Vergleich zwischen totalitären und faschistischen Staaten in Europa

Und wenn man auf der Straße beim einkaufen war hat man nicht mit bekommen das man, wie sagt man heute so schön, in einer Filterblase gewesen ist?
Guter Punkt. Das berichtet Viktor Klemperer in seinen Tagebüchern - ohne einen Begriff für die Filterblase zu kennen: Er stellt fest, dass "Arier" gar nicht richtig mitbekommen, wie Juden eigentlich entrechtet werden und ziemlich früh auch schon, wie die von ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht so titulierte Lingua Tertii Imperii, auf den Begriff kommt er erst in den darauf folgenden Monaten und kürzt ihn schließlich LTI ab, so auch der Titel seines nach dem Krieg erschienenen Buches über die Sprache des Dritten Reichs, die Menschen beeinflusst. Er macht das an einem Jugendlichen aus seinem Bekanntenkreis mit, der sich selbst als "liberalistisch" bezeichnet. Liberalistisch anstatt liberal entspreche in der Wortbildung nationalsozialistisch, daraus schließt Klemperer, dass der Junge bereits wenige Monate nach der Machtergreifung die Sprache der Nazins inheriert habe. In LTI taucht diese Episode allerdings nicht mehr auf. Ob Klemperer sie in den zwölf Jahren vergessen hat, inzwischen anderer Meinung war oder aber sie nicht als belegkräftig genug empfand, muss offen bleiben.
 
In der Filterblase herrschte ein ganz eigenes Klima und die Kirche hatte auch ihre eigene Lingua. Die filterte eben auch. Stand 1928 war: “Ein anderes Grundprinzip, dessen Vertretung gerade für unsere Zeit und für unser Volk dringend und bitter nötig ist, ist die Freiheit, d.h. die äußere und innere Unabhängigkeit vom Staate. Ich hoffe, daß ich nicht mißverstanden werde. An Liebe zu unserem Volke, an wahrem Patriotismus lassen wir uns von niemandem übertreffen.”

Bis 1941 entwickelte sich das dahin: "Als von Gott in unser Volk gestellt und mit ihm innig verbunden, nehmen wir lebhaften Anteil am großen Geschehen unserer Zeit. In treuer und ernster Fürbitte stehen wir zum Führer. In Dankbarkeit gedenken wir unserer Wehrmacht und deren einzig dastehenden Leistungen. Dem allmächtigen Gott danken wir für das, was er dem Führer gelingen ließ und bitten ihn, er möge uns bald den Sieg schenken, damit unser Volk seine Aufgabe in der Völkerwelt ausrichten kann…"

Nein, man mußte die Kirche nicht zum Jagen tragen und ob der Staat einem pragmatischen Totalitarismus folgte, der diverse Filterblasen noch tolerierte und die Lösung dieser Frage auf die Zeit nach dem Krieg verschob könnte man sich vorstellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Von welcher Kirche redest du? Von der Freikirche deiner Eltern? Der Protestantischen Kirche? Der Katholischen? Aus welchen Kontexten stammen die Textschnippsel?
 
Wie ich schon oben erwähnte handelt es sich um die ev. Freikirche meiner Eltern. Die Zitate stammen aus Protokollen der jährlichen Konferenzen dieser Kirche.
 
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