widerspruch:
die meisten kolonien sind noch unter bismark erworben/gegründet worden, auch wenn ihm das keine herzensangelegenheit war.
Das ist genau der Punkt (Hervorhebung von mir). Vergleichen wir Bismarck mit Wilhelm II., so haben wir zwei Männer von sehr unterschiedlichem Charakter. Bismarck in seiner Politik hoch aggressiv (was ihn ja bekanntlich überhaupt erst zum Preußischen Ministerpräsidenten werden ließ), aber auch berechnend und stets um ein Gleichgewicht seiner Gegner bemüht. Den Krieg mochte er nicht, aber nicht weil er ihn - ganz Kind seiner Zeit - etwa aus moralischen Erwägungen abgelehnt hätte, sondern weil er ihn so schwer kalkulierbar fand, wie Haffner schreibt.
Bismarck war ein Meister des Ausgleichs, ein Politiker, der gewissermaßen Schach spielte, seinem Gegner dabei immer drei Schritte voraus war und ihn schließlich matt setzte. Nur das erklärt die lange Friedensperiode zwischen dem Deutsch-Französischen und dem Ersten Weltkrieg in einer Zeit, in der die einander widersprechenden Interessen der europäischen Großmächte mehr als einen Anlass zum Krieg boten. Es war Bismarcks kunstvolles Mächtegleichgewicht, das unter Caprivi langsam, dann immer schneller erodierte und schließlich die Mittelmächte in der Isolation zurückließ.
Wilhelm, den Politik so langweilte, dass er in manchen Jahren 200 Tage auf Reisen und auf der Flucht vor seinen Kanzlern war, war in seinen Entscheidungen erschreckend impulsiv, dabei flatterhaft und ein schlechter Stratege. Nicht unintelligent und - wie selbst seine Gegner und Kritiker sagen - von schneller Auffassungsgabe, fehlte ihm das nötige Quäntchen Empathie. Er hat - so trivial dies klingen mag - nie gelernt, mit anderen Menschen inter pares umzugehen und das verhinderte jedes echte Verständnis für seine politischen Gegner.
innenpolitisch suchte er bestimmt keinen frieden (kulturkampf, sozialistengesetze), dass versuchte eher der junge kaiser.
Seine Politik des sozialen Ausgleichs, die ihn scheinbar so viel versöhnlicher gegenüber der Sozialdemokratie machte als Bismarck entsprang allein dem brennenden Wunsch, von seinen Untertanen geliebt und geachtet zu werden.
Nach dem Vorbild seines großen Vorfahren Friedrich II., wollte er als väterlicher Anwalt des kleinen Untertanen kurzzeitig sogar hart gegen die vom Streik bedrohten Unternehmer im Ruhrgebiet durchgreifen. Und wie Friedrich fand er hier seine casa Arnold.
Die bebelsche Verweigerungshaltung quittierte Wilhelm bald mit Unverständnis und Beleidigtsein. Dem kurzzeitigen paternalistischen Anbiedern folgte schon bald eine Politik der Ausgrenzung und Ablehnung der Arbeiter, die - für ihn unverständlich - sozialdemokratische Reichsfeinde zu ihren Anführern machten und sich in Gewerkschaften organisierten.
Außenpolitisch war Wilhelm der "Maulheld", der Frankreich (Marokkokrisen), China (Boxeraufstand) und England (Daily-Telegraph-Interview und Krüger-Depesche) gerne drohte, im Angesicht des bevorstehenden Weltkrieges aber selbst erschrak und die Vettern in London und St. Petersburg mit Brandbriefen zum Frieden aufrief.
So muss er wohl von der Schuld, einen Krieg gewollt herbeigeführt zu haben, frei gesprochen werden. Wenn dieses Wilhelminische Deutschland allerdings eine über vierzigjährige Epoche ohne Krieg und Revolution erlebte, dann trotz und nicht wegen dieses Mannes an seiner Spitze.