Verschärfung der Krise durch das Ultimatum an Serbien von Österreich 1914

Sahum

Neues Mitglied
Hallo Leute,

ich bräuchte Hilfe bei meinen Geschichtshausaufgaben. Ich besuche die Klassenstufe 12 und bin im Geschichtsleistungskurs auf dem Gymnasium.

Es geht nur um diese 2 Fragen:
1. Warum setzte Österreich Serbien inhaltlich und zeitlich unter Druck?
2. Warum war es aus Sicht der Mittelmächte notwendig, schnell vollendete Tatsachen zu schaffen? (Als vollendete Tatsachen wird hier der schnelle Erfolg Österreichs gegen Serbien bezeichnet)

Ich habe mir selbstverständlich auch schon Gedanken zu dem Thema gemacht, aber ich denke das ist noch nicht tiefgreifend genug:

zu 1. Österreich wollte ja eigentlich eine kriegerische Auseinandersetzung mit Serbien und das Ultimatum muss ja folglich Serbien so unter Druck setzen, dass eine Einhaltung dessen gar nicht möglich ist. Überraschenderweise hat Serbien dennoch große Zugeständnisse an Serbien gemacht, da diese von Russland unter Druck gesetzt waren den Frieden zu wahren. Dennoch, obwohl nur 1 geforderter Punkt von Serbien nicht eingehalten wurde, lehnt Österreich das Angebot ab und bricht die diplomatischen Beziehungen ab.
Eigentlich war das Ultimatum als eine Reaktion auf die Ermordung von Ferdinand gedacht, um eine Kriegserklärung zu legitimieren, jedoch zeigt die Ablehnung des Angebots Österreichs, dass eine kriegerische Auseinandersetzung von vornherein geplant war, was den Nachteil mit sich bringt, dass die Tripple-Entente in den Krieg praktisch eingreifen muss.

zu 2. Schnelle, vollendete Tatsachen in Serbien wären nötig, damit sich der Krieg nicht in Europa ausbreitet und so auch Deutschland in eine miserable 2-Fronten-Situation mit britischer Beteiligung kommt. Würde Serbien schnell besiegt werden mit der Legitimation des Attentats, so droht also keine Eskalation des Konflikts, denn die Triple-Entente müsste sich nicht einmischen. Jedoch ist dieser Plan brüchig durch das langsame Verhalten Österreichs, das die Legitimation durch das Attentat immer unglaubwürdiger werden lässt.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir helfen könnt und gegebenenfalls auch Fehler meiner Antworten mit mir diskutiert.

Liebe Grüße
Sahum
 
Zu 1. Gut beschrieben.
Ergänzen könnte man, dass eine verhältnismäßig lange Zeit nach dem Attentat vergangen ist. Stellt sich die Frage: warum? Ein Aspekt war hier, sich fortlaufend des Rückhaltes des DR nach dem "Blankoscheck" zu vergewissern, sowie ein internes Ringen zwischen Gegnern und Befürwortern. Der Zeitpunkt wurde schließlich gewählt, weil Poincare sich auf dem Schiff und in Petersburg aufhielt, so dass die Rückreise angepasst wurde, um eine russisch-französische Abstimmung bei Zuspitzung der Krise unmöglich zu machen.

Zu 2. Auch richtig.
Hier ist ein Wendepunkt zu beachten, die Politik trat zunehmend in den Hintergrund, die Militärs mischten sich in das Geschehen nach dem 20.7. ein. Vorausgesetzt, man folgt der These zur deutschen Politik einer Risikostrategie in den ersten Wochen (um außenpolitisch Kapital aus der Krise zu schlagen), traten nun die Militärs mit ihren Bedenken und entsprechendem Druck auf den Plan, die Schubladenpläne erforderten ein schnelles Zuschlagen ("Kult der Offensive", Schlieffenplan, Plan XVII Frankreichs, Mobilmachungspläne und schnelle Aufmärsche mittels Eisenbahn). Zum Zeitpunkt 25.7. bestimmten diese militärischen Erwägungen zunehmend den Ablauf der Krise und damit auch die diplomatischen Aktivitäten.

Du findest im Forum einige Themen zu diesen Stichworten Kriegsausbruch, Julikrise, Blankoscheck usw.
 
Zu 1)
War es nicht sogar so, dass russische Diplomaten maßgeblich an der Antwortnote an Österreich-Ungarn beteiligt waren? Ich bin mir auch nicht soo sicher, dass es reine Friedensliebe der Russen gewesen war, dem Ballhausplatz so weit entgegenzukommen. Es könnte auch gut sein, das es darum ging, schon dafür Sorge zu tragen, die Schuldzuweisung an einen nicht unwahrscheinlichen Krieg von Serbien und auch Russland fernzuhalten.

Zu 2) Maßgebliche Teile der Spitze der Doppelmonarchie wollten diesen Kreig unbedingt, um mit Sebien "endgültig" abzurechnen. Allerdings ließ man dabei stäflicherweise den Faktor Russland weitesgehend zu unbeachtet.

Aus deutscher Sicht war es schlicht notwendig, wenn der der Schlieffenplan überhaupt Aussicht auf Erfolg haben sollte, den Gegner, hier zuerst Frankreich, sehr schnell entscheidend zu schlagen um dann sich mit den versammelten Kräften gegen Russland zu wenden. Zu diesem Zwecke war es wichtig, möglichst einen zeitlichen Vorsprung in der Mobilmachung zu haben, um dann eben vor den Franzosen "marschieren" zu können. Je länger die Krise andauerte, desto schlechter für das Reich.Nicht umsonst hat der Kaiser aber eben auch die Wilhelmstraße Österreich-Ungarn zu schnellen Handeln gedrängt.
 
War es nicht sogar so, dass russische Diplomaten maßgeblich an der Antwortnote an Österreich-Ungarn beteiligt waren? Ich bin mir auch nicht soo sicher, dass es reine Friedensliebe der Russen gewesen war, dem Ballhausplatz so weit entgegenzukommen. Es könnte auch gut sein, das es darum ging, schon dafür Sorge zu tragen, die Schuldzuweisung an einen nicht unwahrscheinlichen Krieg von Serbien und auch Russland fernzuhalten.

Ich meine auch, eine russische "Assistenz" bei der weit entgegen kommenden serbischen Antwortnote auf das ö-u. Ultimatum gelesen zu haben. Der materielle Inhalt dieser Antwort, entgegen dem brüsken und kriegsbereiten Ton des österreichischen Ultimatums, lässt doch aber gerade darauf schließen, die Krise auslaufen zu lassen.

Folgt man Hamilton/Herwig, Decisions for War 1914-1917, so liegt der Sinn dieses angestrebten russischen Zeitgewinns bzw. der Deeskalation in zwei Faktoren:
a) der diplomatischen Bestätigung, ob Frankreich und Großbritannien überhaupt im Kriegsfall und dann fest auf russischer Seite stehen würden, dieses in Ansehung des Ultimatums und einer ggf. veränderten Lage durch die serbische Antwort. Ebenso wurde diplomatisch auch durch die Signale der Teilmobilmachung und die diplomatische Zusicherung an Berlin, dieses gelte nur Wien im Fall der Bedrohung von Serbiens Existenz durch Krieg, auf Zeitgewinn gespielt. Heutige Erkenntnisse über die "militärischen Automatiken" würde ich nicht 1:1 in dem Sinn übertragen, dass für Russland die deutsche Reaktion eindeutig feststand. Dann machte die Teilmobilmachung, kombiniert mit Signalen an Berlin, keinen Sinn, es sei denn, man unterstellt Russland den ganz großen Kriegsplan 1914 (siehe aber b).
b) in der mangelnden russischen Kriegsbereitschaft vor dem Hintergrund des "Großen Planes" der Heeres- und Marine-Rüstung bis 1918. Vor dem Planhintergrund kam die Eskalation 1914 zu früh.

Sollte die weitreichede Antwortnote Serbiens von russischer Hand geführt worden sein, kann man dem auch die Annahme bzw. Absicht zugrunde legen, die Krise entschärfen zu wollen.
 
Zu 1)
War es nicht sogar so, dass russische Diplomaten maßgeblich an der Antwortnote an Österreich-Ungarn beteiligt waren? Ich bin mir auch nicht soo sicher, dass es reine Friedensliebe der Russen gewesen war, dem Ballhausplatz so weit entgegenzukommen. Es könnte auch gut sein, das es darum ging, schon dafür Sorge zu tragen, die Schuldzuweisung an einen nicht unwahrscheinlichen Krieg von Serbien und auch Russland fernzuhalten.


nicht zu vergessen ist die rolle von oberst alfred redl, der spion in russischen diensten, der den russen aufmarschpläne verraten hat.
 
Interessant in diesen Kontext ist der Präzedenzfall von 1868. 1868 wurde der serbische Fürst Mihailo auf dem Territorium der Donaumonarchie ermordet und serbischen Beamten wurde es hier gestattet eigene Ermittlungen anzustellen.
 
Völkerrechtlich ist das als Verlangen bis heute ausgeschlossen, siehe zB
http://www.unafei.or.jp/english/pdf/PDF_rms/no73/07_p18-p37.pdf
Es geht nur einvernehmlich oder aufgrund bilateraler Abspachen.

Man muss das wohl als souveräne Geste des "Großen" gegen den "Kleinen" sehen. Umgekehrt war das offenbar für Serbien 1914 nicht denkbar. Aber spielte das wirklich noch eine Rolle für das österreichische Vorgehen?
 
Völkerrechtlich ist das als Verlangen bis heute ausgeschlossen, siehe zB
http://www.unafei.or.jp/english/pdf/PDF_rms/no73/07_p18-p37.pdf
Es geht nur einvernehmlich oder aufgrund bilateraler Abspachen.

Man muss das wohl als souveräne Geste des "Großen" gegen den "Kleinen" sehen. Umgekehrt war das offenbar für Serbien 1914 nicht denkbar. Aber spielte das wirklich noch eine Rolle für das österreichische Vorgehen?

Natürlich nicht! Das Ultimatum hatte einzig das Ziel der Ablehnung, damit der Krieg entfesselt werden konnte.

Aber da wir gerade dabei sind: Rumänien war meines Wissens nach der einzige Staat, der Serbien zur bedingungslosen Annahme des Ultimatums geraten hat.
 
Die Frage ist wie viel wusste die serbische Führung über das Attentat wenigstens der Geheimdienst namentlich Dragutin Milutinovic wird davon gewusst haben und somit war man sicher vorbereitet. Auch die Zeitungen Serbiens haben eigentlich so geschrieben, dass man davon ausgehen kann das die Staatsspitze davon gewusst hat.

Was Serbien ablehnt war die Ermittlung durch österreichische Behörden in Serbien selbst was wohl sowieso kaum irgendetwas gebrachte hätte. In Serbien waren vielleicht die Initiatoren aber die Organisation Schwarze Hand war in Bosnien. Und die wichtigesten waren schon im Knast.

Die Annektion von Bosnien nach dem Herzegowina Aufstand hatte das Verhältnis zwischen der Monarchie und national gesinnten Serben entgültig zerstört.

Interessant in diesen Kontext ist der Präzedenzfall von 1868. 1868 wurde der serbische Fürst Mihailo auf dem Territorium der Donaumonarchie ermordet und serbischen Beamten wurde es hier gestattet eigene Ermittlungen anzustellen.

Mihailo wurde in einem Belgrader Park ermordet und nicht in Österreich Ungarn.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage ist wie viel wusste die serbische Führung über das Attentat wenigstens der Geheimdienst namentlich Dragutin Milutinovic wird davon gewusst haben und somit war man sicher vorbereitet. Auch die Zeitungen Serbiens haben eigentlich so geschrieben, dass man davon ausgehen kann das die Staatsspitze davon gewusst hat.

Was Serbien ablehnt war die Ermittlung durch österreichische Behörden in Serbien selbst was wohl sowieso kaum irgendetwas gebrachte hätte. In Serbien waren vielleicht die Initiatoren aber die Organisation Schwarze Hand war in Bosnien. Und die wichtigesten waren schon im Knast.

Die Annektion von Bosnien nach dem Herzegowina Aufstand hatte das Verhältnis zwischen der Monarchie und national gesinnten Serben entgültig zerstört.



Mihailo wurde in einem Belgrader Park ermordet und nicht in Österreich Ungarn.


Gemäß Clark war die serbische Regierung nicht uninformiert und man beschloss Wien einen diskreten Wink zu geben, der aber so formuliert worden war, das dieser nicht verstanden worden war.

Mihailo wurde in Belgrad ermordet? Danke für den Hinweis. Hast du eine Quelle? Meine ist Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg. Und weshalb wurden dann Ermittlungen in der Donaumonarchie erforderlich?
 
Grundsätzlich steht überall auch in Wikipedia, dass er im Park Košutnjak ermordet wurde zwischen den Belgrader Stadtteilen Rakovica und Cukarica.

Studio B :: Vesti :: Spomen plo?a Mihailu Obrenovi? u Ko?utnjaku

Ich hab dann noch extra geschaut ob diese Stadtteile über der Donau und Save sind und nein sind sie nicht.

http://www.znanje.org/i/i21/01iv02/01iv0218/opstine.gif

Warscheinlich gingen die serbischen Behörden davon aus das die Attentäter auch Kontekte zu Serben in Südungarn hatten, schon bei der Schaffung des serbischen Fürstentums waren österreichische Serben in der Politik verwickelt.
 
Grundsätzlich steht überall auch in Wikipedia, dass er im Park Košutnjak ermordet wurde zwischen den Belgrader Stadtteilen Rakovica und Cukarica.

Studio B :: Vesti :: Spomen plo?a Mihailu Obrenovi? u Ko?utnjaku

Ich hab dann noch extra geschaut ob diese Stadtteile über der Donau und Save sind und nein sind sie nicht.

http://www.znanje.org/i/i21/01iv02/01iv0218/opstine.gif

Warscheinlich gingen die serbischen Behörden davon aus das die Attentäter auch Kontekte zu Serben in Südungarn hatten, schon bei der Schaffung des serbischen Fürstentums waren österreichische Serben in der Politik verwickelt.

Okay, aber wie du sicher weißt, ist Wikipedia nicht immer das Maß der Dinge.:winke:
 
Ja stimmt mir persönlich ist es völlig unbekannt, dass in Österreich Ungarn ermittelt wurde, wird aber sicherlich stimmen.

Der Mord wurde ja nie aufgeklärt.
 
Entgegen dem was man heute in Sarajewo von den dortigen Politikern und leider teilweise Historikern hört scheinen die Österreicher auch bei der muslimischen Bevölkerung recht verhasst worden zu sein. Gleich nach der Annextion kommt es zum Exodus und was ich besonders stark finde vor allem unter Studenten zu serbisch-nationalen Gefühlen.

Einer von Gavrilos Komplizen Muhamed Mehmedba?i? - Wikipedia, the free encyclopedia.

Sowas gab es danach in dieser Breite nie wieder, vor allem nach der Agrarreform in Bosnien 1919 als man das Land der mächtigsten muslimischen Familien enteignete und nicht im gleichen Wert Entschädigung zahlte.
 
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