Verwaltung einer Stadt um 1300

Lothenon

Neues Mitglied
Hallo,
Ich frage mich, wie es denn mit der Verwaltung einer kleinen Stadt um 1300 ausgesehen haben mag.

Konkret geht es mir um Camberg in Hessen: Der Ort bekam 1281 seine Stadtrechte durch König Rudolf I. verliehen und war den Grafen von Diez unterstellt.
Auf 1404 datiert das früheste bekannte Gerichtssiegel des Amtes Camberg, sodass man spätestens ab da von einem Amtmann ausgehen darf, und der 1605 erbaute Amthof steht auf alten Fundamenten, von denen man ggf. annehmen darf, dass sie von einem früheren Amtsgebäude stammen.

Aber jetzt wieder allgemein: Wie kann ich mir das also vorstellen?
Wurde sofort mit Vergabe der Stadtrechte ein Amt eingerichtet und ein Amtmann eingesetzt, oder schickte der Graf einen Verwalter in Form eines Kellers oder etwas vergleichbarem? Oder wurde für so etwas ein Truchsess eingesetzt, ein Ministerialer gar, oder gab es am Ende schon Beamte, wie wir uns das heute vorstellen?


Für allgemeine Hinweise wäre ich sehr dankbar, und wenn jemand zufällig etwas konkret über Camberg weiß wäre das natürlich noch viel besser :)
 
Zwar kann ich nichts direkt zu Camberg beisteuern, aber vielleicht etwas Grundsätzliches dazu, wie sich die diesbezüglichen Entwicklungen in mittelalterlichen Städten gestalteten.
Dazu möchte ich (die "alten Hasen" im Forum wissen wahrscheinlich, was jetzt kommt) aus Wilhelm Volkert "Adel bis Zunft: Ein Lexikon des Mittelalters" - C.H. Beck - München, 1991 auszugsweise zitieren:
Die Stadt als Sozial- und Rechtsgemeinschaft schrieb:
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... auch Angehörige des Adels, besonders aus dem Ministerialenstand, erwarben Grundstücke und Häuser in den Städten. Sie bildeten zusammen mit den Großkaufleuten schon bald (d.h. ab dem 12. Jh. - Anm. von mir) die städtische Führungsschicht der Ratsbürger...
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Die Rechtsordnung der Städte war herrschaftlich organisiert; in aller Regel war der König als Garant des Marktfriedens oberster Stadtherr. An seine Stelle traten durch Weiterverleihung geistliche und weltliche Fürsten in die Stadtherrenfunktionen ein. Besonders die weltlichen Fürsten haben seit dem 13. Jh. durch die zahlreichen Gründungsstädte ihre Position als Inhaber der Statdtherrschaft stark ausgebaut...
Von den gegen Ende des Mittelalters bestehenden 3000 Städten waren etwa 80 Reichsstädte, die seit dem 13. Jh. Zugang zum Reichstag fanden. Die Masse der Städte stand unter der Stadtherrschaft der Reichsfürsten, die dadurch ihre Territorialherrschaft wesentlich verstärkten...
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Die rechtliche Sonderstellung der Bürgergemeinde, "die Stadt im Rechtssinn", entwickelte sich seit dem frühen 12. Jh., indem die Bürger in genossenschaftlicher Weise Einfluß auf die Regelung der städtischen Angelegenheiten erhielten und damit die Grundlage für die kommunale Selbstverwaltung legten. Die führenden Stadtgeschlechter, besonders aus der Kaufmannschaft, schlossen sich zuerst in den rheinischen Bischofsstädten (z.B. Köln, Mainz, Worms u.a.) zu Schwurverbänden zusammen und lehnten sich gegen die bischöfliche Stadtherrschaft auf. Hier ertrotzten sich die Bürger Frieheitsrechte, im Laufe des 12. und 13. Jh. gewährten viele Stadtherren solche Rechte durch Privilegien. Viele Angelegenheiten der Handels- und Marktaufsicht, der Gewerbe- und Lebensmittelkontrolle, der Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei konnten die Bürger selbst regeln.
Nachdem die Genossenschaft der führenden Bürger immer mehr kooperative Gestalt annahm und zur "communitas civium" mit eigener Rechtspersönlichkeit geworden war, mußte zwangsläufig ein Organ geschaffen werden, das für die Körperschaft rechtsverbindlich handeln konnte. Die Rechtspersönlichkeit der Stadt trat in alten Kommunitäten seit dem 12. Jh. deutlich in Erscheinung durch das Stadtsiegel. Der Siegelstempel, der in manchen Städten der Frühzeit sich zunächst im Gewahrsam des Stadtherrn befand, wurde in Händen des vom Stadtherrn eingesetzten Rates zum Symbol der städtischen Autonomie.
Der städtische Rat stellt sich von Anfang an als kollegiales Organ gleichberechtigter Mitglieder dar, die durch Mehrheitsbeschluß die Entscheidungen trafen. Im allgemeinen bildeten zwölf Männer den Rat; es gab jedoch auch Stadträte, die 24, 40 oder auch noch mehr Mitglieder hatten. Zugang zum Rat hatten die Angehörigen der städtischen Oberschicht, in den Reichsstädten die Patrizier, in den Landstädten die Ratsbürger. Die Amtszeiten waren kurz, meist ein Jahr. Doch fanden sehr häufig Wiederwahlen aus dem Kreis der städtischen Oligarchie statt.
Der Rat wurde zur städtischen Obrigkeit, die das Recht hatte, allgemein verbindliche Anordnungen für alle Stadtbewohner zu treffen. Dieses kommunale "Satzungsrecht" trat neben das vom Stadtherrn gewährte Privilegienrecht. In den Reichsstädten lag die politische Führung beim Rat und den Bürgermeistern; in den Landstädten dominierte häufig die Aufsicht durch den Landesherrn und seine Beamten. Innerhalb der Stadt übte der Rat die innere Verwaltung im Wirtschaftsleben, in der Bauordnung, in der Feuer-, Gesundheits- und Sicherheitspolizei, im Befestigungswesen, bei der Bürgeraufnahme und bei der Besteuerung der Bürger aus.
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In Städten, in denen seit dem 14. Jh. die Zünfte Mitwirkung an der Stadtverwaltung verlangten, kam es zu dieser Zeit zur Bildung eines äußeren, größeren Rates, der sich jedoch gegenüber dem inneren Rat als eigentlichen Leitungsgremium der Stadt in den meisten Fällen nicht in entscheidender Weise durchsetzen konnte. Dies galt noch mehr für die Bürgerversammlungen, die in Krisensituationen der Stadtentwicklung wohl die politische Meinungsbildung innerhalb der Stadt beeinflußten, zur nachhaltigen politischen Willensbildung und zur eigentlichen Handlungsfähigkeit aber wenig in der Lage waren.
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