Reliefs, Dissertation UC Berkeley 1978 ,
zum anderen Franz Joseph Hassel in Zur Münze des Varus im RGZM im Jahrbuch des RGZM, Band 20, 1973
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/jahrb-rgzm/article/view/43751/37249
mit den dazu gehörenden Bildern, Tafel 55 (PDF Seite 57)
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/jahrb-rgzm/article/view/43774/37271

Den Text zur Originalpublikation von Moretti bzw. deren deutsche Übersetzung von Ernst Hohenemser gibt es wohl nicht digital, aber sicher in der Bibliothek.
Die Abbildungen aus Morettis Buch gibt es hier: Ara Pacis Augustae
 
Vor Moretti waren es Friedrich von Duhn 1881 und Eugen Petersen 1902 welche zwei Personen links und rechts von Augustus als die beiden Konsuln identifizierten:
Der Mann, der vor ihnen schreitet, ist Cäsar Augustus, und die zwei neben ihm können nur die Consuln sein. Sie wie Augustus hatte v. Duhn richtig erkannt und mit den Lictoren erwiesen.
Petersen, Eugen; Niemann, George [Hrsg.]: Ara Pacis Augustae: [Textband] (Wien, 1902) Seiten 99-100

Nur hatten die noch eine Platte aus der Villa Medici als Teil der Ara Pacis betrachtet, die später als nicht dazu gehörend befunden wurde. Was aus ihr geworden ist und ob sich jemand mit den darauf befindenden Personen weiter auseinandergesetzt hat, weiß ich nicht.
https://rdc.reed.edu/i/215aad66-7c26-4de9-a1dc-7914a30532ae Platte XVII zweite von links
 
ob sich jemand mit den darauf befindenden Personen weiter auseinandergesetzt hat
Man hat und zwar ausgiebig. Wenn ich richtig gezählt habe, publizierten, Stand 1983, 18 Personen zu diesem Relief, welches sich immer noch in oder an der Villa Medici befindet und für die, die an ihre Existenz glauben, zur Ara Pietatis Augustae gehörte. Fast jeder deutete die Personen im Relief anders. Varus ist leider nicht dabei.
Scheint mir gar nicht einfach zu sein, Personen auf römischen Reliefs zu identifizieren.

Stadtrömische Denkmäler unbekannter Bauzugehörigkeit aus augusteischer und julisch-claudischer Zeit in Die historischen Reliefs der römischen Kaiserzeit I, Gerhard M. Koeppel, Bonner Jahrbücher 1983
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/bjb/article/view/83340/77565 Seite 74 (pdf Seite 14)
 
Man hat und zwar ausgiebig. Wenn ich richtig gezählt habe, publizierten, Stand 1983, 18 Personen zu diesem Relief, welches sich immer noch in oder an der Villa Medici befindet und für die, die an ihre Existenz glauben, zur Ara Pietatis Augustae gehörte. Fast jeder deutete die Personen im Relief anders. Varus ist leider nicht dabei.
Scheint mir gar nicht einfach zu sein, Personen auf römischen Reliefs zu identifizieren.

Stadtrömische Denkmäler unbekannter Bauzugehörigkeit aus augusteischer und julisch-claudischer Zeit in Die historischen Reliefs der römischen Kaiserzeit I, Gerhard M. Koeppel, Bonner Jahrbücher 1983
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/bjb/article/view/83340/77565 Seite 74 (pdf Seite 14)
Mir fällt auf dass sich mache Porträts wiederholen. Wie eine Art Ersatz für ein echtes Porträt.
 
(Mal abgesehen von der angesprochenen Frage nach der Authentizität des vorh. Portraits: ) (...) Eine ›Rekonstruktion‹ würde jedenfalls nicht das Gesicht liefern, das ein Zeitgenosse der Person erkennen würde.
davon abgesehen: sind antike und mittelalterliche figürliche Darstellungen (Statuen, Reliefs etc) und bildliche Darstellungen (Mosaike, Buchillustrationen, Fresken, Gemälde) bzgl Personen nicht eher typisierend (Idealbild) und grundsätzlich nicht individualisierend ("realistisch") ? Wenn ohnedies nur typisierende "Portraits" vorliegen, hat eine Gesichtsrekonstruktion a priori nichts mit dem realen Vorbild zu tun.
Wie @El Quijote am Beispiel Augustus auseinandergesetzt hat:
Wenn man sich alleine mal Augustus anschaut, dessen Porträt zeigt verschiedene Varianten auf*, so dass dieser mehrere Nasen-OPs durchgemacht haben müsste. Das liegt aber nicht etwa am fortschreitenden Alter, auf Münzen tritt uns immer ein junger und kräftiger Augustus entgegen, kein 70jähriger.
von Augustus hat man viel mehr Darstellungen, aber eben auch nur idealisierende Typisierungen ohne wiederkehrende individuelle Besonderheiten, kurzum einen Augustus kann man kaum "rekonstruieren" - um wie viel weniger sinnvoll ist das also bei Varus, von dem wir viel weniger "antike Portraits" haben.
 
[…] sind antike und mittelalterliche figürliche Darstellungen (Statuen, Reliefs etc) und bildliche Darstellungen (Mosaike, Buchillustrationen, Fresken, Gemälde) bzgl Personen nicht eher typisierend (Idealbild) und grundsätzlich nicht individualisierend ("realistisch") ?[…] von Augustus hat man viel mehr Darstellungen, aber eben auch nur idealisierende Typisierungen ohne wiederkehrende individuelle Besonderheiten, kurzum einen Augustus kann man kaum "rekonstruieren" - um wie viel weniger sinnvoll ist das also bei Varus, von dem wir viel weniger "antike Portraits" haben.
Guter Punkt die Unterscheidung zwischen idealisierten und individualisierten Darstellungen. Bei den meisten römischen Herrschern wirst Du damit Recht haben, dass die Gesichtszüge (v.a. auf Münzen) stark idealisiert wurden, d.h. mehr oder weniger ein Durchschnittskopf abgebildet wurde. Bei manchen Herrschern aber gibt es zumindest einzelne Charakteristika, die den Abbildungen mitgegeben wurden.(wobei mir nur wenige geläufig sind) So wurde bspw. Nero eher dicklich mit Doppelkinn gezeigt. Bei Augustus habe ich den dicken Hals im Kopf, was aber auch Abbildungen anderer Kaiser (inkl. Nero) eigen ist; könnte aber gut sein, dass ihn so ein ›Stierenhals‹ tatsächlich auszeichnete und dieser dann auch seinen Nachfolgern quasi als ›kaiserliche Insigne‹ beigegeben wurde. Bei Caesar wäre die ausgemergelt wirkende Physiognomie zu erwähnen, samt dem herausstechenden Adamsapfel und der scharf geschnittenen, großen Adlernase. Dass ein Feldherr, wie Varus, bei Darstellungen weniger achtsam verewigt wurde, ist anzunehmen.
 
In augusteischer Zeit lässt sich sogar beobachten, wie eine Propaganda-Idealisierung eingeführt und geändert wird, was nicht heißt, dass es zuvor keinen Einfluss der Dargestellten auf die Darstellung gab.

(Im Ausstellungskatalog zur Varusschlachtausstellung 2009 findet sich im Imperiumsband ein entsprechender Artikel. Ich kann mich heute nicht gut genug bewegen, um es aus dem Regal zu nehmen.)
 
In augusteischer Zeit lässt sich sogar beobachten, wie eine Propaganda-Idealisierung eingeführt und geändert wird, was nicht heißt, dass es zuvor keinen Einfluss der Dargestellten auf die Darstellung gab.

(Im Ausstellungskatalog zur Varusschlachtausstellung 2009 findet sich im Imperiumsband ein entsprechender Artikel. Ich kann mich heute nicht gut genug bewegen, um es aus dem Regal zu nehmen.)
So weit ich weiß fing das Ganze ja erst richtig an unter Augustus und wurde dann mehr oder weniger von den Nachfolgern übernommen. Julius Caesar wurde noch möglichst realistisch dargestellt.
 
Vergleiche mal die Cäsar-Darstellungen. Bis auf eine oder zwei sind die schon sehr idealisiert. Allerdings noch in verschiedene Richtungen.
 
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