Venezianischer Pragmatismus

Arsacides

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Liebe Leute, ich hocke gerade hier in der Wiener Universitätsbibliothek und schreibe eine Arbeit über die wirtschaftshistorische und militärgeschichtliche Bedeutung der Republik Venedig. Ich kämpfe mich durch die Literatur, und eine Frage beschäftigt mich: Woher kam der venezianische/genuesische "Pragmatismus", trotz allen Verboten Handel mit Andersgläubigen (vorwiegend Muslimen) zu treiben, weshalb war man da Pionier? Kann mir da jemand mit Informationen weiterhelfen?

Vielen Dank im Voraus!
 
... und eine Frage beschäftigt mich: Woher kam der venezianische/genuesische "Pragmatismus"?

Eine ganz schlichte Antwort: Es waren Kaufleute. Und Kaufleute trieben schon immer Handel mit Leuten ganz unterschiedlicher Herkunft, Nationalität und Religion. Kaufleute sind pragmatisch, meiden Krieg, weil er das Geschäft verdirbt und führen nur dann einen, wenn es unbedingt sein muss oder die Ausweitung der Handelsgeschäfte winkt.

Diese Maxime zeigt sich während der ganzen Geschichte der Serenissima und die venezianische Kaufmannselite wich nur selten davon ab - dann meistens zu ihren Ungunsten. So war z.B. die Eroberung der Terra ferma lange Zeit innerhalb der venezianischen Regierung äußerst umstritten. Gegner dieser festländischen Expansion meinten, dass die Republik dadurch in Kämpfe außeritalienischer Großmächte verwickelt werden könnte. Und genau so ist es gekommen.
 
Ein Ausspruch von Papst Pius II. sagt viel über dieVenezianer aus: " Sie wollen vor der Welt als Christen gelten, aber in Wirklichkeit denken sie nie an Gott; nichts ist ihnen heiliger als ihr Staat, den sie wie eine Gottheit verehren. " Religion stand nicht an oberster Stelle im Denken absolut kapitalistisch ausgerichteten ,ausschließlich in Gewinn-und Verlust denkenden Staates. Das war ein Erfolgsrezept in einer, sonst von Adel und Klerus beherrschten Welt.
 
Ein Ausspruch von Papst Pius II. sagt viel über dieVenezianer aus: " Sie wollen vor der Welt als Christen gelten, aber in Wirklichkeit denken sie nie an Gott; nichts ist ihnen heiliger als ihr Staat, den sie wie eine Gottheit verehren. "

Diese Tatsache hat Papst Pius II. mit großem Realitätssinn erkannt.
Einer der Gründe, warum sich Venedig und die Päpste nie grün waren und sich stets misstrauisch beäugten.
 
Diese Tatsache hat Papst Pius II. mit großem Realitätssinn erkannt.
Einer der Gründe, warum sich Venedig und die Päpste nie grün waren und sich stets misstrauisch beäugten.
Der gleiche Papst zeigte aber auch eine gewisse Buwunderung für die Venezianer. Zitat: " Die Venezianer sind heute das mächtigste Volk zu Wasser und auf dem Lande und scheinen für das größere Imperium, das sie anstreben, nicht ungeeignet."
Bernardo Bembo, ein italienischer Adliger schrieb: "Alle Fürsten Italiens sind Tyrannen, ausgenommen der Doge von Venedig." Auch das unterschied Venedig vom Rest der damaligen Welt. Nicht ein unumschränkter Herrscher stand an der Spitze des Staates ,sondern ein gewähltes Oberhaupt, mit geringer politischer Macht. Ohne Zustimmung des Rates, der stets kaufmännischen Interessen den Vorzug gab, konnte er nichts beschließen. Der Doge galt als oberster Diener der Republik. Ziemlich modern inmitten einer feudalen Umgebung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bernardo Bembo, ein italienischer Adliger schrieb: "Alle Fürsten Italiens sind Tyrannen, ausgenommen der Doge von Venedig."

Dem war das schon per Verfassung untersagt. Die Dogen lebten in einem goldenen Käfig und die wenigen, die besonders in der Frühzeit dagegen rebellierten, wurden hingerichtet.
 
Genua war ,ebenso wie Venedig eine Republik von Händlern ,wies aber auch Unterschiede zu seinem großen Rivalen auf. War für die Venezianer alles zur Mehrung des Wohlstandes ihres Staates ausgelegt, so waren die Genuesen meist Einzelunternehmer, die auch untereinander konkurrierten und häufig vollkommen zerstritten waren. Setzte Venedig auf Diplomatie so war für Genua häufig die Gewalt die erste Option. Auch waren sie dem Seeraub mehr zugetan als die Venezianer. Als Beispiel sei die Piratenfamilie Grimaldi erwähnt, die Monaco im Handstreich eroberten. Reiche Reeder wie die Doria vermieteten ihre Kriegsgaleeren an europäische Fürsten und waren reine Kriegsunternehmer. Da Andrea Doria und seine Erben ihre Schiffe und Seeleute auch an Kaiser Karl V. und Phillip II. vermieteten, geriet Genua in der Renaissance immer mehr unter spanischen Einfluß , während Venedig seine Eigenständigkeit bis Napoleon bewahren konnte.
 
Danke für die Antworten! Hättet ihr vielleicht noch ein, zwei (prominente) Historikeransichten?
 
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