Da ich seit einigen Jahren in der Erwachsenenbildung tätig bin und dabei viel Zeit darauf verwende ("Du bis ja Germanist"), innerbetrieblich Deutschunterricht zu geben, meine Schüler zum Großteil aus Osteuropa kommen, mache ich immer wieder unsystematische Beobachtungen, die mich faszinieren.
Teilweise kann ich dabei auf linguistisches Fachwissen zurückgreifen, teilweise bilde ich aber auch ad-hoc-Hypothesen.
Z.B. beobachte ich, dass Bulgarisch und Russisch sich phonetisch sehr ähnlich sind, aber oft im Vokabular von einander abweichen, wobei es mir dann scheint, dass das Bulgarische eine Wortschatz speziell mit dem Polnischen teilt, den es mit anderen slawischen Sprachen nicht teilt. Hier habe ich den Verdacht, dass es sich um eine ad hoc-Hypothese handelt.
Beim Ukrainischen, das mir im Konsonantismus konservativ erscheint, beobachte ich einen innovativen Vokalismus, vor allem scheint mir -o- in anderen anderen slawischen Sprachen im Ukrainischenauffällig oft -i- zu sein. Auch dies natürlich eine ad-hoc-Hypothese.
Interessant ist immer wieder die Entlehung. Zum Beispiel der Dolmetscher, das Wort kommt ja aus dem Ungarischen (tolmács), und findet sich um Polnischen als tłumacz wieder.
Handelswaren und Moden sind durchaus interessant, aber auch Verwaltung.
Bürgermeister und Rathaus. Im Polnischen semantisch sinnentleert: Burmistrz, ratusz. Im Ukrainischen und Russischen setzt sich das Rathaus fort (ратуша) aber der Bürgermeister ist der frz. maire: Мэр (russ.) bzw. Мер (ukr.) (bitte daran denken, dass kyrill. -р- lat. -r- ist. Also nicht -р- mit -п- verwechseln).
Während für uns die Pommeranzen die Bitterorangen sind, die man eigentlich allenfalls in britischer marmelade verzehrt, ist für Polen pomarańcz die Süßorange, die Bitterorange is tgorzka pomarańcza. Interessanter hier das Russische, Ukrainische und Baltische: hier wird die Orange in Apelsinas (Litauisch) Apelsīns (Lettisch) Apelsinine (Estnisch) und Апельсин (russ./ukr.) übertragen. Wenn ich die Teilnehmer meiner Sprachkurse frage, ob sie ein alternatives Wort im Deutschen für die Orange wüssten sind diese immer ganz überrascht über die Apfelsine. Die Osteuropäische Form spiegelt wohl die niederländische oder niederdeutsche Form wieder - das deutsche Wort ist ja seinerseits ein niederländisches Lehnwort..
Interessant finde ich auch das Wortfeld rund um Butter und Öl.
Im Polnischen ist Öl olej und im Ukrainischen oлія. Butter ist masło bzw. масло. Im Russischen ist beides масло. Im Rumänischen wiederum scheinen die Oliven, von denen wir doch erwarten würden, dass sie ein lateinisches Eytmon hätten, von einem slawischen Begriff für 'Fett' abgeleitet zu sein: măsline, Olivenöl Ulei de măsline. Butter ist hingegen im Rumänischen unt.
Interessant sind auch modische Erscheinungen, vielleicht von Händlern aus dem 19. Jhdt. Was wir auf gut deutsch mit dem eingedeutschen frz. Begriff Koteletten bezeichen, heißt im Polnischen bokobrody, im Ukrainischen und Russischen бакенбарди bzw. бакенбарды ("bakenbardi").
Bei einigen rumänischen Worten muss ich immer an die Unterscheidung des Keltischen ins p- und ins q-Keltische denken: [kw] (und fallweise auch [k]) wird zu [p]
aqua > apă
quattro > patru
octo > opt
(aber quinque > cinci (klingt für deutsche Ohren "tschintsch(i)")
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Teilweise kann ich dabei auf linguistisches Fachwissen zurückgreifen, teilweise bilde ich aber auch ad-hoc-Hypothesen.
Z.B. beobachte ich, dass Bulgarisch und Russisch sich phonetisch sehr ähnlich sind, aber oft im Vokabular von einander abweichen, wobei es mir dann scheint, dass das Bulgarische eine Wortschatz speziell mit dem Polnischen teilt, den es mit anderen slawischen Sprachen nicht teilt. Hier habe ich den Verdacht, dass es sich um eine ad hoc-Hypothese handelt.
Beim Ukrainischen, das mir im Konsonantismus konservativ erscheint, beobachte ich einen innovativen Vokalismus, vor allem scheint mir -o- in anderen anderen slawischen Sprachen im Ukrainischenauffällig oft -i- zu sein. Auch dies natürlich eine ad-hoc-Hypothese.
Interessant ist immer wieder die Entlehung. Zum Beispiel der Dolmetscher, das Wort kommt ja aus dem Ungarischen (tolmács), und findet sich um Polnischen als tłumacz wieder.
Handelswaren und Moden sind durchaus interessant, aber auch Verwaltung.
Bürgermeister und Rathaus. Im Polnischen semantisch sinnentleert: Burmistrz, ratusz. Im Ukrainischen und Russischen setzt sich das Rathaus fort (ратуша) aber der Bürgermeister ist der frz. maire: Мэр (russ.) bzw. Мер (ukr.) (bitte daran denken, dass kyrill. -р- lat. -r- ist. Also nicht -р- mit -п- verwechseln).
Während für uns die Pommeranzen die Bitterorangen sind, die man eigentlich allenfalls in britischer marmelade verzehrt, ist für Polen pomarańcz die Süßorange, die Bitterorange is tgorzka pomarańcza. Interessanter hier das Russische, Ukrainische und Baltische: hier wird die Orange in Apelsinas (Litauisch) Apelsīns (Lettisch) Apelsinine (Estnisch) und Апельсин (russ./ukr.) übertragen. Wenn ich die Teilnehmer meiner Sprachkurse frage, ob sie ein alternatives Wort im Deutschen für die Orange wüssten sind diese immer ganz überrascht über die Apfelsine. Die Osteuropäische Form spiegelt wohl die niederländische oder niederdeutsche Form wieder - das deutsche Wort ist ja seinerseits ein niederländisches Lehnwort..
Interessant finde ich auch das Wortfeld rund um Butter und Öl.
Im Polnischen ist Öl olej und im Ukrainischen oлія. Butter ist masło bzw. масло. Im Russischen ist beides масло. Im Rumänischen wiederum scheinen die Oliven, von denen wir doch erwarten würden, dass sie ein lateinisches Eytmon hätten, von einem slawischen Begriff für 'Fett' abgeleitet zu sein: măsline, Olivenöl Ulei de măsline. Butter ist hingegen im Rumänischen unt.
Interessant sind auch modische Erscheinungen, vielleicht von Händlern aus dem 19. Jhdt. Was wir auf gut deutsch mit dem eingedeutschen frz. Begriff Koteletten bezeichen, heißt im Polnischen bokobrody, im Ukrainischen und Russischen бакенбарди bzw. бакенбарды ("bakenbardi").
Bei einigen rumänischen Worten muss ich immer an die Unterscheidung des Keltischen ins p- und ins q-Keltische denken: [kw] (und fallweise auch [k]) wird zu [p]
aqua > apă
quattro > patru
octo > opt
(aber quinque > cinci (klingt für deutsche Ohren "tschintsch(i)")
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