Verblendung von Dorfmetzgerei- und Bäckereifassaden mit Fliesen

rrttdd

Mitglied
Hallo,

hier im Rhein-Main-Gebiet / Südhessen und teilweise auch in der Pfalz ist mir folgendes aufgefallen:
In vielen Dörfern und Kleinstädten sind über die Jahre Bäckereien und Metzgereien leider immer mehr verschwunden. Geschäfte und Läden wurden aufgegeben und fanden keinen Nachfolger. Zum Teil gab es auch große Konkurrenz durch Supermärkte.

Wenn man durch diese Orte geht, kann man oft sehr schnell feststellen, wo früher der Bäcker und der Metzger war.

Denn im Gegensatz zu allen anderen Geschäften ist dort, in der Regel ausschließlich das Erdgeschoss, mit Fliesen verkleidet. Es fällt mir immer nur bei ehemaligen Bäckereien und Metzgereien auf. Bei der früheren Post oder Bank, bei früheren Bekleidungsgeschäften usw. gibt es niemals Fliesen.

Im Detail sind ehemalige Bäckereien meist mit braunen oder beigen Fassadenfliesen verkleidet, welche schmal sind und quer liegen (Riemchen-mäßig). Die große Altenative sind große, weiße Natursteinplatten.

Metzgereien sind weißlich, grünlich oder bläulich im EG verkleidet, seltener ebenfalls hellbeige. Das Fliesenformat ist meist deutlich größer, rechteckig und oft hochkant stehend. Oft glänzen sie noch stärker als die Fliesen der Bäckereien.

Bei neueren Bäckereien und Metzgereien wird so etwas nicht gemacht. Aber es scheint mir doch ein eklatanter Trend der späten 1950er bis 1970er Jahre zu sein. Nun frage ich mich natürlich, woher das kommt. Gab es z.B. eine Richtlinie oder Empfehlung der Innung o.ä., Bäckereien und Metzgerläden mit Fliesen zu verkleiden?
 
Bei Metzgereien liegt es doch auf der Hand: helle Fliesen sind sauber (Außenwirkung) und lassen sich gut reinigen und abwaschen. Das waren Handwerksbetriebe, sind sie ja heute meist nicht mehr, wenn es sie überhaupt noch gibt.
 
Der Sinn, die Fassade von Metzgereien und Bäckereien zu verfliesen, erschließt sich mir nicht. Auf dem flachen Land in Nordbaden und der Südpfalz sind viele Bäckereien über Generationen im Familienbesitz. Dabei hat man auch die Gebäude beibehalten. Und das sind überwiegend Fachwerkgebäude. Da sollte man nichts verfliesen.

Ein Urgroßvater meiner Frau war Fliesenleger aus dem Hessischen Hinterland. Der dürfte um 1920 nach Westfalen gezogen sein. Damals wurde eine Vorschrift eingeführt, dass Metzgereien ihre Räumlichkeiten aus hygienischen Gründen mit Fliesenboden und -wänden ausstatten mussten. In den damaligen Standorten der Montanindustrie war die wirtschaftliche Situation so, dass man Fliesenleger aus ländlichen Gegenden durch gute Bezahlung anlocken konnte. Die heimischen Fliesenleger konnten wohl die Aufgabe nicht allein in der vorgegebenen Zeit bewältigen. Solch eine Vorschrift war entweder Landesrecht (also Preußen) oder Provinzialrecht (= Westfalen ). Aber warum man auch die Außenwand verfliesen sollte?

Aber mir fällt auf, dass ein Schulkamerad aus den 1970er Jahren aus einer Metzgerfamilie stammt. Deren Metzgerei in einer süddeutschen Großstadt war auch außen verfliest. Das waren viereckige schwarze glöänzende Fliesen.
 
Schöner Link, Naresuan, den Du oben gesetzt hast. Und dort wurde auch des Rätsels Lösung verraten.

"Was vor dem Krieg vor allem in den Benelux-Ländern anzutreffen war – etwa in Bäckereien und Metzgereien – oder in Südeuropa aufgrund der kühlenden Wirkung von Kacheln als Ornamente über Häuserfassaden wuchs, gehörte schon bald zum Standardprogramm westdeutscher Häuserverkleidungen.

Zitat aus dem Link von Kölnarchitektur.de

Vielleicht war es einfach die Idee, durch Fassadenfliesen das Gebäude kühler zu halten.
 
Zurück
Oben