Versorgung eines stehenden Heeres

Karon12

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Hallo!

Ich suche einen ungefähren Richtwert, wieviel Landbevölkerung nötig war, um die ersten stehenden Heere (beispielsweise bei den Römern) zu versorgen.
Hat jemand da ein paar Zahlen oder vielleicht eine Quellenangabe?

Vielen Dank schon mal!

Karon12
 
Karon12 schrieb:
Hallo!

Ich suche einen ungefähren Richtwert, wieviel Landbevölkerung nötig war, um die ersten stehenden Heere (beispielsweise bei den Römern) zu versorgen.
Hat jemand da ein paar Zahlen oder vielleicht eine Quellenangabe?

Da wirst Du Probleme haben. Die Versorgung des Militärs bei den Römern wurde von den Zensoren ausgeschrieben. An der Ausschreibung für solche Staatsauftrage beteiligten sich die Publicani. Die staatliche Bürokratie war für solche Aufgaben nicht gerüstet.
(Die Bürokratie war zu dieser Zeit [spät. 3. Jh. v. Chr.] klein: 2 Konsuln, 2 Prätoren, 4 Ädilen und - einmal in einem Quinquennium - 2 Censoren, die jeweils vielleicht eine Hand voll Mitarbeiter hatten. Darunter kann man mit 8 Quästoren und ein paar mangelhaft überlieferte Magistrate und noch die 10 Tribunen ansetzen. Das war so ziemlich die gesamte zivile Executive, wobei die Konsuln, die Prätoren und einige Quästoren auch noch militäriche Aufgaben wahrnahmen)
Die ersten Lieferaufträge werden erst aus der Zeit des Krieges gegen Hannibal erwähnt, und dass wir aus dieser Zeit überhaupt etwas erfahren, hängt mit einem Ausnahmezustand leerer Staatskassen zusammen. Daher wurden diejenigen, die durch die Kriegslieferungen Gewinne erzielt hatten [daraus geht hervor, dass schon früher so verfahren worden ist] darum gebeten, den Bedarf der Truppen in Spanien auf Kredit zu decken. Die Aufträge schlossen Lebensmittel, Kleidung und was darüber hinaus für die Flotte benötigt wurde" ein. (Livius XXIII, 48,5). Die Bezahlung sollte erfolgen, sobald wieder genug Geld in der Staatskasse war. Drei Gesellschaften zeigten sich dazu gegen Bedingungen bereit, u.a. gegen staatliche Bürgschaft für die Verschiffung der Versorgungsgüter, also eine staatliche Frachtversicherung. Die Versteigerung wurde vom Prätor veranstaltet. Die gewaltigen Summen, die da bewegt wurden, führten zu diesen Zusammenschlüssen der Publicani in Gesellschaftsform. Livius rühmt die patriotische Gesinnung der 19 Gesellschafter, wohl weil er während der Niederschrift noch nichts vom Nachspiel wusste. Zwei Jahre später flog ein Versicherungsbetrug auf: 2 der Publicani hatten Seelenverkäufer mit Schrott auf die Reise geschickt und absaufen lassen, um die Versicherungssumme zu kassieren. (Livius XXV, 3,9 f.). Die beiden (T. Pomponius aus Veii und M. Postumius aus Pyrgi waren sicher equites, also bedeutende Männer. Aber das ist eine andere Geschichte.
Der terminus technicus bei Livius für solche Aufträge ist ultro tributa .
Was den Aufwand anbetrifft, so erfahren wir, dass der Senat 209 v. Chr. für den Krieg 4.000 Pfund Gold bereitstellte (Livius XXVII 10,11). Ein Teil ging an die Konsuln, ein Teil an die Prokonsuln und einen Prätor an die Front in Spanien, der Rest war für Heereslieferungen nach Spanien vorgesehen. Wie groß der Restbetrag war, lässt sich nicht sicher ermitteln. Der Text ist korrupt. Manche kommen auf 1400 Pfund, andere auf 1150. In Spanien standen 3 oder 4 Legionen (sicher ist man da auch nicht; Livius ist da unzuverlässig). Unter Berücksichtigung der Textvarianten kann man von einer Spanne von 287 1/2 und 1400 Pfund Gold für die Bekleidung einer Legion ausgehen (nach späterer röm Währung zwischen 290.000 und 470.000 Denaren; die Mitte liegt bei 380.000 Denaren). Viel später rühmt sich Cato Maior (Plut. Cato Maior 4), als Kommandeur immer den billigsten Proviant und die billigste Kleidung gekauft zu haben. Dabei erzählt er, dass die Kleidung ihn nie mehr als 100 Denare gekostet habe. Wenn man das auf die Legion in Standardgröße (4.200 Mann) umlegt, dann kommen 420.000 Denare heraus. Wenn man eine gewisse Inflation einkalkuliert, zeigt das, dass die Größenordnung so ungefähr stimmt. Aber man sieht auch die Größe der Schätzkorridors.

Mehr kann ich so aus der Schnelle auch nicht beisteuern.

Fingalo
 
Ich suche einen ungefähren Richtwert, wieviel Landbevölkerung nötig war, um die ersten stehenden Heere (beispielsweise bei den Römern) zu versorgen.

Vor, aber auch noch während der von Fingalo dargestellten Zeit der mittleren Republik wenn man von absoluten Notzeiten wie dem zweiten punischen Krieg absieht, war das Stellen der Ausrüstung ja Aufgabe der Soldaten selbst. Rom hatte ja eine Milizarmee, d.h. die römischen Kleinbauern folgten der Einberufung und brachten ihre eigene Ausrüstung mit zum Dienst. Daher entstanden dem Staat dadurch eigentlich keine Kosten. In der Frühzeit, der inneritalischen Kämpfe, gab es außerdem noch nicht mal Sold, die Legionäre kämpften ohne Sold. Dann bekamen sie eine geringe Aufwandsentschädigung für das Stellen der Waffen, und daraus entwickelte sich dann erst der Sold, so richtig eigentlich erst während des ersten punischen Krieges.

Die meisten Legionäre kamen aus der Schicht der römischen Kleinbauern, die römischen Bauernhöfe dieser Zeit hatten aber erstaunlich geringe landwirtschaftliche Flächen, zumeist gerade mal ausreichend für eine Subsidenzwirtschaft. Wenn man da den damaligen Wert der Waffen und die möglichen Überschüsse eines solchen Betriebes verrechnet, mussten die de facto alles in ihre Waffen investieren was übrig blieb.

Dem gebenüber steht die Kriegsbeute mit der man seine Waffen finanzieren konnte und die bei manchem wohl auch für Jahre zusätzlich den Lebensunterhalt sicherte. Bei solchen Kriegen wie dem zweiten punischen Krieg fiel jahrelang keine solche Beute an, und die sehr geringe Wirtschaftsleistung der Kleinbauern konnte die Kriegskosten nicht mehr decken, daher kam es dann wie von Fingalo dargestellt zur Übernahme dessen durch den Staat.

Zur Größe und Produktionskraft der römischen Bauernhöfe habe ich Zahlen, aber die kann ich erst Freitag abend nachsehen.
 
Wenn ich die Fragestellung richtig interpretiere geht es um stehende Heere. Darunter würde ich die republikanischen Legionen nicht gerade einordnen.
Im eigentlichen Sinne stehend waren da erst die Legionen ab Augustus. Nach den Römern ist allerdings meines Wissens in Westeuropa für lange Zeit Schluß mit stehenden Heeren.
Erst zu Beginn der Neuzeit, mit dem Aufstieg Preußens, würde ich den Begriff "stehendes Heer" wieder festmachen wollen. Allerdings kann man die Versorgung der antiken stehenden Heere und die der preußischen langen Kerls nicht über einen Kamm scheren. Also was genau willst du wissen, lieber Karon12?
 
Quintus Fabius schrieb:
Vor, aber auch noch während der von Fingalo dargestellten Zeit der mittleren Republik wenn man von absoluten Notzeiten wie dem zweiten punischen Krieg absieht, war das Stellen der Ausrüstung ja Aufgabe der Soldaten selbst. Rom hatte ja eine Milizarmee, d.h. die römischen Kleinbauern folgten der Einberufung und brachten ihre eigene Ausrüstung mit zum Dienst.
Hmmm. Diese Version kenne ich zwar, aber wenn ich mir so einen Marsch von Italien nach Spanien vorstelle, dürfte die Kleidung jedenfalls nicht mehr einsatzfähig gewesen sein. Die gingen ja nicht auf Asphalt über die Pyrenäen. Und die Ausschreibung für Heereslieferungen ist auch öfter belegt. Und wenn die Soldaten die Kleidung mitbrachten, warum musste dann bei leeren Staatskassen die Kleidung gekauft werden? :kratz:
Außerdem war die Beschaffung von so viel Material ohne große logistische Erfahrung gar nicht möglich. Es gab ja keine Fabriken. Das musste bis in die einzelenen haushalte in Heimarbeit weitergegeben werden. Das hätten die Publicani auch in einer Notlage nicht aus dem Stand geschafft. Da muß ein langes know how vorgelegen haben.
Soweit ich weiß, wurde das Argument der Notlage von Teney Frank benutzt, der meinte, die Versorgung habe normalerweise der Staat selbst mit eigenen Kräften vorgenommen, und nur wegen der Notlage habe man sich privater Gesellschaften bedient (Economy Survey of Ancient Rome, 1933).
Im Makedonischen Krieg hat der Prätor den Publicani die gesamte Beschaffung der Lebensmittel überlassen. Livius sagt, dass die Publicani einen Auftrag für 6000 Togen und 30.000 Tuniken und 200 numidische Pferde nach Makedonien zu bringen, vom Prätor erwarben, während das Getreide den Epiroten vor Ort abgekauft worden sei.

Quintus Fabius schrieb:
Wenn man da den damaligen Wert der Waffen und die möglichen Überschüsse eines solchen Betriebes verrechnet, mussten die de facto alles in ihre Waffen investieren was übrig blieb.
Zu Waffen hatte ich mich nun nicht geäußert.

Quintus Fabius schrieb:
Dem gebenüber steht die Kriegsbeute mit der man seine Waffen finanzieren konnte und die bei manchem wohl auch für Jahre zusätzlich den Lebensunterhalt sicherte. Bei solchen Kriegen wie dem zweiten punischen Krieg fiel jahrelang keine solche Beute an, und die sehr geringe Wirtschaftsleistung der Kleinbauern konnte die Kriegskosten nicht mehr decken, daher kam es dann wie von Fingalo dargestellt zur Übernahme dessen durch den Staat.
?? Wie sollte die Wirtschaftsleistung eines Kleinbauern einem Legionär in Spanien überhaupt helfen? Hätten ihm die Lieben daheim Geld oder eine Tunika nachgeschickt, wenn sie gekonnt hätten? Und wenn er dort seinen Jahressold von 120 Denaren (ohne Abzüge für die Verpflegung) bekam, an wen sollte er sich wenden, eine neue Tunica genäht zu bekommen?
Die Beute aus den Kriegen floss nach Rom zurück! Livius berichtet von einem Rückfluss nach Rom im Jahre 167 von 110 Millionen Denaren! Was die Soldaten bekamen, bestimmte der Kommandeur nach eigenem Ermessen (Mommsen, Staatsrecht I, 241). Aber die Legionäre konnten nicht irgendwo hingehen, und eine Tunica kaufen.

Fingalo

Vielleicht nennst Du auch Quellen? Die waren auch gefragt.
 
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Marbod schrieb:
Wenn ich die Fragestellung richtig interpretiere geht es um stehende Heere. Darunter würde ich die republikanischen Legionen nicht gerade einordnen.
Im eigentlichen Sinne stehend waren da erst die Legionen ab Augustus. ... Also was genau willst du wissen, lieber Karon12?
Da hast Du natürlich recht.
Aber ich dachte, vielleicht ist das, was ich hier finde, besser als gar nichts.
:p

Fingalo
 
fingalo schrieb:
Livius berichtet von einem Rückfluss nach Rom im Jahre 167 von 110 Millionen Denaren! Was die Soldaten bekamen, bestimmte der Kommandeur nach eigenem Ermessen (Mommsen, Staatsrecht I, 241). Aber die Legionäre konnten nicht irgendwo hingehen, und eine Tunica kaufen.
Vielleicht nennst Du auch Quellen? Die waren auch gefragt.
Livius berichet auch von Unruhen, als ein Konsul einen Großteil der Beute zurückfordert, da die Armee ihn nicht verdient hätte...
Das darf man nicht über einen Kamm scheren.
Wie viel und was genau das Milizheer nun gestellt bekommen hat ist großem Wandel unterworfen und Stellenweise nicht nachvollziehbar...

Davon ganz abgesehn ist ein Milizheer genau dass, was die Fragestellerin nicht braucht, auch wenn der Wissensstand darüber sicher nicht schaden kann.

Um auf die Frage "Wie viel Bevölkerung um ein großes stehendes Heer zu unterhalten":
Die Frage kannst du nicht beantworten. Dabei stünde die Frage "urbane Bevölkerung, Landbevölkerung", wie hoch sind die Landerträge....
Über die Versorgung etwa der augusteischen Legionen kannst du etwas in "Die Legionen des Augustus und über die römische Versorgung im "Panis Militaris" des Herrn Junkelmann erfahren. Die Lektüre empfehle ich auch.
Falls du gar nicht dran kommst resümiere ich darüber.
Ganz anders sieht die Versorgungslage heute aus.... Daher das Problem.
Du mußt also leider exakt eingrenzen, um eine klare Antwort zu bekommen.
 
Schwierige Frage:
Laut der Schätzung von Chantraine kann man davon ausgehen, dass sich die Gesamteinnahmen des Imperiums im 1. Jahrhundert n. Chr. auf etwa 750 Mio. Sesterze beliefen (ohne die Einnahmen für die lokale Selbstverwaltung). Unter Vespasian kam es dann zu einer Steuererhöhung, wodurch man für die Zeit nach 70 n. Chr. mit jährlichen Einnahmen von rund 1 000 Millionen Sesterze ausgehen kann.
Nun zu den Militärkosten:Nach der Solderhöhung Domitians und der Aushebung neuer Legionen (auf deren 30), betrugen die Unterhaltskosten für das Militär gegen Ende des 2. Jahrhunderts nahezu 600 Mio. Sesterze (ohne Donative).
 
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Ergänzung

Meinen Eintrag von gestern möchte ich zur besseren Übersicht noch ein wenig ergänzen:
Der Jahressold eines Legionärs wurde von Domitian auf 1.200 Sesterze erhöht. Das macht bei einer Sollstärke von 5.500 Mann etwa 66.00000 Mio. Sesterze. Jedoch wurde von dem Jahressold ein bestimmter Teil wieder einbehalten, um besondere Kosten zu decken (z. B. neue Schuhsohlen etc.). Der Sold für die Auxiliarsoldaten war entsprechend niedriger. Im 2. Jahrhundert n. Chr. verdient ein Auxiliarsoldat in der Infanterie 400 Sesterze p. a., in der Kavallerie, je nachdem ob in Kohorte oder Ala, 600 oder 800 Sesterze p. a. Der Tageslohn eines einfachen Arbeiters unter Tiberius lag bei 4 Sesterzen. Wie er sich in der Folgezeit entwickelt hat, kann ich nicht sagen. Jedoch war der Verdienst eines Arbeiters je nach Region verschieden.
Das Gros der Steuern wurde im Landwirtschaftlichen Sektor eingenommen, und damit in einem Bereich, der in der Regel Ertragsschwankungen ausgesetzt war.
 
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Schon mal Danke für die vielen Antworten.
Das Thema scheint doch komplizierter zu sein, als ich dachte.

Mir geht es eigentlich nur um die reine Versorgung mit Nahrungsmitteln.
Ausrüstung und Sold können da außen vor bleiben.

Mein Problem ist, dass ich zur Zeit eine Geschichte schreibe, in der ein einem fiktiven Land, dass ungefähr auf dem technischen Stand des späten Mittelalters ist, ein stehendes Heer versorgt werden muss. Jetzt möchte ich die Heeresgröße im Verhältnis zur Bevölkerung nicht übertreiben.
Die Römer waren nur ein Beispiel, weil es halt, nach meinem Wissen, im Mittelalter eigentlich keine stehenden Heere gab.

Der Link von butterkeks hat mir da schon ein gutes Stück weitergeholfen.
 
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